Arbeitsrecht: Arbeitnehmer muss nicht mit angebotenen Arbeiten beschäftigt werden

bei uns veröffentlicht am28.07.2010
Zusammenfassung des Autors

Keine Unwirksamkeit bei Kündigung unter Vorbehalt - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin

Eine Änderungskündigung wird nicht dadurch unwirksam, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, der die Kündigung unter Vorbehalt angenommen hat, nicht mit den im Änderungsangebot bestimmten Arbeiten beschäftigt.

Vielmehr hat der Arbeitnehmer nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln den Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung nach den geänderten Bedingungen, wenn die Kündigung im Übrigen wirksam ist. Bestand vor der Kündigung ein weites Direktionsrecht, so ändert sich hieran nichts, wenn die Änderungskündigung nur die Vergütungshöhe und den Arbeitsort ändern soll (LAG Köln, 2 Sa 994/09).


Die Entscheidung im einzelnen lautet:

LAG Köln: Urteil vom 01.03.2010 (Az: 2 Sa 994/09)

Eine Änderungskündigung wird nicht dadurch unwirksam, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer, der die Kündigung unter Vorbehalt angenommen hat, nicht mit den im Änderungsangebot bestimmten Arbeiten beschäftigt. Vielmehr hat der Arbeitnehmer den Anspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung nach den geänderten Bedingungen, wenn die Kündigung im Übrigen wirksam ist. Bestand vor der Kündigung ein weites Direktionsrecht, so ändert sich hieran nichts, wenn die Änderungskündigung nur die Vergütungshöhe und den Arbeitsort ändern soll.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 16.04.2009 - 7 Ca 2783/08 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand:

Von der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Der Kläger begründet seine Berufung zunächst damit, die Beklagte habe bei der Auswahl desjenigen Mitarbeiters, der auf einen freien Arbeitsplatz nach K. versetzt wurde, die Sozialauswahl verletzt. Er sei sozial schutzwürdiger als der Mitarbeiter L. W. Darüber hinaus behauptet der Kläger, auch der Mitarbeiter R. J. sei nach K. versetzt worden. Auch dieser sei sozial weniger schutzwürdig als er. Die Beklagte hat hierzu die danach unstreitig gebliebenen Sozialdaten der Mitarbeiter mitgeteilt. Beide sind lebensälter als der Kläger, länger bei der Beklagten beschäftigt und haben jeweils Unterhaltspflichten für zwei Kinder, während der Kläger keinen Kindern unterhaltsverpflichtet ist.

Weiterhin vertritt der Kläger die Ansicht, dass ihm auch Positionen als Versicherungskaufmann in K. angeboten werden müssten, obwohl er ein Lehramtsstudium für Biologie und Erdkunde absolviert hat. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass solche Stellen für den Kläger von vornherein nicht geeignet seien, da der Kläger eine Ausbildung als Versicherungskaufmann nicht absolviert hat. Zudem seien die vom Kläger benannten Stellen erst nach Ausspruch der Änderungskündigung freigeworden. Sie sei auch nicht verpflichtet, dem Kläger eine zweieinhalb Jahre dauernde Ausbildung zum Versicherungskaufmann anzubieten.

Weiterhin vertritt der Kläger die Ansicht, die Änderungskündigung sei als solches unzulässig, da das Änderungsangebot zu unbestimmt sei. Dies ergebe sich daraus, dass er tatsächlich nicht mit den Tätigkeiten beschäftigt werde, die im Änderungsangebot bzw. der beiliegenden Stellenbeschreibung benannt gewesen seien. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, dass durch die Änderungskündigung das bisher bestehende Direktionsrecht nicht eingeschränkt werden sollte. Die vertraglichen Inhalte, die nach der Änderungskündigung gelten sollten, seien klar genug benannt und orientierten sich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.09.2004 - 2 AZR 628/03.


Entscheidungsgründe

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Die Änderungskündigung, die der Kläger unter Vorbehalt angenommen hat, hat die Vertragsbedingungen gemäß § 2 i. V. m. 1 KSchG geändert. Damit hat sich der Dienstsitz des Klägers und die örtliche Lage des Arbeitsplatzes dahingehend geändert, dass der Kläger nunmehr in der Kundenservicedirektion K. eingesetzt ist. Seine Arbeitsinhalte sind dort sachbearbeitende Tätigkeit der Vergütungsgruppe V.

Da der ursprüngliche Arbeitsplatz unstreitig entfallen ist und der Kläger das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen hat, war lediglich zu prüfen, ob die Beklagte hinsichtlich des Änderungsangebotes das mildeste Mittel, d. h. den mildesten Eingriff in den bisherigen Arbeitsvertrag gewählt hat.

Ein Einsatz in K. wäre für den Kläger zwar eine weniger schwerwiegende Vertragsänderung gewesen als die Verlagerung des Arbeitsortes nach K. Tatsächlich war in K. auch ein freier Arbeitsplatz vorhanden, für den der Kläger geeignet gewesen wäre. Allerdings ist dieser Arbeitsplatz mit dem Mitarbeiter W. besetzt worden, der nach den unstreitig gebliebenen Sozialdaten schutzwürdiger als der Kläger ist. Selbst, wenn es zutreffend wäre, dass auch der Mitarbeiter J. nach K. versetzt wurde, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Auswahlentscheidung hinsichtlich der in K. besetzten Arbeitsplätze, denn auch der Mitarbeiter J. ist sozial schutzwürdiger als der Kläger.

Damit war ein freier und dem Kläger vorrangig anzubietender Arbeitsplatz in K. nicht gegeben.

Arbeitsplätze in K., die eine Ausbildung als Versicherungskaufmann voraussetzen, waren in die Überlegung, ob die Beklagte den mildesten Eingriff in den Arbeitsvertrag des Klägers vorgenommen hat, nicht einzubeziehen. Denn hierbei handelt es sich nicht um für den Kläger geeignete Arbeitsplätze. Die Ausbildung zum Versicherungskaufmann dauert im Regelfall 2,5 Jahre. Sie ermöglicht, dass Mitarbeiter spartenübergreifend und insbesondere auch im sog. 2nd Level Bereich eingesetzt werden können. Damit kamen die Arbeitsplätze, auf denen die Beklagte Auszubildende nach Abschluss der Ausbildung weiterbeschäftigt hat, für den Kläger von vornherein nicht in Betracht. Denn hierbei handelt es sich um Tätigkeiten, die nicht dem 1st Level zuzuordnen sind. Die Beklagte ist nicht verpflichtet dem Kläger eine zweieinhalb Jahre dauernde Ausbildung zukommen zu lassen, um das Arbeitsverhältnis in K. fortsetzen zu können. Damit war auch die mit Ausschreibung vom 31.10.2008 zu besetzende Stelle als Mitarbeiter der Abteilung Kundenservicecenter nicht für den Kläger geeignet. Auf die Frage, ob diese Stelle erst nach Ausspruch der Änderungskündigung bekannt geworden ist, kam es deshalb nicht an. Dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Änderungskündigung oder in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu dieser Mitarbeiter aus dem 1st Level für den Standort K. gesucht hätte, dass dort also solche Arbeitsplätze frei und zu besetzen waren, hat auch der Kläger nicht dargelegt. Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, für den Kläger einen einzelnen Arbeitsplatz im 1st Level in ... einzurichten, wenn nach der grundsätzlichen Organisationsstruktur solche Tätigkeiten nur in ... anfallen.

Die Änderungskündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil das Änderungsangebot nicht bestimmt genug wäre. Hierzu schließt sich das Landesarbeitsgericht den Ausführungen der ersten Instanz an, die die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Entscheidung vom 16.09.2004, Az. 2 AZR 628/03) zutreffend zitiert und anwendet. Die Änderungskündigung gibt hinreichend klar zum Ausdruck, welche Vertragsbedingungen nach Ablauf der Kündigungsfrist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar sein sollen. Eine Einschränkung des bisher tarifvertraglich und arbeitsvertraglich vorgesehenen Direktionsrechts wollte die Beklagte mit der Änderungskündigung nicht vornehmen. Sie ist deshalb nach Ablauf der Kündigungsfrist lediglich gehalten, dem Kläger tatsächlich Tätigkeiten zuzuweisen, die der vertraglichen Wertigkeit der Vergütungsgruppe V entsprechen. Die Änderungskündigung ist damit auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Kläger möglicherweise keine tarifgerechte Tätigkeit zuweist. Nach wirksamer Vertragsänderung kann der Kläger vielmehr auf der Einhaltung dieses geänderten Vertrages bestehen und von der Beklagten die Zuweisung tarifgerechter Tätigkeit verlangen.

Auch hinsichtlich der Betriebsratsanhörung ergeben sich keine Bedenken an der Wirksamkeit der Änderungskündigung. Dem Betriebsrat war der Kündigungsgrund, nämlich die Organisationsänderung einschließlich des Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers ausreichend bekannt gemacht worden. Die Inhalte des Änderungsangebotes waren ebenfalls hinreichend deutlich. Ob daneben im aufnehmenden Betrieb für die konkrete dem Kläger zugeordnete Tätigkeit eine ordnungsgemäße Betriebsratsbeteiligung gegeben ist, ist für die Frage, ob die Vertragsänderung durch Änderungskündigung wegen mangelhafter Anhörung des Betriebsrates des abgebenden Betriebes unwirksam ist, unerheblich. Denn die Mitbestimmung im einstellenden Betrieb betrifft nur die Beschäftigung als solche, also die Ausübung von Arbeit, nicht aber die Wirksamkeit des Zustandekommens des Vertrages.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.


Gesetze

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4 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

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Referenzen

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)