Arbeitsrecht: Frage nach Schwangerschaft ist auch bei Schwangerschaftsvertretung unzulässig

bei uns veröffentlicht am26.02.2013
Zusammenfassung des Autors

dies gilt auch, wenn nur ein befristeter Arbeitsvertrag begründet werden soll - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin

Der Arbeitgeber kann unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise keine Aufklärung über das Bestehen einer Schwangerschaft seitens der Bewerberin verlangen. Dies gilt auch, wenn nur ein befristeter Arbeitsvertrag begründet werden soll und feststeht, dass die Bewerberin während eines wesentlichen Teils der Vertragslaufzeit nicht arbeiten kann.

Diese für den Arbeitgeber schmerzliche Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Fall eines Arbeitgebers, der eine Schwangerschaftsvertretung suchte. Nachdem der Vertrag mit der Bewerberin geschlossen war, stellte sich heraus, dass auch sie schwanger war. Der Arbeitgeber erklärte daraufhin die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung.

Das LAG machte jedoch deutlich, dass die Anfechtung unwirksam sei. Die Bewerberin sei bei Vertragsschluss nicht verpflichtet gewesen, das Bestehen der Schwangerschaft zu offenbaren. Ein Verschweigen von Tatsachen stelle nur eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Aufklärungspflicht bestehe. Im Hinblick auf eine Schwangerschaft sei dies nach den Geboten von Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zur Vermeidung einer Geschlechtsdiskriminierung nicht der Fall. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass von Anfang an ein befristeter Arbeitsvertrag zwischen den Parteien in Rede gestanden habe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei die Frage nach der Schwangerschaft auch unzulässig, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag begründet werden solle, und feststehe, dass die Bewerberin aufgrund der Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils der Vertragslaufzeit nicht arbeiten könne (LAG Köln, 6 Sa 641/12; EuGH, C-109/00).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

Der Højesteret hat dem Gerichtshof mit Beschluss vom 21. 3. 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 23. 3. 2000, gem. Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 5 I der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) und des Artikels 10 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. 10. 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie i.S. des Artikels 16 I der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Telefonunternehmen Tele Danmark A/S (im Folgenden: Tele Danmark) und dem Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund i Danmark (HK) (Zusammenschluss der kaufmännischen und Büroangestellten) als Beauftragtem von Frau Brandt-Nielsen wegen deren Entlassung durch das genannte Unternehmen.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

Die Richtlinie 76/207 bezweckt die Durchsetzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zum beruflichen Aufstieg, zur Berufsbildung und in Bezug auf die Arbeitsbedingungen.

Artikel 3 I der Richtlinie 76/207 bestimmt:

Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beinhaltet, dass bei den Bedingungen des Zugangs - einschließlich der Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen - unabhängig vom Tätigkeitsbereich oder Wirtschaftszweig - und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erfolgt.“

Artikel 5 I der Richtlinie lautet:

Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen beinhaltet, dass Männern und Frauen dieselben Bedingungen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts gewährt werden.“

Die Richtlinie 92/85 bezweckt nach ihrer fünfzehnten Begründungserwägung insbesondere, schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillende Arbeitnehmerinnen vor der Gefahr zu schützen, wegen ihres Zustands entlassen zu werden, was sich schädlich auf ihre physische und psychische Gesundheit auswirken würde.

In Artikel 10 I der Richtlinie 92/95 heißt es:

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen ... während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs ... zu verbieten; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muss.“

In der vierzehnten Begründungserwägung der Richtlinie 92/85 wird festgestellt, dass die Empfindlichkeit der schwangeren Arbeitnehmerin, der Wöchnerin oder der stillenden Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub erforderlich macht. Dieser Anspruch ist in Artikel 8 der Richtlinie vorgesehen, der wie folgt lautet:

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass den Arbeitnehmerinnen i.S. des Artikels 2 ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird, die sich entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilen.

(2) Der Mutterschaftsurlaub gem. I muss einen obligatorischen Mutterschaftsurlaub von mindestens zwei Wochen umfassen, die sich entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilen.“

Nationales Recht

§ 9 des Lov om ligebehandling af mænd og kvinder med hensyn til beskæftigelse og barselsorlov m.v. (Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Beschäftigung und des Mutterschafts-/Elternurlaubs u. a., im Folgenden: Gleichbehandlungsgesetz) lautet:

Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer nicht entlassen, weil dieser gem. § 7 wegen Schwangerschaft, Entbindung oder Adoption einen Anspruch auf Ausübung seines Rechts auf Abwesenheit vom Arbeitsplatz geltend gemacht hat oder vom Arbeitsplatz abwesend war.“

In § 16 des Gleichbehandlungsgesetzes heißt es:

1. Wird ein Arbeitnehmer unter Verstoß gegen § 9 entlassen, so kann die Entlassung auf Antrag aufgehoben werden, es sei denn, dass die Forderung der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses im Einzelfall bei Abwägung der Interessen beider Parteien offenbar unbillig erscheint.

2. Wird ein Arbeitnehmer unter Verstoß gegen § 9 entlassen und wird die Entlassung nicht aufgehoben, so muss der Arbeitgeber eine Entschädigung zahlen.

...

4. Erfolgt die Entlassung während der Schutzfrist wegen Schwangerschaft, Niederkunft oder Adoption, so hat der Arbeitgeber zu beweisen, dass die Entlassung nicht aus diesem Grund erfolgt ist.

...“

Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorabentscheidungsfragen

Im Juni 1995 wurde Frau Brandt-Nielsen von der Tele Danmark für einen Zeitraum von sechs Monaten ab 1. 7. 1995 für eine Tätigkeit im Kundendienst für Mobiltelefonkunden eingestellt. Zwischen den Vertragsparteien wurde beim Einstellungsgespräch vereinbart, dass Frau Brandt-Nielsen in den ersten beiden Monaten ihres Beschäftigungsverhältnisses an einer Schulung teilnehmen sollte.

Im August 1995 teilte Frau Brandt-Nielsen der Tele Danmark mit, dass sie schwanger sei und voraussichtlich Anfang November entbinden werde. Wenig später, am 23. 8. 1995, wurde ihr Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. 9. mit der Begründung gekündigt, sie habe die Tele Danmark bei ihrer Einstellung nicht über ihre Schwangerschaft unterrichtet. Frau Brandt-Nielsen arbeitete während des ganzen Monats September.

Nach dem anwendbaren Tarifvertrag hätte Frau Brandt-Nielsen Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsurlaub gehabt, der acht Wochen vor dem voraussichtlichen Geburtstermin, d. h. am 11. 9. 1995, begonnen hätte.

Am 4. 3. 1996 verklagte der HK als Bevollmächtigter von Frau Brandt-Nielsen die Tele Danmark vor dem Ret Århus auf Zahlung von Schadensersatz mit der Begründung, die Entlassung von Frau Brandt-Nielsen verstoße gegen § 9 des Gleichbehandlungsgesetzes.

Das Ret Århus wies die Klage mit Urteil vom 14. 1. 1997 mit der Begründung ab, Frau Brandt-Nielsen, die für einen Zeitraum von sechs Monaten eingestellt worden sei, habe beim Einstellungsgespräch nicht angegeben, dass sie schwanger sei, obwohl die Entbindung im fünften Monat des Beschäftigungsverhältnisses zu erwarten gewesen sei.

Das Vestre Landsret, bei dem Frau Brandt-Nielsen Berufung gegen dieses Urteil einlegte, gab dieser durch Urteil vom 15. 4. 1999 mit der Begründung statt, es stehe fest, dass die Kündigung der Betroffenen mit ihrer Schwangerschaft zusammenhänge.

Tele Danmark focht dieses Urteil vor dem Højesteret an und machte geltend, das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin gelte nicht für eine befristet eingestellte Arbeitnehmerin, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von ihrer Schwangerschaft gewusst, den Arbeitgeber jedoch nicht darüber unterrichtet habe, wobei festgestanden habe, dass sie die Arbeit, für die sie eingestellt worden sei, wegen des Mutterschaftsurlaubs während eines erheblichen Teils der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit nicht würde verrichten können.

Deshalb hat das Højesteret das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verbieten es Artikel 5 I der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und/oder Artikel 10 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. 10. 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz oder andere Bestimmungen der genannten Richtlinien oder des übrigen Gemeinschaftsrechts, eine Arbeitnehmerin auf Grund ihrer Schwangerschaft zu entlassen, wenn davon auszugehen ist,

- dass die Betroffene auf Grund eines Zeitvertrags eingestellt wurde,

- dass sie bei Abschluss des Arbeitsvertrags wusste, dass sie schwanger war, dies dem Arbeitgeber aber nicht mitgeteilt hat, und

- dass feststand, dass sie auf Grund ihrer Schwangerschaft einen wesentlichen Teil des Beschäftigungszeitraums nicht würde arbeiten können?

2. Spielt es für die Beantwortung der ersten Frage eine Rolle, ob die Arbeitnehmerin in einem großen Unternehmen eingestellt wird, das häufig Aushilfspersonal beschäftigt?

Die erste Frage

Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob die Artikel 5 I der Richtlinie 76/207 und 10 der Richtlinie 92/85 der Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft entgegenstehen, wenn sie auf bestimmte Zeit eingestellt wurde, den Arbeitgeber nicht über ihre Schwangerschaft unterrichtet hat, obwohl diese ihr bei Abschluss des Arbeitsertrags bekannt war, und feststand, dass sie auf Grund ihrer Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils des Beschäftigungsverhältnisses nicht würde arbeiten können.

Tele Danmark macht geltend, das in den Richtlinien 76/207 und 92/85 vorgesehene Verbot der Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen gelte im vorliegenden Fall nicht. In Wirklichkeit sei der entscheidende Grund für die Entlassung nicht die Schwangerschaft selbst, sondern die Tatsache, dass Frau Brandt-Nielsen einen wesentlichen Teil der Vertragsleistung nicht würde erbringen können. Außerdem stelle der Umstand, dass sie den Arbeitgeber nicht von ihrem Zustand unterrichtet habe, obwohl sie gewusst habe, dass sie ihre Tätigkeit wegen ihrer Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils des Beschäftigungsverhältnisses nicht würde ausüben können, eine Verletzung der Treuepflicht dar, die für die Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestimmend sei. Allein dieser Umstand rechtfertige schon eine Entlassung.

Nur bei auf unbestimmte Zeit geschlossenen Verträgen verletze die Weigerung, eine schwangere Frau einzustellen, oder ihre Entlassung das Gemeinschaftsrecht. Bei einem solchen Arbeitsverhältnis sei nämlich davon auszugehen, dass die Verpflichtungen der Arbeitnehmerin über den Mutterschaftsurlaub hinaus bestünden, so dass die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu einem ausgewogenen Ergebnis führe.

Frau Brandt-Nielsen, die Kommission und die Aufsichtsbehörde der EFTA sind dagegen der Auffassung, dass weder die Richtlinien 76/207 und 92/85 noch die Rechtsprechung des Gerichtshofes danach unterschieden, ob der Vertrag, auf Grund dessen die Arbeitnehmerin eingestellt worden sei, auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit geschlossen worden sei.

Vielmehr stünden sowohl die Richtlinie 76/207 als auch die Richtlinie 92/85 der Entlassung von Frau Brandt-Nielsen entgegen, da der Grund für die Entlassung eindeutig ihre Schwangerschaft gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes könnten der finanzielle Schaden, der dem Arbeitgeber entstehe, oder die Notwendigkeiten, die mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren eines Unternehmens verbunden seien, die Entlassung einer schwangeren Arbeitnehmerin nicht rechtfertigen, da der Arbeitgeber das Risiko der wirtschaftlichen und organisatorischen Konsequenzen der Schwangerschaft seiner Arbeitnehmerinnen auf sich nehmen müsse.

Zu dem Umstand, dass Frau Brandt-Nielsen bei ihrer Einstellung nicht angegeben hat, dass sie schwanger war, bemerkt die Kommission, die Arbeitnehmerin sei nicht verpflichtet, den Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft zu unterrichten, da dieser kein Recht habe, dies bei der Einstellung zu berücksichtigen. Die Überwachungsbehörde der EFTA fügt hinzu, es bestehe die Gefahr, dass eine solche Verpflichtung zur Unterrichtung des Arbeitgebers, wollte man sie bejahen, dem in Artikel 10 der Richtlinie 92/85 vorgeschriebenen Schutz der schwangeren Arbeitnehmerinnen seine Wirksamkeit nehmen würde, obwohl der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich ein besonders hohes Schutzniveau vorgesehen habe.

Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, stellt die Entlassung einer Arbeitnehmerin auf Grund ihrer Schwangerschaft eine unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar, die gegen Artikel 5 I der Richtlinie 76/207 verstößt.

Gerade wegen der Belastung, die das Risiko einer Entlassung für die körperliche und seelische Gesundheit der schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen bedeutet, die als besonders schwerwiegende Folge zu einem Schwangerschaftsabbruch führen kann, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in Artikel 10 der Richtlinie 92/85 einen besonderen Schutz dieser Arbeitnehmerinnen vorgesehen, indem er die Kündigung während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs verboten hat.

Für diesen Zeitraum sieht Artikel 10 der Richtlinie 92/85 keine Ausnahme oder Abweichung vom Verbot der Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen vor, außer in nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefällen und unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung schriftlich angibt.

Auch hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der finanzielle Nachteil, der dem Arbeitgeber im Fall der Einstellung einer Schwangeren während deren Mutterschaftsurlaubs bzw. dadurch entsteht, dass die Arbeitnehmerin während der Dauer ihrer Schwangerschaft nicht auf dem betreffenden Arbeitsplatz beschäftigt werden darf, die Verweigerung einer Einstellung wegen Schwangerschaft nicht rechtfertigt.

In Randnummer 26 des Urteils Webb hat der Gerichtshof weiter ausgeführt, dass die Verfügbarkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber zwangsläufig eine wesentliche Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung des Arbeitsvertrags ist, der vom Gemeinschaftsrecht gewährte Schutz der Frau während der Schwangerschaft und nach der Entbindung jedoch nicht davon abhängen kann, ob die Anwesenheit der Betroffenen in dem ihrem Mutterschaftsurlaub entsprechenden Zeitraum für das ordnungsgemäße Funktionieren des Unternehmens, in dem sie beschäftigt ist, unerlässlich ist. Die gegenteilige Auslegung nähme den Bestimmungen der Richtlinie 76/207 ihre praktische Wirksamkeit.

An dieser Auslegung ändert es nichts, dass der Arbeitsvertrag auf bestimmte Zeit geschlossen wurde.

Da nämlich die Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft eine unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts darstellt, und zwar unabhängig von der Art und dem Umfang des wirtschaftlichen Schadens, der dem Arbeitgeber durch die schwangerschaftsbedingte Fehlzeit entsteht, ist es für die Beurteilung der Frage, ob die Entlassung diskriminierenden Charakter hat, unerheblich, ob der Arbeitsvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen wurde. In beiden Fällen beruht die Unfähigkeit der Arbeitnehmerin, den Arbeitsvertrag zu erfüllen, auf der Schwangerschaft.

Außerdem ist die Dauer eines Arbeitsverhältnisses höchst ungewiss. Selbst die Dauer - als solche ganz unterschiedlich - eines befristeten Arbeitsverhältnisses steht nicht von vornherein fest, da es erneuert oder verlängert werden kann.

Schließlich unterscheiden die Richtlinien 76/207 und 92/85 im Hinblick auf die Tragweite des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber befristete Verträge, die einen bedeutenden Teil der Arbeitsverhältnisse ausmachen, vom Geltungsbereich dieser Richtlinien ausschließen wollen, so hätte er dies klar zum Ausdruck gebracht.

Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 5 I der Richtlinie 76/207 und Artikel 10 der Richtlinie 92/85 der Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft entgegenstehen,

- wenn diese auf bestimmte Zeit eingestellt wurde,

- wenn sie den Arbeitgeber nicht über ihre Schwangerschaft unterrichtet hat, obwohl ihr diese bei Abschluss des Arbeitsvertrags bekannt war,

- und wenn feststand, dass sie auf Grund ihrer Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht würde arbeiten können.

Die zweite Frage

Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob es für die Auslegung des Artikels 5 I der Richtlinie 76/207 und des Artikels 10 der Richtlinie 92/85 erheblich ist, dass die Arbeitnehmerin von einem sehr großen Unternehmen eingestellt wurde, das häufig Aushilfspersonal beschäftigt.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens sowie die Kommission und die Aufsichtsbehörde der EFTA sind sich darüber einig, dass diese Frage zu verneinen ist.

In der Tat nehmen die Richtlinien 76/207 und 92/85 hinsichtlich der Bedeutung der in ihnen aufgestellten Verbote und garantierten Rechte keine Unterscheidung nach der Größe des betreffenden Unternehmens vor.

Unerheblich ist auch, dass der Arbeitgeber häufig befristete Arbeitsverträge schließt. Wie sich aus den Randnummern 30 und 33 dieses Urteils ergibt, ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses ohne Einfluss auf den Umfang des Schutzes, den das Gemeinschaftsrecht schwangeren Arbeitnehmerinnen gewährt.

Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, dass es für die Auslegung des Artikels 5 I der Richtlinie 76/207 und des Artikels 10 der Richtlinie 92/85 unerheblich ist, dass die Arbeitnehmerin von einem sehr großen Unternehmen eingestellt wurde, das häufig Aushilfspersonal beschäftigt.

Kosten

Die Auslagen der Kommission und der Überwachungsbehörde der EFTA, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen hat DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer) auf die ihm vom Højesteret mit Beschluss vom 21. 3. 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 5 I der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und Artikel 10 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. 10. 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie i.S. des Artikels 16 I der Richtlinie 89/391/EWG) stehen der Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft entgegen,

- wenn diese auf bestimmte Zeit eingestellt wurde,

- wenn sie den Arbeitgeber nicht über ihre Schwangerschaft unterrichtet hat, obwohl diese ihr bei Abschluss des Arbeitsvertrags bekannt war,

- und wenn feststand, dass sie auf Grund ihrer Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht würde arbeiten können.

2. Für die Auslegung des Artikels 5 I der Richtlinie 76/207 und des Artikels 10 der Richtlinie 92/85 ist unerheblich, dass die Arbeitnehmerin von einem sehr großen Unternehmen eingestellt wurde, das häufig Aushilfspersonal beschäftigt.


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