Arbeitslohn: 100 EUR für 14,9 Wochenstunden ist sittenwidrig

bei uns veröffentlicht am23.08.2012
Zusammenfassung des Autors
Arbeitgeber muss daher den Differenzbetrag zu einem angemessenen Stundenlohn zahlen-LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 17.04.12-Az:5 Sa 194/11
Die Vereinbarung eines Monatseinkommens in Höhe von 100 EUR bei einer Arbeitspflicht von 14,9 Stunden in der Woche als Servicekraft in einem Schönheitssalon ist wegen Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB ("wucherähnliches Geschäft") nichtig.

Diese Entscheidung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. Es ergebe sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von 1,55 EUR (100 EUR monatlich bei 64,52 Stunden monatlich) bzw. im Falle der Hinzurechnung des vom Arbeitgeber entrichteten Sozialversicherungsbeitrags in Höhe von 28 EUR monatlich ein Stundenlohn von 1,98 EUR brutto. Ein solch niedriger Stundenlohn sei eindeutig sittenwidrig. Der Arbeitgeber müsse daher den Differenzbetrag zu einem angemessenen Stundenlohn zahlen. Da es vorliegend kein einschlägiges Tarifwerk gebe, müsse die übliche Vergütung durch das Gericht geschätzt werden. Dabei müssten alle geeigneten Erkenntnisquellen verwertet werden. Das LAG hat hier den Wert der Arbeitsleistung nach einem Vergleich mit Stundenlöhnen, die im Friseurhandwerk gezahlt werden, auf 5,50 EUR brutto je Stunde geschätzt (LAG-Mecklenburg-Vorpommern, 5 Sa 194/11).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

LAG Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 17.04.2012 (Az: 5 Sa 194/11)

Die arbeitsvertragliche Vereinbarung eines Monatseinkommens in Höhe von 100 Euro bei einer Arbeitspflicht von 14,9 Stunden in der Woche als Servicekraft in einem Schönheitssalon ist wegen Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB („wucherähnliches Geschäft“) nichtig.

Wird die übliche Vergütung - wie vorliegend - nicht durch ein einschlägiges Tarifwerk abgebildet, muss das Gericht die übliche Vergütung unter Verwertung aller geeigneter Erkenntnisquellen abschätzen. Verbleibende Schätzunsicherheiten sind gegebenenfalls durch einen Schätzabschlag zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen (hier in Höhe von etwas unter 10 Prozent vorgenommen).

Bezüglich des Anspruchsübergangs auf das Jobcenter Parallelentscheidung zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 2. November 2010 - 5 Sa 91/10.

Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Das klagende Jobcenter A-Stadt verlangt von der beklagten Arbeitgeberin die Zahlung weiterer Vergütung aus übergegangenem Recht. Die Nachforderung der Vergütung begründet das Jobcenter mit der sittenwidrig niedrigen Vergütung, die die Beklagte an ihre Arbeitnehmerin, die gleichzeitig Leistungen vom Jobcenter erhalten hat, gezahlt hat.

Die Beklagte betreibt einen Schönheitssalon mit kosmetischen und fußpflegerischen Dienstleistungen, in dem sie zehn Arbeitnehmerinnen - überwiegend geringfügig - beschäftigt.

Zum 3. November 2003 hat die Beklagte die 1952 geborene Frau S. eingestellt. Dieses Arbeitsverhältnis endete zunächst zum Jahresende 2004, wurde von den Arbeitsvertragsparteien jedoch im Mai 2005 wieder aufgegriffen und fortgesetzt. In dem bis zum Schluss der Zusammenarbeit maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2005 (Anlage K 1 zur Klageschrift, hier Blatt 11) vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien einen Monatslohn in Höhe von 100,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14,9 Stunden für eine Beschäftigung als Servicekraft. Zudem hat die Beklagte monatlich einen Arbeitgebersozialversicherungsanteil von 28,00 Euro abgeführt. Frau S. war im Wesentlichen mit dem Telefondienst, der Terminvergabe, dem Abkassieren von Kunden, dem Kaffeekochen und mit Reinigungsarbeiten betraut.

In den von der Klägerin vorgegebenen Nebenverdienstbescheinigungen hat die Beklagte für den Streitzeitraum (Juni 2009 bis Juni 2010) monatlich durch ihre Unterschrift die Arbeitszeiten der Frau S. und deren Einkommen bestätigt.

Danach hat Frau S. im Juni 2009 tatsächlich 64,5 Stunden gearbeitet; Montag, der 1. Juni 2009 war ein Feiertag (Pfingstmontag) und an vier weiteren Arbeitstagen hat die Klägerin wegen Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet. Im Juli 2009 hat Frau S. 90 Stunden gearbeitet, im August waren es 68 Stunden. Im September 2009 hat sie 15 Tage Urlaub erhalten und deshalb nur 28 Stunden gearbeitet. Im Oktober 2009 hat sie 68 Stunden gearbeitet, im November dann 64 Stunden und im Dezember 2009 wieder 68 Stunden.

Im Jahre 2010 hat Frau S. im Januar 60 Stunden gearbeitet, im Februar 61,5 Stunden, im März 54,5 Stunden und im April 2010 bei zwei Feiertagen 46 Stunden. Im Mai 2010 (mit einem Feiertag) hat sie noch 47,5 Stunden gearbeitet und im Juni 2010 hat sie zehn Tage Urlaub gehabt und zusätzlich noch 27 Stunden gearbeitet. Gezahlt wurde die Vergütung jeweils nachschüssig zu Beginn des Folgemonats.

Die Klägerin gewährte Frau S. in diesem Zeitraum durchgängig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Frau S. selbst und für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft:

Monat Betrag in Euro

06/09 874,00

07/09 1.080,18

08/09 1.080,18

09/09 1.059,56

10/09 1.080,18

11/09 1.064,28

12/09 1.079,36

01/10 1.079,36

02/10 1.079,36

03/10 1.079,36

04/10 1.079,36

05/10 1.063,28

06/10 1.099,46

Mit den Schreiben vom 9. September 2010 und vom 3. November 2010 machte die Klägerin aus übergegangenem Recht weitere Lohnansprüche gegenüber der Beklagten geltend und forderte sie erfolglos zur Zahlung bis spätestens 31. Dezember 2010 auf. Außergerichtlich hatte die Klägerin ursprünglich die Zahlung von etwas über 4.800,00 Euro verlangt.

Mit der Klage, die beim Arbeitsgericht im Februar 2011 eingegangen ist, hat die Klägerin noch die Zahlung von 2.837,33 Euro aus übergegangenem Recht im Streitzeitraum wegen der Beschäftigung von Frau S. bei sittenwidrig niedriger Vergütung begehrt.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit dem Urteil vom 17. Mai 2011 in der Hauptsache zur Zahlung von 2.143,98 Euro brutto verurteilt und im Übrigen die Klage in der Hauptsache abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat den Wert der Arbeitsleistung von Frau S. nach einem Vergleich mit Stundenlöhnen, die im Friseurhandwerk gezahlt werden, auf 5,50 Euro brutto je Stunde geschätzt und ist daher davon ausgegangen, dass der tatsächlich gezahlte Lohn von durchschnittlich 1,98 Euro brutto als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB auch ohne Darlegung einer Zwangslage im Sinne von § 138 Absatz 2 BGB als sittenwidrig niedrig anzusehen sei.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet. Sie verfolgt mit der Berufung nach wie vor das Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

Die Beklagte meint, die Vergütung im Arbeitsverhältnis zu Frau S. sei nicht sittenwidrig niedrig gewesen.

Zutreffend sei das Arbeitsgericht zwar davon ausgegangen, dass man zur Bewertung des Werts der Tätigkeit von Frau S. nicht auf das Entgeltniveau im Einzelhandel abstellen dürfe. Es sei aber falsch, wenn das Arbeitsgericht für die Bestimmung des Wertes auf die Einkommensverhältnisse im Friseurhandwerk abstelle. Denn schon die vom Arbeitsgericht herangezogenen Daten aus der Verdienststrukturerhebung 2006 des statistischen Landesamtes über die Einkommensverhältnisse im Friseurhandwerk in Mecklenburg-Vorpommern seien nicht belastbar. Sie würden für ein kleines Geschäft, wie es die Beklagte betreibt, schon gar nicht zutreffen.

Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass Frau S. aufgrund ihres körperlichen Defizits und ihrer beruflichen Vita ohnehin nicht als vollwertige Arbeitskraft am Arbeitsmarkt gezählt werden könne. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass Frau S. und ihr Ehemann aus der Zusammenarbeit neben dem Verdienst auch viele andere Vorteile in Form von kostenfreien Behandlungen und ähnlichen Sachleistungen bezogen hätten. Das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien sei über eine rein geschäftliche Beziehung hinausgegangen, die Beklagte habe Frau S. im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auch gefördert, wo es nur ging, es wäre angedacht gewesen, dass sich Frau S. nach einer Zeit bei der Beklagten vielleicht sogar selbstständig machen könne. Daher habe man auch viele Zeiten, die Frau S. im Betrieb verbracht habe, gegenüber der Klägerin als Arbeitszeit deklariert, was man sicherlich nicht getan hätte, wenn die Arbeitszeit die Grundlage für die Vergütung von Frau S. dargestellt hätte.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil mit Rechtsargumenten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit zutreffenden Argumenten, die sich das Berufungsgericht ausdrücklich zu Eigen macht, zur Zahlung verurteilt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts sind lediglich um die folgenden Anmerkungen zu ergänzen.

Die Klägerin hat nach § 611 Absatz 1, § 612 BGB in Verbindung mit § 115 Absatz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiteren Arbeitsentgelts für die Monate Juni 2009 bis Juni 2010, der mindestens in Höhe des ausgeurteilten Betrages von 2.143,98 Euro besteht.

Die Vergütungsvereinbarung der Beklagten mit Frau S. ist unwirksam, weil sie sittenwidrig niedrig ist. Es liegt ein Fall des wucherähnlichen Geschäfts im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB vor.

Nach § 138 Absatz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen (Wucher - § 138 Absatz 2 BGB). Der privatautonomen Rechtsgestaltung sind dort Grenzen gesetzt, wo sie nicht mehr mit den in der Rechtsordnung angelegten Wertmaßstäben vereinbar ist und sich deshalb als Missbrauch wirtschaftlicher Macht darstellt. Liegen die besonderen Voraussetzungen des § 138 Absatz 2 BGB insbesondere die dort geforderte Ausnutzung einer Zwangslage nicht vor, so kann das Rechtsgeschäft gleichwohl als wucherähnliches Rechtsgeschäft auch nach § 138 Absatz 1 BGB sittenwidrig sein.

Ein wucherähnliches Geschäft im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, z. B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht im Regelfall ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten.

Ob ein auffälliges oder gar ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, richtet sich nach dem jeweiligen objektiven Wert der erbrachten Arbeitsleistung im Vergleich mit der dafür erhaltenen Vergütung. Auffällig ist ein Missverhältnis, wenn das Ungleichgewicht ins Auge springt und nicht mehr hinnehmbar ist. Das trifft auf Löhne zu, die die übliche Vergütung dieser Arbeitsleistung in der Branche und an dem jeweiligen Ort um mehr als 1/3 unterschreiten. Von einem besonders auffälligen und krassen Missverhältnis im Sinne des wucherähnlichen Geschäftes nach § 138 Absatz 1 BGB ist auszugehen, wenn die gezahlte Vergütung nicht einmal 50 Prozent des Wertes der Arbeitsleistung erreicht.

Legt man diesen Maßstab an, liegt ein Fall des wucherähnlichen Geschäfts vor, da die tatsächliche Vergütung für Frau S. weniger als die Hälfte des Wertes der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin betragen hat.

Die Beklagte hat ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. Dezember 2005 mit Frau S. eine monatliche Vergütung in Höhe von 100,00 Euro bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14,9 Stunden vereinbart. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von 1,55 Euro (100,00 Euro monatlich bei 64,52 Stunden monatlich) bzw. im Falle der Hinzurechnung des von der Beklagten entrichteten Sozialversicherungsbeitrags in Höhe von 28,00 Euro monatlich ein Stundenlohn von 1,98 Euro brutto. Der Arbeitsvertrag ist auch tatsächlich in diesem Umfang durchgeführt worden. Stellt man allein auf die tatsächlich geleisteten Stunden ab und auf die gewährten 25 Urlaubstage, hat Frau S. im Streitzeitraum für die Beklagte 822 Arbeitsstunden geleistet, was einem monatlichen Umfang von etwa 63,2 Arbeitsstunden entspricht. Würde man noch die Ausfalltage wegen Feiertagen und die Ausfalltage wegen Arbeitsunfähigkeit dem Gesetz entsprechend in die Betrachtung einbeziehen, würde man auf eine durchschnittliche Auslastung der Frau S. mit ungefähr 64,9 Stunden monatlich kommen.

Auch die Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung der Frau S. mit 5,50 Euro brutto pro Stunde durch das Arbeitsgericht begegnet keinen Bedenken.

In Ermangelung von Anhaltspunkten über die Einkommen in der Branche der Schönheitssalons müssen die Gerichte versuchen, unter Verwertung indirekter Erkenntnisquellen den Wert der Arbeitsleistung in dieser Branche abzuschätzen. Unter diesem Blickwinkel drängt sich ein Vergleich mit den Einkommen im Friseurhandwerk geradezu auf, da die erbrachten Dienstleistungen durchaus gewisse Ähnlichkeiten besitzen und sie auch vergleichbaren Marktgesetzen unterliegen. Soweit es wie hier um Anlern- oder Hilfstätigkeiten geht, rekrutieren die beteiligten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auch aus demselben Arbeitsmarktsegment. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ergänzend berücksichtigt, dass nach der Verdienststrukturerhebung 2006 des statistischen Landesamtes die Einkommen im Friseurhandwerk am aller untersten Ende der Einkommensskala liegen und sie nur noch von dem Einkommen der Floristen unterboten werden. Insoweit gibt es ohnehin kaum einen Spielraum, für eine ganze Branche von noch niedrigeren Einkommen auszugehen.

Der Vergleich mit den Einkommensverhältnissen im Friseurhandwerk gewinnt nach Überzeugung des Berufungsgerichts noch durch einen weiteren Gesichtspunkt an Aussagekraft. Denn es ist bekannt, dass die schlechten Einkommen im Friseurhandwerk teilweise durch die von den Kunden erhaltenen Trinkgelder ausgeglichen werden. Davon kann für die Tätigkeit der Frau S. und die Branche der Beklagten nicht ausgegangen werden. Damit fehlen auf dem Arbeitsmarkt die Spielräume, die Löhne in der Branche der Beklagten durch die Einbeziehung des Trinkgeldes weiter zu kürzen.

Die im Rahmen der Verdienststrukturerhebung gewonnen Daten können der gerichtlichen Ermittlung von Vergleichsentgelten zugrunde gelegt werden. Die von den statistischen Ämtern der Bundesländer regelmäßig erstellte Verdienststrukturerhebung nach dem Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz) vom

21. Dezember 2006 ist eine geeignete Erkenntnisquelle für die Ermittlung von Durchschnittseinkommen in den dort berücksichtigten Branchen.

Eventuelle Schätzungenauigkeiten hat das Arbeitsgericht dadurch ausreichend berücksichtigt, dass es einen Schätzabschlag von fast 10 Prozent auf den statistisch ermittelten Wert der Arbeitsleistung vorgenommen hat.

Gegen die Verwendung der Daten aus der Verdienststrukturerhebung 2006 für das hiesige Bundesland hat die Beklagte auch keine erheblichen Einwendungen vorgebracht. Ihr Vergleich mit ähnlichen statistischen Erhebungen für das Bundesland Sachsen hat im Ergebnis nicht zu anderen Ergebnissen geführt und damit sogar indirekt die Aussagekraft der vom Arbeitsgericht herangezogenen Statistik erhöht, weil damit schon für zwei durchaus vergleichbare Bundesländer ähnliche Ergebnisse ermittelt wurden.

Eine weitere Personalisierung des Wertes der Arbeitsleistung von Frau S. unter Berücksichtigung ihrer speziellen Arbeitsmarktschwächen kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Es ist bereits nicht ersichtlich, in welcher Weise der humpelnde Gang der Frau S. als wertbildender Faktor auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle für die Tätigkeit von Frau S. im Betrieb der Beklagten spielen könnte. Im Übrigen wäre es auch nicht statthaft, dieses Handicap der Frau S. bei der Lohnfindung zu berücksichtigen, was sich unmittelbar aus

§ 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergibt. Auch wenn es zutreffend sein sollte, dass Frau S. aus weiteren - hier nicht weiter aufgeklärten - Gründen, auf dem Arbeitsmarkt nur schwer zu vermitteln sein sollte, könnte sich daraus kein Grund ergeben, den Wert der von ihr erbrachten Arbeitsleistung anders einzuschätzen. Denn insoweit ist auf die Kalkulation der Beklagten abzustellen. Wenn sie ihren Betrieb so organisiert, dass sie einen Arbeitnehmer mit dem Anforderungsprofil der Frau S. beschäftigen kann, muss sie auch bereit sein, den dafür marktüblichen Lohn zu zahlen.

Der mit Frau S. vereinbarte Stundenlohn in Höhe von 1,98 Euro brutto (unter Berücksichtigung des von der Beklagten abgeführten Sozialversicherungsbeitrags) unterschreitet die Hälfte des Werts der Arbeitsleistung von Frau S. so deutlich, dass das Arbeitsgericht zutreffend von einem besonders auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgegangen ist, das ohne Weiteres den Rückschluss auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten bei der Vereinbarung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB zulässt.

Geldwerte Sachleistungen können - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - nicht ergänzend als Einkommen berücksichtigt werden, denn sie waren weder vereinbart, noch wurden sie von der Beklagten in den monatlichen Erklärungen gegenüber der Klägerin angegeben, obwohl das Formular einen entsprechenden Eintrag ermöglicht hätte.

Das Arbeitsgericht hat auch die Höhe der klägerischen Forderung richtig berechnet, wenngleich die textliche Darstellung der dafür erforderlichen Gedankengänge offensichtlich etwas zu kurz geraten ist.

Maßgeblich ist insoweit der Vergleich der Leistungen, die die Klägerin an Frau S. und ihre Bedarfsgemeinschaft hätte erbringen müssen, für den Fall, dass diese bei der Beklagen eine marktübliche Vergütung erzielt hätte mit den tatsächlich wegen der sittenwidrig niedrigen Vergütung erbrachten höheren Leistungen. Im Einzelnen ergibt sich unter Verwertung der Zahlenangaben aus der Anlage K9 (Blatt 63) Folgendes. Bei einer Vergütung in den dreizehn Monaten des Streitzeitraums mit 5,50 Euro pro Stunde hätte die Beklagte insgesamt eine Lohnforderung in Höhe von 4.108,50 Euro zu zahlen gehabt, die bisher nur durch die Zahlung von 1.300,00 Euro an Frau S. teilweise erfüllt ist. Die weitere Forderung steht der Klägerin allerdings nicht vollständig zu, da berücksichtigt werden muss, dass Frau S. einen Teil des Geldes nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II im Falle der Zahlung für sich hätte behalten dürfen, nämlich 20 Prozent des 100,00 Euro übersteigenden Betrages. Eine Umrechnung des Bruttobetrages in einen Nettobetrag ist insoweit nicht erforderlich, da es sich auch bei marktüblicher Vergütung noch um einen sozialversicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis gehandelt hätte. Dieser Freibetrag summiert sich aus den 13 Monaten auf insgesamt 561,90 Euro auf. Die Gesamtforderung der Klägerin berechnet sich also auf 4.108,50 Euro abzüglich gezahlter 1.300,00 Euro abzüglich weiterer 561,90 Euro, die Frau S. zustehen und nicht auf die Klägerin übergegangen sind, was einen Betrag in Höhe von 2.246,80 Euro ergibt. Damit ist die leicht darunter liegende durch das Arbeitsgericht ausgeurteilte Forderung auf jeden Fall begründet. Die von der Beklagten abgeführten Sozialversicherungsbeträge für Frau S. können nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden, weil sie auch angefallen wären, wenn diese Frau S. verkehrsüblich entlohnt hätte.

Der Anspruchsübergang von Frau S. auf die Klägerin nach § 115 SGB X bewegt sich für die einzelnen Monate auf Beträge um die 200,00 Euro. Damit steht auch fest, dass der Anspruchsübergang allenfalls ausreicht, dabei zu helfen, den Bedarf der Frau S. persönlich abzudecken. Es kann daher auch im vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen, ob der Anspruchsübergang auch Leistungen erfasst, die die Klägerin an die gesamte Bedarfsgemeinschaft erbringt.

Es ist vorliegend auch nicht entscheidungserheblich, dass die Klägerin bei ihrer Vergleichsberechnung immer Monate mit derselben Bezeichnung miteinander verglichen hat. Bei strenger Betrachtung müsste man wegen der nachschüssigen Lohnzahlung durch die Beklagte eigentlich immer den Abrechnungsmonat mit dem darauf folgenden Bedarfsmonat vergleichen. Insbesondere hätte man eigentlich das Einkommen, das Frau S. im letzten streitgegenständliche Monat (Juni 2010) verdient hat, mit ihrem Bedarf im Monat Juli 2010, der allerdings nicht mitgeteilt ist, vergleichen müssen. Diese methodische Ungenauigkeit hat aber keine Auswirkungen auf die Höhe des Anspruchs, da davon auszugehen ist, dass Frau S. auch im Juli 2010 Leistungen im bisherigen Umfang von der Klägerin bezogen hat. Diesen Gesichtspunkt hatte das Berufungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochen, ohne dass dem eine der Parteien entgegengetreten wäre.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.


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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Das klagende Jobcenter A-Stadt verlangt von der beklagten Arbeitgeberin die Zahlung weiterer Vergütung aus übergegangenem Recht. Die Nachforderung der Vergütung begründet das Jobcenter mit der sittenwidrig niedrigen Vergütung, die die Beklagte an ihre Arbeitnehmerin, die gleichzeitig Leistungen vom Jobcenter erhalten hat, gezahlt hat.

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Die Beklagte betreibt einen Schönheitssalon mit kosmetischen und fußpflegerischen Dienstleistungen, in dem sie zehn Arbeitnehmerinnen – überwiegend geringfügig - beschäftigt.

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Zum 3. November 2003 hat die Beklagte die 1952 geborene Frau S. eingestellt. Dieses Arbeitsverhältnis endete zunächst zum Jahresende 2004, wurde von den Arbeitsvertragsparteien jedoch im Mai 2005 wieder aufgegriffen und fortgesetzt. In dem bis zum Schluss der Zusammenarbeit maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2005 (Anlage K 1 zur Klageschrift, hier Blatt 11) vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien einen Monatslohn in Höhe von 100,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14,9 Stunden für eine Beschäftigung als Servicekraft. Zudem hat die Beklagte monatlich einen Arbeitgebersozialversicherungsanteil von 28,00 Euro abgeführt. Frau S. war im Wesentlichen mit dem Telefondienst, der Terminvergabe, dem Abkassieren von Kunden, dem Kaffeekochen und mit Reinigungsarbeiten betraut.

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In den von der Klägerin vorgegebenen Nebenverdienstbescheinigungen hat die Beklagte für den Streitzeitraum (Juni 2009 bis Juni 2010) monatlich durch ihre Unterschrift die Arbeitszeiten der Frau S. und deren Einkommen bestätigt.

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Danach hat Frau S. im Juni 2009 tatsächlich 64,5 Stunden gearbeitet; Montag, der 1. Juni 2009 war ein Feiertag (Pfingstmontag) und an vier weiteren Arbeitstagen hat die Klägerin wegen Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet. Im Juli 2009 hat Frau S. 90 Stunden gearbeitet, im August waren es 68 Stunden. Im September 2009 hat sie 15 Tage Urlaub erhalten und deshalb nur 28 Stunden gearbeitet. Im Oktober 2009 hat sie 68 Stunden gearbeitet, im November dann 64 Stunden und im Dezember 2009 wieder 68 Stunden.

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Im Jahre 2010 hat Frau S. im Januar 60 Stunden gearbeitet, im Februar 61,5 Stunden, im März 54,5 Stunden und im April 2010 bei zwei Feiertagen 46 Stunden. Im Mai 2010 (mit einem Feiertag) hat sie noch 47,5 Stunden gearbeitet und im Juni 2010 hat sie zehn Tage Urlaub gehabt und zusätzlich noch 27 Stunden gearbeitet. Gezahlt wurde die Vergütung jeweils nachschüssig zu Beginn des Folgemonats.

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Die Klägerin gewährte Frau S. in diesem Zeitraum durchgängig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Frau S. selbst und für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft:

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Monat 

Betrag in Euro

06/09 

874,00

07/09 

1.080,18

08/09 

1.080,18

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1.080,18

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04/10 

1.079,36

05/10 

1.063,28

06/10 

1.099,46

9

Mit den Schreiben vom 9. September 2010 und vom 3. November 2010 machte die Klägerin aus übergegangenem Recht weitere Lohnansprüche gegenüber der Beklagten geltend und forderte sie erfolglos zur Zahlung bis spätestens 31. Dezember 2010 auf. Außergerichtlich hatte die Klägerin ursprünglich die Zahlung von etwas über 4.800,00 Euro verlangt.

10

Mit der Klage, die beim Arbeitsgericht im Februar 2011 eingegangen ist, hat die Klägerin noch die Zahlung von 2.837,33 Euro aus übergegangenem Recht im Streitzeitraum wegen der Beschäftigung von Frau S. bei sittenwidrig niedriger Vergütung begehrt.

11

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit dem Urteil vom 17. Mai 2011 in der Hauptsache zur Zahlung von 2.143,98 Euro brutto verurteilt und im Übrigen die Klage in der Hauptsache abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat den Wert der Arbeitsleistung von Frau S. nach einem Vergleich mit Stundenlöhnen, die im Friseurhandwerk gezahlt werden, auf 5,50 Euro brutto je Stunde geschätzt und ist daher davon ausgegangen, dass der tatsächlich gezahlte Lohn von durchschnittlich 1,98 Euro brutto als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB auch ohne Darlegung einer Zwangslage im Sinne von § 138 Absatz 2 BGB als sittenwidrig niedrig anzusehen sei.

12

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet. Sie verfolgt mit der Berufung nach wie vor das Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

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Die Beklagte meint, die Vergütung im Arbeitsverhältnis zu Frau S. sei nicht sittenwidrig niedrig gewesen.

14

Zutreffend sei das Arbeitsgericht zwar davon ausgegangen, dass man zur Bewertung des Werts der Tätigkeit von Frau S. nicht auf das Entgeltniveau im Einzelhandel abstellen dürfe. Es sei aber falsch, wenn das Arbeitsgericht für die Bestimmung des Wertes auf die Einkommensverhältnisse im Friseurhandwerk abstelle. Denn schon die vom Arbeitsgericht herangezogenen Daten aus der Verdienststrukturerhebung 2006 des statistischen Landesamtes über die Einkommensverhältnisse im Friseurhandwerk in Mecklenburg-Vorpommern seien nicht belastbar. Sie würden für ein kleines Geschäft, wie es die Beklagte betreibt, schon gar nicht zutreffen.

15

Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass Frau S. aufgrund ihres körperlichen Defizits und ihrer beruflichen Vita ohnehin nicht als vollwertige Arbeitskraft am Arbeitsmarkt gezählt werden könne. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass Frau S. und ihr Ehemann aus der Zusammenarbeit neben dem Verdienst auch viele andere Vorteile in Form von kostenfreien Behandlungen und ähnlichen Sachleistungen bezogen hätten. Das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien sei über eine rein geschäftliche Beziehung hinausgegangen, die Beklagte habe Frau S. im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auch gefördert, wo es nur ging, es wäre angedacht gewesen, dass sich Frau S. nach einer Zeit bei der Beklagten vielleicht sogar selbstständig machen könne. Daher habe man auch viele Zeiten, die Frau S. im Betrieb verbracht habe, gegenüber der Klägerin als Arbeitszeit deklariert, was man sicherlich nicht getan hätte, wenn die Arbeitszeit die Grundlage für die Vergütung von Frau S. dargestellt hätte.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Klage unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils insgesamt abzuweisen.

18

Die Klägerin beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil mit Rechtsargumenten.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit zutreffenden Argumenten, die sich das Berufungsgericht ausdrücklich zu Eigen macht, zur Zahlung verurteilt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts sind lediglich um die folgenden Anmerkungen zu ergänzen.

23

Die Klägerin hat nach § 611 Absatz 1, § 612 BGB in Verbindung mit § 115 Absatz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiteren Arbeitsentgelts für die Monate Juni 2009 bis Juni 2010, der mindestens in Höhe des ausgeurteilten Betrages von 2.143,98 Euro besteht.

1.

24

Die Vergütungsvereinbarung der Beklagten mit Frau S. ist unwirksam, weil sie sittenwidrig niedrig ist. Es liegt ein Fall des wucherähnlichen Geschäfts im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB vor.

a)

25

Nach § 138 Absatz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen (Wucher – § 138 Absatz 2 BGB). Der privatautonomen Rechtsgestaltung sind dort Grenzen gesetzt, wo sie nicht mehr mit den in der Rechtsordnung angelegten Wertmaßstäben vereinbar ist und sich deshalb als Missbrauch wirtschaftlicher Macht darstellt (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 138, Rn. 3). Liegen die besonderen Voraussetzungen des § 138 Absatz 2 BGB insbesondere die dort geforderte Ausnutzung einer Zwangslage nicht vor, so kann das Rechtsgeschäft gleichwohl als wucherähnliches Rechtsgeschäft auch nach § 138 Absatz 1 BGB sittenwidrig sein.

26

Ein wucherähnliches Geschäft im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, z. B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht im Regelfall ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837).

27

Ob ein auffälliges oder gar ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, richtet sich nach dem jeweiligen objektiven Wert der erbrachten Arbeitsleistung im Vergleich mit der dafür erhaltenen Vergütung (BAG 22. April 2009 aaO). Auffällig ist ein Missverhältnis, wenn das Ungleichgewicht ins Auge springt und nicht mehr hinnehmbar ist (BAG 22. April 2009 aaO). Das trifft auf Löhne zu, die die übliche Vergütung dieser Arbeitsleistung in der Branche und an dem jeweiligen Ort um mehr als 1/3 unterschreiten. Von einem besonders auffälligen und krassen Missverhältnis im Sinne des wucherähnlichen Geschäftes nach § 138 Absatz 1 BGB ist auszugehen, wenn die gezahlte Vergütung nicht einmal 50 Prozent des Wertes der Arbeitsleistung erreicht (LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. November 2010 - 5 Sa 91/10 - ArbRB 2011, 111; LAG Rheinland-Pfalz 17. Februar 2011 -11 Sa 568/10 -).

b)

28

Legt man diesen Maßstab an, liegt ein Fall des wucherähnlichen Geschäfts vor, da die tatsächliche Vergütung für Frau S. weniger als die Hälfte des Wertes der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin betragen hat.

29

Die Beklagte hat ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. Dezember 2005 mit Frau S. eine monatliche Vergütung in Höhe von 100,00 Euro bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14,9 Stunden vereinbart. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von 1,55 Euro (100,00 Euro monatlich bei 64,52 Stunden monatlich) bzw. im Falle der Hinzurechnung des von der Beklagten entrichteten Sozialversicherungsbeitrags in Höhe von 28,00 Euro monatlich ein Stundenlohn von 1,98 Euro brutto. Der Arbeitsvertrag ist auch tatsächlich in diesem Umfang durchgeführt worden. Stellt man allein auf die tatsächlich geleisteten Stunden ab und auf die gewährten 25 Urlaubstage, hat Frau S. im Streitzeitraum für die Beklagte 822 Arbeitsstunden geleistet, was einem monatlichen Umfang von etwa 63,2 Arbeitsstunden entspricht. Würde man noch die Ausfalltage wegen Feiertagen und die Ausfalltage wegen Arbeitsunfähigkeit dem Gesetz entsprechend in die Betrachtung einbeziehen, würde man auf eine durchschnittliche Auslastung der Frau S. mit ungefähr 64,9 Stunden monatlich kommen.

c)

30

Auch die Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung der Frau S. mit 5,50 Euro brutto pro Stunde durch das Arbeitsgericht begegnet keinen Bedenken.

31

In Ermangelung von Anhaltspunkten über die Einkommen in der Branche der Schönheitssalons müssen die Gerichte versuchen, unter Verwertung indirekter Erkenntnisquellen den Wert der Arbeitsleistung in dieser Branche abzuschätzen. Unter diesem Blickwinkel drängt sich ein Vergleich mit den Einkommen im Friseurhandwerk geradezu auf, da die erbrachten Dienstleistungen durchaus gewisse Ähnlichkeiten besitzen und sie auch vergleichbaren Marktgesetzen unterliegen. Soweit es wie hier um Anlern- oder Hilfstätigkeiten geht, rekrutieren die beteiligten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auch aus demselben Arbeitsmarktsegment. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ergänzend berücksichtigt, dass nach der Verdienststrukturerhebung 2006 des statistischen Landesamtes die Einkommen im Friseurhandwerk am aller untersten Ende der Einkommensskala liegen und sie nur noch von dem Einkommen der Floristen unterboten werden. Insoweit gibt es ohnehin kaum einen Spielraum, für eine ganze Branche von noch niedrigeren Einkommen auszugehen.

32

Der Vergleich mit den Einkommensverhältnissen im Friseurhandwerk gewinnt nach Überzeugung des Berufungsgerichts noch durch einen weiteren Gesichtspunkt an Aussagekraft. Denn es ist bekannt, dass die schlechten Einkommen im Friseurhandwerk teilweise durch die von den Kunden erhaltenen Trinkgelder ausgeglichen werden. Davon kann für die Tätigkeit der Frau S. und die Branche der Beklagten nicht ausgegangen werden. Damit fehlen auf dem Arbeitsmarkt die Spielräume, die Löhne in der Branche der Beklagten durch die Einbeziehung des Trinkgeldes weiter zu kürzen.

33

Die im Rahmen der Verdienststrukturerhebung gewonnen Daten können der gerichtlichen Ermittlung von Vergleichsentgelten zu Grunde gelegt werden. Die von den statistischen Ämtern der Bundesländer regelmäßig erstellte Verdienststrukturerhebung nach dem Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz) vom 21. Dezember 2006 ist eine geeignete Erkenntnisquelle für die Ermittlung von Durchschnittseinkommen in den dort berücksichtigten Branchen (so schon mit ausführlicher Begründung LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. November 2010 - 5 Sa 91/10 ArbRB 2011, 111).

34

Eventuelle Schätzungenauigkeiten hat das Arbeitsgericht dadurch ausreichend berücksichtigt, dass es einen Schätzabschlag von fast 10 Prozent auf den statistisch ermittelten Wert der Arbeitsleistung vorgenommen hat.

35

Gegen die Verwendung der Daten aus der Verdienststrukturerhebung 2006 für das hiesige Bundesland hat die Beklagte auch keine erheblichen Einwendungen vorgebracht. Ihr Vergleich mit ähnlichen statistischen Erhebungen für das Bundesland Sachsen hat im Ergebnis nicht zu anderen Ergebnissen geführt und damit sogar indirekt die Aussagekraft der vom Arbeitsgericht herangezogenen Statistik erhöht, weil damit schon für zwei durchaus vergleichbare Bundesländer ähnliche Ergebnisse ermittelt wurden.

36

Eine weitere Personalisierung des Wertes der Arbeitsleistung von Frau S. unter Berücksichtigung ihrer speziellen Arbeitsmarktschwächen kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Es ist bereits nicht ersichtlich, in welcher Weise der humpelnde Gang der Frau S. als wertbildender Faktor auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle für die Tätigkeit von Frau S. im Betrieb der Beklagten spielen könnte. Im Übrigen wäre es auch nicht statthaft, dieses Handicap der Frau S. bei der Lohnfindung zu berücksichtigen, was sich unmittelbar aus § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergibt. Auch wenn es zutreffend sein sollte, dass Frau S. aus weiteren - hier nicht weiter aufgeklärten - Gründen, auf dem Arbeitsmarkt nur schwer zu vermitteln sein sollte, könnte sich daraus kein Grund ergeben, den Wert der von ihr erbrachten Arbeitsleistung anders einzuschätzen. Denn insoweit ist auf die Kalkulation der Beklagten abzustellen. Wenn sie ihren Betrieb so organisiert, dass sie einen Arbeitnehmer mit dem Anforderungsprofil der Frau S. beschäftigen kann, muss sie auch bereit sein, den dafür marktüblichen Lohn zu zahlen.

d)

37

Der mit Frau S. vereinbarte Stundenlohn in Höhe von 1,98 Euro brutto (unter Berücksichtigung des von der Beklagten abgeführten Sozialversicherungsbeitrags) unterschreitet die Hälfte des Werts der Arbeitsleistung von Frau S. so deutlich, dass das Arbeitsgericht zutreffend von einem besonders auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgegangen ist, das ohne Weiteres den Rückschluss auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten bei der Vereinbarung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB zulässt.

38

Geldwerte Sachleistungen können – wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat – nicht ergänzend als Einkommen berücksichtigt werden, denn sie waren weder vereinbart, noch wurden sie von der Beklagten in den monatlichen Erklärungen gegenüber der Klägerin angegeben, obwohl das Formular einen entsprechenden Eintrag ermöglicht hätte.

2.

39

Das Arbeitsgericht hat auch die Höhe der klägerischen Forderung richtig berechnet, wenngleich die textliche Darstellung der dafür erforderlichen Gedankengänge offensichtlich etwas zu kurz geraten ist.

40

Maßgeblich ist insoweit der Vergleich der Leistungen, die die Klägerin an Frau S. und ihre Bedarfsgemeinschaft hätte erbringen müssen, für den Fall, dass diese bei der Beklagen eine marktübliche Vergütung erzielt hätte mit den tatsächlich wegen der sittenwidrig niedrigen Vergütung erbrachten höheren Leistungen. Im Einzelnen ergibt sich unter Verwertung der Zahlenangaben aus der Anlage K9 (Blatt 63) Folgendes. Bei einer Vergütung in den dreizehn Monaten des Streitzeitraums mit 5,50 Euro pro Stunde hätte die Beklagte insgesamt eine Lohnforderung in Höhe von 4.108,50 Euro zu zahlen gehabt, die bisher nur durch die Zahlung von 1.300,00 Euro an Frau S. teilweise erfüllt ist. Die weitere Forderung steht der Klägerin allerdings nicht vollständig zu, da berücksichtigt werden muss, dass Frau S. einen Teil des Geldes nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II im Falle der Zahlung für sich hätte behalten dürfen, nämlich 20 Prozent des 100,00 Euro übersteigenden Betrages. Eine Umrechnung des Bruttobetrages in einen Nettobetrag ist insoweit nicht erforderlich, da es sich auch bei marktüblicher Vergütung noch um einen sozialversicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis gehandelt hätte. Dieser Freibetrag summiert sich aus den 13 Monaten auf insgesamt 561,90 Euro auf. Die Gesamtforderung der Klägerin berechnet sich also auf 4.108,50 Euro abzüglich gezahlter 1.300,00 Euro abzüglich weiterer 561,90 Euro, die Frau S. zustehen und nicht auf die Klägerin übergegangen sind, was einen Betrag in Höhe von 2.246,80 Euro ergibt. Damit ist die leicht darunter liegende durch das Arbeitsgericht ausgeurteilte Forderung auf jeden Fall begründet. Die von der Beklagten abgeführten Sozialversicherungsbeträge für Frau S. können nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden, weil sie auch angefallen wären, wenn diese Frau S. verkehrsüblich entlohnt hätte.

41

Der Anspruchsübergang von Frau S. auf die Klägerin nach § 115 SGB X bewegt sich für die einzelnen Monate auf Beträge um die 200,00 Euro. Damit steht auch fest, dass der Anspruchsübergang allenfalls ausreicht, dabei zu helfen, den Bedarf der Frau S. persönlich abzudecken. Es kann daher auch im vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen, ob der Anspruchsübergang auch Leistungen erfasst, die die Klägerin an die gesamte Bedarfsgemeinschaft erbringt.

42

Es ist vorliegend auch nicht entscheidungserheblich, dass die Klägerin bei ihrer Vergleichsberechnung immer Monate mit derselben Bezeichnung miteinander verglichen hat. Bei strenger Betrachtung müsste man wegen der nachschüssigen Lohnzahlung durch die Beklagte eigentlich immer den Abrechnungsmonat mit dem darauf folgenden Bedarfsmonat vergleichen. Insbesondere hätte man eigentlich das Einkommen, das Frau S. im letzten streitgegenständliche Monat (Juni 2010) verdient hat, mit ihrem Bedarf im Monat Juli 2010, der allerdings nicht mitgeteilt ist, vergleichen müssen. Diese methodische Ungenauigkeit hat aber keine Auswirkungen auf die Höhe des Anspruchs, da davon auszugehen ist, dass Frau S. auch im Juli 2010 Leistungen im bisherigen Umfang von der Klägerin bezogen hat. Diesen Gesichtspunkt hatte das Berufungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochen, ohne dass dem eine der Parteien entgegengetreten wäre.

3.

43

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

44

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte verurteilt, weitere 534,04 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin zu 30 Prozent und im Übrigen der Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die ARGE Stralsund, die im Gebiet der Hansestadt Stralsund für die Vergabe von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zuständig ist, klagt aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Arbeitsvergütung. Denn sie hat für fünf Personen über viele Monate hinweg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (umgangssprachlich "Hartz IV" genannt) erbracht, die während des Anspruchszeitraums beim beklagten Arbeitgeber in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis standen, dort jedoch - so die Klägerin - sittenwidrig niedrig entlohnt worden sind.

2

Der Beklagte hat im Streitzeitraum in Stralsund ein kleines Restaurant mit einem Pizzalieferservice betrieben. Bei ihm waren unter anderem die Arbeitnehmer Ol. und Fi. als Pizzaauslieferungsfahrer, die Arbeitnehmerin Ku. als Kellnerin sowie die Arbeitnehmerinnen Ka. und Wi. als Küchenhilfe beschäftigt. Die genannten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben während ihrer Tätigkeit für den Beklagten gleichzeitig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II von der Klägerin erhalten. Im Einzelnen stellen sich die Dinge wie folgt dar.

3

Der Beklagte beschäftigte den Arbeitnehmer Ol. ab Mai 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Pizzafahrer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich Januar 2009 konstant 80,00 EUR monatlich und ab Februar 2009 konstant 120,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. In einer von der Klägerin über den Arbeitnehmer angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: flexibel, max. 14,9 Stunden wöchentlich". Der Arbeitnehmer hat in den hier interessierenden 11 Monaten Mai 2008 sowie Juli bis Dezember 2008 und Januar bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 42 und 54 Stunden - insgesamt 495 Stunden - erbracht (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 31 der Akte). Seit Mai 2009 wird der Arbeitnehmer Ol. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

4

Die Klägerin zahlte an den Arbeitnehmer Ol. im Juni 2008 Sozialleistungen in Höhe von 458,19 EUR, von August 2008 bis einschließlich Februar 2009 in Höhe von monatlich 607,59 EUR und im März, April und jedenfalls auch noch im Mai 2009 in Höhe von monatlich 591,28 EUR (Anlagen K 4 und K 7 - Blatt 27 und 31 d. A., ergänzt durch die Angaben im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diesen setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für einen Pizzafahrer mit 1.200,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 4), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2009 mit 1.224,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von 2.451,64 EUR (Blatt 31).

5

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Ka. ab September 2007 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Küchenhilfe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich April 2009 konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. In einer von der Klägerin über die Arbeitnehmerin angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: flexibel wöchentlich 14 Stunden" (Anlage K 8.2, hier Blatt 33). Die Arbeitnehmerin hat in den hier interessierenden 19 Monaten Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 36 und 56 Stunden - insgesamt 895 - erbracht. Seit Mai 2009 wird die Arbeitnehmerin Ka. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

6

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Ka. von Oktober 2007 bis jedenfalls einschließlich Mai 2009 monatlich Sozialleistungen in Höhe von 825,13 EUR oder mehr (nur im Juli 2008 waren es mit 793,88 EUR weniger). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Küchenhilfe mit 887,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 1), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2008 mit 914,00 EUR brutto sowie ab Januar 2009 mit 932,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 3.159,29 EUR (Blatt 58).

7

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Wi. vom 22. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Küchenhilfe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Die Arbeitnehmerin hat gegenüber der Klägerin angegeben, dass sie einer Nebenbeschäftigung im Umfang von 14,9 Stunden wöchentlich gegen ein Entgelt in Höhe von 80,00 EUR monatlich nachgehe; dem ist der Beklagte im Rechtsstreit nicht entgegengetreten. Das Arbeitsentgelt betrug für den anteiligen Mai 30,00 EUR und für Juni 80,00 EUR. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Die Arbeitnehmerin hat im anteiligen Mai 2008 16 Stunden und im Juni 2008 38 Stunden, insgesamt also 54 Stunden gearbeitet (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 69 der Akte). Für weitere Monate macht die Klägerin bei dieser Arbeitnehmerin keine Ansprüche geltend.

8

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Wi. im Juni 2008 Sozialleistungen in Höhe von 653,29 EUR (korrigierte Angabe im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479) und im Monat Juli 2008 in Höhe von 657,29 EUR (korrigierte Angabe im Schriftsatz vom 15. Oktober 2010, hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Küchenhilfe für 2008 mit 914,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 1). Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 174,75 EUR (Blatt 69).

9

Der Beklagte beschäftigte die Arbeitnehmerin Ku. ab Oktober 2007 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Kellnerin. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. In einer von der Klägerin über die Arbeitnehmerin angeforderten Bescheinigung des Beklagten heißt es unter der Überschrift "Arbeitsvereinbarung" im Text: "Arbeitszeit: max. 14 Stunden wöchentlich flexibel einsetzbar nach Vereinbarung" (Anlage K 19, hier Blatt 66). Das Arbeitsentgelt betrug von Oktober 2007 bis einschließlich Juli 2008 konstant 80,00 EUR monatlich. Von August 2008 bis einschließlich November 2008 betrug das Monatseinkommen konstant 120,00 EUR. Seit Dezember 2008 beträgt es wieder konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Die Arbeitnehmerin hat in den hier interessierenden 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 30 und 70 Stunden - insgesamt 859 - erbracht. Seit Mai 2009 wird die Arbeitnehmerin Ku. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

10

Die Klägerin zahlte an die Arbeitnehmerin Ku. von Oktober 2007 jedenfalls bis einschließlich Mai 2009 monatlich Sozialleistungen in Höhe von anfangs 512,05 EUR, später ansteigend auf bis zu 978,05 EUR und zuletzt noch in Höhe von 681,05 EUR monatlich; wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Blatt 93 und Blatt 125, verwiesen sowie - wegen der Darstellung des Versatzes zwischen dem Arbeitsmonat und dem Bedarfsmonat - auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. Oktober 2010 (hier Blatt 479). Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für eine Kellnerin mit 971,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 2) bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2008 mit 1.000,00 EUR brutto sowie ab Januar 2009 mit 1.020,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von insgesamt 3.083,04 EUR (Blatt 93) zuzüglich 185,38 EUR (Klageerweiterung vom 27. Juli 2009, Blatt 123), rechnerisch erläutert Blatt 125.

11

Der Beklagte beschäftigte schließlich den Arbeitnehmer Fi. ab September 2008 im Rahmen eines geringfügigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses als Pizzafahrer. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen. Der Arbeitnehmer hat gegenüber der Klägerin angegeben, dass er einer Nebenbeschäftigung im Umfang von durchschnittlich 14 Stunden wöchentlich mit flexibler Arbeitszeit gegen ein Entgelt in Höhe von 80,00 EUR monatlich nachgehe; dem ist der Beklagte im Rechtsstreit nicht entgegengetreten. Das Arbeitsentgelt betrug bis einschließlich April 2009 konstant 80,00 EUR monatlich. Die Zahlung erfolgte jeweils nachschüssig zum 15. des Folgemonats. Der Arbeitnehmer hat in den hier interessierenden 8 Monaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 monatlich zwischen 18 und 54 Stunden - insgesamt 362 - erbracht (unter Verwertung der Zahlen von Blatt 107 der Akte). Seit Mai 2009 wird der Arbeitnehmer Fi. bei der Beklagten nur noch für durchschnittlich 20 Stunden im Monat bei gleichem Einkommen zur Arbeit herangezogen. Daher macht die Klägerin für diesen und die Folgemonate keinen Anspruchsübergang mehr gegen den Beklagten geltend.

12

Die Klägerin zahlte an den Arbeitnehmer Fi. im Betrachtungszeitraum jedenfalls bis einschließlich Mai 2009 Sozialleistungen in Höhe von 576,22 EUR monatlich. Die Klägerin meint, der tatsächlich gezahlte Lohn sei sittenwidrig niedrig, weshalb der Beklagte zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichtet sei. Diese setzt die Klägerin nach dem Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für einen Pizzafahrer mit 1.200,00 EUR brutto monatlich an (Tarifgruppe 4), bzw. nach einer Tariferhöhung ab Januar 2009 mit 1.224,00 EUR brutto monatlich. Sie errechnet sich daraus einen Anspruchsübergang in Höhe von 1.939,33 EUR (Blatt 107), den sie im Berufungsrechtszug um 47,10 EUR (resultierend aus dem Arbeitsmonat Mai 2009 bzw. dem Bedarfsmonat Juni 2009) reduziert hat (Blatt 500).

13

Die Klägerin hat den Beklagten außergerichtlich mit Schreiben vom 18. Mai 2009 zur Zahlung von 5.320,88 EUR aufgefordert (Blatt 108). Dieser Betrag bezieht sich auf die übergegangenen Ansprüche des Arbeitnehmers Ol. und der Arbeitnehmerinnen Wi. und Ka. Mit Schreiben vom 15. Juni 2009 erhöhte die Klägerin die Forderung gegen den Beklagten auf nunmehr insgesamt 10.495,62 EUR unter Einbeziehung der übergegangenen Ansprüche der weiteren Arbeitnehmerin Ku. und des weiteren Arbeitnehmers Fi. Der Beklagte hat Zahlung abgelehnt. Die Klägerin verfolgt daher mit Klageschrift vom 25. Juni 2009, beim Arbeitsgericht Stralsund eingegangen am 29. Juni 2009, ihr Begehren in Höhe von nunmehr 10.844,05 EUR klagweise weiter. Sie hat die Forderung im Laufe des Rechtsstreits um 185,38 EUR brutto erhöht. Die Erhöhung ergibt sich aus der Ergänzung um den Arbeitsmonat März 2008 bezogen auf die Arbeitnehmerin Ku., der in der ursprünglichen Klagforderung nicht enthalten war.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. Januar 2010 in Höhe von 6.617,42 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (ArbG Stralsund 26.01.2010 - 4 Ca 166/09 - info also 2010, 128 mit Anmerkung Spindler). Es hat den Streitwert auf 11.029,43 EUR festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat die vertraglich vereinbarte und die tatsächlich gezahlte Vergütung als sittenwidrig niedrig eingestuft und die stattdessen zu zahlende übliche Vergütung aus den Entgelttarifverträgen abgeschlossen zwischen dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) mit der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) entnommen. Zu Lasten der Klägerin hat es die Pizzafahrer aber lediglich als zur Tarifgruppe 1 gehörend bewertet und hat im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X die den Arbeitnehmern voll oder anteilig zu belassenden Entgeltbestandteile (nach § 11 Absatz 2 und § 30 SGB II) von der rechnerischen Höhe des Anspruchsübergangs in Abzug gebracht. - Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

15

Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr Begehren in vollem Umfang weiter und verlangt daher auch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Sie hat ihre Klage lediglich im Umfang von 41,70 EUR bezogen auf den Arbeitnehmer Fi. und dessen Arbeitsentgeltanspruch gegen den Beklagten bezogen auf den Arbeitsmonat Mai 2009 zurückgenommen (Blatt 500 der Akte).

16

Die Klägerin ist der Ansicht, die von dem Beklagten an die betroffenen Arbeitnehmer im Streitzeitraum gezahlten Arbeitsentgelte seien sittenwidrig niedrig. Für die Bemessung der üblichen Vergütung im Wirtschaftsgebiet seien die räumlich und fachlich einschlägigen Entgelttarifverträge für das Hotel- und Gaststättengewerbe Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossen zwischen dem DEHOGA Landesverband MV (Schwerin), und der Gewerkschaft NGG (zukünftig als ETV MV bezeichnet) heranzuziehen.

17

Für eine Tätigkeit als Pizzafahrer müsse man von einer Eingruppierung in die Tarifgruppe 4 ausgehen. Das ergebe sich aus § 4 ETV MV ("Fachbereiche - Positionsraster"), wo im Abschnitt "V. Sonstige Dienstleistungen" für Kraftfahrer die Eingruppierung mit "4-5" vorgesehen sei. Danach sei für das Jahr 2008 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.200,00 EUR brutto und für das Jahr 2009 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.224,00 EUR brutto zu zahlen. Daraus resultiere ein Stundenlohn in Höhe von 6,92 EUR für das Jahr 2008 sowie in Höhe von 7,06 EUR für das Jahr 2009.

18

Für eine Tätigkeit als Küchenhilfe sei mindestens die Tarifgruppe 1 des Entgelttarifvertrages heranzuziehen. Diese sehe für das Jahr 2007 eine monatliche Vergütung in Höhe von 887,00 EUR brutto, für das Jahr 2008 in Höhe von 914,00 EUR brutto und für das Jahr 2009 in Höhe von 932,00 EUR vor. Hieraus ergäbe sich ein Stundenlohn in Höhe von 5,11 EUR für das Jahr 2007, von 5,27 EUR für das Jahr 2008 und von 5,37 EUR für das Jahr 2009.

19

Die Tätigkeit einer Kellnerin sei wenigstens der Tarifgruppe 2 zuzuordnen. Danach sei an diesen Personenkreis im Jahr 2007 eine monatliche Vergütung in Höhe von 971,00 EUR brutto, für das Jahr 2008 eine Monatsbruttovergütung in Höhe von 1.000,00 EUR sowie für das Jahr 2009 eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.020,00 EUR brutto zu zahlen. Der entsprechende Stundenlohn liege dann im Jahr 2007 bei 5,60 EUR brutto, im Jahr 2008 bei 5,76 EUR brutto und im Jahr 2009 bei 5,88 EUR brutto.

20

Zwar könne die Klägerin nicht nachweisen, dass mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber im Wirtschaftsgebiet tarifgebunden seien oder aber die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer des Wirtschaftsgebietes beschäftigten. Dessen ungeachtet könnte jedoch der Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern zur Bestimmung der üblichen Vergütung für die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer herangezogen werden, denn er gäbe die verkehrsübliche Vergütung in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung wieder, was sich aus der Verwertung allgemein zugänglicher Statistiken ergebe (Verdienststrukturerhebung 2006, Angaben auf www.lohnspiegel.de und auf www. gehaltscheck.de).

21

Auch nach den eigenen Erkenntnissen der Klägerin bzw. der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Vermittlung von Arbeitsuchenden auf freie Arbeitsplätze erzielten in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung Küchenhilfen im Durchschnitt einen Stundenlohn in Höhe von 5,96 EUR, Kellner im Durchschnitt einen Stundenlohn in Höhe von 6,20 EUR und Pizzafahrer einen Stundenlohn in der Spanne zwischen 4,96 EUR und 8,36 EUR. Aus den genannten Quellen sei ersichtlich, dass sich die regional gezahlten Arbeitsentgelte für Küchenhilfen, Pizzafahrer und Kellner, unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitgeber, an den tariflichen Löhnen orientierten, häufig lägen sie über den zugrunde gelegten Tariflöhnen. Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergütung sei deshalb mindestens auf die herangezogenen Tarifentgelte zurückzugreifen.

22

Die Zahlung sittenwidrig niedriger Arbeitsvergütung durch den Beklagten sei diesem auch subjektiv vorwerfbar, denn es liege bei den gezahlten Stundensätzen, die allesamt unterhalb der Hälfte der im Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern ausgewiesenen Tariflöhne liegen, ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Dies spräche ohne Weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Beklagten. Jedenfalls müsse man nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgehen, dass sich der Beklagte leichtfertig der Erkenntnis verschlossen habe, dass ein derartiges auffälliges Missverhältnis zwischen der üblichen Vergütung und den von ihm gezahlten Stundensätzen vorliege. Es könne in diesem Zusammenhang auch davon ausgegangen werden, dass die einschlägigen Tariflöhne den Arbeitgebern bekannt seien, da sie für die Arbeitgeber einerseits von hohem Interesse, andererseits aber ohne besondere Schwierigkeit zu beschaffen seien. Deshalb sei der Marktwert der Arbeitsleistung zumindest erkennbar, insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - der als Vergleichsmaßstab herangezogene räumlich und fachlich einschlägige Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern auch die verkehrsübliche Vergütung in der Wirtschaftsregion Stralsund und Umgebung wiedergebe.

23

Bei der Höhe der nach § 115 SGB X übergegangenen noch nicht erfüllten Anteile der Arbeitsentgeltansprüche der benannten Arbeitnehmer auf die Klägerin seien die Freibetragsregelungen in den §§ 11 und 30 SGB II jedenfalls nicht zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen. Die genannten Freibetragsregelungen stellten keine Schutzvorschriften zugunsten von Arbeitgebern dar, die durch die Zahlung von sittenwidrigen Löhnen erst ihre Arbeitnehmer in die Zwangslage versetzten, bei der Klägerin einen Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II zu stellen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Sie seien nur zu Gunsten der erwerbstätigen Arbeitnehmer im Rahmen der Berechnung ihrer Hilfsbedürftigkeit anzuwenden. Für den Fall des Klageerfolges sei vorgesehen, den Anteil der Klagforderung, der nach §§ 11 Absatz 2, 30 SGB II den Arbeitnehmern gebühre, an diese auszukehren.

24

Die Klägerin beantragt unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme

25

1. das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.364,91 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von 2.006,36 EUR seit dem 3. Juni 2009 und in Höhe von 2.305,51 EUR seit dem 8. Juli 2009 sowie auf weitere 53,04 EUR seit dem 1. August 2009 zu zahlen;

26

2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

27

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

28

1. das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es den Beklagten belastet, abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen;

29

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

30

Der Beklagte meint, die genannten Arbeitnehmer hätten gegen ihn keine offenen Vergütungsansprüche mehr, die nach § 115 Absatz 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen sein könnten.

31

Die von ihm mit den Arbeitnehmern vereinbarten Vergütungen seien nicht sittenwidrig niedrig. Die Arbeitnehmer hätten die Arbeitsverträge mit ihm freiwillig und unter Kenntnis der Arbeitsbedingungen, insbesondere zu Arbeitszeit und Lohn, abgeschlossen. Sie hätten sich auch nicht in einer Zwangslage befunden, seien weder unerfahren gewesen noch litten sie unter mangelndem Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche. Der Beklagte habe daher keine Ausbeutungslage der Beschäftigen zu seinem Vorteil ausgenutzt. Den Beschäftigten sei es vielmehr möglich gewesen, sich eine andere Beschäftigung zu anderen Konditionen zu suchen. Dem Beklagten sei es jedenfalls nicht bewusst gewesen, dass die vereinbarten Vergütungen sittenwidrig niedrig seien, weshalb es ausgeschlossen sei, ihm eine verwerfliche Einstellung vorzuwerfen.

32

Die zwischen dem Beklagten und seinen Arbeitnehmern getroffene Vergütungsregelung sei jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB, für einen Rückgriff auf die übliche Vergütung sei daher kein Raum.

33

Die insoweit beweisbelastete Klägerin habe es nicht vermocht schlüssig darzulegen, dass der von ihr herangezogene Tarifvertrag die übliche Vergütung widerspiegele. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass sie nicht nachweisen könne, dass 50 Prozent der Arbeitgeber tarifunterworfen seien oder jedenfalls so viele Arbeitgeber tarifunterworfen seien, dass 50 Prozent der Arbeitnehmer nach Tarif bezahlt würden. Diese 50-Prozent-Marke sei vom Bundesarbeitsgericht als eine abschließende Definition eingeführt worden. Der von der Klägerin versuchte indirekte Beweis der Üblichkeit des Tariflohns über diverse statistische Daten sei daher nicht geeignet, den notwendigen Nachweis zu führen. Im Übrigen seien die Daten nicht verwertbar, da sie anonym erhoben bzw. mitgeteilt seien und daher vom Beklagten nicht überprüft werden könnten; mit Recht könne der Beklagte diese Daten daher mit Nichtwissen bestreiten. - Aus denselben Gründen würde das vorgelegte Zahlenmaterial auch nicht ausreichen, um zuverlässige Hinweise auf das allgemeine Lohnniveau in der Wirtschaftsregion zu geben.

34

Ergänzend steht der Beklagte auf dem Standpunkt, dass die Pizzafahrer nicht in die Tarifgruppe 4 einzugruppieren seien. Nach der Tarifgruppe 4 des in Bezug genommenen Tarifvertrages seien dort Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Tätigkeitsberuf ab dem 3. Berufsjahr sowie in der Regel angelernte Kräfte bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit ab dem 7. Berufsjahr einzureihen. Diese Anforderungen habe ein Pizzafahrer in seinem Betrieb nicht erfüllen müssen.

35

Schließlich bestreitet der Beklagte den von der Klägerin behaupteten Anspruchsübergang in der beschriebenen Höhe. Er vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass bei einem höheren Vergütungsanspruch nach den Regelungen der §§ 11 und 30 SGB II für die betreffenden Arbeitnehmer auch höhere Freibeträge anzurechnen gewesen seien.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

37

Beide Berufungen sind der Beschwer nach statthaft und unterliegen auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Die Berufung der Klägerin hat in geringem Umfang Erfolg, denn ihre Klage ist zwar zulässig, sie ist jedoch nur zum Teil begründet.

A.

38

Die Klage ist zulässig, die Klägerin ist zur Durchsetzung von übergegangenen arbeitsrechtlichen Ansprüchen der von ihr betreuten Kunden vor den Gerichten für Arbeitssachen als parteifähig im Sinne von § 50 ZPO anzusehen. Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 ZPO). Das trifft auf die Klägerin - jedenfalls soweit es die hier streitigen Ansprüche betrifft - zu.

39

Die Klägerin ist eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne von § 44b SGB II. Nach § 44b Absatz 3 SGB II nimmt die Arbeitsgemeinschaft die Aufgaben der Bundesagentur als dem eigentlichen Aufgabenträger nach § 6 Absatz 1 SGB II wahr. Auf Basis des Vertrages über die Bildung dieser Arbeitsgemeinschaft hat auch die Hansestadt Stralsund auf die Klägerin die Aufgaben übertragen, deren Träger sie selbst ist. Die Arbeitsgemeinschaft ist vom Gesetzgeber mit beschränkter Rechtsfähigkeit ausgestattet worden, was sich indirekt dadurch ergibt, dass in § 44 Absatz 2 SGB II geregelt ist, wer die ARGE gerichtlich und außergerichtlich vertritt.

40

Diese beschränkte Rechtsfähigkeit zielt zwar in erster Linie darauf, im Rahmen der Aufgabenstellung Anträge zu bescheiden und damit zusammenhängende Streitigkeiten - gegebenenfalls auch vor Gericht - auszufechten. Da aber nach § 115 SGB X auf die ARGE auch zivilrechtliche Ansprüche übergehen können, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber ihr auch insoweit Rechtsfähigkeit zuerkennen wollte. In Anlehnung an die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften im Sinne von § 70 SGG (grundlegend BSG 7. November 2006 - B 7 b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 33 Nr. 1 RNr. 16, vgl. auch KSW/Spellbrink, § 6 SGB II RNr. 8) ist daher anzunehmen, dass die nach § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften - und damit auch die Klägerin - auch vor den Gerichten für Arbeitssachen als Partei auftreten können, soweit sie Forderungen einklagen, die ihnen nach § 115 SGB X zugewachsen sind.

B.

41

Die Klage ist jedoch nur zu einem Teil begründet. Zwar hat die Klägerin den Umfang der vom Beklagten noch nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche der fünf Arbeitnehmer im Wesentlichen richtig bestimmt. Die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Beklagten sind jedoch, was das Arbeitsgericht bereits zutreffend herausgearbeitet hat, nur zu einem Teil auf die Klägerin nach § 115 SGB X übergegangen.

I.

42

Der beklagte Arbeitgeber hat die Entgeltansprüche der bei ihm beschäftigten hier betroffenen fünf Arbeitnehmer bisher nicht in vollem Umfang erfüllt. Die noch offenen Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer summieren sich auf 9.933,81 EUR.

43

Zwar hat der Beklagte das Entgelt bezahlt, das die Parteien vertraglich vereinbart hatten. Die vertragliche Entgeltabreden sind in allen Arbeitsverträgen jedoch nach § 138 Absatz 1 BGB nichtig, da die dort vereinbarten Vergütungssätze sittenwidrig niedrig sind. Nach § 138 Absatz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Das trifft auf die Vergütungsabreden zu.

1.

44

Was der Gesetzgeber im Bereich der gegenseitigen Verträge - auf den Arbeitsvertrag zutreffend - als sittenwidrig ansieht, hat er in § 138 Absatz 2 BGB hinsichtlich des Wuchertatbestandes konkretisiert. Danach bedarf es in objektiver Hinsicht zunächst eines "auffälligen Missverhältnisses" zwischen Leistung und Gegenleistung, hier also eines auffälligen Missverhältnisses zwischen dem Wert der von den Arbeitnehmern erbrachten Arbeitsleistung und des als Gegenleistung dafür vom Beklagten versprochenen und gezahlten Entgelts. Der Wuchertatbestand nach § 138 Absatz 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zusätzlich zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Ausbeutungslage (Zwangslage, Unerfahrenheit und die anderen im Gesetz benannten Umstände) ausnutzt, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst zunutze macht (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - AP Nr. 64 zu § 138 BGB = DB 2009, 1599 = NZA 2009, 837).

45

Liegt zwar in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Wucherer eine der in § 138 Absatz 2 BGB näher bezeichneten Ausbeutungslage ausgenutzt hat, liegt zwar kein Wuchergeschäft im Sinne von § 138 Absatz 2 BGB vor.

46

Gleichwohl kann das Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB als sogenanntes "wucherähnliches Geschäft" sittenwidrig sein. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, zum Beispiel eine verwerfliche Einstellung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten ist schon dann zu bejahen, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. In diesem Zusammenhang spricht bereits ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ohne Weiteres für eine verwerfliche Einstellung des Begünstigten; das gilt jedenfalls dann, wenn das objektiv bestehende krasse Missverhältnis den hinreichend sicheren Schluss zulässt, der Begünstigte habe sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, es liege ein solches Missverhältnis vor (BAG aaO unter Hinweis auf BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - NJW 2002, 55, 56 = DB 2001, 2285 = MDR 2001, 1105). Das ist hier der Fall.

47

Die Feststellung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung setzt zunächst voraus, dass man eine Einheit findet, nach der man den Vergleich vornehmen kann. Diese Einheit wird hier in dem Stundenlohn gesehen, also in dem Verdienst, der dem Arbeitnehmer pro Stunde an geleisteter Arbeit zusteht. Diese Einheit ist für den notwendigen Vergleich zwischen dem tatsächlichen und dem üblichen Einkommen geeignet, da es die übliche Einheit ist, in der man im unteren Einkommenssegment üblicherweise die Höhe des Einkommens aus Arbeit bemisst.

2.

48

Der Wert der Arbeitsleistung der vom Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer bemisst sich nach den Vergütungssätzen aus den Entgelttarifverträgen für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern, abgeschlossen zwischen dem deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA (Landesverband Mecklenburg-Vorpommern), Schwerin, und der Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten (NGG), Landesbezirk Nord, Kiel (zukünftig abgekürzt als ETV MV bezeichnet), denn in ihnen drückt sich - jedenfalls in den unteren tariflichen Entgeltgruppen - die übliche Vergütung für Arbeitnehmer in der Gastronomie in Mecklenburg-Vorpommern aus, und der Betrieb des Beklagten gehörte zum Gastgewerbe.

a)

49

Der Wert der Leistung im Sinne von § 138 BGB meint den objektiven Wert der Arbeitsleistung. Früher hat die Rechtsprechung versucht, den objektiven Wert analytisch aus den Anforderungen an die Arbeit abzuleiten, also zum Beispiel anhand der Dauer der Arbeit, deren Schwierigkeitsgrad oder der dafür erforderlichen körperlichen und geistigen Beanspruchung (BAG 11. Januar 1973 - 5 AZR 322/72 - AP Nr. 30 zu § 138 BGB = DB 1973, 727 = SAE 1974, 33).

50

In den letzten Jahren ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar bei dem Begriff des objektiven Wertes verblieben, hat sich aber von einer analytischen Bewertung verabschiedet und bestimmt heute den Wert der Arbeitsleitung ausschließlich nach ihrem Marktwert, also dem (verkehrs-)üblichen Wert der Arbeitsleistung wie er sich aus tariflichen Regelungen oder aus anderen Erkenntnisquellen ergeben kann. Unerheblich ist dagegen sowohl der Wert, den die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hat (sog. Aneignungswert) als auch ein wie auch immer abgeleiteter normativer Wertbegriff, den man aus dem Sozialhilfeniveau, den Pfändungsfreigrenzen oder anderen normativen Quellen abzuleiten versucht (vgl. zu ersterem BAG 22. April 2009 aaO und zur Ablehnung des normativen Wertbegriffs BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - BAGE 110, 79 = AP Nr. 59 zu § 138 BGB = DB 2004, 1432).

51

Vom gedanklichen Ansatz her geht man also bei der Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung heute genauso vor wie in dem Fall, in dem die Arbeitsvertragsparteien es verabsäumt haben, eine Lohnabrede im Arbeitsverhältnis zu treffen, und dann nach § 612 Absatz 2 BGB die taxmäßige Vergütung oder die übliche Vergütung zu ermitteln ist, da diese nach dieser Norm dann als vereinbart gilt. Taxierte Vergütungen gibt es im Arbeitsrecht praktisch nicht. Unter einer taxmäßigen Vergütung versteht man eine durch öffentlich-rechtliche Normen vorgegebene Vergütung. Staatliche Normen, die die Vergütung im Streitfall vorgeben, sind nicht ersichtlich. Also ist auf die übliche Vergütung abzustellen.

52

Die übliche Vergütung ist die Vergütung, die für den betrachteten Teil des Arbeitsmarktes prägend ist. Das setzt voraus, dass die Vergütung in einer erheblichen Anzahl von Arbeitsverhältnissen tatsächlich vereinbart ist. Die übliche Vergütung kann daher nicht ohne Weiteres mit der statistisch ermittelten durchschnittlichen Vergütung auf dem betrachteten Teilarbeitsmarkt gleichgesetzt werden, denn der rein rechnerisch ermittelte durchschnittliche Stundenlohn in einer Branche braucht in keinem einzigen Arbeitsverhältnis tatsächlich vereinbart zu sein.

53

Ausgangspunkt für die Ermittlung der üblichen Vergütung sind im Arbeitsverhältnis in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 aaO sowie zuvor schon BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - aaO und BAG 11. Januar 1973 - 5 AZR 321/72 - AP Nr. 110 zu Art. 3 GG = DB 1973, 728 = AuR 1973, 87).

54

Ob das Bundesarbeitsgericht sich mit der gewählten Formulierung der von der Klägerin und Teilen der Literatur vertretenen Meinung anschließen wollte, nach der dem Tarifvertrag eine Art Indiz- oder Vermutungswirkung zukomme, die vom Arbeitgeber widerlegt werden müsse (so Reinecke: Vertragskontrolle im Arbeitsverhältnis, NZA-Beilage 2000, Heft 3, Seite 23, 33; Preis in ErfK § 612 BGB RNr. 38: "im Regelfall ist die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung", ähnlich auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung; vgl. auch ArbG Wuppertal 24.07.2008 - 7 Ca 1177/08), ist nicht ganz klar. Für die Entscheidung des Gerichts kann offen bleiben, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts so gemeint ist, denn vorliegend kann sogar positiv festgestellt werden, dass die tarifliche Vergütung die übliche Vergütung darstellt.

b)

55

Die Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne Weiteres angenommen werden, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (BAG 22. April 2009 aaO). Mit dieser Überlegung lässt sich hier nicht feststellen, dass der von der Klägerin herangezogene Flächentarifvertrag zwischen der DEHOGA MV und der Gewerkschaft NGG (ETV MV) Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung ist.

56

Denn nach den Erkenntnissen der Verdienststrukturerhebung 2006 gab es im Referenzmonat Oktober 2006 im Gastgewerbe Mecklenburg-Vorpommern lediglich 1.762 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, in deren Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag zur Anwendung kam, während es 6.214 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gab, bei denen das nicht der Fall war (vgl. Statistische Berichte des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Februar 2009 zum Thema "Verdienststrukturerhebung in Mecklenburg-Vorpommern 2006", S. 25, zitiert nach der auf der Internetseite des Amtes veröffentlichten pdf-Datei - hier abgekürzt mit VSE 2006 zitiert). Es sind keine Indizien dafür vorhanden, dass sich die Verhältnisse bei Einbeziehung aller Beschäftigter, also auch der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, des Gastgewerbes anders darstellen würde. Es gibt auch keine Indizien dafür, dass sich die Verhältnisse zwischen Oktober 2006 und heute wesentlich verschoben hätten.

c)

57

Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zur 50-Prozent-Marke dürfen aber nicht dahin missverstanden werden, dass der Tarifvertrag nur dann Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung sein könne, wenn eines der beiden genannten Kriterien erfüllt ist. Vielmehr kann sich die Erkenntnis, dass der im Wirtschaftszweig maßgebliche Tarifvertrag Ausdruck der verkehrsüblichen Vergütung ist, auch aus anderen Erkenntnisquellen ergeben. So liegen die Dinge hier.

58

Denn der Tariflohn und der sich aus der VSE 2006 ergebene Durchschnittslohn im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern liegt jedenfalls in den hier bedeutsamen unteren Lohngruppen in den streitrelevanten Jahren 2007 bis 2009 so nahe beieinander, dass aus der Höhe des statistischen Durchschnittslohn auf die prägende Kraft des Tarifvertrages geschlossen werden kann und muss.

59

Die Verdienststrukturerhebung (früher: Gehalts- und Lohnstrukturerhebung) wird alle 4 Jahre durchgeführt und sie basiert inzwischen auf dem Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz - VerdStatG) vom 21.12.2006, das das Lohnstatistikgesetz abgelöst hat. Sie ist eine repräsentative Stichprobenerhebung mit Auskunftspflicht der befragten Arbeitgeber. Die Stichprobe wird zweistufig gezogen. Auf der 1. Stufe werden die Betriebe geschichtet nach Bundesland, Wirtschaftszweig und Betriebsgrößenklasse ausgewählt. Auf der 2. Stufe werden innerhalb des Betriebes die Arbeitnehmer zufällig ausgesucht. Zur Datenbasis heißt es in der aus den Angaben der Länder zusammengeführten Bundesstatistik zur Verdienststrukturerhebung 2006 (im Internet unter destatis.de veröffentlicht) in der Erläuterung der methodischen Grundlagen: "Die Erhebung wird als Stichprobe bei 34 000 Betrieben mit 10 und mehr Beschäftigten (zum Zeitpunkt der Stichprobenziehung) durchgeführt. Diese Betriebe beziehen bundesweit rund 1.800.000 Beschäftigte aus dem Produzierenden Gewerbe und den Wirtschaftsabschnitten Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Gastgewerbe, Verkehr ... ein. Hinzu kommen ca. 1.400.000 Arbeitnehmer aus der Personalstandstatistik für den Wirtschaftsabschnitt Erziehung und Unterricht." Da in der Bundesrepublik um die 35 Mill. Arbeitnehmer tätig sind, liegen der Statistik also die Einkommensverhältnisse von fast 10 Prozent der Arbeitnehmer der Bundesrepublik zu Grunde. Die Sorge des Beklagten, die VSE 2006 sei möglicherweise nicht repräsentativ, ist daher nicht berechtigt.

60

Nach § 4 Absatz 1 Nr. 6 lit. f VerdStatG wird auch die "Vergütungs- oder Leistungsgruppe" als Element des Arbeitsverdienstes erhoben. Zu diesem Zwecke werden 5 Leistungsgruppen unterschieden, die ähnliche wie tarifliche Normen für jede Stufe die notwendigen bzw. typischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Arbeitnehmer besitzen muss, beschreiben. Die Leistungsgruppe 5 umfasst einfachste Arbeiten für ungelernte und angelernte Arbeitnehmer, die Leistungsgruppe 3 umfasst die Arbeitnehmer mit Berufsausbildung in den ersten Berufsjahren und die Leistungsgruppe 1 umfasst die Spitzenpositionen. Außerdem wird der Wirtschaftszweig, dem der Betrieb angehört, erhoben (§ 4 Absatz 1 Nr. 1 VerdStatG).

61

Aus der Verdienststrukturerhebung 2006 (VSE 2006) ergibt sich auf dieser Basis für das Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern in der Leistungsgruppe 5 ("Ungelernte Arbeitnehmer mit einfachen, schematischen Tätigkeiten oder isolierten Arbeitsvorgängen, für deren Ausübung keinen berufliche Ausbildung erforderlich ist. Das erforderliche Wissen und die notwendigen Fertigkeiten können durch Anlernen von bis zu drei Monaten vermittelt werden" - vgl. VSE 2006, S. 8) im Referenzmonat Oktober 2006 ein Durchschnittslohn in Höhe von 5,39 EUR (VSE 2006 S. 27). Für die Leistungsgruppe 4 ("Angelernte Arbeitnehmer mit überwiegend einfachen Tätigkeiten, für deren Ausführung keine berufliche Ausbildung, aber besondere Kenntnisse und Fertigkeiten für spezielle, branchengebundene Aufgaben, erforderlich sind. Die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten werden in der Regel durch eine Anlernzeit von bis zu 2 Jahren erworben." - VSE 2006, S. 8) ergibt sich im Referenzmonat Oktober 2006 ein Durchschnittslohn in Höhe von 6,55 EUR (VSE 2006 S. 27).

62

Die Entgelttarifverträge zwischen der DEHOGA, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern und der Gewerkschaft NGG (ETV MV) sehen keine Stundenlöhne sondern nur Monatslöhne vor. Nach § 3 Nr. 1 des Manteltarifvertrages vom 30. April 2003 beträgt die monatliche Arbeitszeit genau 173 Stunden. Aus dem Tariflohn der Tarifgruppe 1 (§ 3 ETV MV: "Einfache Tätigkeiten - Arbeitnehmer / innen mit Tätigkeiten, die keine fachlichen Kenntnisse erfordern") für das Jahr 2007 in Höhe von 887,00 EUR brutto errechnet sich demnach ein Stundenlohn für das Jahr 2007 in Höhe von 5,13 EUR brutto. Durch den Entgelttarifvertrag aus Dezember 2007 erhöhte sich in dieser Tarifgruppe das Einkommen ab dem 1. Januar 2008 auf 914,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,28 EUR ergibt, und am 1. Januar 2009 auf 932,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,39 EUR ergibt. Alle Stundenlohnangaben sind auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet angegeben. Die Abweichung der hier ermittelten Stundenlöhne von den Angaben der Klägerin und den vom Arbeitsgericht zu Grunde gelegten Werten ergeben sich daraus, dass beide wohl von einer 40-Stunden-Woche (173,33 Monatsstunden) im Gastgewerbe ausgegangen sind, woraus sich rechnerisch geringfügig geringere Stundenlöhne errechnen.

63

Die tarifliche Entgeltgruppe 1 aus § 3 ETV MV und die Leistungsgruppe 5 aus der amtlichen Statistik beziehen sich auf denselben Kreis von Arbeitnehmern und Arbeitsverhältnissen. Beide Gruppen umfassen die jeweils niedrigsten Arbeiten, die keine Ausbildung und keine bzw. nur eine geringfügige Anlernzeit voraussetzen. Diese Feststellung wird indirekt durch die vom Statistischen Bundesamt vorgenommene Zuordnung der Tarifgruppen zu den Leistungsgruppen der VSE 2006 bestätigt. Ausweislich der Angaben aus der dortigen Online-Tarifdatenbank zum hiesigen Tarifvertrag (dort der Tarifvertrag mit der Nummer TV 55101150) werden Arbeitnehmer der Tarifgruppe 1 der Leistungsgruppe 5 zugeordnet. Damit sind beide Gruppen vergleichbar, und es ist die Aussage erlaubt, dass das statistisch erhobene durchschnittliche Monatseinkommen für einfache Tätigkeiten im Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern und der Tariflohn nahezu gleich sind. Die Differenz zwischen Tariflohn und Durchschnittslohn beträgt rechnerisch ungefähr fünf Prozent. Für genauere Angaben müsste man die Werte aus der VSE 2006, die ja nur ein Schlaglicht auf die Verhältnisse im Oktober 2006 setzen, anhand der allgemeinen Lohnentwicklung in der Branche fortschreiben und die fortgeschriebenen Werte mit den Tariflöhnen vergleichen. Eine solche Detailgenauigkeit ist aber für die hier vom Gericht gezogenen Folgerungen nicht erforderlich.

64

Denn das Gericht möchte aus dem Umstand, dass der Tariflohn der untersten Tarifgruppe des Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe leicht unterhalb des statistisch ermittelten Durchschnittslohns im Gastgewerbe liegt, lediglich folgern, dass der Tarifvertrag in dieser Tarifgruppe die übliche Vergütung im Hotel- und Gaststättengewerbe in Mecklenburg-Vorpommern widerspiegelt. Denn wenn der statistisch erhobene Durchschnittslohn praktisch dieselbe Höhe erreicht wie der Tariflohn, ist dies ein indirektes aber sehr starkes Indiz dafür, dass der Tarifvertrag die Lohnfindung in der Branche prägt. - Ob die marginalen Unterschiede zwischen der Statistik und dem Tariflohn ausreichen würden, um den Nachweis zu führen, dass der übliche Lohn hier im Lande sogar oberhalb des Tarifniveaus liegt, kann hier dahinstehen, da die Klägerin für ihre Berechnungen (lediglich) den Tariflohn zu Grunde gelegt hat.

65

Ähnliches kann für die Löhne aus der Tarifgruppe 2 aus § 3 ETV MV festgestellt werden. Der Tariflohn der Tarifgruppe 2 ("Angelernte Tätigkeiten - Arbeitnehmer/innen mit geringen fachlichen Kenntnissen und Arbeitnehmer/innen der ETV-Gruppe 1, die erhöhten Belastungen und besonderen Erschwernissen unterliegen") war für das Jahr 2007 in Höhe von 971,00 EUR festgesetzt, woraus sich ein Stundenlohn von Höhe von 5,61 EUR ergibt. Aufgrund des vorerwähnten Entgelttarifvertrages aus Dezember 2007 beträgt das Monatsentgelt in dieser Entgeltgruppe seit dem 1. Januar 2008 nun 1.000,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR ergibt, und seit 1. Januar 2009 nun 1.020,00 EUR, was einen Stundenlohn in Höhe von 5,90 EUR ergibt (alle Stundenlohnangaben sind auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet angegeben).

66

Der nach VSE 2006 ermittelte Durchschnittslohn in der Leistungsgruppe 4 im Referenzmonat Oktober 2006 liegt zwar mit 6,55 EUR deutlich über den tariflichen Werten. Das stellt aber nicht die gerichtliche Feststellung in Frage, dass man von dem statistisch ermittelten Durchschnittslohn auf die Üblichkeit der Tarifvergütung schließen kann. Dabei ist zunächst einmal hervorzuheben, dass auch in der VSE 2006 selbst die Arbeitnehmer der Tarifgruppe 2 der Leistungsgruppe 4 zugeordnet werden (vgl. die Angaben in der bereits oben erwähnten Tarifdatenbank auf destatis.de). Auch die textliche Umschreibung der beiden Gruppen im Tarifvertrag einerseits und in der VSE 2006 andererseits sprechen dafür, dass damit dieselbe Arbeitnehmergruppe erfasst wird. Dass die VSE-Werte so deutlich oberhalb des Tarifniveaus liegen, erklärt sich aus der Sicht des Gerichts dadurch, dass die VSE 2006 lediglich 5 verschiedenen Stufen kennt, während der Tarifvertrag insgesamt 10 Stufen kennt (§ 2 ETV MV). Daher sind in der Leistungsgruppe 4 der VSE 2006 auch Arbeitnehmer erfasst, die nach dem Tarifvertrag schon einer höheren Tarifgruppe zuzuordnen wären.

d)

67

Auch die weiteren Erkenntnisse aus der VSE 2006 sprechen nicht gegen die hier gezogenen Folgerungen. Im Rahmen der Verdienststrukturerhebung wird auch ermittelt, welche durchschnittlichen Löhne in einer Branche - gemittelt über alle Leistungsgruppen - gezahlt werden, wobei nach gegebener oder fehlender Tarifbindung unterschieden wird ("Bruttomonatsverdienste nach Wirtschaftszweig und Tarifbindung im Oktober 2006"). Danach liegt der Bruttostundenverdienst (gemittelt über alle Leistungsgruppen) ohne Tarifbindung bei 8,37 EUR und mit Tarifbindung bei 9,52 EUR (VSE 2006, S. 25).

68

Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Löhne des ETV MV oberhalb des allgemeinen Lohnniveaus im Wirtschaftsgebiet liegen. Denn es muss beachtet werden, dass im Gastgewerbe neben dem ETV MV weitere Tarifverträge gelten, die vielfach deutlich bessere Vergütungen vorsehen. Beispielhaft wurde in der mündlichen Verhandlung vom Gericht der Bundestarifvertrag für die Systemgastronomie angeführt, der im Vergleich der beiden jeweils niedrigsten Tarifgruppen im Jahre 2009 mit 6,56 EUR brutto ungefähr 20 Prozent über dem Wert aus dem ETV MV (5,39 EUR) liegt. Auch die Tarifverträge der Verkehrsgastronomie, soweit sie hier bekannt sind, liegen alle deutlich über dem Lohnniveau des ETV MV. Soweit die großen Hotels im Lande über ihre Einbindung in Hotelketten an Tarifverträge gebunden sind oder eigene Tarifverträge abgeschlossen haben (zum Beispiel Neptun Hotel in Rostock), liegen auch diese deutlich über dem Lohnniveau des ETV MV.

69

Der in der VSE 2006 ausgewiesene Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Lohn in Betrieben mit und ohne Tarifbindung kann daher nicht auf den hier betrachteten ETV MV zurückgeführt werden. Es bleibt daher bei der aus der Detailbetrachtung der Verdienste nach Leistungsgruppen im Gastgewerbe gezogenen Folgerung, dass der Tariflohn nach ETV MV in den unteren beiden Tarifgruppen genau dem Durchschnittslohn der Branche trifft oder sogar leicht darunter liegt. Diese Erkenntnis wird indirekt auch durch die weitere Tarifentwicklung hier im Lande bestätigt. Denn die Tarifvertragsparteien haben im Oktober 2010 einen neuen Entgelttarifvertrag verabschiedet mit Lohnsteigerungen, die weit oberhalb der in diesem Jahr in anderen Branchen beobachtbaren Werte liegen. So ist nicht nur die Tarifgruppe 1 insgesamt abgeschafft worden, die Entgelte in allen Tarifgruppen sind zudem linear um fünf Prozent angehoben worden. Wenn die Tarifvertragsparteien aber erkannt haben, dass in der Lohnentwicklung offensichtlich ein Nachholbedarf bestanden hat, wird man im Umkehrschluss aber auch davon ausgehen dürfen, dass die hier wichtigen Tariflöhne in den Jahren 2007 bis 2009 entweder den üblicherweise gezahlten Lohn widerspiegelten oder sogar noch etwas unterhalb des üblichen Niveaus lagen.

e)

70

Der Beklagte muss sich bei seinen Entgeltabreden an dem Tariflohn messen lassen, denn er fällt mit seinem Betrieb in den Geltungsbericht des vorerwähnten Tarifvertrages. Nach § 1 ETV MV gilt der Tarifvertrag fachlich "für alle Betriebe, die gewerbsmäßig Reisende beherbergen, den Verkauf von Speisen und/oder Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle betreiben, einschließlich Eisdielen... sowie Trinkhallen, Imbissstände, Fischbratküchen, Vereinshäuser, Erholungsheime, Selbstbedienungsrestaurants, Handels,- System-, Fast-food-Gastronomie, Catering usw." Der Betrieb, den der Beklagte unterhalten hatte, unterfiel dem fachlichen Geltungsbereich, denn der Betrieb umfasste auch ein Restaurant, in dem Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle dargeboten wurden. Das Gericht hatte im ersten Teil der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Frage angesprochen, ob der Betrieb vom Geltungsbereich erfasst ist, da hier über den Umfang des Restaurantbetriebes im Vergleich zum Umfang des Lieferservice nichts bekannt ist. Diese Argument ist vom Beklagten nicht durch weiteren Tatsachenvortrag aufgegriffen worden, so dass man davon ausgehen muss, dass der Betrieb des Beklagten wegen des dort unterhaltenen Restaurants auf jeden Fall unter den fachlichen Geltungsbereich des TV fällt.

f)

71

Der von der Beklagten geforderte Sonderstatus als Kleinstbetrieb mit unter 10 Arbeitnehmern kann nicht anerkannt werden. Zum einen hat die Beklagte an keiner Stelle der Akte einmal ausdrücklich erklärt, wie viele Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftigt waren. Zum anderen kann aber auch nicht anerkannt werden, dass es einen Sonderarbeitsmarkt für Kleinstbetriebe gibt, auf dem die Einkommen schlechter sind als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Branche. Denn dazu liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Schon die Ergebnisse der amtlichen Statistik aus der VSE 2006 stehen dem entgegen. Denn die Branche ist hier im Lande geradezu geprägt durch Klein- und Kleinstbetriebe. Und dennoch weist die Statistik ein durchschnittliches Einkommen in der untersten Stufe aus, das nominell sogar leicht über dem tariflichen Einkommen liegt. Im Übrigen gilt es zu betonen, dass sich die Arbeitgeber des gesamten Gastgewerbes unabhängig von der Betriebsgröße desselben Arbeitsmarkts zur Versorgung mit Arbeitskräften bedienen müssen, was zur Folge hat, dass die Einkommen vergleichbar bleiben.

72

Mit gewissen Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der VSE 2006 nur Daten zu Grunde liegen, die in Betrieben mit 10 oder mehr Arbeitnehmern erhoben wurden. Damit ist aber noch nicht die Folgerung möglich, dass die erhobenen Zahlen keine Aussagekraft für Betriebe mit unter 10 Arbeitnehmern hat. Denn die Erhebungsgrenze dient nicht der Abgrenzung in der Realität beobachtbarer verschiedener Teilarbeitsmärkte, sondern sie ist lediglich dem Zwang geschuldet, Aufwand und Nutzen bei der Datenerhebung sowohl für das Amt als auch für die zur Mitwirkung verpflichteten Arbeitgeber im Rahmen zu halten. Die Vorstellung, in Kleinstbetrieben würden geringere Vergütungen erzielt, als in der übrigen Branche, ist im Übrigen spekulativ geblieben und kann daher der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden.

g)

73

Ob man - wie vom Beklagten gewünscht - innerhalb des räumlichen Geltungsbereiches eines Tarifvertrages nochmals Teilarbeitsmärkte in Hinblick auf die Besonderheiten einer bestimmten Region im Tarifgebiet unterscheiden muss, kann für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits dahinstehen. Denn es kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass es für die Hansestadt Stralsund im Gastgewerbe einen Arbeitsmarkt gibt, auf dem signifikant niedrigere Löhne üblich sind als im übrigen Tarifgebiet.

74

Die denkbaren Sachgesichtspunkte halten sich die Waage. Es mag zwar sein, dass es zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil des Bundeslandes Einkommensunterschiede gibt. Aber ergänzend müsste bei einer solchen Differenzierung gewürdigt werden, dass die Beklagte ihren Betrieb im städtisch geprägten Stralsund betrieben hatte, und ebenso Einkommensunterschiede im Vergleich von Städten und Landkreisen bestehen. Soweit zu dieser Frage Zahlenmaterial vorliegt, spricht dies sogar eher gegen die Vorstellung, es gäbe einen regionalen Teilarbeitsmarkt Stralsund, auf dem ein insgesamt niedrigeres Lohnniveau zu verzeichnen sei. So hat das statistische Landesamt im Juni 2010 eine Statistik über das Einkommensniveau in den Städten und Landkreisen des Landes im Jahre 2008 veröffentlicht, wonach in allen sechs kreisfreien Städten des Landes, also auch in Stralsund, das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen um bis zu 9 Prozent über dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen im gesamten Land lag. Stralsund mit einem Index von 107,5 (landesweites Durchschnittseinkommen = 100) lag sogar an Platz 2 der Einkommensskala. Auch die Platzierung der sechs kreisfreien Städte lässt keine Rückschlüsse auf ein systematisches West-Ost-Gefälle zu. Dasselbe Bild ergibt sich bei einem Vergleich der Einkommen in den Landkreisen, die Indexzahlen von 87,4 bis 102 aufweisen. Gestaffelt nach dem erreichten Einkommensniveau ergibt sich eine bunte Reihe von Landkreisen aus dem östlichen wie dem westlichen Landesteil, ohne das irgendwie eine Regel erkennbar ist.

h)

75

Nach dem insoweit also maßgeblichen ETV MV beträgt die übliche Vergütung für Küchenhilfen in der Tarifgruppe 1 nach § 3 ETV MV (Frau Ka. und Frau Wi.) ausgedrückt in einem Stundenlohn 5,13 EUR brutto (2007), 5,28 EUR brutto (2008) und 5,39 EUR brutto (2009).

76

Die Kellnerin Frau Ku. ist von der Klägerin der Tarifgruppe 2 aus § 3 ETV MV zugeordnet worden. Bezüglich der Bewertung der Tätigkeit der Frau Ku. macht sich das Berufungsgericht die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu Eigen. Möglicherweise wäre insoweit sogar eine noch bessere Eingruppierung möglich gewesen. Das kann hier aber dahinstehen, da die Klägerin den Gegenstand ihrer Klage bestimmt und nicht das Gericht. Für die Eingruppierung in die von der Klägerin zu Grunde gelegte Tarifgruppe 2 spricht zumindest der Zuschnitt des Betriebes des Beklagten, der wohl nicht darauf angewiesen war, zur Erfüllung seines Betriebszwecks eine voll ausgebildete Kellnerin zu beschäftigen.

77

Der übliche Lohn für Arbeiten der Tarifgruppe 2 des ETV MV beträgt ausgedrückt in einem Stundenlohn 5,61 EUR brutto (2007), 5,78 EUR brutto (2008) und 5,90 EUR brutto (2009).

78

Auch die beiden Pizzafahrer sind der Tarifgruppe 2 zuzuordnen. Das Arbeitsgericht hat diese Arbeitnehmer nur der Tarifgruppe 1 aus § 3 ETV MV zugeordnet. Dieser Bewertung schließt sich das Berufungsgericht nicht an. In die Tarifgruppe 1 fallen nach § 2 ETV MV Arbeitnehmer mit Tätigkeiten, die keine fachlichen Kenntnisse erfordern. Als Beispiele sind im Positionsraster in § 4 ETV MV aufgeführt die Manglerin, die Garderobefrau, die Toilettenfrau, Nachtwachen, Hausdiener, Garagenwächter und ähnliche Funktionen.

79

Die Aufgabe des Pizzaauslieferungsfahrers fällt nicht in die Bewertungsgruppe 1, da der Auslieferungsfahrer fachliche Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten benötigt. Er muss zum einen eine Fahrerlaubnis besitzen, deren Erwerb an sich schon eine erhebliche Bildungsinvestition ist. Außerdem tätigt er für seinen Arbeitgeber Bargeschäfte mit den Kunden und muss daher zumindest über kaufmännische Grundkenntnisse (und eine dem entsprechende Zuverlässigkeit) verfügen. Schließlich transportiert er leicht verderbliche Speisen und muss daher über Kenntnisse verfügen, wie er sicherstellen kann, dass die Speisen auf dem Weg vom Betrieb zum Kunden nicht durch Abkühlen, unsachgemäße Lagerung oder sonstige Einflüsse verdorben werden. Letztlich benötigt ein Pizzaauslieferungsfahrer wie eine Servierkraft auch gewisse kommunikative Fähigkeiten, um ein Gespräch mit dem Kunden führen zu können.

80

Der Pizzaauslieferungsfahrer ist vielmehr der Bewertungsgruppe 2 aus § 3 ETV MV zuzuordnen. Dieser Bewertungsgruppe gehören nach dem Text des Tarifvertrages unter anderem Arbeitnehmer mit geringen fachlichen Kenntnissen an. Nach dem Positionsraster in § 4 ETV MV gehören dazu beispielsweise Telefonisten, Hotel-Portiers, Wäschebeschließer, Näher, Bügler, Restaurantkassierer, Hausmeister sowie der oder die Serviererin ("angelernt/ungelernt"). Es handelt sich also um typische Anlerntätigkeiten, die jedoch noch keine Berufsausbildung voraussetzen.

81

Das Gericht sieht den Pizzaauslieferungsfahrer hier als eine atypisch tätige Servierkraft an, die die Speisen nicht innerhalb des Betriebes von der Küche zum Tisch im Gastraum befördert, sondern vom Betrieb zur Haustür des Kunden. Dass die beiden Pizzafahrer hier zutreffend eingestuft sind, ergibt sich auch aus der Nähe dieser Tätigkeit zum Restaurantkassierer. Das Positionsraster in § 4 ETV sieht zwar sowohl für die Servierkraft als auch für den Restaurantkassierer die Zuordnung zur Bewertungsgruppe 2 nur als unterste Stufe vor, die durch eine Bandbreite bis zur Stufe 4 oder gar 5 erweitert ist. Ein Aufrücken innerhalb der Bandbreite scheitert jedoch hier an den bescheidenen Verhältnissen des Betriebes des Beklagten. Innerhalb der denkbaren Bandbreite von Betrieben des Gastgewerbes ist der hier betrachtete Betrieb ein einfachster kleiner Betrieb, der sich in einer kleinen Marktnische durch Anpassung des Betriebsmodells an die Kaufkraft der Kunden einige Zeit gehalten hat.

82

Der Wunsch der Klägerin, die beiden Pizzafahrer der Bewertungsgruppe 4 aus § 3 ETV MV zuzuordnen, weil § 4 ETV MV ein Positionsraster ausweist, in dem unter "V. Sonstige Dienstleistungen" der Kraftfahrer mit einer Zuordnung zu den Bewertungsgruppen 4 oder 5 auftaucht, lässt sich rechtlich nicht begründen.

83

Maßgeblich für die Eingruppierung sind die in § 3 ETV MV aufgestellten 10 Bewertungsgruppen. Das ergibt sich zwingend aus § 2 ETV MV, wo es heißt, dass für die Einordnung in die einzelnen Bewertungsgruppen die ausgeübte Tätigkeit maßgeblich sei. Wenn aber der Tarifvertrag auf die Tätigkeiten und nicht auf die Berufsbezeichnung oder die Benennung der Position im Betrieb abstellt, ist § 3 ETV MV für die Eingruppierung maßgeblich. Das Positionsraster in § 4 ETV MV hat demgegenüber nicht einmal die Funktion von Regelbeispielen. Vielmehr handelt es sich um eine typisierende Bewertung betrieblicher Funktionen, die für Standardfälle eine analytische Bewertung des Arbeitsplatzes überflüssig machen kann. Das Positionsraster ist aber nicht dazu geeignet, die Subsumtion unter die Bewertungsgruppen aus § 3 ETV MV zu ersetzen.

84

Gemessen an den allgemeinen Bewertungsmerkmalen der Gruppe 4 aus § 3 ETV MV, fällt die Arbeit als Pizzaauslieferungsfahrer nicht unter dieses Eingruppierungsmerkmal. Das Merkmal lautet: "Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Tätigkeitsberuf ab dem 3. Berufsjahr sowie in der Regel angelernte Kräfte bei gleichartiger und gleichwertiger Tätigkeit ab dem 7. Berufsjahr." Es ist weder dargelegt, dass Herr Ol. oder Herr Fi. eine Ausbildung als Berufskraftfahrer besitzen, noch ist dargelegt, dass sie als angelernte Kräfte bereits seit mehr als 7 Jahren wie ein Berufskraftfahrer eingesetzt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, dass für die Arbeitsaufgabe eines Pizzaauslieferungsfahrers die Berufsausbildung als Berufskraftfahrer notwendig ist.

85

Aus ähnlichen Erwägungen kommt eine Zuordnung zur Tarifgruppe 3 aus § 3 ETV MV nicht in Betracht, da auch diese für Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung vorgesehen ist.

3.

86

Die vom Beklagten tatsächlich gezahlte Vergütung bleibt weit hinter der üblichen Vergütung zurück. Der Beklagte hat Stundenlöhne zwischen 1,70 EUR und 2,67 EUR bezahlt.

a)

87

Die vom Beklagten Herrn Ol. gezahlte Vergütung in Höhe von 80,00 EUR und später 120,00 EUR entspricht einem Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR bzw. 2,67 EUR (bei 80,00 bzw. bei 120,00 EUR Monatslohn).

88

Die durch die Bescheinigungen, die der Beklagte auf Wunsch der Klägerin erteilt hat, teilweise dokumentierten rechtsgeschäftlichen Arbeitsbedingungen im Arbeitsverhältnis des Herrn Ol. mit dem Beklagten enthält keine Vergütungsabrede, die ohne Weiteres die Ermittlung eines Stundenlohns zulässt, denn der fest vereinbarten Vergütung steht keine fest vereinbarte Anzahl von zu leistenden Arbeitsstunden gegenüber. Vielmehr sollte die Arbeitszeit flexibel gehandhabt werden bis zu einer Grenze von 14,9 Arbeitsstunden pro Woche, was rechnerisch einer monatlichen Maximalarbeitszeit im Umfang von 64,57 Stunden entsprechen würde (Wochenstunden mal 13 Wochen dividiert durch 3 Monate) und damit einen Stundenlohn in Höhe von ungefähr 1,25 EUR bzw. 1,88 EUR ergeben würde. Da diese Grenze offensichtlich aus naheliegenden sozialrechtlichen Gründen gewählt wurde, damit der Bezug von Arbeitslosengeld nicht in Frage steht, hält es das Gericht allerdings nicht für möglich, den Stundenlohn auf Basis dieser maximal möglichen Stundenanzahl zu ermitteln. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte oder beide Parteien des Arbeitsverhältnisses jemals im Sinn hatten, den Arbeitnehmer tatsächlich im Umfang der rechnerisch möglichen Heranziehung auch tatsächlich zur Arbeit heranzuziehen. Vielmehr ist darauf abzustellen, wie die Parteien ihr Arbeitsverhältnis gehandhabt haben. Denn die tatsächliche Handhabung des Arbeitsverhältnisses gibt Aufschluss darüber, wie die Parteien ihre vertraglichen Abreden verstanden haben.

89

Allerdings ergibt sich aus der rechtsgeschäftlichen Abrede, die auch durch die tatsächliche Handhabung bestätigt wird, dass der Arbeitnehmer einen festen Monatslohn beziehen sollte, der nicht in Abhängigkeit von der Anzahl der geleisteten Stunden steht. Dieser Umstand rechtfertigt es, für die Ermittlung des Stundenlohns als Vergleichsgröße für die Bemessung des auffälligen Missverhältnisses auf die durchschnittliche monatliche Heranziehung zur Arbeit über den gesamten Streitzeitraum abzustellen.

90

Damit weicht das Berufungsgericht in diesem Punkt von der Herangehensweise des Arbeitsgerichts ab, das den Stundenlohn monatsweise anhand der in jedem Monat konkret erbrachten Arbeitsleistung ermittelt hat. Bei dem Ansatz des Arbeitsgerichts bleibt jedoch der rechtsgeschäftliche Wille zu einem festen Monatslohn bei variabler Arbeitszeit unberücksichtigt. Der methodische Ansatz des Arbeitsgerichts führt zu einer Atomisierung der Betrachtung, die nur die Gefahr in sich birgt, den wahren Charakter des vereinbarten Rechtsgeschäfts zu verdunkeln. Die hier vorgenommene Betrachtungsweise steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in dem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 22. April 2009 (5 AZR 436/08 aaO). Das BAG hat dort lediglich ausgeführt, eine Entgeltvereinbarung könne zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch wirksam sein, jedoch im Laufe der Zeit, wenn sie nicht im Rahmen der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst wird, zu einem späteren Zeitpunkt zu einem auffälligen Missverhältnis führen und damit sittenwidrig werden (so auch schon BAG Urteil vom 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - BAGE 118, 66 = AP Nr. 63 zu § 138 BGB = DB 2006, 2467). Diese Urteilspassagen sind auf den vorliegenden Fall nicht direkt übertragbar. Sie betreffen in beiden Fällen andere Sachverhalte, nämlich Arbeitsverhältnisse, die bereits längere Zeit durchgeführt wurden und in denen zweifelhaft war, ob die Vergütungsabrede, die am Anfang der Zusammenarbeit stand, bereits sittenwidrig war, oder ob die Sittenwidrigkeit erst später durch eine fehlende Anpassung der Entgeltabrede entstanden ist. Aus den zitierten Urteilspassagen ergibt sich aber nicht, dass die Gerichte gezwungen wären, jeden einzelnen Lohnzahlungszeitraum gesondert und isoliert zu betrachten. Erforderlich ist vielmehr eine Betrachtungsweise, die sich an den rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen der Parteien orientiert. Haben die Arbeitsvertragsparteien - wie hier - eine konstante Vergütung bei variabler Arbeitszeit vereinbart, muss man zur Ermittlung der tatsächlich vereinbarten Vergütungshöhe auf die Handhabung des Arbeitsverhältnisses abstellen. Je mehr Monate man dabei in die Betrachtung mit einbezieht, desto genauer trifft man den wahren Willen der Parteien zur Höhe der Vergütung.

91

Der Durchschnittslohn muss daher hier auf Basis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit in allen 11 streitgegenständlichen Monaten (Mai 2008 sowie Juli 2008 bis einschließlich April 2009) ermittelt werden. - Die weiteren Monate seit Mai 2009 sind in die Durchschnittsbewertung dagegen nicht mehr mit einzubeziehen. Da der Arbeitnehmer seit diesem Zeitpunkt nur noch zu maximal 20 Stunden im Monat zur Arbeit herangezogen wurde, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien als Reaktion auf die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung durch die Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 2009 die rechtsgeschäftlichen Grundlagen ihrer Zusammenarbeit abgeändert und damit die Sittenwidrigkeit der Lohnabrede beseitigt haben. Es hat also im Arbeitsverhältnis eine Zäsur stattgefunden. Die Zeit der extrem starken monatlichen Heranziehung zur Arbeit endete mit Ablauf des April 2009.

92

Herr Ol. hat beim Beklagten in den hier interessierenden 11 Monaten Mai 2008 sowie Juli bis Dezember 2008 und Januar bis einschließlich April 2009 insgesamt 495 Stunden gearbeitet, wobei die Monatswerte zwischen 42 und 54 Stunden schwanken, und er hat dafür monatlich entweder 80,00 oder 120,00 EUR erhalten. Demnach hat er einen Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. in Höhe von 2,67 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) erhalten. Diese Werte ergeben sich, wenn man die gesamten vom Kläger in den streitigen 11 Monaten geleisteten Arbeitsstunden durch die Anzahl der streitigen Monate teilt und mit der so ermittelten durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit (45 Monatsstunden) den Stundenlohn ermittelt.

93

Eine kleine methodische Ungenauigkeit bei der Ermittlung des Stundenlohn ergibt sich allerdings daraus, dass die Klägerin für den Lohn aus dem Arbeitsmonat Juni 2008 keine Ansprüche geltend gemacht hat obwohl Herr Ol. nach der eigenen Aufstellung der Klägerin (vgl. Anlage K7, hier Blatt 31) auch in diesem Monat 80,00 EUR Entgelt bezogen hat. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte aber nicht festgestellt werden, ob Herr Ol. in diesem Monat gar keine Arbeitsleistung erbracht hat, oder aus welchem anderen Grund die Klägerin für diesen Monate keine übergegangenen Ansprüche geltend macht. Die Ungenauigkeit kann hier hingenommen werden. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass Herr Ol. in diesem Monat Urlaub hatte, oder die ausgefallenen Stunden später nachgearbeitet hat, würde das den ermittelten Stundenlohn nur geringfügig verändern. Die Anzahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden (495) müsste dann durch 12 statt durch 11 Monate dividiert werden. Das würde eine durchschnittliche Heranziehung zu 41,25 Stunden pro Monat ergeben, woraus sich dann ein Stundenlohn in Höhe von 1,94 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. 2,91 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) errechnen würde.

b)

94

Ähnliche Stundenlöhne hat der Beklagte auch den anderen Arbeitnehmern bezahlt.

95

Herr Fi. hat durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und er wurde in den 8 Monaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 insgesamt 362 Stunden zur Arbeit herangezogen, also durchschnittlich 45 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich ein tatsächlicher Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR.

96

Frau Ku. hat, mit Ausnahme der Monate August bis einschließlich November 2008, in denen sie 120,00 EUR verdient hatte, durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und sie wurde in den 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 insgesamt 859 Stunden zur Arbeit herangezogen, also durchschnittlich 45 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich ein tatsächlicher Stundenlohn in Höhe von 1,78 EUR (bezogen auf 80,00 EUR Monatsentgelt) bzw. 2,67 EUR (bezogen auf 120,00 EUR Monatsentgelt).

97

Frau Ka. hat durchgehend 80,00 EUR monatlich verdient und sie wurde in den 19 Monaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 insgesamt zu 895 Arbeitsstunden herangezogen, also durchschnittlich 47 Stunden im Monat (Rechenergebnis unter Weglassung der Nachkommastellen). Daraus errechnet sich kaufmännisch gerundet ein tatsächlich erzielter Stundenlohn in Höhe von 1,70 EUR.

98

Frau Wi. hat für den Beklagten im Mai und Juni 2008 nur rund 6 Wochen gearbeitet, in dieser Zeit 54 Stunden geleistet und dafür 110,00 EUR Entgelt erhalten, woraus sich ein tatsächlich erzielter Stundenlohn in Höhe von 2,04 EUR errechnet.

4.

99

Setzt man die in den einzelnen Jahren jeweils übliche Vergütung mit 100 an, erreichte der tatsächliche Verdienst der fünf Arbeitnehmer nur zwischen etwas über 30 bis maximal 46,19 Prozentpunkte davon. Daraus ergibt sich die Sittenwidrigkeit der Entgeltabrede ohne Weiteres.

a)

100

Herr Ol. hat 2008 und im Januar 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Ol. hat in dieser Zeit also nur 30,80 Prozent bzw. im Januar 2009 dann 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Von Februar bis April 2009 hat Herr Ol. zu einem Stundenlohn von 2,67 EUR gearbeitet, die übliche Vergütung hätte 5,90 EUR betragen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Ol. hat in dieser Zeit also nur 45,25 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

101

Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten auch den Monat Juni 2008 mit in die Berechnung des Stundenlohns mit einbezieht, erreicht die tatsächliche Vergütung nicht einmal 50 Prozent der üblichen Vergütung. Denn der dann anzusetzende Stundenlohn in Höhe von 1,94 EUR (bei 80,00 EUR Monatslohn) bzw. 2,91 EUR (bei 120,00 EUR Monatslohn) würde immer noch nur 33,56 Prozent (80,00 EUR Einkommen im Jahre 2008) bzw. 49,32 Prozent (120,00 EUR im Jahre 2009) der üblichen Vergütung erreichen

102

Herr Fi. hat 2008 und 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Herrn Fi. hat im Jahre 2008 also nur 30,80 Prozent und im Jahre 2009 nur 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

103

Frau Ku. hat im Jahre 2007, überwiegend im Jahre 2008 und im Jahre 2009 zu einem Stundenlohn von 1,78 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2007 bei 5,61 EUR, 2008 bei 5,78 EUR und 2009 bei 5,90 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ku. hat 2007 also nur 31,73 Prozent, 2008 also nur 30,80 Prozent und 2009 nur 30,17 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Von August bis einschließlich November 2009 hat Frau Ku. zu einem Stundenlohn von 2,67 EUR gearbeitet, die übliche Vergütung hätte 5,78 EUR betragen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ku. hat in dieser Zeit also nur 46,19 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

104

Frau Ka. hat in den Jahren 2007, 2008 und 2009 zu einem Stundenlohn von 1,70 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2007 bei 5,13 EUR, 2008 bei 5,28 EUR und 2009 bei 5,39 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Ka. hat 2007 also nur 33,14 Prozent, 2008 also nur 32,20 Prozent und 2009 nur 31,54 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

105

Frau Wi. hat 2008 zu einem Stundenlohn von 2,04 EUR gearbeitet. Die übliche Vergütung hat 2008 bei 5,28 EUR gelegen. Das tatsächliche Einkommen von Frau Wi. hat also nur 38,64 Prozent der üblichen Vergütung erreicht.

b)

106

Die Entgeltabreden des Beklagten mit seinen Arbeitnehmern lassen auf ein besonders auffälliges und krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne der Rechtsprechung zum wucherähnlichen Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB schließen. Von einem besonders auffälligen und krassen Missverhältnis kann ohne weiteren Sachvortrag ausgegangen werden, wenn die tatsächliche Vergütung nicht einmal 50 Prozent der üblichen Vergütung erreicht. Dies hat der Bundesgerichtshof für den Grundstückskaufvertrag so entschieden (BGH 4. Februar 2000 - V ZR 146/98 - NJW 2000, 1487 = MDR 2000, 514). Diese Rechtsprechung ist auf Arbeitsverhältnisse übertragbar. Der Bundesgerichtshof differenziert insoweit zwischen Märkten, auf denen der marktübliche Preis einfach festzustellen oder allgemein bekannt ist (beispielsweise Ratenkreditverträge, Grundstücksverträge) und Märkten, auf denen so viele preisbildende Faktoren berücksichtigt werden müssen, dass sich der marktübliche Preis nur aufwendig und stets mit einer gewissen Unsicherheit ermitteln lässt (beispielsweise gewerbliche Pachtverträge über Gaststätten; vgl. dazu BGH 13. Juni 2001 aaO). Je einfacher feststellbar der marktübliche Preis ist, desto eher ist die Aussage erlaubt, dass die besonders auffällige und krasse Unterschreitung dieses Preises mit einer verwerflichen Einstellung des vom Vertrag Begünstigten einher geht. Überträgt man diesen Gedanken auf das Arbeitsrecht muss man davon ausgehen, dass das marktübliche Lohnniveau anhand der Tarifverträge einfach festzustellen ist. Dies gilt jedenfalls hier, wo positiv festgestellt werden kann, dass sich im Tarifvertrag das marktübliche Lohnniveau widerspiegelt.

107

Wegen des besonders auffälligen und krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung in den Arbeitsverträgen der hier betroffenen fünf Arbeitnehmer muss auch davon ausgegangen werden, dass der Beklagte wusste, dass seine Löhne weit unter dem marktüblichen Niveau gelegen haben. Zumindest muss man davon ausgehen, dass er sich dieser Erkenntnis trotz der entgegenstehenden Indizien leichtfertig verschlossen hat.

108

Dies reicht zur Feststellung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabreden bereits aus. Weitere Umstände kommen noch hinzu.

109

Zum einen ist zu beachten, dass die Arbeitsverhältnisse offensichtlich ohne Gewährung von Urlaub oder Ersatzfreitagen für Arbeit am Wochenende und an Feiertagen durchgeführt wurden. Dies ergibt sich zwingend aus den zur Akte gereichten Stundenzetteln der Arbeitnehmer, die der Beklagte selber ausgefüllt hat.

110

Zum anderen ist es besonders verwerflich, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses die aus staatlichen Mitteln finanzierte tatsächlich bestehende Grundversorgung der betroffenen Arbeitnehmer zum Anlass genommen haben, Entgelte weit unterhalb der verkehrsüblichen Vergütung zu vereinbaren. Denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber missbrauchen die Leistungsmöglichkeiten, die das Sozialgesetzbuch II für arbeitssuchende Personen bereitstellt, wenn sie in einer Art Mischkalkulation Löhne vereinbaren, denen der Arbeitnehmer nur zustimmt, weil er über die staatlich finanzierte Grundsicherung abgesichert ist. Würde man diese Mischkalkulation zulassen, würden die Regeln der staatlichen Grundsicherung entgegen der gesetzlichen Intention in der Tat zu einer Lohnspirale nach unten führen.

111

Da der Beklagte nichts anders dazu vorgetragen hat, muss auch davon ausgegangen werden, dass er die Zusammenhänge zwischen dem besonders geringfügigen Lohn, den er bezahlt hat und den Sozialleistungen, die die Arbeitnehmer gleichzeitig bezogen haben, kannte. Damit steht fest, dass er verwerflich gehandelt hat. Ob auch die Arbeitnehmer verwerflich gehandelt haben, kann daher hier dahinstehen.

II.

112

Verstößt eine Entgeltabrede gegen § 138 BGB ist nur diese Abrede nichtig, der Arbeitsvertrag im Übrigen bleibt bestehen. Die nunmehr fehlende Vergütungsvereinbarung wird nach § 612 BGB durch die Ansetzung der üblichen Vergütung ersetzt (BAG Urteil vom 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - AP Nr. 64 zu § 138 BGB = DB 2009, 114 = NZA 2009, 837). Das ist hier - wie oben bereits ausgeführt - der Tariflohn aus dem Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe MV (ETV MV). Daher hat der Beklagte die Vergütungsanspruche der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch nicht vollständig erfüllt, offen ist noch ein Betrag in Höhe von 9.933,81 EUR.

113

Der Arbeitnehmer Ol. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Mai 2008 bis einschließlich April 2009 neun Monate lang je 80,00 EUR erhalten und drei Monate je 120,00 EUR, in Summe also 1.080,00 EUR. Tatsächlich hat dieser Arbeitnehmer für die 317 Stunden, die er im Jahre 2008 geleistet hat, nach Tarif jedoch einen Anspruch auf 1.832,26 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 178 Stunden 1.050,20 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat der Arbeitnehmer Ol. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 2.882,46 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.080,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 1.802,46 EUR offen.

114

Die Arbeitnehmerin Ka. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 über alle 19 Monate hinweg je 80,00 EUR erhalten, in Summe also 1.520,00 EUR. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 151 Stunden, die sie im Jahre 2007 geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 774,63 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,13 EUR brutto. Für die 558 Stunden, die sie im Jahre 2008 geleistet hat, hat sie nach Tarif einen Anspruch auf 2.946,24 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,28 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 186 Stunden 1.002,54 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,39 EUR. In Summe hat die Arbeitnehmerin Ka. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 4.723,41 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.520,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 3.203,41 EUR offen.

115

Die Arbeitnehmerin Wi. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten Mai und Juni 2008 in Summe 110,00 EUR erhalten. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 51 Stunden, die sie geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 285,12 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,28 EUR brutto. Abzüglich der bisher geleisteten 110,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 175,12 EUR offen.

116

Die Arbeitnehmerin Ku. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von Oktober 2007 bis einschließlich April 2009 über 15 Monate hinweg je 80,00 EUR erhalten und für 4 Monate im Jahre 2008 je 120,00 EUR, in Summe also 1.680,00 EUR. Tatsächlich hat diese Arbeitnehmerin für die 152 Stunden, die sie im Jahre 2007 geleistet hat, nach Tarif einen Anspruch auf 852,72 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,61 EUR brutto. Für die 551 Stunden, die sie im Jahre 2008 geleistet hat, hat sie nach Tarif einen Anspruch auf 3.184,78 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 156 Stunden 920,40 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat die Arbeitnehmerin Ku. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 4.957,90 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 1.680,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 3.277,90 EUR offen.

117

Der Arbeitnehmer Fi. hat vom Beklagten in den streitigen Beschäftigungsmonaten von September 2008 bis einschließlich April 2009 in allen 8 Monaten 80,00 EUR erhalten, in Summe also 640,00 EUR. Tatsächlich hat dieser Arbeitnehmer für die 174 Stunden, die er im Jahre 2008 geleistet hat, nach Tarif jedoch einen Anspruch auf 1.005,72 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,78 EUR brutto. Für das Jahr 2009 ergeben sich für weitere 188 Stunden 1.109,20 EUR brutto bei einem Stundensatz in Höhe von 5,90 EUR. In Summe hat der Arbeitnehmer Fi. also einen Entgeltanspruch in Höhe von 2.114,92 EUR brutto gegen den Beklagten. Abzüglich der bisher geleisteten 640,00 EUR ist also noch ein Restanspruch in Höhe von 1.474,92 EUR offen.

118

Die noch nicht erfüllten Entgeltansprüche der betroffenen fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen den Beklagten summieren sich also auf 9.933,81 EUR.

III.

119

Dieser noch nicht erfüllte Anteil der den Arbeitnehmern noch zustehenden Vergütung ist nicht in vollem Umfang auf die Klägerin übergegangen, sondern nur im Umfang von 7.151,46 EUR.

1.

120

Gemäß § 115 SGB X geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Sozialleistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistung über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt - hier gegeben - und deshalb ein Leistungsträger - hier die Klägerin - Sozialleistungen erbracht hat.

121

Das trifft hier zu. Die Klägerin hat für alle fünf Arbeitnehmer während des gesamten Streitzeitraums Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erbracht und zwar in einem Umfang, der stets weit oberhalb der Vergütung lag, die die Arbeitnehmer bezogen hätten, wenn sie wie üblich vergütet worden wären. Da die fünf Arbeitnehmer auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. nach der Beseitigung der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabrede ab Mai 2009 noch im Leistungsbezug verblieben sind, braucht dem Umstand, dass das Arbeitseinkommen wegen der nachschüssigen Bezahlung immer erst in die Berechnung der Sozialleistung im Folgemonat einfließt, keine besondere Beachtung geschenkt werden.

122

Das Gericht geht im Weiteren davon aus, dass alle fünf betroffenen Arbeitnehmer gegenüber der Klägerin Anspruch auf den vollen Regelsatz hatten. Dazu hat die Klägerin zwar wegen des Sozialgeheimnisses keine näheren Angaben gemacht. Bei lebensnaher Betrachtungsweise und in Angesicht der Höhe der gezahlten Sozialleistungen kann aber dieser Umstand als gegeben erachtet werden. Daher kann vorliegend die Frage dahinstehen, ob der Anspruchsübergang auch dann gegeben wäre, wenn die Klägerin mit ihrer Leistung nicht den Bedarf der Arbeitnehmer sondern anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft befriedigt hätte.

123

Mit der Wendung im Text von § 115 SGB X "... und deshalb ... Sozialleistungen erbracht hat" soll sichergestellt werden, dass letztlich die Person die Kosten der Sozialleistung zu tragen hat, die nach zivilrechtlichen Maßstäben eigentlich zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre. Zahlt die ARGE also an einen Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II aus, nur weil der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Lohnzahlung nicht nachkommt, geht der nicht erfüllte Lohnanspruch des Antragstellers und Arbeitnehmers auf die ARGE über. Der Anspruchsübergang unterliegt allerdings einer doppelten Begrenzung. Zum einen kann er ohnehin nur bis zur Höhe der gewährten Sozialleistung übergehen. Zum anderen geht er aber auch nur insoweit über, als die Gewährung der Sozialleistung auf dem Versagen des Arbeitgebers beruht. Ein Anspruchsübergang kann daher nur stattfinden, wenn der Leistungsträger deshalb geleistet hat, weil der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Es muss also eine Kausalität zwischen der Nichtzahlung des Arbeitsentgeltes und der Zahlung der Sozialleistung bestehen (vgl. Pickel § 115 SGB X RNr. 2 und 11). Zweck der Vorschrift ist es, dem Sozialleistungsträger die Leistungen zurückzuerstatten, die nicht angefallen wären, wenn der Arbeitgeber seiner Leistungspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre (BAG 26. Mai 1993 - 5 AZR 405/92 - BAGE 73, 186 = AP Nr. 3 zu § 115 SGB X = DB 1993, 2035).

124

Im Umkehrschluss heißt dies allerdings, dass ein Anspruchsübergang auf den Sozialleistungsträger nicht stattfindet, soweit Sozialleistungen auch hätten erbracht werden müssen, wenn der Arbeitgeber seiner Vergütungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Daher muss also fiktiv ermittelt werden, in welchem Umfang die ARGE auch dann zur Gewährung von Sozialleistungen verpflichtet gewesen wäre, wenn der Beklagte als Arbeitgeber seiner Entgeltzahlungspflicht in vollem Umfang nachgekommen wäre. Denn nur in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlichen Zahlung und der fiktiven Zahlungsverpflichtung der ARGE bei vollständiger Erfüllung der Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers (hier des Beklagten) beruht die tatsächlich gewährte Sozialleistung auf dem Versagen des Arbeitgebers.

125

In der praktischen Konsequenz bedeutet dies, dass die vom Beklagten nicht erfüllten Entgeltansprüche bei den betroffenen Arbeitnehmern verbleiben, soweit diese, unterstellt sie wären vollständig vergütet worden, das dann erzielte Einkommen ohne Anrechnung auf die gewährten Sozialleistungen für sich hätten behalten dürfen (ebenso Kater in Kassler Kommentar § 115 SGB X RNr. 31d; Maul-Sartori, Übergang von Arbeitsentgeltansprüchen infolge Arbeitslosengeld II-Zahlungen, BB 2010, 3021, 3024). Dabei geht es zum einen um den pauschalierten Ansatz von Werbungskosten nach § 11 Absatz 2 SGB II in Höhe von 100,00 EUR, um den das erzielte Einkommen vor einer Anrechnung zu kürzen ist. Zum anderen geht es um die Anreizfunktion aus § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, nach der bis zu einem Monatseinkommen von 800,00 EUR 20 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Betrages ebenfalls anrechnungsfrei bleiben.

126

Die Einwände der Beklagten gegen diese Aufteilung des unerfüllten Teils der Arbeitseinkommen der betroffenen Arbeitnehmer greifen nicht durch. Insbesondere trifft es nicht zu, dass durch diese Gesetzesauslegung der sittenwidrig handelnde Arbeitgeber noch bevorteilt wird, da er dann "weniger zahlen müsse" (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 23. August 2010, hier Blatt 418) als bei vollem Anspruchsübergang. Denn es geht im Rahmen des Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X nur um die Frage, in welchem Verhältnis die noch nicht erfüllten Anteile des Arbeitseinkommens auf die betroffenen Arbeitnehmer und die ARGE aufgeteilt werden. In der Summe bleiben die Ansprüche, die der Beklagte noch zu erfüllen hat, stets gleich; ein rechtlicher Vorteil ist daher für den Arbeitgeber nicht zu erkennen. - Bedenklich ist auch die weitergehende Vorstellung der Beklagten, sie könne auch die den Arbeitnehmern noch zustehenden Einkommensanteile beitreiben, um sie dann nachträglich an die Arbeitnehmer auszukehren, denn es gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben der ARGE, zivilrechtliche Ansprüche von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber einzuklagen und beizutreiben.

127

Schließlich sind die Ausführungen der Beklagten zu der sozialrechtlichen Behandlung der Situation, in der der Arbeitnehmer zunächst Ausfälle im Arbeitseinkommen hat und später eine größere Nachzahlung in einem Block erhält, nicht hilfreich. Denn eine solche Situation liegt hier nicht vor. Der Arbeitgeber hat bisher keine Nachzahlung auf seine noch offene Schuld an die Arbeitnehmer geleistet, so dass offen bleiben kann, wie diese auf die laufenden Sozialleistungen zu verrechnen wäre. Schon gar nicht können die dabei anzuwendenden Rechtsregeln die Auslegung von § 115 SGB X beeinflussen. Wenn der Beklagte letztlich wie ausgeurteilt an die Klägerin zahlen wird, braucht die Klägerin nichts mehr zu verrechnen. Sie hat den ausgezahlten Betrag monatsweise anteilig dadurch erworben, dass sie den betroffenen Arbeitnehmern Sozialleistungen gewährt hat; Verrechnungsprobleme tauchen dabei nicht auf.

2.

128

Der begründete Teil der Klagforderung errechnet sich aus den folgenden Einzelheiten.

a)

129

Der Arbeitnehmer Ol. hat im Jahre 2008 von Mai bis Dezember 2008 beim Beklagten für die von ihm in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR insgesamt 1.832,26 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im Mai hat das Einkommen bei 48 Arbeitsstunden 277,44 EUR betragen, im Juli 312,12 EUR (bei 54 Stunden), im August 161,84 EUR (bei 28 Stunden), im September 277,44 EUR (bei 48 Stunden), im Oktober 242,76 EUR (bei 42 Stunden), im November 254,32 EUR (bei 44 Stunden) und im Dezember 306,34 EUR (bei 53 Stunden).

130

Von diesem Einkommen verbleiben dem Arbeitnehmer monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben dem Arbeitnehmer weitere 20 Prozent. Im Mai 2008 stehen dem Arbeitnehmer daher von den 277,44 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 177,44 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 35,49 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Herrn Ol. in Höhe von 135,49 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 141,95 EUR. Für Juni 2008 macht die Klägerin aus nicht erklärbaren Gründen keinen Anspruchsübergang geltend. Legt man die obige Rechenregel dann auch an die weiteren Monate an, stehen der Klägerin für Juli 169,70 EUR des Einkommens in Höhe von 312,12 EUR zu, für August 49,47 EUR von 161,84 EUR, im September 141,95 EUR von 277,44 EUR, im Oktober 114,21 EUR von 242,76 EUR, im November 123,46 EUR von 254,32 EUR und im Dezember 165,07 EUR von 306,34 EUR.

131

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Für Januar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 271,40 EUR ein Anteil in Höhe von 137,12 EUR zu. Für Februar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 247,80 EUR ein Anteil in Höhe von 118,24 EUR zu. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer in diesem Monat 120,00 EUR tatsächliche Vergütung bezogen hat, so dass in Höhe von 16,00 EUR (80,00 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Einkommens) durch Reduzierung der tatsächlich geflossenen Sozialleistung bereits bei der Auszahlung der Sozialleistung eine Teilverrechnung stattgefunden hat. Der Anteil an dem Einkommen, der auf die Beklagte übergehen kann, reduziert sich daher um diesen Betrag von 118,24 EUR auf dann nur noch 102,24 EUR. Für die weiteren drei Monate, in denen der Arbeitnehmer auch 120,00 EUR verdient hatte, gilt Ähnliches. Im März hat der Arbeitnehmer einen Entgeltanspruch in Höhe von 283,20 EUR, der in Höhe von 146,56 EUR auf seinen sozialrechtlichen Bedarf anzurechnen ist. Da eine Anrechnung im Umfang von 16,00 EUR bereits erfolgt ist, sind die Ansprüche nur im Umfang von 140,56 EUR auf die Klägerin übergegangen, der restliche Anspruch verbleibt dem Arbeitnehmer. Im April verbleibt von dem Arbeitseinkommen in Höhe von 247,80 EUR - rechnerisch identisch mit den Werten aus dem Februar 2009 - noch ein Betrag in Höhe von 102,24 EUR, der auf die Klägerin übergegangen ist.

132

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Herrn Ol. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 1.377,97 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 2.451,62 EUR.

b)

133

Die Arbeitnehmerin Ka. hat im Jahre 2007 von Oktober bis Dezember beim Beklagten für die von ihr in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,13 EUR insgesamt 774,63 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im Oktober hat das Einkommen bei 49 Arbeitsstunden 251,37 EUR betragen, im November bei 50 Stunden 256,50 EUR und im Dezember bei 52 Stunden 266,76 EUR.

134

Von diesem Einkommen verbleiben der Arbeitnehmerin monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben der Arbeitnehmerin weitere 20 Prozent. Im Oktober 2007 stehen der Arbeitnehmerin daher von den 251,37 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 151,37 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 30,27 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Frau Ka. in Höhe von 130,27 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 121,10 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate im Jahre 2007 an, stehen der Klägerin für November 125,20 EUR des Einkommens in Höhe von 256,50 EUR zu und im Dezember 133,41 EUR von 266,76 EUR.

135

Für das Jahr 2008 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Die Arbeitnehmerin hat - siehe oben - einen Jahresentgeltanspruch in Höhe von 2.946,24 EUR brutto erworben. Sie hat im Januar bei 41 Stunden Arbeit 216,48 EUR brutto verdient, wovon der Klägerin 93,18 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 56 Arbeitsstunden 295,68 EUR verdient, wovon der Klägerin 156,54 EUR zustehen. Im März hat sie bei 49 Arbeitsstunden 258,72 EUR verdient, wovon der Klägerin 126,98 EUR zustehen. Im April hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Im Mai hat sie bei 46 Arbeitsstunden 242,88 EUR verdient, wovon der Klägerin 114,30 EUR zustehen. Im Juni hat sie bei 36 Arbeitsstunden 190,08 EUR verdient, wovon der Klägerin 72,06 EUR zustehen. Im Juli hat sie bei 52 Arbeitsstunden 274,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 139,65 EUR zustehen. Im August hat sie bei 48 Arbeitsstunden 253,44 EUR verdient, wovon der Klägerin 122,75 EUR zustehen. Im September hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Im Oktober hat sie bei 48 Arbeitsstunden 253,44 EUR verdient, wovon der Klägerin 122,75 EUR zustehen. Im November hat sie bei 44 Arbeitsstunden 232,32 EUR verdient, wovon der Klägerin 105,86 EUR zustehen. Und im Dezember hat sie bei 50 Arbeitsstunden 264,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 131,20 EUR zustehen.

136

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Im Januar hat die Arbeitnehmerin bei 40 Arbeitsstunden 215,60 EUR verdient, wovon der Klägerin 92,48 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 42 Arbeitsstunden 226,38 EUR verdient, wovon der Klägerin 101,10 EUR zustehen. Im März hat sie bei 50 Arbeitsstunden 269,50 EUR verdient, wovon der Klägerin 135,60 EUR zustehen. Im April hat sie bei 54 Arbeitsstunden 291,06 EUR verdient, wovon der Klägerin 152,08 EUR zustehen.

137

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Frau Ka. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 2.258,73 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 3.195,30 EUR.

c)

138

Die Arbeitnehmerin Wi. hat im Mai und Juni 2008 insgesamt 54 Stunden gearbeitet. Ihr steht dafür ein Einkommen in Höhe von 285,12 EUR zu (siehe oben). Davon sind nach den oben ausgeführten Regeln auf die Klägerin übergegangen 80,51 EUR und zwar aus dem Einkommen in Höhe von 200,64 EUR für 38 Arbeitsstunden im Monat Juni 2008.

d)

139

Die Arbeitnehmerin Ku. hat im Jahre 2007 von Oktober bis Dezember beim Beklagten für die von ihr in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,61 EUR insgesamt 852,72 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: im Oktober hat das Einkommen bei 50 Arbeitsstunden 280,50 EUR betragen, im November bei 52 Stunden 291,72 EUR und im Dezember bei 50 Stunden 280,50 EUR.

140

Von diesem Einkommen verbleiben der Arbeitnehmerin monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben der Arbeitnehmerin weitere 20 Prozent. Im Oktober 2007 stehen der Arbeitnehmerin daher von den 280,50 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 180,50 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 36,10 EUR ergibt.

141

Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Frau Ku. in Höhe von 136,10 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 144,40 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate im Jahre 2007 an, stehen der Klägerin für November 138,34 EUR des Einkommens in Höhe von 291,72 EUR zu und im Dezember 144,40 EUR von 280,50 EUR.

142

Für das Jahr 2008 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Die Arbeitnehmerin hat - siehe oben - einen Jahresentgeltanspruch in Höhe von 3.148,78 EUR brutto erworben. Sie hat im Januar bei 50 Stunden Arbeit 289,00 EUR brutto verdient, wovon der Klägerin 151,20 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 41 Arbeitsstunden 236,98 EUR verdient, wovon der Klägerin 109,58 EUR zustehen. Im März hat sie bei 46 Arbeitsstunden 265,88 EUR verdient, wovon der Klägerin 132,70 EUR zustehen. Im April hat sie bei 50 Arbeitsstunden 289,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 151,20 EUR zustehen.

143

Im Mai 2008 hat Frau Ku. bei 70 Arbeitsstunden 404,60 EUR verdient, wovon der Klägerin 243,68 EUR zustehen. Das Einkommen von Frau Ku. in diesem Monat lag daher höher als die pauschalierte Regelleistung für den Berechtigten nach dem Sozialgesetzbuch II, die seinerzeit auf 347,00 EUR festgesetzt war (Mitteilung der Klägerin hier Blatt 485). Wegen der abzurechnenden Freibeträge kann aber dennoch festgestellt werden, dass der übergegangene Teil des Lohnanspruchs der Frau Ku. in Höhe von 243,68 EUR immer noch ausschließlich dazu dient, den eigenen sozialrechtlichen Bedarf der Arbeitnehmerin zu decken bzw. durch Verrechnung auszugleichen. Daher stellt sich trotz des auffällig höheren Einkommens der Frau Ku. für diesen Monat auch hier nicht die Frage, ob der Anspruchsübergang auf die ARGE auch dadurch begrenzt wird, dass er etwa nur für Sozialleistungen gilt, die dem Arbeitnehmer zu Gute kommen, oder ob er auch Sozialleistungen erfasst, die anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu Gute kommen, ob also der Arbeitgeber auch in Anspruch genommen werden kann für Sozialleistungen, die der Träger der Sozialversicherung nicht an den Arbeitnehmer selbst, sondern an andere Personen der Bedarfsgemeinschaft geleistet hat. Diese - in der Rechtsprechung bisher noch nicht geklärte - Frage kann daher für den vorliegenden Rechtsstreit unbeantwortet bleiben.

144

Im Juni 2008 hat Frau Ku. bei 52 Arbeitsstunden 300,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 160,45 EUR zustehen. Im Juli hat sie bei 52 Arbeitsstunden 300,56 EUR verdient, wovon der Klägerin 160,45 EUR zustehen.

145

Im August 2008 hat Frau Ku. 120,00 EUR tatsächlich verdient. Bei 40 Arbeitsstunden hätte sie eigentlich 231,20 EUR verdienen müssen, wovon der Klägerin an sich 104,96 EUR zustehen. Wegen des erhöhten tatsächlichen Einkommens hat die Klägerin im Verhältnis zu Frau Ku. allerdings schon im Zuflussmonat September 2008 eine Anrechnung des Einkommens auf die Sozialleistung in Höhe von 16,00 EUR vorgenommen, weshalb hier nur noch weitere 88,96 EUR auf die Klägerin übergegangen sein können (Einzelheiten dazu sind oben beim Arbeitnehmer Ol. dargestellt). Im September hat Frau Ku. bei 44 Arbeitsstunden 254,32 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 123,46 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 107,46 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im Oktober hat sie bei 40 Arbeitsstunden 231,20 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 104,96 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 88,96 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im November hat sie bei 36 Arbeitsstunden 208,08 EUR verdient, wovon der Klägerin an sich 86,46 EUR zustehen; der Betrag ist aber wiederum wegen des realen Einkommens in Höhe von 120,00 EUR um 16,00 EUR zu kürzen, so dass nur 70,46 EUR auf die Klägerin übergegangen sind. Im Dezember 2008 und in den Folgemonaten hat Frau Ku. dann wieder nur 80,00 EUR monatlich tatsächlich verdient. Rechtlich gesehen hat sie im Dezember 2008 bei 30 Arbeitsstunden 173,40 EUR verdient, wovon der Klägerin 58,72 EUR zustehen.

146

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Im Januar hat die Arbeitnehmerin bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen. Im Februar hat sie bei 36 Arbeitsstunden 212,40 EUR verdient, wovon der Klägerin 89,92 EUR zustehen. Im März hat sie bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen. Im April hat sie bei 40 Arbeitsstunden 236,00 EUR verdient, wovon der Klägerin 108,80 EUR zustehen.

147

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Frau Ku. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 2.382,32 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 3.268,43 EUR.

e)

148

Der Arbeitnehmer Fi. hat im Jahre 2008 von September bis Dezember 2008 beim Beklagten für die von ihm in den einzelnen Monaten geleisteten Stunden bei einem Stundenlohn in Höhe von 5,78 EUR insgesamt 1.005,72 EUR brutto verdient (siehe oben). Das Einkommen verteilt sich aufgrund der jeweils geleisteten Stunden wie folgt auf die einzelnen Monate: Im September bei 28 Stunden 161,84 EUR, im Oktober bei 46 Stunden 265,88 EUR, im November bei 50 Stunden 289,00 EUR und im Dezember bei wiederum 50 Stunden abermals 289,00 EUR.

149

Von diesem Einkommen verbleiben dem Arbeitnehmer monatlich 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II. Von dem restlichen Einkommen, das durchweg unter 800,00 EUR liegt, verbleiben dem Arbeitnehmer weitere 20 Prozent. Im September 2008 stehen dem Arbeitnehmer daher von den 161,84 EUR Arbeitseinkommen 100,00 EUR nach § 11 Absatz 2 SGB II zu, sowie weitere 20 Prozent von 61,84 EUR nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II, was 12,37 EUR ergibt. Das Arbeitseinkommen aus diesem Monat steht daher Herrn Fi. in Höhe von 112,37 EUR zu und der Klägerin in Höhe von 49,47 EUR. Legt man diese Rechenregel dann auch an die weiteren Monate an, stehen der Klägerin für Oktober 132,70 EUR des Einkommens in Höhe von 265,88 EUR zu, für November 151,20 EUR von 289,00 EUR und im Dezember ebenfalls 151,20 EUR von 289,00 EUR.

150

Im Jahre 2009 stellen sich die Verhältnisse wie folgt dar. Für Januar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 271,40 EUR für 46 Stunden ein Anteil in Höhe von 137,12 EUR zu. Für Februar steht der Klägerin aus dem Einkommen in Höhe von 259,60 EUR für 44 Stunden ein Anteil in Höhe von 127,68 EUR zu. Im März hat der Arbeitnehmer ebenfalls einen Entgeltanspruch in Höhe von 259,60 EUR für 44 Stunden erworben, der in Höhe von 127,68 EUR auf die Klägerin übergegangen ist. Im April verbleibt von dem Arbeitseinkommen in Höhe von 318,60 EUR für 54 Stunden ein Betrag in Höhe von 174,88 EUR, der auf die Klägerin übergegangen ist.

151

Aus den nicht erfüllten Anteilen der Lohnforderung von Herrn Fi. gegen den Beklagten sind die Forderungen im Umfang von 1.051,94 EUR auf die Beklagte übergegangen und nicht wie eingeklagt im Umfang von 1.892,23 EUR. Bei diesem Wert ist die Teilklagerücknahme im Umfang 47,10 EUR aus der mündlichen Verhandlung (behaupteter Anspruchsübergang für Mai 2009) bereits berücksichtigt.

f)

152

Von den noch nicht erfüllten Lohnforderungen der Betroffenen sind damit auf die Klägerin lediglich Ansprüche im Umfang von 7.151,46 EUR übergegangen.

C.

153

Die Klage ist nur begründet, soweit die noch nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitslohn auf die Klägerin übergegangen sind. Das ergibt einen Betrag in Höhe von 7.151,46 EUR. Dieser Wert liegt um 534,04 EUR über dem 6.617,42 EUR, die das Arbeitsgericht der Klägerin bereits zugesprochen hat. Daher ist die klägerische Berufung in diesem Umfang erfolgreich, im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

154

Soweit die Berufung erfolgreich ist, hat das Gericht den geforderten Verzugszins nur ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Forderung zugesprochen, da es nicht möglich erscheint, den Obsiegensanteil der Berufung der Klägerin hinsichtlich der Zinsen auf die verschiedenen Zeitpunkte, zu denen für die einzelnen Teile der Gesamtforderung Verzug eingetreten ist, aufzuteilen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass sich der Obsiegensanteil aus vielen kleinen Abweichungen im rechnerischen Ansatz der Klägerin und des Arbeitsgerichts zusammensetzt und eine Zuordnung zu den einzelnen streitigen Monaten und Personen daher nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. - Rechtshängigkeit ist mit Eingang der Klageschrift beim Arbeitsgericht am 29. Juni 2009 eingetreten, da die Klageschrift alsbald danach nämlich am 7. Juli 2009 beim Beklagten zugestellt worden ist (§ 167 ZPO).

155

Aus der dargestellten Rechtslage und dem Vergleich mit dem Ausspruch des Arbeitsgerichts ergibt sich auch, dass die Berufung des Beklagten insgesamt keinen Erfolg hat.

156

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Beide Berufungen hatten zusammen einen Wert in Höhe von 10.982,33 EUR, wovon die Klägerin mit insgesamt 7.151,46 EUR obsiegt hat, was das Gericht mit 70 Prozent bewertet hat. Angesichts der marginalen Unterschiede zwischen der Entscheidung des Arbeitsgerichts und der Rechtslage wie sie das Berufungsgericht sieht, rechtfertigt sich eine Abänderung der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts nicht.

157

Die gesetzlichen Voraussetzungen aus § 72 ArbGG für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Geht die leistungsberechtigte Person durch Zahlung an Anbieter in Vorleistung, ist der kommunale Träger zur Übernahme der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen verpflichtet, soweit

1.
unbeschadet des Satzes 2 die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung zur Deckung der Bedarfe im Zeitpunkt der Selbsthilfe nach § 28 Absatz 2 und 5 bis 7 vorlagen und
2.
zum Zeitpunkt der Selbsthilfe der Zweck der Leistung durch Erbringung als Sach- oder Dienstleistung ohne eigenes Verschulden nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen war.
War es dem Leistungsberechtigten nicht möglich, rechtzeitig einen Antrag zu stellen, gilt dieser als zum Zeitpunkt der Selbstvornahme gestellt.

(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.

(2) Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.

(3) An Stelle der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachbezüge tritt im Fall des Absatzes 1 der Anspruch auf Geld; die Höhe bestimmt sich nach den nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches festgelegten Werten der Sachbezüge.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.