Arbeitsrecht: Fristlose Kündigung bei grober Beleidigung

bei uns veröffentlicht am26.04.2017
Zusammenfassung des Autors
Die Bezeichnung der Geschäftsführer als „soziale Arschlöcher“ kann auch ohne vorangegangene Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ist nach § 626 Abs. 1 BGB möglich, wenn hierfür ein wichtiger Grund gegeben ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der gegenseitigen Interessen beider Vertragsteile bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zuzumuten ist.

Grobe Beleidigungen kommen grundsätzlich als Grund für eine fristlose Kündigung in Betracht. Bei der Beurteilung der Beleidigung sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und insofern besonders, ob und inwieweit die Auseinandersetzung vom Arbeitgeber mitverursacht wurde. Auch der im Betrieb oder der Branche übliche Umgangston ist in die Betrachtung einzubeziehen. Die Bezeichnung als „soziale Arschlöcher“ erfüllt die Anforderungen und stellt einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne der Vorschrift dar.

Das LAG Schleswig-Holstein hat in seinem Urteil vom 24.01.2017 (3 Sa 244/16) folgendes entschieden:

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 11.08.2016 – Az. 2 Ca 244 c/16 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung vom 19.02.2016 mit dem Vorwurf der Beleidigung des Geschäftsführers und des ehemaligen Geschäftsführers.
Der Kläger ist am...1954 geboren, war bei der Kündigung also 62 Jahre alt. Er ist verheiratet. Seit dem 28.10.1992 ist er bei der Beklagten als Geselle im Bereich der Gas- und Wasserinstallation in N... beschäftigt. Der Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt durchschnittlich 3.315,42 EUR.

Im Betrieb der Beklagten sind unter Einschluss des Klägers insgesamt drei Gesellen und die Mutter der Geschäftsführer als Büroangestellte beschäftigt, außerdem ein Auszubildender. Grundlage des
Arbeitsverhältnisses war zuletzt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 31.01.2007.

Mit Schreiben vom 19.02.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos sowie vorsorglich ordentlich und vorsorglich fristgerecht zum nächstmöglichen Kündigungstermin, das ist der 30.09.2016. Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Am Ende eines Arbeitstages suchte der Kläger das Büro der beiden Geschäftsführer der Beklagten auf, um zwei auf einer aktuellen Baustelle aufgetauchte Fragen zu klären. Dort befand sich auch der Vater der beiden, der ehemalige -Geschäftsführer H... B.. Da der Geschäftsführer F... B. telefonierte, wandte sich der Kläger an den Vater. Er fragte ihn, wie er eine Steuerleitung verlängern könne, da sich die Pumpe und der dazugehörige Schaltschrank nicht in einem Raum befanden und Originalteile nicht vorhanden waren. Der Senior verwies ihn - mit welcher Tonlage auch immer - zunächst u.a. an vorhandene Teile. Ob er auch gesagt hat, zur Not solle sich der Kläger was „schnitzen“, ist streitig. Unstreitig gab er dem Kläger im Verlaufe des Gesprächs aber auch Recht, dass er vor einem objektiv bestehenden, vom Lieferanten ungelösten Problem stehe. Auf die weitere Frage des Klägers, wie er den Schwimmer der Pumpe besser gegen „Absturz“ sichern könne, antwortete der ehemalige Geschäftsführer, dass dieser doch als ehemaliger Seemann verschiedene Knoten könne. Das empfand der Kläger als sarkastische Provokation, weil s. E. ein Knoten in einem Stahlseil nicht hält und er die Anspielung auf die Seemannstätigkeit unpassend fand. Der weitere Verlauf ist streitig. Der Kläger sah das Gespräch dann mangels sachlich zutreffender Lösungsmöglichkeit als beendet an. Als er grußlos und mit nicht näher bezeichneten Worten den Raum verlassen wollte, kommentierte der ebenfalls anwesende Geschäftsführer F... B. das Ganze noch hörbar für den Kläger sinngemäß als „Kinderkram/ Sind wir hier im Kindergarten?“
Am Morgen des 16.02.2016 betrat der Kläger das Büro. Sowohl er als auch die anwesenden Geschäftsführer waren angespannt und gereizt. Der Kläger brachte zum Ausdruck, dass von ihm das Gespräch vom Vortag keineswegs als „Kinderkram“ verstanden werde. Der Kläger beschwerte sich auch über eine Abmahnung vom 16.11.2015 aus Anlass einer von ihm verlangten, aber verweigerten Nachschulung. Dann kam es zu einem Wortgefecht. Der Verlauf ist streitig. Der Kläger äußerte unstreitig nach eigenem Vorbringen mindestens auch, dass F.... B. gerne den Chef raushängen lasse und dass sein Vater sich am Vortag ihm gegenüber wie ein „Arsch“ verhalten hätte. Der Geschäftsführer F... B. sei auf dem besten Wege, seinem Vater den Rang abzulaufen. Des Weiteren sagte der Kläger mindestens: „Dann kündigt mich doch“, worauf der GF F... B... erwiderte: „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen“. Er erwähnte auch eine zurückliegende Tätigkeit des Klägers als „Taxifahrer“. Der Kläger erwiderte unstreitig, dass die Firma dies bereits sowieso schon sei. Darauf beendete der Geschäftsführer das Gespräch. Der Kläger nahm die Arbeit auf und wurde abends telefonisch zum Abbau von Arbeitszeitguthaben für drei Tage freigestellt. Anschließend wurde ihm bis zum 24.2.2016 Urlaub gewährt.

Die Beklagte betrachtete die Äußerungen des Klägers insbesondere vom 16.02.2016 als Beleidigung. Die Geschäftsführer warteten noch drei Tage ab, ob der Kläger sich entschuldigend an sie herantrete, was nicht geschah. Schließlich sprach die Beklagte mit Schreiben vom 19.02.2016, zugegangen am 23.02.2016, die streitbefangene fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung aus, gegen die der Kläger am 24.02.2016 Klage erhob. Den Versuch einer Entschuldigung unternahm der Kläger erstmals nach eindringlichem Anraten des Arbeitsgerichts im Kammertermin am 11.08.2016 im Rahmen einer Unterbrechung der Verhandlung.

Der Kläger hat stets die Ansicht vertreten, er sei vom Seniorgeschäftsführer der Beklagten zu den Äußerungen provoziert worden. Am Folgetag, dem 16.02.2016 habe er sich auch aufgrund der Äußerungen des Vortages in die Ecke gedrängt gefühlt, weswegen in ihm die Emotionen hochgekocht seien. Die Äußerung sei ein Augenblicksversagen, und ihm hätten die Worte, nachdem er sie ausgesprochen hätte, sofort leidgetan. Das Gespräch sei weiter eskaliert. Das sei aber nicht ihm anzulasten.

Die Äußerungen, die ihm vorgehalten werden, seien aus einem Affekt heraus getätigt worden, verursacht durch Provokationen der aktuellen wie des ehemaligen Geschäftsführers der Beklagten. Es liege insoweit auch keine schwerwiegende Beleidigung vor, sondern nur eine noch von der Meinungsfreiheit gedeckte Meinungsäußerung zum Verhalten der Firma gegenüber ihrem langjährigen Mitarbeiter. Auch die Tatsache, dass er, der Kläger, nach dieser Diskussion noch seiner Arbeit habe nachgehen können und nicht umgehend freigestellt worden sei, mache deutlich, dass es der Beklagten zumutbar sei, ihn, den Kläger, weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat stets vorgetragen, sie habe den Kläger nicht provoziert. Beide Geschäftsführer hätten dem Kläger am 16.02.2016 deutlich gemacht, dass sie das vom Kläger am Vortag dem Vater gegenüber an den Tag gelegte Verhalten nicht akzeptieren würden. Daraufhin sei der Kläger sehr unvermittelt massiv ausfällig geworden. Ein Augenblicksversagen sei schon deshalb nicht gegeben, weil eine mehrstündige Unterbrechung zwischen der angeblichen Provokation vom 15.02.2016 und den Beleidigungen am Folgetag läge. Die Wortwahl des Klägers stelle eine drastische persönliche Beleidigung sowohl eines der Geschäftsführer wie auch dessen Vaters dar und sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt; der Kläger habe durch sein Verhalten das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.08.2016 die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Gegen diese dem Kläger am 22.08.2016 zugestellte Entscheidung hat er am 16.09.2016 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 24.11.2016 am 03.11.2016 begründet wurde.
Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 11.08.2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster, Aktenzeichen 2 Ca 244 c/16,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 19.02.2016 nicht aufgelöst worden ist;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die hilfsweise ordentliche, fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 19.02.2016 aufgelöst werden wird;

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 19.02.2016 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Geselle „Gas- und Wasserinstallateur“ in N... weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.
Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und dabei insbesondere darauf abgestellt, dass der Kläger den Geschäftsführer F... B... und dessen Vater, den ehemaligen Geschäftsführer H... B..., ohne Vorhandensein einer Affektsituation nachhaltig beleidigt hat, ohne sich hierfür aufrichtig entschuldigen zu wollen. Vor diesem Hintergrund sei der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt:

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

Bei der Prüfung des wichtigen Grundes kommt es nicht darauf an, wie ein bestimmtes Verhalten strafrechtlich zu würdigen ist, sondern darauf, ob der Gesamtsachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Zweck einer Kündigung wegen einer Vertragsverletzung darf regelmäßig nicht die Sanktion einer Vertragsverletzung sein. Die Kündigung dient der Vermeidung des Risikos weiterer Vertragsverletzungen. Das ist unter dem Gesichtspunkt der negativen Zukunftsprognose zu betrachten. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes trägt der Arbeitgeber.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 19.02.2016 wirksam. Die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe rechtfertigen eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallsituation ist der Beklagten als Kleinbetrieb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Auslaufen der siebenmonatigen Kündigungsfrist unzumutbar.

Grobe Beleidigungen können grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Was als grobe Beleidigung anzusehen ist, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Zu berücksichtigen ist hierbei, ob und inwieweit die Auseinandersetzung vom Arbeitgeber mitverursacht wurde. Von Bedeutung sind weiterhin der betriebliche bzw. der branchenübliche Umgangston und die Gesprächssituation. Bei Vorliegen einer groben Beleidigung des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, kann sich der Arbeitnehmer nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Abs. 1 GG berufen.

Maßgeblich abzustellen ist auf das Gespräch am Morgen des 16.02.2016. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den Geschäftsführer F... B. und dessen Vater H... B. wortwörtlich als „große Arschlöcher“ bezeichnet hat. Denn unstreitig hat der Kläger mindestens gesagt, dass der Vater des Geschäftsführers F... B. sich ihm gegenüber „wie ein Arsch“ verhalten hätte und dass der Geschäftsführer F... B. auf dem besten Wege sei, seinem Vater den Rang abzulaufen. Das war nach der Überzeugung der Kammer ein Frontalangriff auf den Geschäftsführer F... B. und dessen Vater. Des Weiteren hat der Kläger unstreitig auf den Satz des Geschäftsführers F... B. „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen“ erwidert, dass die Firma dies bereits sowieso schon sei. Diese Äußerungen stellen eine gezielte ehrverletzende, durch nichts gerechtfertigte Beschimpfung der Geschäftsführer und deren Vater, dem ehemaligen Geschäftsführer, dar. Eine ca. 10 Jahre zurückliegende nicht aufrechterhaltene betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt eine derartige Äußerung nicht, wie der Kläger meint. Ebenso wenig rund acht Jahre zurückliegende Veränderungen des Arbeitsvertrages zum Nachteil des Klägers, gegen die er sich, wie er in der Berufungsverhandlung eingeräumt hat, noch nicht einmal gewehrt hat.

Das Gespräch am Abend des 15.02.2016 mit dem ehemaligen Geschäftsführer H... B. über eine Verlängerung der Steuerleitung sowie eine Sicherung des Schwimmers ist ebenfalls nicht geeignet, die o. g. Äußerungen des Klägers abzumildern. Die Kammer vermag schon in den Antworten des ehemaligen Geschäftsführers H... B. keine Provokation zu erkennen, selbst wenn sie ggf. teilweise in einem süffisanten Tonfall erfolgt sein sollten. Auch der Hinweis auf die ehemalige Seemannstätigkeit des Klägers bleibt noch im Rahmen der Sachlichkeit. Gleiches gilt für die vom Geschäftsführer F... B. erwähnte Formulierung „Kinderkram/Sind wir im Kindergarten?“, als der Kläger grußlos und mit nicht näher bezeichneten Worten den Raum verlassen wollte.

Auch die am 16.02.2016 erfolgte Erwähnung der zurückliegenden Tätigkeit des Klägers als „Taxifahrer“ stellt keine Provokation dar, die die verbale und ehrverletzende Entgleisung des Klägers auch nur ansatzweise rechtfertigen könnte. Die Kammer ist vielmehr davon überzeugt, dass sich der Kläger an diesen Worten aufhängt, um seine Entgleisung und sein unkontrolliertes Verhalten nachträglich in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.

Von besonderem Gewicht ist vorliegend auch, dass nahezu 16 Stunden zwischen der vom Kläger behaupteten Provokation durch den ehemaligen Geschäftsführer H... B. und den ehrverletzenden wiederholten Beleidigungen der Geschäftsführer und ihres Vaters liegen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, sind die Äußerungen gerade nicht unmittelbar aus einer Affektsituation nach einer – streitigen - Provokation erfolgt. Vielmehr hatte der Kläger einen ganzen Abend und eine ganze Nacht Zeit, sich zu beruhigen und auf sachlicher Ebene das zu formulieren, was ihn an der Gesprächsführung des Vorabends gestört hat. Das hat er jedoch gerade nicht getan, vielmehr die Geschäftsführer erst Stunden später nach der behaupteten Provokation als „soziale Arschlöcher“ bezeichnet. Angesichts dessen besteht kein Raum, für eine erfolgreiche Berufung auf das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Abs. 1 GG.

Die streitbefangene fristlose Kündigung erweist sich – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht wegen Fehlens einer vorherigen Abmahnung als unwirksam. Im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung bedurfte es einer solchen Abmahnung des Klägers nicht. Das Verhalten des Klägers zeigt nach der Überzeugung des Gerichts ein hohes Risiko weiterer Vertragsverletzungen. Der Kläger war auch im Kammertermin noch nicht tatsächlich einsichtsfähig. Er sah es überhaupt nicht ein, dass er Grenzen überschritten hat und dass er auf die Geschäftsführer der Beklagten hätte zugehen müssen. Er fühlt sich nach wie vor im Recht. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer auch nicht ansatzweise Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich nach einer etwaigen Abmahnung tatsächlich und nachhaltig verbal anders und mit der gebotenen Wertschätzung gegenüber den Geschäftsführern der Beklagten sowie dessen Vater verhalten hätte.

Auch im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist das Arbeitsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass hier die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Der Beklagten war selbst unter Berücksichtigung der mehr als 23-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seiner aktuellen Rentennähe die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. In diesem Zusammenhang ist für die Kammer von besonderer Bedeutung, dass nach wie vor eine Entschuldigung des Klägers fehlt. Zu berücksichtigen ist, dass die Geschäftsführer der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung drei Tage gewartet haben, ob der Kläger ggf. auf sie zukommt und versucht, die verbale Entgleisung zu bereinigen. Das ist nicht geschehen. Der Kläger meint auch heute noch, dass er das nicht hätte tun müssen. Die Kündigungsfrist ist mit sieben Monaten zum Monatsende äußerst lang, mit der Folge, dass die Geschäftsführer der Beklagten ebenso wie deren Vater und deren im Betrieb tätige Mutter täglich mit dem Nachhall, „soziale Arschlöcher zu sein“, und mit der Uneinsichtigkeit des Klägers konfrontiert gewesen wären. Zu berücksichtigen war ferner, dass es sich um einen kleinen Familienbetrieb handelt, in dem sich die agierenden Personen nicht ausweichen können und in dem man viel mehr emotionale Nähe hat, als in einem Großbetrieb. Die hohe und nachhaltige Betroffenheit der vier im Betrieb arbeitenden Mitglieder der Geschäftsführerfamilie wurde durch die in jeder Hinsicht sachlichen Schilderungen der beiden Geschäftsführer in der Berufungsverhandlung ganz besonders deutlich. Sie fühlen sich und ihre Betriebsphilosophie immer noch komplett in Frage gestellt und haben jegliches Vertrauen in den Kläger und ein gedeihliches Miteinander verloren. Obgleich der Kläger bei Ausspruch der Kündigung bereits 62 Jahre alt war und bereits 23 ½ Jahre lang in einem Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten stand, war unter Abwägung aller o. g. Faktoren es der Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende fortzusetzen.

Nach alledem war der Kündigungsschutzantrag unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 19.02.2016 hat das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos beendet. Die Klage ist zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

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Referenzen

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 11.08.2016 – Az. 2 Ca 244 c/16 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung vom 19.02.2016 mit dem Vorwurf der Beleidigung des Geschäftsführers und des ehemaligen Geschäftsführers.

2

Der Kläger ist am ...1954 geboren, war bei der Kündigung also 62 Jahre alt. Er ist verheiratet. Seit dem 28.10.1992 ist er bei der Beklagten als Geselle im Bereich der Gas- und Wasserinstallation in N... beschäftigt. Der Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt durchschnittlich 3.315,42 EUR.

3

Im Betrieb der Beklagten sind unter Einschluss des Klägers insgesamt drei Gesellen und die Mutter der Geschäftsführer als Büroangestellte beschäftigt, außerdem ein Auszubildender. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 31.01.2007 (Anl. K1, Bl. 6-11 d.A.).

4

Mit Schreiben vom 19.02.2016 (Anl. K3, Bl. 18 f d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos sowie vorsorglich ordentlich und vorsorglich fristgerecht zum nächstmöglichen Kündigungstermin, das ist der 30.09.2016. Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

5

Am Ende eines Arbeitstages suchte der Kläger das Büro der beiden Geschäftsführer der Beklagten auf, um zwei auf einer aktuellen Baustelle aufgetauchte Fragen zu klären. Dort befand sich auch der Vater der beiden, der ehemalige (Senior)-Geschäftsführer H... B.. Da der Geschäftsführer F... B. telefonierte, wandte sich der Kläger an den Vater. Er fragte ihn, wie er eine Steuerleitung (Pneumaschlauch) verlängern könne, da sich die Pumpe und der dazugehörige Schaltschrank nicht in einem Raum befanden und Originalteile nicht vorhanden waren. Der Senior verwies ihn - mit welcher Tonlage auch immer - zunächst u.a. an vorhandene Teile. Ob er auch gesagt hat, zur Not solle sich der Kläger was „schnitzen“, ist streitig. Unstreitig gab er dem Kläger im Verlaufe des Gesprächs aber auch Recht, dass er vor einem objektiv bestehenden, vom Lieferanten ungelösten Problem stehe. Auf die weitere Frage des Klägers, wie er den Schwimmer der Pumpe besser gegen „Absturz“ sichern könne, antwortete der ehemalige Geschäftsführer, dass dieser doch als ehemaliger Seemann verschiedene Knoten könne. Das empfand der Kläger als sarkastische Provokation, weil s. E. ein Knoten in einem Stahlseil nicht hält und er die Anspielung auf die Seemannstätigkeit unpassend fand. Der weitere Verlauf ist streitig. Der Kläger sah das Gespräch dann mangels sachlich zutreffender Lösungsmöglichkeit als beendet an. Als er grußlos und mit nicht näher bezeichneten Worten den Raum verlassen wollte, kommentierte der ebenfalls anwesende Geschäftsführer F... B. das Ganze noch hörbar für den Kläger sinngemäß als „Kinderkram/ Sind wir hier im Kindergarten?“

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Am Morgen des 16.02.2016 betrat der Kläger das Büro. Sowohl er als auch die anwesenden Geschäftsführer waren angespannt und gereizt. Der Kläger brachte zum Ausdruck, dass von ihm das Gespräch vom Vortag keineswegs als „Kinderkram“ verstanden werde. Der Kläger beschwerte sich auch über eine Abmahnung vom 16.11.2015 aus Anlass einer von ihm verlangten, aber verweigerten Nachschulung (Bl. 24 d. A.). Dann kam es zu einem Wortgefecht. Der Verlauf ist streitig. Der Kläger äußerte unstreitig nach eigenem Vorbringen mindestens auch, dass F.... B. gerne den Chef raushängen lasse und dass sein Vater sich am Vortag ihm gegenüber wie ein „Arsch“ verhalten hätte. Der Geschäftsführer F... B. sei auf dem besten Wege, seinem Vater den Rang abzulaufen (Kläger-Schriftsatz vom 04.04.2016 - Bl. 34 d. A.). Des Weiteren sagte der Kläger mindestens: „Dann kündigt mich doch“ (Bl. 52 d.A.), worauf der GF F... B... erwiderte: „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen“. Er erwähnte auch eine zurückliegende Tätigkeit des Klägers als „Taxifahrer“. Der Kläger erwiderte unstreitig, dass die Firma dies bereits sowieso schon sei (Bl. 34 d. A.). Darauf beendete der Geschäftsführer das Gespräch. Der Kläger nahm die Arbeit auf und wurde abends telefonisch zum Abbau von Arbeitszeitguthaben für drei Tage freigestellt. Anschließend wurde ihm bis zum 24.2.2016 Urlaub gewährt.

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Die Beklagte betrachtete die Äußerungen des Klägers insbesondere vom 16.02.2016 als Beleidigung. Die Geschäftsführer warteten noch drei Tage ab, ob der Kläger sich entschuldigend an sie herantrete, was nicht geschah. Schließlich sprach die Beklagte mit Schreiben vom 19.02.2016, zugegangen am 23.02.2016, die streitbefangene fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung aus (Anlage K 3, Bl. 18 f. d. A.), gegen die der Kläger am 24.02.2016 Klage erhob. Den Versuch einer Entschuldigung unternahm der Kläger erstmals nach eindringlichem Anraten des Arbeitsgerichts im Kammertermin am 11.08.2016 im Rahmen einer Unterbrechung der Verhandlung.

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Der Kläger hat stets die Ansicht vertreten, er sei vom Seniorgeschäftsführer der Beklagten zu den Äußerungen provoziert worden. Am Folgetag, dem 16.02.2016 habe er sich auch aufgrund der Äußerungen des Vortages in die Ecke gedrängt gefühlt, weswegen in ihm die Emotionen hochgekocht seien. Die Äußerung sei ein Augenblicksversagen, und ihm hätten die Worte, nachdem er sie ausgesprochen hätte, sofort leidgetan. Das Gespräch sei weiter eskaliert. Das sei aber nicht ihm anzulasten.

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Die Äußerungen, die ihm vorgehalten werden, seien aus einem Affekt heraus getätigt worden, verursacht durch Provokationen der aktuellen wie des ehemaligen Geschäftsführers der Beklagten. Es liege insoweit auch keine schwerwiegende Beleidigung vor, sondern nur eine noch von der Meinungsfreiheit gedeckte Meinungsäußerung zum Verhalten der Firma gegenüber ihrem langjährigen Mitarbeiter. Auch die Tatsache, dass er, der Kläger, nach dieser Diskussion noch seiner Arbeit habe nachgehen können und nicht umgehend freigestellt worden sei, mache deutlich, dass es der Beklagten zumutbar sei, ihn, den Kläger, weiter zu beschäftigen.

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Die Beklagte hat stets vorgetragen, sie habe den Kläger nicht provoziert. Beide Geschäftsführer hätten dem Kläger am 16.02.2016 deutlich gemacht, dass sie das vom Kläger am Vortag dem Vater gegenüber an den Tag gelegte Verhalten nicht akzeptieren würden. Daraufhin sei der Kläger sehr unvermittelt massiv ausfällig geworden. Ein Augenblicksversagen sei schon deshalb nicht gegeben, weil eine mehrstündige Unterbrechung zwischen der angeblichen Provokation vom 15.02.2016 und den Beleidigungen am Folgetag läge. Die Wortwahl des Klägers stelle eine drastische persönliche Beleidigung sowohl eines der Geschäftsführer wie auch dessen Vaters dar und sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt; der Kläger habe durch sein Verhalten das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört.

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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.08.2016 die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

12

Gegen diese dem Kläger am 22.08.2016 zugestellte Entscheidung hat er am 16.09.2016 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 24.11.2016 am 03.11.2016 begründet wurde.

13

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.

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Der Kläger beantragt,

15

unter Abänderung des am 11.08.2016 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster, Aktenzeichen 2 Ca 244 c/16,

16

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 19.02.2016 nicht aufgelöst worden ist;

17

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die hilfsweise ordentliche, fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 19.02.2016 aufgelöst werden wird;

18

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 19.02.2016 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Geselle „Gas- und Wasserinstallateur“ in N... weiterzubeschäftigen.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.

24

Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und dabei insbesondere darauf abgestellt, dass der Kläger den Geschäftsführer F... B... und dessen Vater, den ehemaligen Geschäftsführer H... B..., ohne Vorhandensein einer Affektsituation nachhaltig beleidigt hat, ohne sich hierfür aufrichtig entschuldigen zu wollen. Vor diesem Hintergrund sei der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt:

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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (vgl. nur BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 103/08 - zitiert nach Juris Rz. 18 m.w.N.; BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – zitiert nach Juris Rz. 16 m.w.N.).

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2. Bei der Prüfung des wichtigen Grundes kommt es nicht darauf an, wie ein bestimmtes Verhalten strafrechtlich zu würdigen ist, sondern darauf, ob der Gesamtsachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Zweck einer Kündigung wegen einer Vertragsverletzung darf regelmäßig nicht die Sanktion einer Vertragsverletzung sein. Die Kündigung dient der Vermeidung des Risikos weiterer Vertragsverletzungen. Das ist unter dem Gesichtspunkt der negativen Zukunftsprognose zu betrachten. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes trägt der Arbeitgeber (BAG a.a.O.).

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3. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 19.02.2016 wirksam. Die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe rechtfertigen eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallsituation ist der Beklagten als Kleinbetrieb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Auslaufen der siebenmonatigen Kündigungsfrist unzumutbar.

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a) Grobe Beleidigungen können grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Was als grobe Beleidigung anzusehen ist, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Zu berücksichtigen ist hierbei, ob und inwieweit die Auseinandersetzung vom Arbeitgeber mitverursacht wurde. Von Bedeutung sind weiterhin der betriebliche bzw. der branchenübliche Umgangston und die Gesprächssituation. Bei Vorliegen einer groben Beleidigung des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, kann sich der Arbeitnehmer nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Abs. 1 GG berufen (BAG vom 10.10.2002 – 2 AZR 418/01 – zitiert nach Juris Leitsatz 1 m.w.N.; LAG Rheinland-Pfalz vom 18.05.2016 – 4 Sa 350/15 – Rz. 31 f).

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b) Maßgeblich abzustellen ist auf das Gespräch am Morgen des 16.02.2016. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den Geschäftsführer F... B. und dessen Vater H... B. wortwörtlich als „große Arschlöcher“ bezeichnet hat. Denn unstreitig hat der Kläger mindestens gesagt, dass der Vater des Geschäftsführers F... B. sich ihm gegenüber „wie ein Arsch“ verhalten hätte und dass der Geschäftsführer F... B. auf dem besten Wege sei, seinem Vater den Rang abzulaufen. Das war nach der Überzeugung der Kammer ein Frontalangriff auf den Geschäftsführer F... B. und dessen Vater. Des Weiteren hat der Kläger unstreitig auf den Satz des Geschäftsführers F... B. „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen“ erwidert, dass die Firma dies bereits sowieso schon sei. Diese Äußerungen stellen eine gezielte ehrverletzende, durch nichts gerechtfertigte Beschimpfung der Geschäftsführer und deren Vater, dem ehemaligen Geschäftsführer, dar. Eine ca. 10 Jahre zurückliegende nicht aufrechterhaltene betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt eine derartige Äußerung nicht, wie der Kläger meint. Ebenso wenig rund acht Jahre zurückliegende Veränderungen des Arbeitsvertrages zum Nachteil des Klägers, gegen die er sich, wie er in der Berufungsverhandlung eingeräumt hat, noch nicht einmal gewehrt hat.

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Das Gespräch am Abend des 15.02.2016 mit dem ehemaligen Geschäftsführer H... B. über eine Verlängerung der Steuerleitung sowie eine Sicherung des Schwimmers ist ebenfalls nicht geeignet, die o. g. Äußerungen des Klägers abzumildern. Die Kammer vermag schon in den Antworten des ehemaligen Geschäftsführers H... B. keine Provokation zu erkennen, selbst wenn sie ggf. teilweise in einem süffisanten Tonfall erfolgt sein sollten. Auch der Hinweis auf die ehemalige Seemannstätigkeit des Klägers bleibt noch im Rahmen der Sachlichkeit. Gleiches gilt für die vom Geschäftsführer F... B. erwähnte Formulierung „Kinderkram/Sind wir im Kindergarten?“, als der Kläger grußlos und mit nicht näher bezeichneten Worten den Raum verlassen wollte.

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Auch die am 16.02.2016 erfolgte Erwähnung der zurückliegenden Tätigkeit des Klägers als „Taxifahrer“ stellt keine Provokation dar, die die verbale und ehrverletzende Entgleisung des Klägers auch nur ansatzweise rechtfertigen könnte. Die Kammer ist vielmehr davon überzeugt, dass sich der Kläger an diesen Worten aufhängt, um seine Entgleisung und sein unkontrolliertes Verhalten nachträglich in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.

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Von besonderem Gewicht ist vorliegend auch, dass nahezu 16 Stunden zwischen der vom Kläger behaupteten Provokation durch den ehemaligen Geschäftsführer H... B. und den ehrverletzenden wiederholten Beleidigungen der Geschäftsführer und ihres Vaters liegen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, sind die Äußerungen gerade nicht unmittelbar aus einer Affektsituation nach einer – streitigen - Provokation erfolgt. Vielmehr hatte der Kläger einen ganzen Abend und eine ganze Nacht Zeit, sich zu beruhigen und auf sachlicher Ebene das zu formulieren, was ihn an der Gesprächsführung des Vorabends gestört hat. Das hat er jedoch gerade nicht getan, vielmehr die Geschäftsführer erst Stunden später nach der behaupteten Provokation als „soziale Arschlöcher“ bezeichnet. Angesichts dessen besteht kein Raum, für eine erfolgreiche Berufung auf das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 Abs. 1 GG.

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c) Die streitbefangene fristlose Kündigung erweist sich – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht wegen Fehlens einer vorherigen Abmahnung als unwirksam. Im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung bedurfte es einer solchen Abmahnung des Klägers nicht. Das Verhalten des Klägers zeigt nach der Überzeugung des Gerichts ein hohes Risiko weiterer Vertragsverletzungen. Der Kläger war auch im Kammertermin noch nicht tatsächlich einsichtsfähig. Er sah es überhaupt nicht ein, dass er Grenzen überschritten hat und dass er auf die Geschäftsführer der Beklagten hätte zugehen müssen. Er fühlt sich nach wie vor im Recht. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer auch nicht ansatzweise Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich nach einer etwaigen Abmahnung tatsächlich und nachhaltig verbal anders und mit der gebotenen Wertschätzung gegenüber den Geschäftsführern der Beklagten sowie dessen Vater verhalten hätte.

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d) Auch im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist das Arbeitsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass hier die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Der Beklagten war selbst unter Berücksichtigung der mehr als 23-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seiner aktuellen Rentennähe die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. In diesem Zusammenhang ist für die Kammer von besonderer Bedeutung, dass nach wie vor eine Entschuldigung des Klägers fehlt. Zu berücksichtigen ist, dass die Geschäftsführer der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung drei Tage gewartet haben, ob der Kläger ggf. auf sie zukommt und versucht, die verbale Entgleisung zu bereinigen. Das ist nicht geschehen. Der Kläger meint auch heute noch, dass er das nicht hätte tun müssen. Die Kündigungsfrist ist mit sieben Monaten zum Monatsende äußerst lang, mit der Folge, dass die Geschäftsführer der Beklagten ebenso wie deren Vater und deren im Betrieb tätige Mutter täglich mit dem Nachhall, „soziale Arschlöcher zu sein“, und mit der Uneinsichtigkeit des Klägers konfrontiert gewesen wären. Zu berücksichtigen war ferner, dass es sich um einen kleinen Familienbetrieb handelt, in dem sich die agierenden Personen nicht ausweichen können und in dem man viel mehr emotionale Nähe hat, als in einem Großbetrieb. Die hohe und nachhaltige Betroffenheit der vier im Betrieb arbeitenden Mitglieder der Geschäftsführerfamilie wurde durch die in jeder Hinsicht sachlichen Schilderungen der beiden Geschäftsführer in der Berufungsverhandlung ganz besonders deutlich. Sie fühlen sich und ihre Betriebsphilosophie immer noch komplett in Frage gestellt und haben jegliches Vertrauen in den Kläger und ein gedeihliches Miteinander verloren. Obgleich der Kläger bei Ausspruch der Kündigung bereits 62 Jahre alt war und bereits 23 ½ Jahre lang in einem Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten stand, war unter Abwägung aller o. g. Faktoren es der Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende fortzusetzen.

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4. Nach alledem war der Kündigungsschutzantrag unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 19.02.2016 hat das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos beendet. Die Klage ist zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.