Arbeitsrecht: Anspruch auf bezahlten Jahrsurlaub

bei uns veröffentlicht am02.03.2012
Zusammenfassung des Autors
Urlaubsanspruch auch ohne Arbeit- EuGH-Urteil vom 24.01.2012 - Az: C-282/10
Der EuGH hat mit dem Urteil vom 24.01.2012 (Az: C-282/10) folgendes entschieden:

Art. 7 I der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von zehn Tagen oder einem Monat während des Bezugszeitraums abhängt. - Dominguez.

Das vorlegende Gericht wird, um die volle Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und insbesondere von Art. L. 223-4 des Code du travail und unter Anwendung der nach diesem Recht anerkannten Auslegungsmethoden zu prüfen haben, ob es dieses Recht in einer Weise auslegen kann, die es erlaubt, die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund eines Wegeunfalls einem der in diesem Artikel des Code du travail aufgeführten Tatbestände gleichzustellen. Wenn eine solche Auslegung nicht möglich ist, wird das nationale Gericht zu prüfen haben, ob in Anbetracht der Rechtsnatur der Beklagten im Ausgangsverfahren diesen gegenüber die unmittelbare Wirkung von Art. 7 I der Richtlinie 2003/88 geltend gemacht werden kann. Falls das nationale Gericht das von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 vorgeschriebene Ergebnis nicht erreichen kann, kann die durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigte Partei sich auf das Urteil vom 19.11.1991, berufen, um gegebenenfalls Ersatz des entstandenen Schadens zu erlangen.

Art. 7 I der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, nach der je nach Ursache der Fehlzeiten des krankgeschriebenen Arbeitnehmers die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs länger als die von dieser Richtlinie gewährleistete Mindestdauer von vier Wochen oder genauso lang wie diese ist. (amtlicher Leitsatz)

Urteil:

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Dominguez und ihrem Arbeitgeber, dem Centre informatique du Centre Ouest Atlantique (im Folgenden: CICOA), über den Antrag von Frau Dominguez, ihr den bezahlten Jahresurlaub zu gewähren, den sie zwischen November 2005 und Januar 2007 wegen einer unfallbedingten Arbeitsunterbrechung nicht nehmen konnte, und, hilfsweise, wegen Urlaubsabgeltung.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

Art. 1 der Richtlinie 2003/88 bestimmt:

„Gegenstand und Anwendungsbereich

(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.

(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind

a) … der Mindestjahresurlaub …

…“

Art. 7 der Richtlinie lautet:

„Jahresurlaub

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“

Art. 15 der Richtlinie sieht vor:

„Günstigere Bestimmungen

Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten, bleibt unberührt.“

[6] Art. 17 der Richtlinie 2003/88 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten von verschiedenen Bestimmungen der Richtlinie abweichen dürfen. Von Art. 7 der Richtlinie ist keine Abweichung zugelassen.

 Nationales Recht

Art. L. 223-2 Abs. 1 des Code du travail (Arbeitsgesetzbuch) bestimmt:

„Ein Arbeitnehmer, der nachweist, im Laufe des Bezugsjahrs während eines Zeitraums, der mindestens einem Monat effektiver Arbeitszeit entspricht, beim selben Arbeitgeber beschäftigt gewesen zu sein, hat Anspruch auf Urlaub von 2,5 Arbeitstagen je Arbeitsmonat, ohne dass die Gesamtdauer des zustehenden Urlaubs 30 Arbeitstage überschreiten darf.“

Art. L. 223-4 des Code du travail sieht vor:

„Für die Ermittlung der Urlaubsdauer sind einem Monat effektiver Arbeitszeit vier Arbeitswochen oder 24 Arbeitstage gleichgestellt. Die Zeit des bezahlten Urlaubs, die … Ausgleichsruhetage, die … Ruhezeit der Wöchnerinnen, die aufgrund der Reduzierung der Arbeitszeit erworbenen Ruhetage und die auf eine ununterbrochene Dauer von einem Jahr beschränkte Zeit, während der die Erfüllung des Arbeitsvertrags aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit unterbrochen ist, wird als effektive Arbeitszeit angesehen. …“

Art. XIV Abs. 4 der Musterregelung im Anhang zum nationalen Tarifvertrag für das Personal der Sozialversicherungsträger sieht vor:

„In einem Jahr, das durch Fehlzeiten wegen Erkrankung oder lang anhaltender Krankheit, die zu einer Arbeitsunterbrechung von zwölf oder mehr aufeinanderfolgenden Monaten geführt haben, … gekennzeichnet ist, besteht kein Anspruch auf Jahresurlaub. Der Anspruch wird neu eröffnet zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Arbeit, wobei die Urlaubsdauer proportional zur effektiven Arbeitszeit, für die noch kein Jahresurlaub gewährt wurde, festgelegt wird.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Frau Dominguez, die seit 1987 beim CICOA beschäftigt ist, unterliegt dem nationalen Arbeitstarifvertrag für das Personal der Sozialversicherungsträger. Infolge eines Wegeunfalls zwischen ihrem Wohnsitz und ihrem Arbeitsort war sie vom 3. November 2005 bis zum 7. Januar 2007 krankgeschrieben.

Frau Dominguez wandte sich zunächst an das Arbeitsgericht und anschließend an die Cour d’appel de Limoges, um für diesen Zeitraum 22,5 bezahlte Urlaubstage und, hilfsweise, eine Urlaubsabgeltung zu erhalten.

Da diese Gerichte ihre Anträge abwiesen, erhob Frau Dominguez Kassationsbeschwerde. Sie trägt vor, dass ein Wegeunfall ein Arbeitsunfall sei und der Regelung für Arbeitsunfälle unterliege. Daher sei in Anwendung von Art. L. 223-4 des Code du travail für die Berechnung ihres bezahlten Urlaubs der Zeitraum der durch den Wegeunfall bedingten Arbeitsunterbrechung tatsächlicher Arbeitszeit gleichzusetzen

In Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88 hat die Cour de cassation Zweifel an der Vereinbarkeit der einschlägigen nationalen Vorschriften mit dieser Vorschrift.

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von zehn Tagen (oder einem Monat) während des Bezugszeitraums abhängt?

Falls ja, erlegt Art. 7 der Richtlinie 2003/88, der dadurch eine besondere Pflicht des Arbeitgebers begründet, dass er den Anspruch auf bezahlten Urlaub zugunsten des aus gesundheitlichen Gründen für einen Zeitraum von einem Jahr oder länger abwesenden Arbeitnehmers eröffnet, dem mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen befassten nationalen Richter auf, eine anderslautende nationale Bestimmung unangewendet zu lassen und den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von wenigstens zehn Tagen während des Bezugszeitraums abhängig zu machen?

Haben Arbeitnehmer aufgrund von Art. 7 der Richtlinie 2003/88, der zwischen den Arbeitnehmern nicht danach unterscheidet, ob ihre Abwesenheit vom Arbeitsplatz während des Bezugszeitraums durch einen Arbeitsunfall, eine Berufskrankheit, einen Wegeunfall oder eine außerberufliche Krankheit verursacht wurde, unabhängig von der Ursache ihrer gesundheitsbegründeten Abwesenheit einen Anspruch auf bezahlten Urlaub von derselben Dauer, oder ist diese Vorschrift dahin auszulegen, dass sie einer entsprechend der Ursache für die Abwesenheit des Arbeitnehmers unterschiedlichen Dauer des bezahlten Urlaubs nicht entgegensteht, wenn das nationale Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen für den bezahlten Jahresurlaub eine längere als die von der Richtlinie 2003/88 vorgesehene Mindestdauer von vier Wochen vorsieht?

 Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer tatsächlichen Mindestarbeitszeit von zehn Tagen oder einem Monat während des Bezugszeitraums abhängt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den in der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18) selbst, die durch die Richtlinie 2003/88 kodifiziert wurde, ausdrücklich gezogenen Grenzen umsetzen dürfen.

Die Richtlinie 93/104 ist somit dahin auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten verwehrt, den allen Arbeitnehmern eingeräumten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub dadurch einseitig einzuschränken, dass sie eine Voraussetzung für diesen Anspruch aufstellen, die bewirkt, dass bestimmte Arbeitnehmer von diesem Anspruch ausgeschlossen sind.

Zwar steht es den Mitgliedstaaten frei, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung dieses Anspruchs festzulegen, sie dürfen dabei aber die Entstehung dieses Anspruchs selbst nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen.

So können die zur Umsetzung der Vorschriften der durch die Richtlinie 2003/88 kodifizierten Richtlinie 93/104 erforderlichen Durchführungs- und Anwendungsbestimmungen gewisse Unterschiede in Bezug auf die Voraussetzungen für die Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub aufweisen, diese Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten aber nicht, bereits die Entstehung eines ausdrücklich allen Arbeitnehmern zuerkannten Anspruchs auszuschließen.

Da schließlich in der Richtlinie 2003/88 nicht zwischen Arbeitnehmern, die während des Bezugszeitraums wegen Krankheit der Arbeit ferngeblieben sind, und solchen, die während dieses Zeitraums tatsächlich gearbeitet haben, unterschieden wird folgt daraus, dass ein Mitgliedstaat den nach der Richtlinie 2003/88 allen Arbeitnehmern zustehenden Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmern nicht von der Voraussetzung abhängig machen kann, dass sie während des von diesem Staat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben.

Demnach ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von zehn Tagen oder einem Monat während des Bezugszeitraums abhängt.

 Zur zweiten Frage

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen eine diesem Art. 7 entgegenstehende nationale Bestimmung, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit während des Bezugszeitraums abhängt, unangewendet bleiben muss.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich die Frage, ob eine nationale Bestimmung wegen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet bleiben muss, nur stellt, wenn keine unionsrechtskonforme Auslegung dieser Bestimmung möglich ist.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die nationalen Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen. Die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem System des AEU-Vertrags immanent, da den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden.

Zwar unterliegt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ihre Schranken und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen.

Das vorlegende Gericht meint im Ausgangsverfahren einer solchen Schranke gegenüberzustehen. Seiner Ansicht nach ist Art. L. 223-2 Abs. 1 des Code du travail, nach dem der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von einem Monat während des Bezugszeitraums abhängt, einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 vereinbaren Auslegung nicht zugänglich.

Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht.

Im Ausgangsverfahren ist Art. L. 223-4 des Code du travail, nach dem bei bestimmten Fehlzeiten vom Arbeitsplatz das Erfordernis effektiver Arbeit während des Bezugszeitraums nicht besteht, integraler Bestandteil des von den nationalen Gerichten zu berücksichtigenden innerstaatlichen Rechts.

Würde nämlich Art. L. 223-4 des Code du travail von dem nationalen Gericht dahin ausgelegt, dass Fehlzeiten aufgrund eines Wegeunfalls den Fehlzeiten wegen eines Arbeitsunfalls gleichzustellen sind, um die volle Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten, sähe sich dieses Gericht nicht der in Randnr. 26 des vorliegenden Urteils angeführten Schranke der unionsrechtskonformen Auslegung von Art. L. 223-2 des Code du travail gegenüber.

Art. 7 der Richtlinie 2003/88 unterscheidet nämlich nicht zwischen den Arbeitnehmern, die während des Bezugszeitraums krankheitsbedingt fehlten, und denen, die während dieses Zeitraums effektiv gearbeitet haben. Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines aus gesundheitlichen Gründen während des Bezugszeitraums fehlenden Arbeitnehmers nicht von der Voraussetzung abhängig machen kann, dass dieser während des Bezugszeitraums effektiv gearbeitet hat. Somit darf nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88 das Recht eines jeden Arbeitnehmers auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nicht beeinträchtigt werden, gleich, ob er während des Bezugszeitraums infolge eines Unfalls am Arbeitsplatz oder anderswo oder aber infolge einer Krankheit, welcher Art oder welchen Ursprungs auch immer, krankgeschrieben ist.

Demnach wird das vorlegende Gericht, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und insbesondere von Art. L. 223-4 des Code du travail und unter Anwendung der nach diesem Recht anerkannten Auslegungsmethoden zu prüfen haben, ob es dieses Recht in einer Weise auslegen kann, die es erlaubt, die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund eines Wegeunfalls einem der in diesem Artikel des Code du travail aufgeführten Tatbestände gleichzustellen.

Sollte eine solche Auslegung nicht möglich sein, ist zu prüfen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 unmittelbare Wirkung hat und gegebenenfalls, ob Frau Dominguez in Anbetracht der Rechtsnatur der Beklagten im Ausgangsverfahren sich diesen und insbesondere ihrem Arbeitgeber, dem CICOA, gegenüber darauf berufen kann.

Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat.

Art. 7 der Richtlinie 2003/88 erfüllt diese Kriterien, da er den Mitgliedstaaten unmissverständlich eine Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses auferlegt, die im Hinblick auf die Anwendung der dort aufgestellten Regel an keine Bedingung geknüpft ist und die dahin geht, jedem Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen zu gewähren.

Auch wenn Art. 7 der Richtlinie 2003/88 den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum beim Erlass der Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des dort niedergelegten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub lässt, so beeinträchtigt dieser Umstand doch nicht die Genauigkeit und Unbedingtheit der in diesem Artikel vorgesehenen Verpflichtung. Insoweit ist festzustellen, dass Art. 7 der Richtlinie nicht zu den Vorschriften zählt, von denen Art. 17 der Richtlinie Abweichungen zulässt. Es ist deshalb möglich, den Mindestschutz zu bestimmen, den die Mitgliedstaaten aufgrund von Art. 7 auf jeden Fall verwirklichen müssen.

Da Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 die Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, ist überdies festzustellen, dass das CICOA, einer der Beklagten im Ausgangsverfahren und Arbeitgeber von Frau Dominguez, eine auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit tätige Einrichtung ist.

Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist.

Jedoch kann der Einzelne, wenn er sich nicht einem Privaten, sondern dem Staat gegenüber auf eine Richtlinie berufen kann, dies unabhängig davon tun, in welcher Eigenschaft – als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger – der Staat handelt. In dem einen wie dem anderen Fall muss nämlich verhindert werden, dass der Staat aus der Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen ziehen kann.

So gehört eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen, zu den Rechtssubjekten, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können.

Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dem CICOA gegenüber geltend gemacht werden kann.

Sollte dem so sein, müsste das nationale Gericht, da Art. 7 der Richtlinie 2003/88 alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, jede entgegenstehende nationale Bestimmung unangewendet lassen.

Sollte dem nicht so sein, ist daran zu erinnern, dass sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht als solche Anwendung finden kann.

In einer solchen Situation kann sich die durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigte Partei jedoch auf die auf dem Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357), beruhende Rechtsprechung berufen, um gegebenenfalls Ersatz des entstandenen Schadens zu erlangen.

Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass

– das vorlegende Gericht, um die volle Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und insbesondere von Art. L. 223-4 des Code du travail und unter Anwendung der nach diesem Recht anerkannten Auslegungsmethoden zu prüfen haben wird, ob es dieses Recht in einer Weise auslegen kann, die es erlaubt, die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund eines Wegeunfalls einem der in diesem Artikel des Code du travail aufgeführten Tatbestände gleichzustellen;

– wenn eine solche Auslegung nicht möglich ist, das nationale Gericht zu prüfen haben wird, ob in Anbetracht der Rechtsnatur der Beklagten im Ausgangsverfahren diesen gegenüber die unmittelbare Wirkung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 geltend gemacht werden kann;

– falls das nationale Gericht das von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 vorgeschriebene Ergebnis nicht erreichen kann, die durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigte Partei sich auf das Urteil Francovich u. a. berufen kann, um gegebenenfalls Ersatz des entstandenen Schadens zu erlangen.

 Zur dritten Frage

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung entgegensteht, nach der je nach Ursache der Fehlzeiten des krankgeschriebenen Arbeitnehmers die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs länger als die von dieser Richtlinie gewährleistete Mindestdauer von vier Wochen oder genauso lang wie diese ist.

Wie in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, unterscheidet Art. 7 der Richtlinie 2003/88 nicht nach der Ursache der Fehlzeiten des ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmers, da jeder Arbeitnehmer, gleich, ob er infolge eines Unfalls am Arbeitsplatz oder anderswo oder aber infolge einer Krankheit, welcher Art oder welchen Ursprungs auch immer, krankgeschrieben ist, Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat.

Jedoch bedeutet, wie sowohl die Generalanwältin in Nr. 178 ihrer Schlussanträge als auch die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt haben, die in der vorstehenden Randnummer getroffene Feststellung nicht, dass die Richtlinie 2003/88 nationalen Bestimmungen entgegensteht, die einen Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von mehr als vier Wochen vorsehen, der unter den in diesen nationalen Bestimmungen niedergelegten Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung eingeräumt wird.

Aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 und 2 Buchst. a sowie der Art. 7 Abs. 1 und 15 der Richtlinie 2003/88 geht nämlich ausdrücklich hervor, dass die Richtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung beschränkt und das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lässt, für den Schutz der Arbeitnehmer günstigere nationale Vorschriften anzuwenden.

Es steht den Mitgliedstaaten somit frei, in ihrem nationalen Recht einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vorzusehen, der je nach Ursache der gesundheitsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers unterschiedlich ist, solange er immer noch länger als die in Art. 7 dieser Richtlinie vorgesehene Mindestdauer von vier Wochen oder genauso lang wie diese ist.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, nach der je nach Ursache der Fehlzeiten des krankgeschriebenen Arbeitnehmers die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs länger als die von dieser Richtlinie gewährleistete Mindestdauer von vier Wochen oder genauso lang wie diese ist.

 Kosten

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit von zehn Tagen oder einem Monat während des Bezugszeitraums abhängt.

Das vorlegende Gericht wird, um die volle Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und insbesondere von Art. L. 223-4 des Code du travail und unter Anwendung der nach diesem Recht anerkannten Auslegungsmethoden zu prüfen haben, ob es dieses Recht in einer Weise auslegen kann, die es erlaubt, die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund eines Wegeunfalls einem der in diesem Artikel des Code du travail aufgeführten Tatbestände gleichzustellen.

Wenn eine solche Auslegung nicht möglich ist, wird das nationale Gericht zu prüfen haben, ob in Anbetracht der Rechtsnatur der Beklagten im Ausgangsverfahren diesen gegenüber die unmittelbare Wirkung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 geltend gemacht werden kann.

Falls das nationale Gericht das von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 vorgeschriebene Ergebnis nicht erreichen kann, kann die durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigte Partei sich auf das Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C-6/90 und C-9/90), berufen, um gegebenenfalls Ersatz des entstandenen Schadens zu erlangen.

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, nach der je nach Ursache der Fehlzeiten des krankgeschriebenen Arbeitnehmers die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs länger als die von dieser Richtlinie gewährleistete Mindestdauer von vier Wochen oder genauso lang wie diese ist.



Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Artikel zu Urlaubsansprüche

Arbeitsrecht: Arbeitszeit – Es besteht kein Anspruch auf halbe Urlaubstage

09.08.2019

Der Urlaub ist nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) zusammenhängend zu gewähren. Ist der Urlaubswunsch darauf gerichtet, den Urlaub in Kleinstraten zu zerstückeln, muss er nicht erfüllt werden – BSP Rechtsanwälte – Anwältin für Arbeitsrecht Berlin

Arbeitsrecht: Die Grundsätze zur Urlaubsübertragung und Abgeltung

05.03.2007

Bei der Urlaubsgewährung und insbesondere bei der Übertragung von Urlaubsansprüchen auf das nächste Kalenderjahr gilt das folgende - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin
Urlaubsansprüche

Arbeitsrecht: Zur Wirksamkeit der Zahlung von Urlaubsgeld bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis

13.11.2014

Wird ein Urlaubsgeld pro genommenen Urlaubstag vereinbart, handelt es sich nicht um eine Leistung, die vom Arbeitnehmer durch Arbeitsleistung verdient werden muss.
Urlaubsansprüche

Urlaubsrecht: Keine Reisebuchung ohne vorherige Urlaubsbewilligung

16.12.2013

Einen Arbeitnehmer trifft im eigenen Interesse die Obliegenheit, eine Reise nicht vor Bewilligung des Urlaubs zu buchen.
Urlaubsansprüche

Referenzen

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.