Arbeitsrecht: Betriebsbedingte Kündigung - Abbau einer Hierarchieebene

bei uns veröffentlicht am16.04.2011
Zusammenfassung des Autors

Sind Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, greift die ansonsten berechtigte Vermutung, die Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin 

Das BAG hat mit dem Urteil vom 16.12.2010 (Az: 2 AZR 770/09) entschieden:

Wird die Revision ausschließlich auf Verfahrensrügen gestützt, ist es eine Frage der ausreichenden Revisionsbegründung und damit der Zulässigkeit der Revision, ob zumindest eine Verfahrensrüge zulässig erhoben ist.

Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben hinaus, muss der Arbeitgeber genau erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die Tätigkeiten für den Arbeitnehmer zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

Der Kläger war seit dem 1. September 2006 als Hauswirtschaftsleiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte versorgt Seniorenstifte und beliefert deren Küchen. Sie beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Kläger war zuständig für sechs Seniorenstifte, die von insgesamt drei Produktionsstätten der Beklagten beliefert werden.

Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 30. September 2008. Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben und - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend ge- macht, sie habe am 30. Mai 2008 die Entscheidung getroffen, die Stelle des Klägers als Hauswirtschaftsleiter zum 30. Juni 2008 ersatzlos zu streichen. Hierfür seien sowohl außer- als auch innerbetriebliche Gründe maßgeblich gewesen. Negative wirtschaftliche Ergebnisse hätten sie zur Personalreduzierung gezwungen. Die bisher vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben seien auf die jeweiligen Küchenleiter der einzelnen Produktionsküchen verteilt worden. Diese hätten die Aufgaben bereits vor ihrer Entscheidung entweder

gänzlich oder doch zu einem großen Teil selbständig erbracht. Zur Erledigung der vom Kläger übernommenen Aufgaben seien sie ohne überobligatorische Leistungen in der Lage.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist zulässig (I), aber unbegründet (II). Die Kündigung vom 23. Juni 2008 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst.

Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Von den als einzige geltend gemachten Verfahrensrügen ist zumindest die Rüge einer Verletzung der Hinweispflicht zulässig erhoben.

Ob von mehreren erhobenen Verfahrensrügen zumindest eine zulässig ist, ist eine Frage der ausreichenden Revisionsbegründung (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO) und damit der Zulässigkeit der Revision. Verfahrensrügen müssen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützt.

Danach ist die Revision zulässig. Die Beklagte hat jedenfalls die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO verletzt, ausreichend begründet und damit zulässig erhoben.

Wird gerügt, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf Ge- währung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO nicht nachgekommen sei, muss der Revisionskläger konkret darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere welchen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte.

Die Beklagte meint, das Gericht habe den Hinweis geben müssen, es halte ihre unternehmerische Entscheidung für nicht hinreichend konkretisiert, gehe von einer Sollarbeitszeit des Klägers von 40 Stunden pro Woche aus und könne nicht ausschließen, dass dieser durch seine Tätigkeiten voll ausgelastet gewesen sei. Die Beklagte hat im Einzelnen ausgeführt, welchen Vortrag sie auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis gehalten hätte.

Die Revision ist unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht schon deswegen unberechtigt ist, weil die Beklagte nach dem Prozessverlauf auch ohne gerichtlichen Hinweis hätte erkennen können, dass ihr Sachvortrag zu den betrieblichen Gründen für die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht ausreichend war. Der mögliche Verfahrensfehler war jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Beklagten aus der Revisionsbegründung ist die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt und damit sozial ungerechtfertigt.

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren betrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Diese unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht aufihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen ist dagegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich vollzogen wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist.

Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer auswirkt.

Läuft die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es dementsprechend näherer Darlegungen, damit geprüft werden kann, ob der Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich entfallen und die Entscheidung weder offensichtlich unsachlich noch willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher von dem betroffenen Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können.

Im Streitfall liegt der Entschluss der Beklagten, die Stelle des Hauswirtschaftsleiters zu streichen, nahe an der Kündigungsentscheidung. Er hat allein den Abbau einer Leitungsebene zum Gegenstand und geht einher mit der Umverteilung der dem Kläger bisher zugewiesenen Aufgaben auf andere Beschäftigte. Es bedurfte daher der beschriebenen näheren Erläuterung dieses Entschlusses.

Dem wird der Vortrag der Beklagten auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die bisher vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben könnten vom verbliebenen Personal im Rahmen seiner regulären Verpflichtungen erledigt werden.

Zwar stellt die Beklagte die vom Kläger im letzten halben Jahr vor Ausspruch der Kündigung ausgeübten Tätigkeiten und wahrgenommenen Aufgaben monatsweise dar und konkretisiert sie im Hinblick auf die dafür im Einzelnen aufgewendete Arbeitszeit. In gleicher Weise trägt sie für die drei Mitarbeiter vor, denen sie die Aufgaben des Klägers übertragen habe, soweit diese nicht an Drittfirmen vergeben oder von ihrer Geschäftsführung übernommen worden seien.

Unklar ist aber, wann die Beklagte welche Aufgaben des Klägers auf die Küchenleiter übertragen und wann sie einen Teil der Tätigkeiten an Drittfirmen vergeben oder die Geschäftsführung diese übernommen hat. Hatte sie ursprünglich vorgetragen, sie habe sämtliche Aufgaben des Klägers als Hauswirtschaftsleiter auf die Küchenleiter in den einzelnen Produktionsstätten übertragen, legt sie nunmehr dar, eine Reihe der Tätigkeiten seien von Drittfirmen und von ihrer Geschäftsführung übernommen worden.

Unklar ist zudem das Schicksal der Aufgaben des Klägers als Personaleinsatzleiter uä. Dazu gehören die von der Beklagten selbst als Beispiele genannten Tätigkeiten wie die Erstellung von  Dienst- und Urlaubsplänen, die Beratung der Geschäftsführung und die Öffentlichkeitsarbeit, die Planung und Organisation einer wirtschaftlichen Beschaffung von Ver- und Gebrauchsgütern, die Durchführung von Warenbestandsaufnahmen sowie die Umsetzung und Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Die Beklagte hat insoweit weder eine Übertragung auf die Küchenleiter noch eine Vergabe nach außen oder Übernahme durch die Geschäftsführung behauptet.

Die Beklagte hat außerdem die Umverteilung von Tätigkeiten im Um- fang eines Arbeitszeitbedarfs von insgesamt lediglich 98,39 Stunden monatlich dargelegt. Sie geht indessen selbst von einer durchschnittlichen monatlichen Soll-Arbeitszeit des Klägers von 174 Stunden aus. In dem ihrer Aufstellung zugrunde liegenden Halbjahreszeitraum sind lediglich für die Monate Februar bis Mai 2008 Minusstunden im Umfang von zweimal 4, einmal 6,5 und einmal 7,5 Stunden ausgewiesen. Aus den angegebenen arbeitsfreien Zeiten wegen Urlaubs, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und Feiertagen ergibt sich nicht, dass und weshalb der Kläger auch während der verbliebenen Arbeitszeit nicht ausgelastet gewesen wäre.

Der Vortrag der Beklagten ist ferner deshalb unschlüssig, weil die Aufstellung der Arbeitszeiten ihrer drei Küchenleiter ergibt, dass zwei von ihnen über keinerlei freie Arbeitszeitkapazität verfügten und der dritte nur in einem geringen Maße. Damit erscheint eine Übernahme der Aufgaben des Klägers nicht ohne überobligationsmäßige Leistungen der neuen Aufgabenträger möglich.

Keinerlei freie Kapazitäten ergeben sich aus den Arbeitszeiten der Küchenleiterin. Diese leistete von Januar bis April 2008 sogar monatlich zwischen 40 und 50 Überstunden. Soweit die Beklagte darauf verweist, diese seien durch die vorübergehende Einarbeitung zweier Mitarbeiter angefallen, folgt daraus nicht, dass und in welchem Umfang die Küchenleiterin ohne diese Mehrbelastung freie Kapazitäten gehabt hätte, um innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit weitere Aufgaben zu übernehmen. Einer der Küchenleiter leistete nach der Aufstellung der Beklagten insgesamt mehr Überstunden als Minusstunden anfielen.

Lediglich für den dritten Küchenleiter sind für nahezu jeden Monat fünf Minusstunden verzeichnet. Doch reicht auch diese Kapazität nicht aus, um die fraglichen, nach dem Vorbringen der Beklagten im Umfang von monatlich etwa 12 Stunden angefallenen Aufgaben des Klägers zu übernehmen. Weitergehende Erläuterungen lassen sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen.

Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sich aus- schließlich mit den innerbetrieblichen Gründen für die Kündigung befasst und sich nicht mit dem erstinstanzlich vorgetragenen Umsatzrückgang auseinandergesetzt, ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO.

Rügt der Revisionskläger, das Landesarbeitsgericht habe von ihm gehaltenen Vortrag übergangen, muss er im Einzelnen unter Angabe des Schriftsatzes nach Datum und bei entsprechendem Umfang auch Seitenzahl darlegen, um welchen Vortrag es sich handeln soll.

Diesen Anforderungen wird die Rüge der Beklagten nicht gerecht. Die Beklagte verweist lediglich pauschal auf erstinstanzlich vorgetragene außerbetriebliche Gründe. Sie legt nicht dar, welche konkreten tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen das Landesarbeitsgericht übergangen haben soll, ohne dass dies auf der Hand läge.

Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.



Gesetze

Gesetze

6 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Urteile

1 Urteile zitieren order werden zitiert von diesem Artikel

1 Urteile werden in dem Artikel zitiert

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Dez. 2010 - 2 AZR 770/09

bei uns veröffentlicht am 16.12.2010

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Juli 2009 - 11 Sa 278/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Artikel zu Ordentliche Kündigung

Arbeitsrecht: Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit rechtfertigt nicht immer eine Kündigung

26.02.2018

Die frühere Tätigkeit als inoffizieller Informant für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ist nicht in jedem Fall ein Kündigungsgrund – BSP Rechtsanwälte – Anwältin für Arbeitsrecht Berlin

Kündigungsrecht: Keine ordentliche Kündigung bei Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

09.11.2012

Weiterbeschäftigungsmöglichkeit setzt freien Arbeitsplatz voraus, für den der Arbeitnehmer die erforderlichen Qualifikationen hat-LAG Hessen, 19 Sa 1342/11

Arbeitsrecht: Zur Vereinbarkeit der sechsmonatigen Kündigungsfrist mit der Koalitionsfreiheit

17.10.2014

Überschreitet die in der Satzung eines Arbeitgeberverbandes bestimmte Kündigungsfrist die im Hinblick auf Art. 9 III GG zulässige Dauer, bleibt die Regelung in dem vereinbaren Umfang aufrechterhalten.

Arbeitsrecht: Ordentliche Kündigung wegen krankheitsbedingter Leistungsunfähigkeit

05.11.2015

Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar.

Referenzen

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Juli 2009 - 11 Sa 278/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 2006 als Hauswirtschaftsleiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte versorgt Seniorenstifte und beliefert deren Küchen. Sie beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Kläger war zuständig für sechs Seniorenstifte, die von insgesamt drei Produktionsstätten der Beklagten beliefert werden.

3

Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 30. September 2008. Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben und - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - beantragt

        

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht aufgelöst worden ist.

4

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, sie habe am 30. Mai 2008 die Entscheidung getroffen, die Stelle des Klägers als Hauswirtschaftsleiter zum 30. Juni 2008 ersatzlos zu streichen. Hierfür seien sowohl außer- als auch innerbetriebliche Gründe maßgeblich gewesen. Negative wirtschaftliche Ergebnisse hätten sie zur Personalreduzierung gezwungen. Die bisher vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben seien auf die jeweiligen Küchenleiter der einzelnen Produktionsküchen verteilt worden. Diese hätten die Aufgaben bereits vor ihrer Entscheidung entweder gänzlich oder doch zu einem großen Teil selbständig erbracht. Zur Erledigung der vom Kläger übernommenen Aufgaben seien sie ohne überobligatorische Leistungen in der Lage.

5

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist zulässig (I), aber unbegründet (II). Die Kündigung vom 23. Juni 2008 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst.

7

I. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Von den als einzige geltend gemachten Verfahrensrügen ist zumindest die Rüge einer Verletzung der Hinweispflicht zulässig erhoben.

8

1. Ob von mehreren erhobenen Verfahrensrügen zumindest eine zulässig ist, ist eine Frage der ausreichenden Revisionsbegründung (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO) und damit der Zulässigkeit der Revision (vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 4 der Gründe, BAGE 109, 145).Verfahrensrügen müssen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützt.

9

2. Danach ist die Revision zulässig. Die Beklagte hat jedenfalls die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO verletzt, ausreichend begründet und damit zulässig erhoben.

10

a) Wird gerügt, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO nicht nachgekommen sei, muss der Revisionskläger konkret darlegen, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere welchen tatsächlichen Vortrag er gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen er gemacht hätte(vgl. BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 13, BAGE 128, 13; 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 67).

11

b) Die Beklagte meint, das Gericht habe den Hinweis geben müssen, es halte ihre unternehmerische Entscheidung für nicht hinreichend konkretisiert, gehe von einer Sollarbeitszeit des Klägers von 40 Stunden pro Woche aus und könne nicht ausschließen, dass dieser durch seine Tätigkeiten voll ausgelastet gewesen sei. Die Beklagte hat im Einzelnen ausgeführt, welchen Vortrag sie auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis gehalten hätte.

12

II. Die Revision ist unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht schon deswegen unberechtigt ist, weil die Beklagte nach dem Prozessverlauf auch ohne gerichtlichen Hinweis hätte erkennen können, dass ihr Sachvortrag zu den betrieblichen Gründen für die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht ausreichend war. Der mögliche Verfahrensfehler war jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Beklagten aus der Revisionsbegründung ist die Kündigung vom 23. Juni 2008 nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt und damit sozial ungerechtfertigt.

13

1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren betrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Diese unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist ( Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 24 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 434/05 - Rn. 31, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 151 ). Von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen ist dagegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich vollzogen wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - aaO; 17. Juni 1999 -  2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61 ).

14

a) Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer auswirkt (Senat 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

15

b) Läuft die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es dementsprechend näherer Darlegungen, damit geprüft werden kann, ob der Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich entfallen und die Entscheidung weder offensichtlich unsachlich noch willkürlich ist. Der Arbeitgeber muss konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher von dem betroffenen Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können (Senat 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 598/01 - zu C I 4 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122).

16

2. Im Streitfall liegt der Entschluss der Beklagten, die Stelle des Hauswirtschaftsleiters zu streichen, nahe an der Kündigungsentscheidung. Er hat allein den Abbau einer Leitungsebene zum Gegenstand und geht einher mit der Umverteilung der dem Kläger bisher zugewiesenen Aufgaben auf andere Beschäftigte. Es bedurfte daher der beschriebenen näheren Erläuterung dieses Entschlusses.

17

3. Dem wird der Vortrag der Beklagten auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die bisher vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben könnten vom verbliebenen Personal im Rahmen seiner regulären Verpflichtungen erledigt werden.

18

a) Zwar stellt die Beklagte die vom Kläger im letzten halben Jahr vor Ausspruch der Kündigung ausgeübten Tätigkeiten und wahrgenommenen Aufgaben monatsweise dar und konkretisiert sie im Hinblick auf die dafür im Einzelnen aufgewendete Arbeitszeit. In gleicher Weise trägt sie für die drei Mitarbeiter vor, denen sie die Aufgaben des Klägers übertragen habe, soweit diese nicht an Drittfirmen vergeben oder von ihrer Geschäftsführung übernommen worden seien.

19

b) Unklar ist aber, wann die Beklagte welche Aufgaben des Klägers auf die Küchenleiter übertragen und wann sie einen Teil der Tätigkeiten an Drittfirmen vergeben oder die Geschäftsführung diese übernommen hat. Hatte sie ursprünglich vorgetragen, sie habe sämtliche Aufgaben des Klägers als Hauswirtschaftsleiter auf die Küchenleiter in den einzelnen Produktionsstätten übertragen, legt sie nunmehr dar, eine Reihe der Tätigkeiten seien von Drittfirmen und von ihrer Geschäftsführung übernommen worden.

20

c) Unklar ist zudem das Schicksal der Aufgaben des Klägers als Personaleinsatzleiter uä. Dazu gehören die von der Beklagten selbst als Beispiele genannten Tätigkeiten wie die Erstellung von Dienst- und Urlaubsplänen, die Beratung der Geschäftsführung und die Öffentlichkeitsarbeit, die Planung und Organisation einer wirtschaftlichen Beschaffung von Ver- und Gebrauchsgütern, die Durchführung von Warenbestandsaufnahmen sowie die Umsetzung und Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Die Beklagte hat insoweit weder eine Übertragung auf die Küchenleiter noch eine Vergabe nach außen oder Übernahme durch die Geschäftsführung behauptet.

21

d) Die Beklagte hat außerdem die Umverteilung von Tätigkeiten im Umfang eines Arbeitszeitbedarfs von insgesamt lediglich 98,39 Stunden monatlich dargelegt. Sie geht indessen selbst von einer durchschnittlichen monatlichen Soll-Arbeitszeit des Klägers von 174 Stunden aus. In dem ihrer Aufstellung zugrunde liegenden Halbjahreszeitraum sind lediglich für die Monate Februar bis Mai 2008 Minusstunden im Umfang von zweimal 4, einmal 6,5 und einmal 7,5 Stunden ausgewiesen. Aus den angegebenen arbeitsfreien Zeiten wegen Urlaubs, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und Feiertagen ergibt sich nicht, dass und weshalb der Kläger auch während der verbliebenen Arbeitszeit nicht ausgelastet gewesen wäre.

22

e) Der Vortrag der Beklagten ist ferner deshalb unschlüssig, weil die Aufstellung der Arbeitszeiten ihrer drei Küchenleiter ergibt, dass zwei von ihnen über keinerlei freie Arbeitszeitkapazität verfügten und der dritte nur in einem geringen Maße. Damit erscheint eine Übernahme der Aufgaben des Klägers nicht ohne überobligationsmäßige Leistungen der neuen Aufgabenträger möglich.

23

aa) Keinerlei freie Kapazitäten ergeben sich aus den Arbeitszeiten der Küchenleiterin. Diese leistete von Januar bis April 2008 sogar monatlich zwischen 40 und 50 Überstunden. Soweit die Beklagte darauf verweist, diese seien durch die vorübergehende Einarbeitung zweier Mitarbeiter angefallen, folgt daraus nicht, dass und in welchem Umfang die Küchenleiterin ohne diese Mehrbelastung freie Kapazitäten gehabt hätte, um innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit weitere Aufgaben zu übernehmen. Einer der Küchenleiter leistete nach der Aufstellung der Beklagten insgesamt mehr Überstunden als Minusstunden anfielen.

24

bb) Lediglich für den dritten Küchenleiter sind für nahezu jeden Monat fünf Minusstunden verzeichnet. Doch reicht auch diese Kapazität nicht aus, um die fraglichen, nach dem Vorbringen der Beklagten im Umfang von monatlich etwa 12 Stunden angefallenen Aufgaben des Klägers zu übernehmen. Weitergehende Erläuterungen lassen sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen.

25

4. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sich ausschließlich mit den innerbetrieblichen Gründen für die Kündigung befasst und sich nicht mit dem erstinstanzlich vorgetragenen Umsatzrückgang auseinandergesetzt, ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO.

26

a) Rügt der Revisionskläger, das Landesarbeitsgericht habe von ihm gehaltenen Vortrag übergangen, muss er im Einzelnen unter Angabe des Schriftsatzes nach Datum und bei entsprechendem Umfang auch Seitenzahl darlegen, um welchen Vortrag es sich handeln soll (vgl. BAG 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 19, BAGE 128, 13), es sei denn, dies wäre ohne Weiteres klar ( BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 d bb der Gründe, BAGE 109, 145).

27

b) Diesen Anforderungen wird die Rüge der Beklagten nicht gerecht. Die Beklagte verweist lediglich pauschal auf erstinstanzlich vorgetragene außerbetriebliche Gründe. Sie legt nicht dar, welche konkreten tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen das Landesarbeitsgericht übergangen haben soll, ohne dass dies auf der Hand läge.

28

III. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Sieg    

        

    Jan Eulen    

                 

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)