Arbeitsrecht: Keine Kündigung wegen Entwendung von Müll

bei uns veröffentlicht am24.03.2010
Zusammenfassung des Autors

Entwendet ein Arbeitnehmer eines Entsorgungsbetriebs im Müll gefundene Gegenstände, rechtfertigt dies nicht automatisch eine Kündigung - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin 

So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg im Fall eines Arbeitnehmers, der bei einem Abfallentsorgungsunternehmen seit über acht Jahren als Hofarbeiter im Rahmen der Altpapierentsorgung beschäftigt war. Er hatte in einem Altpapiercontainer, dessen Inhalt zur Entsorgung anstand, einen Karton mit einem Kinderreisebett gefunden. Ohne den Arbeitgeber um Erlaubnis zu fragen, nahm er das Bett mit nach Hause. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos und warf ihm Diebstahl vor. Der Arbeitnehmer sei durch vorhergehende Abmahnungen darauf hingewiesen worden, dass auch die Mitnahme zu entsorgender Gegenstände grundsätzlich verboten und nur im Falle ausdrücklicher Gestattung erlaubt sei.

Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers war erfolgreich. Sowohl das Arbeitsgericht in erster Instanz als auch das LAG hielten die Kündigung für unverhältnismäßig. Das LAG machte deutlich, dass zwar ein Pflichtverstoß des Arbeitnehmers vorliege, der grundsätzlich einen „Kündigungsgrund an sich“ darstelle. Doch auch wenn der Arbeitnehmer bereits entsprechend abgemahnt worden sei, habe im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers im Ergebnis Vorrang. Dies gelte vor allem angesichts des langjährigen, im Wesentlichen störungsfrei verlaufenen Arbeitsverhältnisses und des fehlenden wirtschaftlichen Werts der unmittelbar zur Entsorgung anstehenden und bereits im Müll befindlichen Sache (LAG Baden-Württemberg, 13 Sa 59/09).


Die Entscheidung im einzelnen lautet:

LAG Baden-Württemberg: Urteil vom 10.02.2010 (Az: 13 Sa 59/09)

Die weisungswidrige Aneignung auch einer wirtschaftlich geringwertigen Sache im Betrieb durch einen Arbeitnehmer ist - je nach Lage des Einzelfalls - grundsätzlich geeignet, einen Kündigungsgrund „an sich“ für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.

Gerade bei der weisungswidrigen Aneignung wirtschaftlich geringwertiger oder wertloser Sachen durch einen Arbeitnehmer ist im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers ein überwiegendes Gewicht hat.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 30.07.2009 (15 Ca 278/08) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer dem Kläger von der Beklagten außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich ausgesprochenen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie einen vom Kläger geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der am ... 1980 geborene, verheiratete Kläger, der zwei Kindern im Kleinkindalter unterhaltspflichtig ist, arbeitet seit dem 02.05.2000 bei der Beklagten, die ein Abfallentsorgungsunternehmen betreibt und zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung etwa 60 Arbeitnehmer beschäftigte, als Hofarbeiter zu einer durchschnittlichen monatlichen Vergütung von EUR 2.667,17 brutto. Die Beklagte ist ein zertifiziertes Entsorgungsunternehmen, welches sich hauptsächlich mit Abfalltransporten sowie mit dem Sortieren von Abfällen befasst. Die Tätigkeit des Klägers umfasste insbesondere das Sortieren von Altpapier, das Fahren von Staplern und sonstige Hilfsarbeiten.

Sofern es ihnen von der Geschäftsleitung im Einzelfall gestattet wird, dürfen Mitarbeiter der Beklagten Gegenstände aus dem zu entsorgenden Müll privat mitnehmen. Hierzu müssen die Mitarbeiter einen der Geschäftsführer um Erlaubnis fragen. Soweit keine Gründe einer Mitnahme entgegenstehen, wird die Erlaubnis vom Geschäftsführer erteilt.

Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 13.07.2007 eine Abmahnung weil er am 11.07.2007 „firmeneigene PET-Flaschen gesammelt und diese in [einem] Zwischenlager deponiert“ habe. Gleichzeitig wurde dem Kläger eine interne Aktennotiz vom Januar 2007 überreicht, wonach es nicht erlaubt sei, PET-Pfandflaschen aus der Sammlung „Gelber Sack“ mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu nutzen. Der damalige Betriebsratsvorsitzende erhielt von der Beklagten eine Kopie des Abmahnungsschreibens zur Kenntnis.

Am 07.12.2007 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer und dem Kläger wegen eines von der Beklagten angenommenen Diebstahls von im Rahmen des Altpapiers zu entsorgenden Toilettenpapiers aus einem Produktionsausschuss statt. Ob dem Kläger in diesem Zusammenhang eine Abmahnung ausgesprochen wurde, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 05.12.2008 entnahm der Kläger aus einem Altpapiercontainer, der in einer Halle auf dem Betriebsgrundstück der Beklagten zur Verarbeitung am Zuführband zur Altpapierpresse abgeladen worden war, einen Karton, in dem sich ein Kinderreisebett befand. Die Halle wird von der Beklagten mit einer Videoanlage überwacht, was den dort Beschäftigten bekannt ist. Das Kinderreisebett hätte als Müll entsorgt werden sollen. Zusammen mit einem von der Beklagten beschäftigten Leiharbeitnehmer baute der Kläger das Kinderreisebett in der Halle auf und begutachtete es. Danach baute der Kläger das Kinderreisebett wieder auseinander und transportierte es im zusammengeklappten Zustand zu seinem auf dem Mitarbeiterparkplatz stehenden Pkw, wo er es offen auf dem Rücksitz abstellte. Der Vorgang, jedenfalls in der Halle, wurde von dem Vorgesetzten des Klägers, dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Herrn A., sowie drei Disponenten über die Videoanlage beobachtet. Herr A. folgte dem Kläger zu dessen Pkw und fertigte dort Fotos von dem auf dem Rücksitz abgestellten Kinderreisebett an. Herr A. informierte zunächst ein weiteres Betriebsratsmitglied, Frau G., über seine Beobachtungen und dann einen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten. Nachdem der Kläger von Herrn A. und dem Mitarbeiter L., der den Vorfall ebenfalls beobachtet hatte, darauf angesprochen wurde, dass es ihm nicht erlaubt sei, das Kinderreisebett mitzunehmen, nahm er es wieder aus seinem Pkw. Das Kinderreisebett wurde sodann als Müll entsorgt.

Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 08.12.2008 zu einer beabsichtigten Kündigung des Klägers an und benannte als Kündigungsgrund, der Kläger habe auf dem Betriebsgrundstück einen Diebstahl begangen. Der Betriebsrat teile mit Schreiben vom 09.12.2008 mit, dass er die Kündigung zur Kenntnis nehme. Ob bei der Übergabe des Schreibens des Betriebsrates an die Beklagte noch weitere Mitteilungen erfolgten, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10.12.2008, welches dem Kläger am selben Tage zugegangen ist, außerordentlich fristlos hilfsweise ordentlich zum 31.03.2009. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 12.12.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 17.12.2008 zugestellten Klage, mit der er auch einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend macht.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, Gründe für eine außerordentliche Kündigung oder die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung lägen nicht vor. Er habe keinen Diebstahl zulasten der Beklagten begangen, zumal diese nicht Eigentümerin des zu entsorgenden Mülls gewesen sei. Jedenfalls habe er keinen Diebstahlsvorsatz gehabt, was man daran erkenne, dass er das Kinderreisebett für sein neugeborenes Kind offen und ohne Vertuschungsversuch mitgenommen habe. Der Kläger habe nicht angenommen, dass es sich bei dem Kinderreisebett um eine „fremde Sache“ im Sinne strafrechtlicher Normen handeln könne. Die Kündigung sei unverhältnismäßig. Ihm sei zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass die Mitnahme von zur Entsorgung vorgesehenem Abfall nicht erlaubt sei. Jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung überwiege das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, da es sich allenfalls um eine geringe Pflichtverletzung gehandelt habe und die Beklagte keinerlei Schaden erlitten habe. Er habe sich nicht in einer besonderen Vertrauensstellung bei der Beklagten gefunden. An eine Betriebsversammlung vom 14.02.2005, auf welche die Beklagte in ihrem Vortrag verweise, könne er sich nicht erinnern. Er habe auch keine PET-Flaschen weggenommen oder zu entsorgendes Toilettenpapier entwendet. Die Abmahnung vom 13.07.2007 betreffe auch keinen Diebstahlsvorwurf, sondern das Anlegen eines Zwischenlagers. Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Das Anhörungsschreiben beinhalte nur den Vorwurf eines Diebstahls, ohne Sachverhaltsschilderung. Kenntnisse einzelner Betriebsratsmitglieder seien insoweit ohne Belang. Es sei Sache des Arbeitgebers, dem Betriebsrat die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe mitzuteilen, und nicht Aufgabe des Betriebsrats, seine Mitglieder nach ihren Kenntnissen zu befragen. Es werde bestritten, dass mit dem Schreiben vom 09.12.2008 eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates vorgelegen habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 nicht zum 10.12.2008 beendet wird.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Hofarbeiter weiterzubeschäftigen beziehungsweise zu beschäftigen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, der Kläger habe durch sein Verhalten nicht nur gegen strafrechtliche Vorschriften, sondern auch gegen bestehende Arbeitsanweisungen verstoßen. Von dem ausdrücklichen Verbot, zu entsorgende Gegenstände mitzunehmen - vorbehaltlich einer Erlaubnis im Einzelfall -, habe der Kläger aufgrund seiner Teilnahme an einer Betriebsversammlung am 14.02.2005, wo dieses Thema angesprochen worden sei, Kenntnis gehabt. Bereits mit der Sammlung von PET-Flaschen am 11.07.2007 in einem „Zwischenlager“ habe der Kläger gegen eine Arbeitsanweisung verstoßen. Die diesbezügliche Abmahnung vom 13.07.2007 betreffe auch nicht allein die Bildung eines Zwischenlagers, sondern auch - wegen des Verweises auf die interne Aktennotiz - die Entnahme von PET-Flaschen aus der Sammlung Gelber Sack. Am 07.12.2007 sei der Kläger vom Geschäftsführer abgemahnt worden, weil er größere Mengen zu entsorgendes Toilettenpapier in seinen Pkw eingeladen habe, was als Diebstahl zu bewerten sei. Auch die Wegnahme des Kinderreisebetts und Verbringung in den Pkw des Klägers stelle einen Diebstahl dar, da die zur Entsorgung übergebenen Gegenstände in das Eigentum der Beklagten übergegangen seien. Ein angeblicher Irrtum des Klägers darüber sei eine reine Schutzbehauptung. Der Kläger habe vorsätzlich und mit Zueignungsabsicht gehandelt. Er sei auch nicht so offen vorgegangen, wie von ihm behauptet, da er nicht den vorgeschriebenen Weg zu den Mitarbeiterparkplätzen am Verwaltungsgebäude vorbei, sondern eine Abkürzung durch die Werkstatt gewählt habe. Unabhängig von der Frage eines Schadens bei der Beklagten sei ausschlaggebend, dass es dem Kläger nicht gestattet gewesen sei, eigenmächtig über das Schicksal des Kinderreisebetts zu entscheiden. Dadurch werde das Vertrauen in den Kläger zerstört. Mildere Mittel als der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung seien nicht in Betracht gekommen. Auch eine Interessenabwägung falle nicht zugunsten des Klägers aus, zumal er sich in der Vergangenheit uneinsichtig gezeigt habe. Zumindest die hilfsweise ordentliche Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Die Betriebsratsanhörung sei ausweislich des Anhörungsschreibens ordnungsgemäß erfolgt. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Herr A. habe als Augenzeuge den übrigen Betriebsratsmitgliedern den Vorfall vom 08.12.2008 detailliert mitgeteilt. Auch von den vorhergehenden Vorfällen habe der Betriebsrat Kenntnis gehabt. Bei der Übergabe der Stellungnahme des Betriebsrates vom 09.12.2008 an die Beklagte habe das Betriebsratsmitglied Frau G. mitgeteilt, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates handele.

Das Arbeitsgericht hat mit einem am 30.07.2009 verkündeten Urteil sowohl die Unwirksamkeit der außerordentlich fristlosen Kündigung als auch der hilfsweise ordentlichen Kündigung festgestellt und dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers stattgegeben. Zwar habe der Kläger durch das Verbringen des Kinderreisebetts in seinen Pkw den objektiven Tatbestand des § 242 StGB erfüllt, auch wenn der Beklagten kein materieller Schaden entstanden sei, da das Kinderreisebett unmittelbar der Abfallentsorgung zugeführt werden sollte. Auch ohne finanziellen Schaden liege eine Vertragspflichtverletzung vor, die zur Kündigung an sich berechtige. Ob vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen sei und eine einschlägige Abmahnung vorliege, könne dahinstehen, da die Kündigung jedenfalls unverhältnismäßig sei. Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung überwiege das Bestandsschutzinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten. Dabei werde zugunsten der Beklagten unterstellt, dass es wie von ihr behauptet zu dem Vorfall betreffend das zu entsorgende Toilettenpapier gekommen und dem Kläger im Dezember 2007 deshalb eine Abmahnung erteilt worden sei. Angesichts der insoweit unterstellten einschlägigen Abmahnung stelle die erneute Entnahme von zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen - dem Kinderreisebett - ein durchaus beharrliches pflichtwidriges Verhalten des Klägers dar. Auch der Wunsch der Beklagten nach einer generalpräventiven Abschreckungswirkung sei zu berücksichtigen. Zulasten des Klägers sei auch zu berücksichtigen, dass er jedenfalls nach dem Vortrag der Beklagten im Juli 2007 PET-Flaschen gesammelt und diese in einem Zwischenlager deponiert habe, so dass das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit jedenfalls nicht störungsfrei verlaufen sei. Ferner habe der Kläger bei der Wegnahme des Kinderreisebettes in Ausübung seiner Tätigkeit gehandelt. Gleichwohl sei von einem überwiegenden Interesse des Klägers am Bestand des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Es liege ein geringer Grad des Verschuldens des Klägers bei der Tatausübung vor, zumal eine Erlaubnisfähigkeit der Mitnahme von Gegenständen vorliege. Selbst wenn ein Abmahngespräch stattgefunden haben sollte, sei nach den konkreten Umständen des Falls von einem Verbotsirrtum des Klägers auszugehen. Sein mangelndes Unrechtsbewusstsein zeige sich auch darin, dass er nicht heimlich gehandelt habe. Auch auf ausdrückliche Nachfrage im Termin habe die Beklagte nicht mitgeteilt, dass es dem Kläger untersagt worden wäre, das Kinderreisebett mitzunehmen, wenn er vorher gefragt hätte. Die Tat des Klägers stelle sich so gesehen im Wesentlichen als Verstoß gegen die betrieblichen Organisationsnormen dar und nur im geringen Maße als Verletzung des Eigentums der Beklagten. Diese Einschätzung werde dadurch verstärkt, dass das Kinderreisebett für die Beklagte keinerlei Restwert mehr gehabt habe und ohne weitere Zwischenschritte zur Entsorgung angestanden habe. Der Kläger habe als Hofarbeiter auch keine Vertrauensstellung inne. Zugunsten des Klägers sei auch zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis 8 ½ Jahre bestanden habe, von denen jedenfalls 7 Jahre störungsfrei verlaufen seien. Auch die Unterhaltspflichten des Klägers und die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt seien zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Da die außerordentliche und auch die hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam seien, sei die Beklagte nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 05.08.2009 zugestellt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Berufung, die am 01.09.2009 (Fax)/03.09.2009 (Original) beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und von ihr innerhalb verlängerter Frist mit einem am 05.11.2009 (Fax)/09.11.2009 (Original) eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.

Die Beklagte wiederholt in weitem Umfang ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger habe einen vorsätzlichen Diebstahl des Kinderreisebetts zulasten der Beklagten begangen, weshalb die Kündigung wirksam sei. Die Kündigung sei auch verhältnismäßig. Eine Interessenabwägung müsse zugunsten der Beklagten ausfallen. Schon auf der Betriebsversammlung vom 14.02.2005 sei dem Kläger das Verbot der Mitnahme von zu entsorgenden Gegenständen mitgeteilt worden. Auch eine etwaige betriebliche Übung der Erlaubnisfähigkeit der Mitnahme von zu entsorgenden Gegenständen ändere nichts an dem generellen Verbot der Mitnahme und an der - auch mangels Nachfrage des Klägers - fehlenden Erlaubnis im konkreten Fall des Kinderreisebetts. Eine solche Überprüfung eines Mitnahmeverlangens durch den Geschäftsführer sei auch erforderlich, da es beispielsweise Fälle von zu entsorgender Überproduktion gebe, bei denen der Kunde ein Interesse daran habe, dass die Gegenstände nicht im Verkehr blieben. Gleiches gelte bei mit Schadstoffen belasteten Waren, bei denen eine Gefährdung der Bevölkerung durch die Entsorgung der Gegenstände gerade vermieden werden solle. Die Annahme des Arbeitsgerichts, es bestehe keine eindeutige betriebliche Regelung, sei unzutreffend. Es bestehe ein grundsätzliches Mitnahmeverbot, von dem nur in Einzelfällen eine Ausnahme gemacht werde. Der Kläger habe sich nicht in einem Verbotsirrtum befunden, worauf es aber auch nicht ankomme. Jedenfalls wäre ein solcher Irrtum vermeidbar gewesen. Man könne auch nicht annehmen, dass der Kläger kein Unrechtsbewusstsein gehabt habe. Der Kläger habe nur gewusst, dass die Halle videoüberwacht wird, aber nicht vorgetragen, dass er sich darüber bewusst gewesen sei, dass die Vorgänge auch aufgezeichnet würden. Hinzu komme die vom Kläger gewählte Abkürzung zu seinem Pkw. Es gehe nicht allein um die Verletzung einer betrieblichen Ordnungsnorm, sondern um ein Eigentumsdelikt und damit einen Gesetzesverstoß. Der Kläger habe als Hofarbeiter bei der Altpapiersortierung eine Vertrauensstellung, fälschlich ins Altpapier gelangte Gegenstände auszusortieren und diese der für sie zutreffenden Entsorgung zuzuführen. Ein Eigentumsdelikt liege unabhängig vom Wert des Schadens auch bei unmittelbar bevorstehender Entsorgung des Gegenstandes vor. Die Beschäftigungsdauer und Unterhaltspflichten des Klägers könnten nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, zumal das Arbeitsverhältnis nicht störungsfrei verlaufen sei. Hinsichtlich der Lage auf dem Arbeitsmarkt müsse das noch junge Alter des Klägers berücksichtigt werden. Eine Abmahnung als milderes Mittel sei nicht in Betracht gekommen. Zumindest die hilfsweise ordentliche Kündigung sei wirksam. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Mannheim vom 30.07.2009 (Az.: 15 Ca 278/08) abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Allerdings liege kein Eigentumsdelikt des Klägers zulasten der Beklagten vor, da das Kinderreisebett nicht im Eigentum der Beklagten gestanden habe. Die Kündigung wahre aber jedenfalls - wie vom Arbeitsgericht ausgeführt - nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Kläger habe als Hofarbeiter auch keine besondere Vertrauensstellung innegehabt. Soweit die Beklagte ausführe, hinsichtlich von Überproduktionsbeständen bestehe ein berechtigtes Interesse daran, dass diese nicht in den Verkehr kämen, habe dies nichts mit der vorliegenden Konstellation zu tun, da das gebrauchte Kinderreisebett nicht aus einer Überproduktion stamme, sondern von einer Privatperson in den Müll gegeben worden sei. Die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bleibe weiterhin bestritten. Es handele sich vorliegend um einen Bagatellverstoß auf den die Beklagte allenfalls mit einer Abmahnung habe reagieren dürfen.

Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da sie die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses betrifft, § 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG. Sie ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.

Die Berufung der Beklagten ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Unwirksamkeit der gegenüber dem Kläger ausgesprochenen außerordentlich fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung festgestellt und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung verurteilt.

Jedenfalls im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung erweist sich die Kündigung - auch die hilfsweise ordentliche Kündigung - als unwirksam. Zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht sich das Landesarbeitsgericht auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angegriffenen Urteils zur Interessenabwägung, denen es folgt, § 69 Abs. 2 ArbGG. Im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten im Berufungsrechtszug wird ergänzend nur auf Folgendes hingewiesen:

Die von der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung erweist sich mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB als unwirksam.

Die Frage des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB war zu prüfen, da der Kläger innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Klage erhoben hat (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG).

Es liegt kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vor, der die Beklagte zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

Gemäß § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen der Parteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Es ist dabei zunächst zu untersuchen, ob durch die Umstände und Verhaltensweisen, auf welche die Kündigung gestützt wird, betriebliche Interessen konkret beeinträchtigt wurden und der danach kündigungsrechtlich erhebliche Sachverhalt für sich genommen geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Wertung ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Werden dem Arbeitnehmer Vertragsverletzungen vorgeworfen, dann muss grundsätzlich gegen die Pflichten aus dem Vertrag rechtswidrig und schuldhaft verstoßen worden sein.

Auch zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung aus wichtigem Grund ist eine negative Zukunftsprognose erforderlich. Da durch die Kündigung weitere Vertragsverletzungen verhindert werden sollen, sind die Kündigungsgründe zukunftsgerichtet. Auch die verhaltensbedingte Kündigung hat keinen Sanktionscharakter.

Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt eine außerordentliche Kündigung nur dann in Betracht, wenn alle anderen möglichen und milderen Mittel erschöpft sind. Als milderes Mittel ist bei einer Vertragsverletzung zunächst eine Abmahnung zu erwägen. Insbesondere bei Störungen im Leistungsbereich ist eine Abmahnung aufgrund ihrer Warnfunktion zur Vorbereitung einer Kündigung erforderlich.

Wirksam ist die außerordentliche Kündigung ferner nur dann, wenn das Interesse des Kündigenden an der vorzeitigen Beendung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Gekündigten an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegt (Interessenabwägung), wie § 626 Abs. 1 BGB in seinem Wortlaut ausdrücklich hervorhebt.

Darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen sich der wichtige Grund im Sinne des § 626 BGB ergibt, ist der Kündigende. Dies betrifft grundsätzlich auch das Nichtvorliegen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann erweist sich die umstrittene außerordentliche Kündigung als unwirksam.

Dabei kann - wie im Ergebnis auch vom Arbeitsgericht angenommen - zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass das Herausnehmen des Kinderreisebetts aus dem Müll und das weisungswidrige Behaltenwollen für sich durch den Kläger ohne Erlaubnis durch die Geschäftsführung der Beklagten einen so genannten „Kündigungsgrund an sich“ darstellt. Unabhängig von der Frage der Eigentumsverhältnisse im Einzelnen ist die Aneignung einer Sache, die Objekt der vom Kläger arbeitsvertraglich durchzuführenden Tätigkeiten ist, ohne Erlaubnis des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet, eine auch außerordentliche Kündigung zu begründen. Dabei kann - ebenfalls zugunsten der Beklagten - unterstellt werden, dass das Verbot der Mitnahme zur Entsorgung vorgesehener Gegenstände ohne Erlaubnis der Geschäftsführung aufgrund der Betriebsversammlung vom 14.02.2005 auch dem Kläger bekannt gemacht worden ist. Sein Verhalten verstößt damit gegen die Weisungen der Beklagten, die sie aufgrund ihres Direktionsrechtes (vgl. § 106 Satz 2 GewO) gerade auch auf die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb beziehen durfte. Eine solche Weisung widerspricht auch nicht grundsätzlich billigem Ermessen, da die Beklagte durchaus ein berechtigtes Interesse daran haben kann, dass zu entsorgende Gegenstände auch tatsächlich entsorgt und nicht weiter genutzt werden, sei es - wie von ihr geschildert - im Interesse industrieller Kunden, um zur Entlastung des Marktes eine Überproduktion abzuschöpfen, oder im Interesse der Allgemeinheit, um Gefahren durch gefährliche Gegenstände auszuschließen. Ferner ist die unerlaubte Aneignung einer Sache - wobei ein (Übergangs-) Eigentum der Beklagten an dem Kinderreisebett ebenfalls zu ihren Gunsten unterstellt werden kann - ohne Rücksicht auf deren materiellen Wert grundsätzlich dazu geeignet, eine auch außerordentliche Kündigung „an sich“ zu rechtfertigen.

Schließlich kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger wegen unberechtigter Mitnahme von zu entsorgendem Toilettenpapier im Dezember 2007 abgemahnt worden ist. Allerdings ist - wie auch das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat - darauf hinzuweisen, dass die Abmahnung vom 13.07.2007 nur die Sammlung von PET-Flaschen und deren Deponierung in einem „Zwischenlager“ betrifft. Die bloße Beifügung der internen Aktennotiz vom 05.01.2007, wonach es nicht erlaubt ist, PET-Flaschen mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu nutzen, macht dies noch nicht zu einem konkreten Vorwurf der Beklagten gegenüber dem Kläger. Was dem Kläger von der Beklagten vorgeworfen wird, ist im Abmahnschreiben vom 13.07.2007 formuliert. Der Verweis auf die interne Aktennotiz stellt darüber hinaus auch noch klar, was im Übrigen vom Kläger erwartet wird. Unabhängig davon ist aber insgesamt zugunsten der Beklagten zu unterstellen, dass dem Grundsatz des Vorrangs einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung Genüge getan wurde und die Wirksamkeit der Kündigung nicht am Fehlen einer Warn- und Hinweisfunktion durch eine solche Erklärung scheitert.

Die außerordentliche Kündigung erweist sich aber als unverhältnismäßig im engeren Sinne, wie aus einer abschließenden Interessenabwägung folgt. Dabei ist wie bereits geschehen, auf die zutreffenden Ausführungen in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil des Arbeitsgerichts Bezug zu nehmen. Die Ausführungen der Beklagten hierzu im Berufungsrechtszug rechtfertigen keine andere Bewertung.

Auch wenn es, wie von der Beklagten behauptet, eine mündliche Abmahnung gegenüber dem Kläger im Dezember 2007 gegeben haben sollte, schließt dies den vom Kläger behaupteten Irrtum über das fehlende Verbot der Mitnahme des Kinderreisebetts nicht aus. Zwar hat die Beklagte nach ihren Angaben bei der Betriebsversammlung im Februar 2005 - also fast vier Jahre vor dem streitgegenständlichen Vorfall - mitgeteilt, dass grundsätzlich keine zu entsorgenden Gegenstände mitgenommen werden dürfen. Allerdings bezogen sich die Vorgänge betreffend die PET-Flaschen und das Toilettenpapier auf Gegenstände, die einem Recycling zugeführt werden, also einen wenn auch geringen Restwert haben, während das Kinderreisebett ausschließlich entsorgt werden sollte. Angesichts dessen ist der Vortrag des Klägers, er habe subjektiv angenommen, dass es keine Einwendungen gegen eine Mitnahme des Kinderreisebetts gebe, jedenfalls nicht unplausibel. Für ein mangelndes subjektives Unrechtsbewusstsein des Klägers spricht auch der offene Umgang mit der Sache, die entgegen der Ansicht der Beklagten gerade nicht auf Verheimlichung angelegt war. Der Kläger hat das Kinderreisebett nach Entnahme aus dem Müll vor einem anwesenden Arbeitskollegen und vor den ihm bekannten Videokameras - an denen mindestens vier weitere Mitarbeiter das Geschehen verfolgten - aufgebaut und dann abtransportiert, wobei er es in seinem auf den Betriebsgrundstück der Beklagten stehenden Pkw offen auf dem Rücksitz abstellte. Dass der Kläger einen möglichst kurzen Weg zu seinem Pkw wählte, hat nach Auffassung der Kammer keinen erkennbaren Bezug zu einem auf Heimlichkeit angelegten Verhalten, sondern ist dem praktischen Bedürfnis geschuldet, den nicht ganz handlichen Gegenstand schnell und einfach zu transportieren; anders beispielsweise, als wenn der Kläger statt eines üblichen, beobachteten Weges einen längeren, umständlicheren Weg ohne Beobachtungsmöglichkeit gewählt hätte. Angesichts dieser Umstände spricht die Mitnahme des Kinderreisebetts durch den Kläger, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, eher für eine Gedankenlosigkeit des Klägers oder auch für einen Rechtsirrtum, der durchaus nicht unverschuldet gewesen sein muss. Im Rahmen der Interessenabwägung ist aber zu berücksichtigen, dass keine rechtsfeindliche Gesinnung des Klägers erkennbar ist, mit welcher er Interessen der Beklagten bewusst hätte zuwider handeln wollen.

Das Interesse der Beklagten an einer generellen Durchsetzung ihrer nicht ermessenfehlerhaften Anweisungen in Bezug auf den Umgang mit zu entsorgenden Gegenständen war bei der Abwägung durchaus zu ihren Gunsten zu berücksichtigen. Allerdings war dabei im konkreten Einzelfall auch zu beachten, dass es sich gerade nicht um eine Konstellation wie bei dem zu recycelnden Toilettenpapier handelt, in dem Kundeninteressen beeinträchtigt sein können, da das Kinderreisebett unmittelbar zur Entsorgung anstand. Zu einer Gefährdung der Allgemeinheit durch die Mitnahme des Kinderreisebetts hat die Beklagte nichts vorgetragen. Dies scheint aufgrund der vom Kläger beabsichtigten Eigennutzung für sein neugeborenes Kind auch fernliegend. Insoweit hat der Verstoß des Klägers gegen das generelle Verbot der Mitnahme von zu entsorgenden Gegenständen ohne Erlaubnis der Geschäftsführung durchaus Einfluss auf betriebliche Interessen der Beklagten, weil sie ihre Weisungen - für die es abstrakt gute Gründe geben kann - nicht durch eigenmächtiges Handeln der Arbeitnehmer untergraben sehen will. Im Rahmen des dem Kläger vorgeworfenen Verstoßes betreffend das Kinderreisebett spielen aber die Aspekte des Interesses der Kunden oder der Allgemeinheit keine konkrete Rolle, wozu auch die Beklagte nichts vorgetragen hat.

Das eher junge Lebensalter des Klägers wirkt sich im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu seinen Gunsten aus. Ebenso sah die Kammer keine Veranlassung, den Unterhaltspflichten des Klägers eine ausschlaggebende Bedeutung einzuräumen. Anders als von der Beklagten angenommen, kann aber nicht zu ihren Gunsten und zulasten des Klägers bei der Interessenabwägung angenommen werden, dem pflichtwidrigen Verhalten des Klägers komme deshalb besonderes Gewicht zu, weil er eine „Vertrauensstellung“ bekleide. Solches mag insbesondere bei Arbeitnehmern angenommen werden, die unmittelbar mit der Einnahme, der Abrechnung und dem Verwalten von Geld betraut sind, oder denen der Arbeitgeber in besonderer Weise Zugriff auf bedeutende Werte oder die Einflussnahme auf die Geschicke des Unternehmens eröffnet, oder die ohne weitere Kontrollmöglichkeiten durch den Arbeitgeber verhältnismäßig frei und selbstständig ihre Arbeitsleistung ausführen und dabei die Vermögensinteressen des Arbeitgebers zu wahren haben. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger wird von der Beklagten als Hofarbeiter bei der Altpapierentsorgung und mit Hilfsarbeiten unter deren ständiger Beobachtung und Kontrolle beschäftigt. Eine Vertrauensstellung, der bei der Interessenabwägung besonderes Gewicht zukommen könnte, erschien der Kammer vor diesem Hintergrund fernliegend.

Von besonderem Gewicht bei der Interessenabwägung waren für die Kammer folgende Umstände. Zum einen hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits über 8 ½ Jahre bestanden, von denen auch nach Angaben der Beklagten über 7 Jahre störungsfrei verlaufen sind. Ferner geht es um die - wenn auch weisungswidrige - Aneignung einer Sache durch den Kläger, die für die Beklagte nicht einmal einen minimalen, sondern überhaupt keinen wirtschaftlichen Wert hatte, die zur unmittelbaren Entsorgung anstand und im Anschluss an den Vorfall auch tatsächlich vernichtet wurde. Dabei sind auch - über die Durchsetzung der von ihr vorgegebenen Betriebsordnung hinaus - keine weiteren nicht-vermögensrechtlichen Interessen der Beklagten im konkreten Fall zu erkennen, die in irgendeiner Form eine Außenwirkung gehabt hätten. Auch eine Unterhöhlung der betrieblichen Disziplin durch die Mitnahme eines bereits im Müll befindlichen Kinderreisebetts, welches schließlich dort auch wieder landete, hat die Beklagte weder vorgetragen, noch wäre diese ersichtlich.

Angesichts dessen sah die Kammer bei der Interessenabwägung ein überwiegendes Gewicht des Bestandsschutzinteresses des Klägers gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten. Zwar sind durch den Vorfall Interessen der Beklagten berührt, doch nur in einem geringen Maße und ohne wirtschaftliche Nachteile. Demgegenüber ist das Arbeitsverhältnis langjährig ohne Störung verlaufen und auch die jetzige Störung wurzelt nicht in einer Absicht des Klägers, die Beklagte zu schädigen oder ihr Nachteile zuzufügen.

Auch die von der Beklagten ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung zum 31.03.2009 ist unwirksam, da sozial nicht gerechtfertigt. Die Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung war zu prüfen, da die Beklagte mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG), das Arbeitsverhältnis der Parteien über ein halbes Jahr andauert (§ 1 Abs. 1 KSchG) und der Kläger innerhalb der Frist des § 4 KSchG Klage erhoben hat.

Eine Kündigung ist durch verhaltensbedingte Gründe sozial gerechtfertigt, wenn solche Umstände im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die bei verständiger Würdigung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert erscheinen lassen. Ein verhaltensbedingter Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses liegt insbesondere dann vor, wenn ein Arbeitnehmer in einer solchen Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten verstoßen hat, dass einer dauerhaften Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Basis entzogen worden ist. Dies ist der Fall, wenn das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers so schwerwiegend ist, dass unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitgebers die Auflösung des Arbeitsverhältnisses unumgänglich ist. Hierzu ist eine negative Zukunftsprognose dahingehend erforderlich, der Arbeitnehmer werde sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten. Die bereits erfolgte Störung ist dabei der maßgebende Anknüpfungspunkt. Der Arbeitnehmer soll allerdings durch die Kündigung nicht „bestraft“ werden. Auch die verhaltensbedingte Kündigung hat keinen Sanktionscharakter für die Vergangenheit, sondern bietet nur die Möglichkeit, sich künftig von einem Dauerschuldverhältnis zu lösen. Auch bei weniger schwerwiegenden Vertragsverletzungen ist eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit befürchten muss, der Arbeitnehmer werde sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten.

Voraussetzung für eine derartige Kündigung ist grundsätzlich ferner, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit einer vorangegangenen Abmahnung die Gelegenheit gegeben hat, sein Verhalten zu korrigieren. Auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung ist eine abschließende umfassende Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erforderlich.

Dem Arbeitgeber obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die verhaltensbedingten Kündigungsgründe, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG.

Nach diesem Maßstab erweist sich die von der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung als unwirksam. Auch hier kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass ein „Kündigungsgrund an sich“ für eine verhaltensbedingte Kündigung vorliegt und die Beklagte dem Erfordernis vorhergehender Abmahnungen Genüge getan hat. Allerdings erweist sich auch hier die Kündigung im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung als unwirksam. Insoweit wird auf die Ausführungen oben Bezug genommen. Dies gilt auch, soweit man angesichts einer ordentlichen Kündigung das Bestandsschutzinteresse des Klägers grundsätzlich niedriger und das Beendigungsinteresse der Beklagten grundsätzlich höher einschätzen wollte, als bei einer außerordentlich fristlosen Kündigung. Nach Auffassung der Kammer überwiegt das oben geschilderte Bestandsschutzinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten in einem solchen Maße, dass auch bei einem in Bezug auf eine ordentliche Kündigung abgesenkten Prüfungsmaßstab im konkreten Einzelfall die hilfsweise ordentliche Kündigung unwirksam ist. Die Wegnahme von Müll durch den Kläger, ohne dass ein Schaden der Beklagten eingetreten ist, beeinträchtigt im konkreten Einzelfall deren Interessen - auch unter Berücksichtigung der aufrechtzuerhaltenden Betriebsordnung - so wenig, dass sich auch eine ordentliche Kündigung als unwirksam erweist.

Dem Kläger steht ein Weiterbeschäftigungsanspruch über den Ablauf des Kündigungstermins hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses aus dem vertraglichen Beschäftigungsanspruch zu, § 611 BGB. Dem steht kein überwiegendes schutzwertes Interesse der Beklagten entgegen. Wenn ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen (vgl. BAG GS AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.

 

Gesetze

Gesetze

18 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72a Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständ

Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder geset

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 23 Geltungsbereich


(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vo

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen


(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 un

Urteile

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Arbeitsgericht Mannheim Urteil, 30. Juli 2009 - 15 Ca 278/08

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Tenor 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 beendet wird. 2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arb

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Referenzen

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 beendet wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Hofarbeiter weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 9.966,00.

Tatbestand

 
I.
Mit seiner am 12.12.2008 beim Arbeitsgericht Mannheim eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 10.12.2008 und begehrt daneben seine Weiterbeschäftigung.
Der Kläger ist seit 02.05.2000 im Betrieb der Beklagten, in welchem ca. 60 Arbeitnehmer beschäftigt sind, als Hofarbeiter mit einem Bruttomonatsseinkommen in Höhe von durchschnittlich 2.491,00 EUR beschäftigt. Er ist seiner Ehefrau und zwei Kindern im Alter von einem Jahr und vier Jahren gegenüber unterhaltsverpflichtet. Die Ehefrau des Klägers ist nicht berufstätig.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Entsorgungsunternehmen, welches sich hauptsächlich mit Abfalltransporten sowie mit der Sortierung von Abfällen befasst. Zu den Auftraggebern gehören private Unternehmen und unter anderem auch die Stadt Mannheim. Die Vertragsverhältnisse mit den Auftraggebern unterhalten unter anderem die Verpflichtung, Wertstoffe einzusammeln, zu befördern und fachgerecht zu entsorgen. Inhalt der Tätigkeit des Klägers ist es insbesondere, Altpapier zu sortieren, Stapler zu fahren und sonstige Hilfsarbeiten auszuführen.
Am 05.12.2008 gegen 13:40 Uhr entnahm der Kläger aus dem Inhalt eines Altpapiercontainers, welcher zum Verarbeiten am Zuführband zur Altpapierpresse abgeladen worden war, ein in einem Karton befindliches Kinderreisebett. Gemeinsam mit einem Leiharbeitnehmer baute er in der Halle das Kinderreisebett zusammen und überprüfte dessen Funktionsfähigkeit. Anschließend baute der Kläger das Kinderreisebett wieder auseinander, transportierte es zu seinem PKW, welcher sich auf dem Mitarbeiterparkplatz befand, und legte das Kinderreisebett in das Fahrzeug.
Diesen Vorfall beobachtete der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und Vorgesetzte des Klägers, Herr A., auf dem Monitor der Videoanlage in den Räumen der Disposition.
Allen Arbeitnehmern, auch dem Kläger, ist bekannt, dass der streitgegenständliche Arbeitsraum videoüberwacht wird.
Daraufhin unterrichtete Herr A. den Geschäftsführer der Beklagten von dem Vorfall.
Am 08.12.2008 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat auch schriftlich zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an. Die Einzelheiten der Anhörung sind zwischen den Parteien streitig.
Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 09.12.2008 mit, dass er angehört worden sei und die Kündigung „zur Kenntnis“ nehme.
10 
Unter dem 13.07.2007 hatte der Kläger eine schriftliche Abmahnung erhalten, deren inhaltliche Richtigkeit der Kläger bestreitet. Es wurde ihm vorgeworfen, am 11.07.2007 firmeneigene PET-Flaschen gesammelt und diese in „seinem Zwischenlager“ deponiert zu haben (AS 58).
11 
Gleichzeitig wurde ihm als Anlage eine interne Aktennotiz vom Januar 2007 überreicht, in der die Beklagte klar stellt, dass es nicht erlaubt sei, PET-Pfandflaschen aus der Sammlung „Gelber Sack“ mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu benutzen. Eine Missachtung dieser Mitteilung habe rechtliche Schritte zur Folge.
12 
Die Beklagte überreichte der damaligen Betriebsratsvorsitzenden eine Kopie der dem Kläger erteilten Abmahnung.
13 
Am 07.12.2007 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger wegen angeblichen Diebstahls von Toilettenpapier statt. Streitig ist, ob der Kläger in dessen Rahmen entsprechend abgemahnt wurde.
14 
Am 10.12.2007 unterrichtete der Geschäftsführer der Beklagten die damalige Betriebsratsvorsitzende Frau G. über den angeblichen Vorfall vom 07.12.2007 betreffend „Toilettenpapier“ und das behauptete Abmahnungsgespräch mündlich.
15 
Im Betrieb der Beklagten herrscht der Grundsatz, dass die Mitnahme von möglicherweise noch brauchbaren Gegenständen den Mitarbeitern nicht grundsätzlich untersagt ist. Vielmehr können die Mitarbeiter bei einem besonderen Interesse bei der Geschäftsführung - in der Regel bei dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn F. - nachfragen, ob sie den betreffenden Gegenstand mitnehmen dürfen. Wenn nichts dagegen spricht, erteilt die Geschäftsführung die Erlaubnis.
16 
Der Kläger hält sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam.
17 
Er macht im Wesentlichen geltend, ihm sei im Zeitpunkt der Mitnahme des Kinderbetts nicht bewusst gewesen, dass es sich um ein für ihn fremdes Objekt gehandelt habe. Nach seiner Vorstellung als Laie habe es sich bei dem Kinderbett um Abfall gehandelt, welcher ohnehin direkt entsorgt worden wäre. Er sei davon ausgegangen, dass sich der ursprüngliche Eigentümer der Sache willentlich entledigt habe. Dass die Beklagte möglicherweise neue Eigentümerin bis zur endgültigen Entsorgung des Reisebetts geworden sei, sei für ihn als rechtlichen Laien kaum nachvollziehbar. Dies zeige sich unter anderem auch darin, dass er das Kinderbett nicht etwa heimlich, sondern in Absprache mit dem Kollegen und ganz offen in sein Fahrzeug verbracht habe.
18 
Er behauptet, ihm sei zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass die Mitnahme von zur Entsorgung abgegebenen Abfall nicht erlaubt sei. Insbesondere sei ihm weder im Rahmen der Betriebsversammlung vom 14.02.2005 noch zu einem sonstigen Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass bei der Beklagten eine klare Anweisung bestehe, wonach zu entsorgende Gegenstände nicht zur eigenen Verwendung oder zur Weitergabe an Dritte von den Mitarbeitern entnommen werden dürften.
19 
Am 11.07.2007 habe er keine PET Flaschen an sich genommen.
20 
Im Dezember 2007 habe er weder Toilettenpapier entwendet, noch habe ihm der Geschäftsführer mitgeteilt, dass dieser Vorgang eigentlich einen Diebstahl darstelle und im Normalfall mit einer fristlosen Kündigung geahndet werde und dass die der Beklagten übergebenen Abfälle Eigentum der Beklagten seien und nicht für private Zwecke mitgenommen werden dürften. Die Rollen, bei denen es sich nicht um Toilettenpapier gehandelt habe, sondern um eine Überproduktion von Küchenrollen, habe er nicht an sich genommen. Im Rahmen des Gesprächs mit dem Geschäftsführer sei ihm lediglich der Unterschied zwischen Papier, das zur Entwertung und solchem, das zur Verwertung vorgesehen ist, d.h. aus welchem Altpapier gemacht werde, erläutert worden.
21 
Der Kläger bestreitet schließlich, dass dem Betriebsrat Kündigungsgründe mitgeteilt worden seien, die über den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 08.12.2008 hinausgehen und dass es sich bei der Stellungnahme des Betriebsrats vom 09.12.2008 um eine abschließende gehandelt habe.
22 
Der Kläger beantragt zuletzt, nachdem er den allgemeinen Feststellungsantrag zurückgenommen hat:
23 
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 nicht zum 10.12.2008 beendet wird.
24 
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Hofarbeiter weiterzubeschäftigen beziehungsweise zu beschäftigen.
25 
Die Beklagte beantragt ,
26 
die Klage abzuweisen.
27 
Sie behauptet, dem Kläger sei bereits im Rahmen einer Betriebsversammlung am 14.02.2005 mitgeteilt worden, dass die Mitnahme von zu entsorgendem Abfall nicht erlaubt sei. Auch habe Herr A. in seiner Funktion als Vorarbeiter dieses Thema mit seinen Mitarbeitern mehrfach erörtert.
28 
Die Beklagte behauptet ferner, der Kläger habe am 11.07.2007 firmeneigene „PET“-Flaschen gesammelt und neben den Altpapierballen, in seinem „Zwischenlager“ gelagert.
29 
Hinsichtlich der „Abmahnung wegen Toilettenpapierentwendung“ behauptet die Beklagte, der Kläger habe am 07.12.2007 eine nicht unerhebliche Menge an Toilettenpapier, welches der Beklagten zur Entsorgung übergeben worden sei, in seinen privaten PKW eingeladen. Daraufhin habe der Geschäftsführer der Beklagten mit dem Kläger noch am selben Tag ein ausführliches Gespräch geführt. Darin habe der Geschäftsführer dem Kläger mitgeteilt, dass dieser Vorgang eigentlich einen Diebstahl darstelle und im Normalfall mit einer fristlosen Kündigung geahndet werde. Lediglich im Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsfest habe die Beklagte aus humanitären Gründen davon abgesehen. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, dass die der Beklagten übergebenen Abfälle Eigentum der Beklagten seien und nicht zu private Zwecke mitgenommen beziehungsweise verwendet werden dürften.
30 
Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Herr A. habe als Augenzeuge den übrigen Betriebsratsmitgliedern alle Elemente des Vorfalls vom 08.12.2008 vollumfänglich mitgeteilt. Daraufhin habe der Betriebsrat mit Schreiben vom 09.12.2008 abschließend erklärt, dass er ordnungsgemäß angehört worden sei und die Kündigung zur Kenntnis nehme. Die Stellungnahme des Betriebsrats vom 09.12.2008 sei abschließend gewesen. Dies habe das Betriebsratsmitglied Frau G. auf Nachfragen gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten am 09.12.2008 ausdrücklich erklärt. Im Übrigen teile der Betriebsrat in denjenigen Fällen, in denen seine Stellungnahme nicht abschließend sein soll, dies jeweils explizit in seinem Antwortschreiben zur Betriebsratsanhörung mit.
31 
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Parteien wird verwiesen auf deren Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

 
II.
32 
Die Klage ist zulässig und im vollen Umfang begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Kündigung vom 10.12.2008 weder fristlos (1a) noch ordentlich geendet (1b.). Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist deshalb gleichfalls begründet (2.).
1.
a)
33 
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat trotz Vorhandenseins eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 nicht geendet, da nach Auffassung der Kammer vorliegend das Bestandsinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt.
34 
Insoweit wird verwiesen auf die hierzu getätigten Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit im Rahmen der ordentlichen Kündigung unter 1. b), cc), (4), (cc), S. 11 ff..
b)
35 
Die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, da es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne fehlt.
aa)
36 
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehr als 10 Arbeitnehmer gemäß § 23 KSchG bei der Beklagten beschäftigt waren und das Arbeitsverhältnis des Klägers länger als sechs Monate bestand.
bb)
37 
Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG kann eine Kündigung unter anderem auch dann ausgesprochen werden, wenn Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Solche Umstände können grundsätzlich in einem Verhalten des Arbeitnehmers gesehen werden, das bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebs die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784-788). Es genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG, 17.06.2003, 2 AZR 62/02, EZA KSchG § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59).
cc)
38 
Die Wegnahme des Kinderreisebetts stellt nach Auffassung der Kammer keinen Umstand dar, der die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lässt.
(1)
39 
Allerdings sind Eigentumsdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers regelmäßig geeignet, insbesondere eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG, 11.12.2003, 2 AZR 36/03, NZA 2004, 486 bis 488; AP Nr. 179 zu § 626 BGB).
(2)
40 
Dadurch, dass der Kläger das Kinderreisebett in seinen PKW verbracht hat, hat er den objektiven Tatbestand des § 242 StGB erfüllt. Denn das Kinderreisebett steht im Eigentum der Beklagten. Durch das Bereitstellen von Abfällen ergeht ein Angebot zur Eigentumsübertragung an den Abfallbeseitiger (Quack in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004, § 959 RZ 6).
41 
Zwar ist der Beklagten vorliegend kein materieller Schaden entstanden, da das Bett unmittelbar der Abfallentsorgung zugeführt worden wäre. Doch selbst ein Diebstahl einer geringwertigen Sache mit nur geringfügiger Schädigung des Arbeitgebers (so genanntes „Bagatelldelikt“) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen für die Kammer keine Veranlassung besteht, ebenfalls als Grund für eine (sogar außerordentliche) Kündigung objektiv geeignet (vgl. BAG, 11.12.2003, a.a.O.).
42 
Die Kammer sieht aus diesem Grund in der Handlung des Klägers, auch ohne dass der Beklagten ein finanzieller Schaden entstanden ist, eine Vertragspflichtverletzung.
(3)
43 
Über die Frage, ob bei geringfügigen Eigentumsdelikten, durch die der Arbeitgeber nicht wesentlich geschädigt wird, eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erforderlich ist, besteht zwar ein Meinungsstreit ( vgl. Schaub, NZA 1997, 1185, 1186). Die Frage, ob vorliegend vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich war, und die weitergehende Frage, ob eine einschlägige Abmahnung vorliegt, kann jedoch mangels Verhältnismäßigkeit der Kündigung dahinstehen.
44 
Von zwei einschlägigen Abmahnungen konnte die Kammer hingegen nicht ausgehen: Der Vorfall betreffend die „PET“-Flaschen umfasst keinen Diebstahlsvorwurf, auch nicht in Form des versuchten Diebstahls. Die hierzu durch die darlegungsbelastete Beklagte unterbreiteten Tatsachen genügen für die Annahme eines solchen Vorfalls nicht, da lediglich davon die Rede ist, dass der Kläger Flaschen aus dem „Gelben Sack“ entnommen und diese in seinem Zwischenlager „deponiert“ habe. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob die zusammen mit der Abmahnung überreichte Aktennotiz das Verbot enthält, Pfandflaschen aus dem Gelben Sack mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu benutzen.
45 
Auch der Vortrag betreffend die Kommunikation des „Wegnahmeverbots“ im Rahmen der Betriebsversammlung im Jahr 2005 konnte nicht zu Gunsten der Beklagten verwertet werden, da diese nicht darlegen konnte, dass der Kläger die Anweisung vernommen hat. Allein seine Anwesenheit auf der Versammlung genügt hierfür nicht.
46 
Ferner war der Vortrag der Beklagten, das Wegnahmeverbot und die Aufklärung über die Eigentumsverhältnisse im Betrieb der Beklagten seien dem Kläger durch Herrn A. mehrfach mitgeteilt worden, mangels näherer Angaben zu Zeit, Ort und Umständen zu unsubstantiiert, um einer Beweisaufnahme zugänglich zu sein.
(4)
47 
Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ist auch bei der Prüfung einer verhaltensbedingten Kündigung abschließend zu untersuchen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand überwiegt (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, BAG, 24.06.2004, NZA 2005, 158-161; Dörner in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Auflage 2007, § 1 Rz. 274, m.w.N.). Die Frage, welche Umstände im Einzelfall wesentlich sind, orientiert sich dabei an der konkreten Vertragspflichtverletzung.
(aa)
48 
Zu Gunsten des Arbeitnehmers sind im allgemeinen folgende Umstände zu berücksichtigen:
49 
- Zunächst die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Diese ist bei der Interessenabwägung grundsätzlich zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG, 16.10.1986, 2 AZR 695/85; Juris). Entscheidend ist vor allem, wie lange das Arbeitsverhältnis störungsfrei verlaufen ist. Hat sich der Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits Vertragspflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen, verliert eine längere Betriebszugehörigkeitsdauer an Gewicht, ferner bei schweren Vertragspflichtverletzungen.
50 
- Da auch Unterhaltspflichten das Gewicht des Interesses des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes beeinflussen, sind sie nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht, von der abzuweichen für die Kammer keine Veranlassung bestand, grundsätzlich in die Interessenabwägung mit einzubeziehen (vgl. BAG, 27.02.1997, 2 AZR 302/96, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969, verhaltensbedingte Kündigung).
51 
- Ferner können zu Gunsten des Arbeitnehmers auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden (Griebeling in: KR, 8. Auflage 2007, § 1 Rz. 411). Insbesondere die Gefahr lang andauernder Arbeitslosigkeit ist für den Arbeitnehmer von Gewicht. Bei schweren Vertragspflichtverletzungen mit hohem Verschuldensgrad tritt die Bedeutung personenbezogener Gesichtspunkte allerdings in den Hintergrund.
52 
- Auch ist ein Verbotsirrtum grundsätzlich zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Denn ein solcher ist geeignet, den Verschuldensvorwurf zu relativieren, selbst dann, wenn er für den Arbeitnehmer vermeidbar war (BAG 14.02.1996, 2 AZR 274/95, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung).
53 
- Schließlich ist zu Gunsten des Arbeitnehmers ein eventuelles Mitverschulden des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Steht dem Pflichtverstoß des Arbeitnehmers eine entsprechende Pflichtverletzung des Arbeitgebers gegenüber, ist dieses Mitverschulden zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG, 20.01.1994, 2 AZR 521/93, AP BGB § 626 Nr. 115). Falls sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers angesichts des Verschuldens des Arbeitgebers als nicht zu gravierend darstellt, kann das Bestandschutzinteresse überwiegen.
(bb)
54 
- Für den Arbeitnehmer nachteilig wirken sich hingegen unter anderem das Gewicht der Vertragspflichtverletzungen und die Schwere des Verschuldens aus. Ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber zumutbar ist, hängt maßgeblich von der Intensität des vertragspflichtwidrigen Verhaltens (Beharrlichkeit und Häufigkeit) und vom Grad des Verschuldens ab. Mit der Häufigkeit einschlägiger Abmahnungen steigt die Wiederholungsgefahr und in der Regel auch das Verschulden des Arbeitnehmers. Durch ein vertragswidriges Verhalten aufgetretene Betriebsablaufstörungen sind im Rahmen der Interessenabwägung noch zusätzlich belastend für den Arbeitnehmer zu berücksichtigen (BAG,17.01.1991, 2 AZR 375/90, AP KSchG 1969 § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25). Zum Nachteil des Arbeitnehmers könne nur tatsächlich eingetretene konkrete Störungen, wozu auch von ihm verursachte Vermögensschäden des Arbeitgebers zu zählen sind, herangezogen werden; darauf, ob es sich um erhebliche Störungen handelt, kommt es nicht an, da diese keinen bestimmten Grad der Intensität erreichen müssen, um im Rahmen der Interessenabwägung für den Arbeitnehmer zusätzlich belastend zu sein.
55 
Die spezielle Frage, ob eine Eigentumsverletzung geringfügig oder schwer ist, beurteilt sich unter anderem nach der Stellung des Arbeitnehmers, der Art der entwendete Ware und den besondere Verhältnissen des Betriebs. Weitere bei der Prüfung der Schwere der vorliegenden Vertragsverletzung bedeutsame Kriterien sind der Anlass sowie die Art und Weise der Tatbegehung und ob der Arbeitnehmer in Ausübung der geschuldeten Tätigkeit handelt (Fiebig in: Fiebig/Gallner u.a., Handkommentar zum Kündigungsschutzrecht, 3. Auflage 2007, § 1 KSchG, Rz. 426 a.E.).
56 
- Ferner darf zu Lasten des Arbeitnehmers seitens des Arbeitgebers berücksichtigt werden, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht (BAG, 24.10.1996, 2 AZR 900/95; Juris). Allerdings stellt die Kündigung kein Disziplinierungsmittel gegenüber der Belegschaft dar, wenn auch im Einzelfall Gesichtspunkte der Betriebsdisziplin bei der Interessenabwägung eine Rolle spielen können (BAG, 04.06.1997, 2 AZR 526/96, AP BGB § 626 Nr. 137).
(cc)
57 
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze gelangte die Kammer zu dem gefundenen Ergebnis wie folgt:
58 
Zu Gunsten der Beklagten hat die Kammer folgende Aspekte gewürdigt:
59 
Zunächst unterstellt die Kammer, dass es, entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten, tatsächlich zu dem Vorfall betreffend „Toilettenpapier“ und dem daraufhin behaupteten Abmahnungsgespräch im Dezember 2007 gekommen ist. Dann hätte der Kläger aber wissen können beziehungsweise müssen, dass es sich bei dem vom Kläger zu bearbeitenden Abfall um Eigentum der Beklagten handelt und darüber hinaus, dass die Wegnahme bzw. Mitnahme von Gegenständen nicht erlaubt ist beziehungsweise zur fristlosen Kündigung führen kann. Angesichts der insoweit (unterstellten) einschlägigen Abmahnung stellt sich die erneute Entnahme von zur Entsorgung vorgesehener Gegenstände, vorliegend des Kinderreisebetts, als durchaus beharrliches vertragspflichtwidriges Verhalten dar. Daneben sieht die Kammer auf Seiten der Beklagten den Wunsch nach einer generalpräventiven „Abschreckungswirkung“: Der Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger soll der Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin und der Abschreckung in ähnlich gelagerten Fälle dienen.
60 
Zu Lasten des Klägers wurde auch gewertet, dass er, jedenfalls nach dem Sachvortrag der Beklagten, im Juli 2007 PET-Flaschen gesammelt und diese in seinem „Zwischenlager“ deponiert hat und deshalb das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit jedenfalls nicht störungsfrei verlaufen ist.
61 
Schließlich hat der Kläger bei der Wegnahme des Kinderbetts auch in Ausübung seiner Tätigkeit gehandelt.
62 
Jedoch wirkten sich die vorgenannten Argumente im Ergebnis nach Auffassung der Kammer nicht dahingehend aus, dass das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die gewichtigen, nachfolgend genannten Argumente, welche für die Weiterbeschäftigung des Klägers sprechen, zu überwiegen vermag.
63 
Entscheidend für die Beurteilung durch die Kammer war der geringe Grad des Verschuldens des Klägers bei der Tatausübung. Angesichts dessen, dass im Betrieb der Beklagten noch brauchbare Gegenstände von den Mitarbeiter mitgenommen werden dürfen, sofern sie vorher nachfragen und, wenn nichts dagegen spricht, die Erlaubnis auch regelmäßig erteilt wird, wird der Inhalt der von der Beklagten bezüglich des Vorfalls „Toilettenpapier“ vorgetragenen Abmahnung in erheblichem Maße relativiert. Einerseits besteht die vorgenannte betriebliche Übung der „Erlaubnisfähigkeit“ der Mitnahme von zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen, andererseits wird im Rahmen der (behaupteten) Abmahnung erklärt, jegliche Mitnahme von dem Abfall zugehörigen Gegenständen stelle einen Diebstahl dar.
64 
Die Kammer geht deshalb davon aus, dass der Kläger sich aufgrund der jedenfalls nicht eindeutigen betrieblichen Regelung bei der Entnahme des Kinderreisebetts in einem schuldmindernden Verbotsirrtum bezüglich der Rechtswidrigkeit beziehungsweise Strafbarkeit seines Handelns befand, selbst wenn das von der Beklagten behauptete Abmahnungsgespräch tatsächlich stattgefunden haben sollte.
65 
Dafür, dass der Kläger bei der Tatbegehung kein Unrechtsbewusstsein hatte, spricht nach Ansicht des Gerichts auch, dass er die Tat nicht „heimlich“, sondern vor den Augen seiner Arbeitskollegen ausgeübt hat, indem er das Kinderreisebett auseinander geklappt, wieder zusammengebaut und in seinen PKW verbracht hat und dabei stets wusste, dass der entsprechende Vorgang von der Videokamera vollumfänglich aufgezeichnet wird.
66 
Die Beklagte hat auf ausdrückliche Nachfragen des Gerichts nicht dargetan, dass es dem Kläger untersagt worden wäre, das Kinderreisebett an sich zu nehmen, wenn er zuvor gefragt hätte. Mit anderen Worten: Hätte der Kläger den Geschäftsführer vorher gefragt, hätte angesichts der „betrieblichen Übung“ bei der Vergabe von noch gebrauchsfähigen, jedoch zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der entsprechenden Erlaubnis bestanden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Tat des Klägers in überwiegendem Maße als Verletzung einer betrieblichen Ordnungsnorm und nur im geringen Maße als Verletzung des Eigentums der Beklagten dar.
67 
Verstärkt wird diese Einschätzung dadurch, dass das Kinderreisebett für die Beklagte keinerlei Restwert mehr hatte, sondern ohne weitere Zwischenschritte der Entsorgung zugeführt worden wäre.
68 
Die Kammer sieht deshalb in der vorliegenden Fallkonstellation eine Parallelität zur Frage des Verhältnisses von Nebentätigkeitsverbot und Nebentätigkeit, die ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübt wird. Im Falle eines Erlaubnisvorbehalts ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Aufnahme einer Nebentätigkeit willkürlich zu verwehren. Sofern keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu erwarten ist, hat der Arbeitnehmer vielmehr Anspruch auf Erteilung der Zustimmung (BAG, 21.09.1999, 9 AZR 759/98, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 6 = EZA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 3 m.w.N.).
69 
Ferner spricht zum einen für das gefundene Ergebnis, dass auch das Gewicht der Vertragspflichtverletzung dadurch gemindert wird, dass der Kläger als Hofarbeiter keine Vertrauensstellung innehat, zum anderen die bereits oben gewürdigte Tatsache, dass das entwendete Reisebett unmittelbar nach der Wegnahme durch den Kläger vernichtet worden wäre.
70 
Für das Bestandsschutzinteresse des Klägers spricht auch, dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ca. 8 ½ Jahre bei der Beklagten beschäftigt ist. Davon verliefen jedenfalls sieben Jahre beanstandungsfrei. Diesen Zeitraum wertete die Kammer bei der von ihr vorzunehmen Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers.
71 
Zu Gunsten des Klägers waren auch dessen Unterhaltspflichten gegenüber zwei kleinen Kindern und seiner Ehefrau zu berücksichtigen. Zwar hat sich der Kläger nicht darauf berufen, seine schlechte finanzielle Lage sei das bestimmende Motiv für die Tat gewesen. Doch ist die Kammer der Auffassung, dass angesichts dessen, dass der Kläger das Kinderreisebett für sein eigenes Kind im Alter von damals ca. 12 Monaten nutzen wollte, verbunden mit dem bereits festgestellten, mangelnden Unrechtsbewusstsein, die Unterhaltspflichten Berücksichtigung finden müssen.
72 
Schließlich besteht angesichts der derzeit herrschenden Wirtschaftslage in der Bundesrepublik Deutschland, die sich bereits nachteilig auf den Arbeitsmarkt niederschlägt, die Gefahr, dass der Kläger für einen als lang anzusehenden Zeitraum arbeitslos sein wird. Auch dieses Kriterium sah die Kammer als ein sich zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirkendes Kriterium an.
2.
73 
Da die in Rede stehende fristlose beziehungsweise hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten unwirksam ist, ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger in arbeitsvertragsgemäßer Weise bis zur Rechtskraft dieses Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
74 
Ausgehend von dem Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 (GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht), dessen Inhalt als bekannt vorausgesetzt wird und von dem abzuweichen die Kammer keine Veranlassung hat, ist der Weiterbeschäftigungsantrag begründet.
75 
Umstände, aufgrund derer trotz Obsiegens des Klägers mit der Kündigungsschutzklage die Interessen der Beklagten daran, den Kläger bis auf Weiteres nicht zu beschäftigen, gewichtiger erscheinen, als diejenigen des Klägers, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterbeschäftigt zu werden, sind nicht ersichtlich.
76 
Es war deshalb zu entscheiden wie geschehen.
III.
1.
77 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Soweit der Kläger den allgemeinen Feststellungsantrag gemäß § 269 ZPO zurückgenommen hat, ist dies angesichts des vollen Obsiegens des Klägers gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht von Belang, weshalb die Beklagte in vollem Umfang die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
2.
78 
Der Streitwert war nach Maßgabe der § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 IV S. 1 GKG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes für den Kündigungsschutzantrag festzusetzen.
79 
Der Weiterbeschäftigungsantrag wurde im Wege der Schätzung ebenfalls mit einem Bruttomonatsverdienst in Ansatz gebracht.

Gründe

 
II.
32 
Die Klage ist zulässig und im vollen Umfang begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Kündigung vom 10.12.2008 weder fristlos (1a) noch ordentlich geendet (1b.). Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist deshalb gleichfalls begründet (2.).
1.
a)
33 
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat trotz Vorhandenseins eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 nicht geendet, da nach Auffassung der Kammer vorliegend das Bestandsinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt.
34 
Insoweit wird verwiesen auf die hierzu getätigten Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit im Rahmen der ordentlichen Kündigung unter 1. b), cc), (4), (cc), S. 11 ff..
b)
35 
Die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, da es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne fehlt.
aa)
36 
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehr als 10 Arbeitnehmer gemäß § 23 KSchG bei der Beklagten beschäftigt waren und das Arbeitsverhältnis des Klägers länger als sechs Monate bestand.
bb)
37 
Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG kann eine Kündigung unter anderem auch dann ausgesprochen werden, wenn Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Solche Umstände können grundsätzlich in einem Verhalten des Arbeitnehmers gesehen werden, das bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebs die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784-788). Es genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG, 17.06.2003, 2 AZR 62/02, EZA KSchG § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59).
cc)
38 
Die Wegnahme des Kinderreisebetts stellt nach Auffassung der Kammer keinen Umstand dar, der die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lässt.
(1)
39 
Allerdings sind Eigentumsdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers regelmäßig geeignet, insbesondere eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG, 11.12.2003, 2 AZR 36/03, NZA 2004, 486 bis 488; AP Nr. 179 zu § 626 BGB).
(2)
40 
Dadurch, dass der Kläger das Kinderreisebett in seinen PKW verbracht hat, hat er den objektiven Tatbestand des § 242 StGB erfüllt. Denn das Kinderreisebett steht im Eigentum der Beklagten. Durch das Bereitstellen von Abfällen ergeht ein Angebot zur Eigentumsübertragung an den Abfallbeseitiger (Quack in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004, § 959 RZ 6).
41 
Zwar ist der Beklagten vorliegend kein materieller Schaden entstanden, da das Bett unmittelbar der Abfallentsorgung zugeführt worden wäre. Doch selbst ein Diebstahl einer geringwertigen Sache mit nur geringfügiger Schädigung des Arbeitgebers (so genanntes „Bagatelldelikt“) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen für die Kammer keine Veranlassung besteht, ebenfalls als Grund für eine (sogar außerordentliche) Kündigung objektiv geeignet (vgl. BAG, 11.12.2003, a.a.O.).
42 
Die Kammer sieht aus diesem Grund in der Handlung des Klägers, auch ohne dass der Beklagten ein finanzieller Schaden entstanden ist, eine Vertragspflichtverletzung.
(3)
43 
Über die Frage, ob bei geringfügigen Eigentumsdelikten, durch die der Arbeitgeber nicht wesentlich geschädigt wird, eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erforderlich ist, besteht zwar ein Meinungsstreit ( vgl. Schaub, NZA 1997, 1185, 1186). Die Frage, ob vorliegend vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich war, und die weitergehende Frage, ob eine einschlägige Abmahnung vorliegt, kann jedoch mangels Verhältnismäßigkeit der Kündigung dahinstehen.
44 
Von zwei einschlägigen Abmahnungen konnte die Kammer hingegen nicht ausgehen: Der Vorfall betreffend die „PET“-Flaschen umfasst keinen Diebstahlsvorwurf, auch nicht in Form des versuchten Diebstahls. Die hierzu durch die darlegungsbelastete Beklagte unterbreiteten Tatsachen genügen für die Annahme eines solchen Vorfalls nicht, da lediglich davon die Rede ist, dass der Kläger Flaschen aus dem „Gelben Sack“ entnommen und diese in seinem Zwischenlager „deponiert“ habe. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob die zusammen mit der Abmahnung überreichte Aktennotiz das Verbot enthält, Pfandflaschen aus dem Gelben Sack mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu benutzen.
45 
Auch der Vortrag betreffend die Kommunikation des „Wegnahmeverbots“ im Rahmen der Betriebsversammlung im Jahr 2005 konnte nicht zu Gunsten der Beklagten verwertet werden, da diese nicht darlegen konnte, dass der Kläger die Anweisung vernommen hat. Allein seine Anwesenheit auf der Versammlung genügt hierfür nicht.
46 
Ferner war der Vortrag der Beklagten, das Wegnahmeverbot und die Aufklärung über die Eigentumsverhältnisse im Betrieb der Beklagten seien dem Kläger durch Herrn A. mehrfach mitgeteilt worden, mangels näherer Angaben zu Zeit, Ort und Umständen zu unsubstantiiert, um einer Beweisaufnahme zugänglich zu sein.
(4)
47 
Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ist auch bei der Prüfung einer verhaltensbedingten Kündigung abschließend zu untersuchen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand überwiegt (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, BAG, 24.06.2004, NZA 2005, 158-161; Dörner in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Auflage 2007, § 1 Rz. 274, m.w.N.). Die Frage, welche Umstände im Einzelfall wesentlich sind, orientiert sich dabei an der konkreten Vertragspflichtverletzung.
(aa)
48 
Zu Gunsten des Arbeitnehmers sind im allgemeinen folgende Umstände zu berücksichtigen:
49 
- Zunächst die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Diese ist bei der Interessenabwägung grundsätzlich zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG, 16.10.1986, 2 AZR 695/85; Juris). Entscheidend ist vor allem, wie lange das Arbeitsverhältnis störungsfrei verlaufen ist. Hat sich der Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits Vertragspflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen, verliert eine längere Betriebszugehörigkeitsdauer an Gewicht, ferner bei schweren Vertragspflichtverletzungen.
50 
- Da auch Unterhaltspflichten das Gewicht des Interesses des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes beeinflussen, sind sie nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht, von der abzuweichen für die Kammer keine Veranlassung bestand, grundsätzlich in die Interessenabwägung mit einzubeziehen (vgl. BAG, 27.02.1997, 2 AZR 302/96, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969, verhaltensbedingte Kündigung).
51 
- Ferner können zu Gunsten des Arbeitnehmers auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden (Griebeling in: KR, 8. Auflage 2007, § 1 Rz. 411). Insbesondere die Gefahr lang andauernder Arbeitslosigkeit ist für den Arbeitnehmer von Gewicht. Bei schweren Vertragspflichtverletzungen mit hohem Verschuldensgrad tritt die Bedeutung personenbezogener Gesichtspunkte allerdings in den Hintergrund.
52 
- Auch ist ein Verbotsirrtum grundsätzlich zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Denn ein solcher ist geeignet, den Verschuldensvorwurf zu relativieren, selbst dann, wenn er für den Arbeitnehmer vermeidbar war (BAG 14.02.1996, 2 AZR 274/95, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung).
53 
- Schließlich ist zu Gunsten des Arbeitnehmers ein eventuelles Mitverschulden des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Steht dem Pflichtverstoß des Arbeitnehmers eine entsprechende Pflichtverletzung des Arbeitgebers gegenüber, ist dieses Mitverschulden zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG, 20.01.1994, 2 AZR 521/93, AP BGB § 626 Nr. 115). Falls sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers angesichts des Verschuldens des Arbeitgebers als nicht zu gravierend darstellt, kann das Bestandschutzinteresse überwiegen.
(bb)
54 
- Für den Arbeitnehmer nachteilig wirken sich hingegen unter anderem das Gewicht der Vertragspflichtverletzungen und die Schwere des Verschuldens aus. Ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber zumutbar ist, hängt maßgeblich von der Intensität des vertragspflichtwidrigen Verhaltens (Beharrlichkeit und Häufigkeit) und vom Grad des Verschuldens ab. Mit der Häufigkeit einschlägiger Abmahnungen steigt die Wiederholungsgefahr und in der Regel auch das Verschulden des Arbeitnehmers. Durch ein vertragswidriges Verhalten aufgetretene Betriebsablaufstörungen sind im Rahmen der Interessenabwägung noch zusätzlich belastend für den Arbeitnehmer zu berücksichtigen (BAG,17.01.1991, 2 AZR 375/90, AP KSchG 1969 § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25). Zum Nachteil des Arbeitnehmers könne nur tatsächlich eingetretene konkrete Störungen, wozu auch von ihm verursachte Vermögensschäden des Arbeitgebers zu zählen sind, herangezogen werden; darauf, ob es sich um erhebliche Störungen handelt, kommt es nicht an, da diese keinen bestimmten Grad der Intensität erreichen müssen, um im Rahmen der Interessenabwägung für den Arbeitnehmer zusätzlich belastend zu sein.
55 
Die spezielle Frage, ob eine Eigentumsverletzung geringfügig oder schwer ist, beurteilt sich unter anderem nach der Stellung des Arbeitnehmers, der Art der entwendete Ware und den besondere Verhältnissen des Betriebs. Weitere bei der Prüfung der Schwere der vorliegenden Vertragsverletzung bedeutsame Kriterien sind der Anlass sowie die Art und Weise der Tatbegehung und ob der Arbeitnehmer in Ausübung der geschuldeten Tätigkeit handelt (Fiebig in: Fiebig/Gallner u.a., Handkommentar zum Kündigungsschutzrecht, 3. Auflage 2007, § 1 KSchG, Rz. 426 a.E.).
56 
- Ferner darf zu Lasten des Arbeitnehmers seitens des Arbeitgebers berücksichtigt werden, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht (BAG, 24.10.1996, 2 AZR 900/95; Juris). Allerdings stellt die Kündigung kein Disziplinierungsmittel gegenüber der Belegschaft dar, wenn auch im Einzelfall Gesichtspunkte der Betriebsdisziplin bei der Interessenabwägung eine Rolle spielen können (BAG, 04.06.1997, 2 AZR 526/96, AP BGB § 626 Nr. 137).
(cc)
57 
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze gelangte die Kammer zu dem gefundenen Ergebnis wie folgt:
58 
Zu Gunsten der Beklagten hat die Kammer folgende Aspekte gewürdigt:
59 
Zunächst unterstellt die Kammer, dass es, entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten, tatsächlich zu dem Vorfall betreffend „Toilettenpapier“ und dem daraufhin behaupteten Abmahnungsgespräch im Dezember 2007 gekommen ist. Dann hätte der Kläger aber wissen können beziehungsweise müssen, dass es sich bei dem vom Kläger zu bearbeitenden Abfall um Eigentum der Beklagten handelt und darüber hinaus, dass die Wegnahme bzw. Mitnahme von Gegenständen nicht erlaubt ist beziehungsweise zur fristlosen Kündigung führen kann. Angesichts der insoweit (unterstellten) einschlägigen Abmahnung stellt sich die erneute Entnahme von zur Entsorgung vorgesehener Gegenstände, vorliegend des Kinderreisebetts, als durchaus beharrliches vertragspflichtwidriges Verhalten dar. Daneben sieht die Kammer auf Seiten der Beklagten den Wunsch nach einer generalpräventiven „Abschreckungswirkung“: Der Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger soll der Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin und der Abschreckung in ähnlich gelagerten Fälle dienen.
60 
Zu Lasten des Klägers wurde auch gewertet, dass er, jedenfalls nach dem Sachvortrag der Beklagten, im Juli 2007 PET-Flaschen gesammelt und diese in seinem „Zwischenlager“ deponiert hat und deshalb das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit jedenfalls nicht störungsfrei verlaufen ist.
61 
Schließlich hat der Kläger bei der Wegnahme des Kinderbetts auch in Ausübung seiner Tätigkeit gehandelt.
62 
Jedoch wirkten sich die vorgenannten Argumente im Ergebnis nach Auffassung der Kammer nicht dahingehend aus, dass das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die gewichtigen, nachfolgend genannten Argumente, welche für die Weiterbeschäftigung des Klägers sprechen, zu überwiegen vermag.
63 
Entscheidend für die Beurteilung durch die Kammer war der geringe Grad des Verschuldens des Klägers bei der Tatausübung. Angesichts dessen, dass im Betrieb der Beklagten noch brauchbare Gegenstände von den Mitarbeiter mitgenommen werden dürfen, sofern sie vorher nachfragen und, wenn nichts dagegen spricht, die Erlaubnis auch regelmäßig erteilt wird, wird der Inhalt der von der Beklagten bezüglich des Vorfalls „Toilettenpapier“ vorgetragenen Abmahnung in erheblichem Maße relativiert. Einerseits besteht die vorgenannte betriebliche Übung der „Erlaubnisfähigkeit“ der Mitnahme von zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen, andererseits wird im Rahmen der (behaupteten) Abmahnung erklärt, jegliche Mitnahme von dem Abfall zugehörigen Gegenständen stelle einen Diebstahl dar.
64 
Die Kammer geht deshalb davon aus, dass der Kläger sich aufgrund der jedenfalls nicht eindeutigen betrieblichen Regelung bei der Entnahme des Kinderreisebetts in einem schuldmindernden Verbotsirrtum bezüglich der Rechtswidrigkeit beziehungsweise Strafbarkeit seines Handelns befand, selbst wenn das von der Beklagten behauptete Abmahnungsgespräch tatsächlich stattgefunden haben sollte.
65 
Dafür, dass der Kläger bei der Tatbegehung kein Unrechtsbewusstsein hatte, spricht nach Ansicht des Gerichts auch, dass er die Tat nicht „heimlich“, sondern vor den Augen seiner Arbeitskollegen ausgeübt hat, indem er das Kinderreisebett auseinander geklappt, wieder zusammengebaut und in seinen PKW verbracht hat und dabei stets wusste, dass der entsprechende Vorgang von der Videokamera vollumfänglich aufgezeichnet wird.
66 
Die Beklagte hat auf ausdrückliche Nachfragen des Gerichts nicht dargetan, dass es dem Kläger untersagt worden wäre, das Kinderreisebett an sich zu nehmen, wenn er zuvor gefragt hätte. Mit anderen Worten: Hätte der Kläger den Geschäftsführer vorher gefragt, hätte angesichts der „betrieblichen Übung“ bei der Vergabe von noch gebrauchsfähigen, jedoch zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der entsprechenden Erlaubnis bestanden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Tat des Klägers in überwiegendem Maße als Verletzung einer betrieblichen Ordnungsnorm und nur im geringen Maße als Verletzung des Eigentums der Beklagten dar.
67 
Verstärkt wird diese Einschätzung dadurch, dass das Kinderreisebett für die Beklagte keinerlei Restwert mehr hatte, sondern ohne weitere Zwischenschritte der Entsorgung zugeführt worden wäre.
68 
Die Kammer sieht deshalb in der vorliegenden Fallkonstellation eine Parallelität zur Frage des Verhältnisses von Nebentätigkeitsverbot und Nebentätigkeit, die ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübt wird. Im Falle eines Erlaubnisvorbehalts ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Aufnahme einer Nebentätigkeit willkürlich zu verwehren. Sofern keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu erwarten ist, hat der Arbeitnehmer vielmehr Anspruch auf Erteilung der Zustimmung (BAG, 21.09.1999, 9 AZR 759/98, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 6 = EZA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 3 m.w.N.).
69 
Ferner spricht zum einen für das gefundene Ergebnis, dass auch das Gewicht der Vertragspflichtverletzung dadurch gemindert wird, dass der Kläger als Hofarbeiter keine Vertrauensstellung innehat, zum anderen die bereits oben gewürdigte Tatsache, dass das entwendete Reisebett unmittelbar nach der Wegnahme durch den Kläger vernichtet worden wäre.
70 
Für das Bestandsschutzinteresse des Klägers spricht auch, dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ca. 8 ½ Jahre bei der Beklagten beschäftigt ist. Davon verliefen jedenfalls sieben Jahre beanstandungsfrei. Diesen Zeitraum wertete die Kammer bei der von ihr vorzunehmen Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers.
71 
Zu Gunsten des Klägers waren auch dessen Unterhaltspflichten gegenüber zwei kleinen Kindern und seiner Ehefrau zu berücksichtigen. Zwar hat sich der Kläger nicht darauf berufen, seine schlechte finanzielle Lage sei das bestimmende Motiv für die Tat gewesen. Doch ist die Kammer der Auffassung, dass angesichts dessen, dass der Kläger das Kinderreisebett für sein eigenes Kind im Alter von damals ca. 12 Monaten nutzen wollte, verbunden mit dem bereits festgestellten, mangelnden Unrechtsbewusstsein, die Unterhaltspflichten Berücksichtigung finden müssen.
72 
Schließlich besteht angesichts der derzeit herrschenden Wirtschaftslage in der Bundesrepublik Deutschland, die sich bereits nachteilig auf den Arbeitsmarkt niederschlägt, die Gefahr, dass der Kläger für einen als lang anzusehenden Zeitraum arbeitslos sein wird. Auch dieses Kriterium sah die Kammer als ein sich zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirkendes Kriterium an.
2.
73 
Da die in Rede stehende fristlose beziehungsweise hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten unwirksam ist, ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger in arbeitsvertragsgemäßer Weise bis zur Rechtskraft dieses Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
74 
Ausgehend von dem Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 (GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht), dessen Inhalt als bekannt vorausgesetzt wird und von dem abzuweichen die Kammer keine Veranlassung hat, ist der Weiterbeschäftigungsantrag begründet.
75 
Umstände, aufgrund derer trotz Obsiegens des Klägers mit der Kündigungsschutzklage die Interessen der Beklagten daran, den Kläger bis auf Weiteres nicht zu beschäftigen, gewichtiger erscheinen, als diejenigen des Klägers, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterbeschäftigt zu werden, sind nicht ersichtlich.
76 
Es war deshalb zu entscheiden wie geschehen.
III.
1.
77 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Soweit der Kläger den allgemeinen Feststellungsantrag gemäß § 269 ZPO zurückgenommen hat, ist dies angesichts des vollen Obsiegens des Klägers gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht von Belang, weshalb die Beklagte in vollem Umfang die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
2.
78 
Der Streitwert war nach Maßgabe der § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 IV S. 1 GKG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes für den Kündigungsschutzantrag festzusetzen.
79 
Der Weiterbeschäftigungsantrag wurde im Wege der Schätzung ebenfalls mit einem Bruttomonatsverdienst in Ansatz gebracht.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 beendet wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Hofarbeiter weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 9.966,00.

Tatbestand

 
I.
Mit seiner am 12.12.2008 beim Arbeitsgericht Mannheim eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 10.12.2008 und begehrt daneben seine Weiterbeschäftigung.
Der Kläger ist seit 02.05.2000 im Betrieb der Beklagten, in welchem ca. 60 Arbeitnehmer beschäftigt sind, als Hofarbeiter mit einem Bruttomonatsseinkommen in Höhe von durchschnittlich 2.491,00 EUR beschäftigt. Er ist seiner Ehefrau und zwei Kindern im Alter von einem Jahr und vier Jahren gegenüber unterhaltsverpflichtet. Die Ehefrau des Klägers ist nicht berufstätig.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Entsorgungsunternehmen, welches sich hauptsächlich mit Abfalltransporten sowie mit der Sortierung von Abfällen befasst. Zu den Auftraggebern gehören private Unternehmen und unter anderem auch die Stadt Mannheim. Die Vertragsverhältnisse mit den Auftraggebern unterhalten unter anderem die Verpflichtung, Wertstoffe einzusammeln, zu befördern und fachgerecht zu entsorgen. Inhalt der Tätigkeit des Klägers ist es insbesondere, Altpapier zu sortieren, Stapler zu fahren und sonstige Hilfsarbeiten auszuführen.
Am 05.12.2008 gegen 13:40 Uhr entnahm der Kläger aus dem Inhalt eines Altpapiercontainers, welcher zum Verarbeiten am Zuführband zur Altpapierpresse abgeladen worden war, ein in einem Karton befindliches Kinderreisebett. Gemeinsam mit einem Leiharbeitnehmer baute er in der Halle das Kinderreisebett zusammen und überprüfte dessen Funktionsfähigkeit. Anschließend baute der Kläger das Kinderreisebett wieder auseinander, transportierte es zu seinem PKW, welcher sich auf dem Mitarbeiterparkplatz befand, und legte das Kinderreisebett in das Fahrzeug.
Diesen Vorfall beobachtete der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und Vorgesetzte des Klägers, Herr A., auf dem Monitor der Videoanlage in den Räumen der Disposition.
Allen Arbeitnehmern, auch dem Kläger, ist bekannt, dass der streitgegenständliche Arbeitsraum videoüberwacht wird.
Daraufhin unterrichtete Herr A. den Geschäftsführer der Beklagten von dem Vorfall.
Am 08.12.2008 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat auch schriftlich zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an. Die Einzelheiten der Anhörung sind zwischen den Parteien streitig.
Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 09.12.2008 mit, dass er angehört worden sei und die Kündigung „zur Kenntnis“ nehme.
10 
Unter dem 13.07.2007 hatte der Kläger eine schriftliche Abmahnung erhalten, deren inhaltliche Richtigkeit der Kläger bestreitet. Es wurde ihm vorgeworfen, am 11.07.2007 firmeneigene PET-Flaschen gesammelt und diese in „seinem Zwischenlager“ deponiert zu haben (AS 58).
11 
Gleichzeitig wurde ihm als Anlage eine interne Aktennotiz vom Januar 2007 überreicht, in der die Beklagte klar stellt, dass es nicht erlaubt sei, PET-Pfandflaschen aus der Sammlung „Gelber Sack“ mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu benutzen. Eine Missachtung dieser Mitteilung habe rechtliche Schritte zur Folge.
12 
Die Beklagte überreichte der damaligen Betriebsratsvorsitzenden eine Kopie der dem Kläger erteilten Abmahnung.
13 
Am 07.12.2007 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger wegen angeblichen Diebstahls von Toilettenpapier statt. Streitig ist, ob der Kläger in dessen Rahmen entsprechend abgemahnt wurde.
14 
Am 10.12.2007 unterrichtete der Geschäftsführer der Beklagten die damalige Betriebsratsvorsitzende Frau G. über den angeblichen Vorfall vom 07.12.2007 betreffend „Toilettenpapier“ und das behauptete Abmahnungsgespräch mündlich.
15 
Im Betrieb der Beklagten herrscht der Grundsatz, dass die Mitnahme von möglicherweise noch brauchbaren Gegenständen den Mitarbeitern nicht grundsätzlich untersagt ist. Vielmehr können die Mitarbeiter bei einem besonderen Interesse bei der Geschäftsführung - in der Regel bei dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn F. - nachfragen, ob sie den betreffenden Gegenstand mitnehmen dürfen. Wenn nichts dagegen spricht, erteilt die Geschäftsführung die Erlaubnis.
16 
Der Kläger hält sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam.
17 
Er macht im Wesentlichen geltend, ihm sei im Zeitpunkt der Mitnahme des Kinderbetts nicht bewusst gewesen, dass es sich um ein für ihn fremdes Objekt gehandelt habe. Nach seiner Vorstellung als Laie habe es sich bei dem Kinderbett um Abfall gehandelt, welcher ohnehin direkt entsorgt worden wäre. Er sei davon ausgegangen, dass sich der ursprüngliche Eigentümer der Sache willentlich entledigt habe. Dass die Beklagte möglicherweise neue Eigentümerin bis zur endgültigen Entsorgung des Reisebetts geworden sei, sei für ihn als rechtlichen Laien kaum nachvollziehbar. Dies zeige sich unter anderem auch darin, dass er das Kinderbett nicht etwa heimlich, sondern in Absprache mit dem Kollegen und ganz offen in sein Fahrzeug verbracht habe.
18 
Er behauptet, ihm sei zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass die Mitnahme von zur Entsorgung abgegebenen Abfall nicht erlaubt sei. Insbesondere sei ihm weder im Rahmen der Betriebsversammlung vom 14.02.2005 noch zu einem sonstigen Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass bei der Beklagten eine klare Anweisung bestehe, wonach zu entsorgende Gegenstände nicht zur eigenen Verwendung oder zur Weitergabe an Dritte von den Mitarbeitern entnommen werden dürften.
19 
Am 11.07.2007 habe er keine PET Flaschen an sich genommen.
20 
Im Dezember 2007 habe er weder Toilettenpapier entwendet, noch habe ihm der Geschäftsführer mitgeteilt, dass dieser Vorgang eigentlich einen Diebstahl darstelle und im Normalfall mit einer fristlosen Kündigung geahndet werde und dass die der Beklagten übergebenen Abfälle Eigentum der Beklagten seien und nicht für private Zwecke mitgenommen werden dürften. Die Rollen, bei denen es sich nicht um Toilettenpapier gehandelt habe, sondern um eine Überproduktion von Küchenrollen, habe er nicht an sich genommen. Im Rahmen des Gesprächs mit dem Geschäftsführer sei ihm lediglich der Unterschied zwischen Papier, das zur Entwertung und solchem, das zur Verwertung vorgesehen ist, d.h. aus welchem Altpapier gemacht werde, erläutert worden.
21 
Der Kläger bestreitet schließlich, dass dem Betriebsrat Kündigungsgründe mitgeteilt worden seien, die über den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 08.12.2008 hinausgehen und dass es sich bei der Stellungnahme des Betriebsrats vom 09.12.2008 um eine abschließende gehandelt habe.
22 
Der Kläger beantragt zuletzt, nachdem er den allgemeinen Feststellungsantrag zurückgenommen hat:
23 
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 nicht zum 10.12.2008 beendet wird.
24 
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Hofarbeiter weiterzubeschäftigen beziehungsweise zu beschäftigen.
25 
Die Beklagte beantragt ,
26 
die Klage abzuweisen.
27 
Sie behauptet, dem Kläger sei bereits im Rahmen einer Betriebsversammlung am 14.02.2005 mitgeteilt worden, dass die Mitnahme von zu entsorgendem Abfall nicht erlaubt sei. Auch habe Herr A. in seiner Funktion als Vorarbeiter dieses Thema mit seinen Mitarbeitern mehrfach erörtert.
28 
Die Beklagte behauptet ferner, der Kläger habe am 11.07.2007 firmeneigene „PET“-Flaschen gesammelt und neben den Altpapierballen, in seinem „Zwischenlager“ gelagert.
29 
Hinsichtlich der „Abmahnung wegen Toilettenpapierentwendung“ behauptet die Beklagte, der Kläger habe am 07.12.2007 eine nicht unerhebliche Menge an Toilettenpapier, welches der Beklagten zur Entsorgung übergeben worden sei, in seinen privaten PKW eingeladen. Daraufhin habe der Geschäftsführer der Beklagten mit dem Kläger noch am selben Tag ein ausführliches Gespräch geführt. Darin habe der Geschäftsführer dem Kläger mitgeteilt, dass dieser Vorgang eigentlich einen Diebstahl darstelle und im Normalfall mit einer fristlosen Kündigung geahndet werde. Lediglich im Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsfest habe die Beklagte aus humanitären Gründen davon abgesehen. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, dass die der Beklagten übergebenen Abfälle Eigentum der Beklagten seien und nicht zu private Zwecke mitgenommen beziehungsweise verwendet werden dürften.
30 
Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Herr A. habe als Augenzeuge den übrigen Betriebsratsmitgliedern alle Elemente des Vorfalls vom 08.12.2008 vollumfänglich mitgeteilt. Daraufhin habe der Betriebsrat mit Schreiben vom 09.12.2008 abschließend erklärt, dass er ordnungsgemäß angehört worden sei und die Kündigung zur Kenntnis nehme. Die Stellungnahme des Betriebsrats vom 09.12.2008 sei abschließend gewesen. Dies habe das Betriebsratsmitglied Frau G. auf Nachfragen gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten am 09.12.2008 ausdrücklich erklärt. Im Übrigen teile der Betriebsrat in denjenigen Fällen, in denen seine Stellungnahme nicht abschließend sein soll, dies jeweils explizit in seinem Antwortschreiben zur Betriebsratsanhörung mit.
31 
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Parteien wird verwiesen auf deren Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

 
II.
32 
Die Klage ist zulässig und im vollen Umfang begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Kündigung vom 10.12.2008 weder fristlos (1a) noch ordentlich geendet (1b.). Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist deshalb gleichfalls begründet (2.).
1.
a)
33 
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat trotz Vorhandenseins eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 nicht geendet, da nach Auffassung der Kammer vorliegend das Bestandsinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt.
34 
Insoweit wird verwiesen auf die hierzu getätigten Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit im Rahmen der ordentlichen Kündigung unter 1. b), cc), (4), (cc), S. 11 ff..
b)
35 
Die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, da es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne fehlt.
aa)
36 
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehr als 10 Arbeitnehmer gemäß § 23 KSchG bei der Beklagten beschäftigt waren und das Arbeitsverhältnis des Klägers länger als sechs Monate bestand.
bb)
37 
Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG kann eine Kündigung unter anderem auch dann ausgesprochen werden, wenn Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Solche Umstände können grundsätzlich in einem Verhalten des Arbeitnehmers gesehen werden, das bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebs die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784-788). Es genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG, 17.06.2003, 2 AZR 62/02, EZA KSchG § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59).
cc)
38 
Die Wegnahme des Kinderreisebetts stellt nach Auffassung der Kammer keinen Umstand dar, der die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lässt.
(1)
39 
Allerdings sind Eigentumsdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers regelmäßig geeignet, insbesondere eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG, 11.12.2003, 2 AZR 36/03, NZA 2004, 486 bis 488; AP Nr. 179 zu § 626 BGB).
(2)
40 
Dadurch, dass der Kläger das Kinderreisebett in seinen PKW verbracht hat, hat er den objektiven Tatbestand des § 242 StGB erfüllt. Denn das Kinderreisebett steht im Eigentum der Beklagten. Durch das Bereitstellen von Abfällen ergeht ein Angebot zur Eigentumsübertragung an den Abfallbeseitiger (Quack in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004, § 959 RZ 6).
41 
Zwar ist der Beklagten vorliegend kein materieller Schaden entstanden, da das Bett unmittelbar der Abfallentsorgung zugeführt worden wäre. Doch selbst ein Diebstahl einer geringwertigen Sache mit nur geringfügiger Schädigung des Arbeitgebers (so genanntes „Bagatelldelikt“) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen für die Kammer keine Veranlassung besteht, ebenfalls als Grund für eine (sogar außerordentliche) Kündigung objektiv geeignet (vgl. BAG, 11.12.2003, a.a.O.).
42 
Die Kammer sieht aus diesem Grund in der Handlung des Klägers, auch ohne dass der Beklagten ein finanzieller Schaden entstanden ist, eine Vertragspflichtverletzung.
(3)
43 
Über die Frage, ob bei geringfügigen Eigentumsdelikten, durch die der Arbeitgeber nicht wesentlich geschädigt wird, eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erforderlich ist, besteht zwar ein Meinungsstreit ( vgl. Schaub, NZA 1997, 1185, 1186). Die Frage, ob vorliegend vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich war, und die weitergehende Frage, ob eine einschlägige Abmahnung vorliegt, kann jedoch mangels Verhältnismäßigkeit der Kündigung dahinstehen.
44 
Von zwei einschlägigen Abmahnungen konnte die Kammer hingegen nicht ausgehen: Der Vorfall betreffend die „PET“-Flaschen umfasst keinen Diebstahlsvorwurf, auch nicht in Form des versuchten Diebstahls. Die hierzu durch die darlegungsbelastete Beklagte unterbreiteten Tatsachen genügen für die Annahme eines solchen Vorfalls nicht, da lediglich davon die Rede ist, dass der Kläger Flaschen aus dem „Gelben Sack“ entnommen und diese in seinem Zwischenlager „deponiert“ habe. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob die zusammen mit der Abmahnung überreichte Aktennotiz das Verbot enthält, Pfandflaschen aus dem Gelben Sack mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu benutzen.
45 
Auch der Vortrag betreffend die Kommunikation des „Wegnahmeverbots“ im Rahmen der Betriebsversammlung im Jahr 2005 konnte nicht zu Gunsten der Beklagten verwertet werden, da diese nicht darlegen konnte, dass der Kläger die Anweisung vernommen hat. Allein seine Anwesenheit auf der Versammlung genügt hierfür nicht.
46 
Ferner war der Vortrag der Beklagten, das Wegnahmeverbot und die Aufklärung über die Eigentumsverhältnisse im Betrieb der Beklagten seien dem Kläger durch Herrn A. mehrfach mitgeteilt worden, mangels näherer Angaben zu Zeit, Ort und Umständen zu unsubstantiiert, um einer Beweisaufnahme zugänglich zu sein.
(4)
47 
Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ist auch bei der Prüfung einer verhaltensbedingten Kündigung abschließend zu untersuchen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand überwiegt (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, BAG, 24.06.2004, NZA 2005, 158-161; Dörner in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Auflage 2007, § 1 Rz. 274, m.w.N.). Die Frage, welche Umstände im Einzelfall wesentlich sind, orientiert sich dabei an der konkreten Vertragspflichtverletzung.
(aa)
48 
Zu Gunsten des Arbeitnehmers sind im allgemeinen folgende Umstände zu berücksichtigen:
49 
- Zunächst die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Diese ist bei der Interessenabwägung grundsätzlich zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG, 16.10.1986, 2 AZR 695/85; Juris). Entscheidend ist vor allem, wie lange das Arbeitsverhältnis störungsfrei verlaufen ist. Hat sich der Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits Vertragspflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen, verliert eine längere Betriebszugehörigkeitsdauer an Gewicht, ferner bei schweren Vertragspflichtverletzungen.
50 
- Da auch Unterhaltspflichten das Gewicht des Interesses des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes beeinflussen, sind sie nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht, von der abzuweichen für die Kammer keine Veranlassung bestand, grundsätzlich in die Interessenabwägung mit einzubeziehen (vgl. BAG, 27.02.1997, 2 AZR 302/96, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969, verhaltensbedingte Kündigung).
51 
- Ferner können zu Gunsten des Arbeitnehmers auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden (Griebeling in: KR, 8. Auflage 2007, § 1 Rz. 411). Insbesondere die Gefahr lang andauernder Arbeitslosigkeit ist für den Arbeitnehmer von Gewicht. Bei schweren Vertragspflichtverletzungen mit hohem Verschuldensgrad tritt die Bedeutung personenbezogener Gesichtspunkte allerdings in den Hintergrund.
52 
- Auch ist ein Verbotsirrtum grundsätzlich zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Denn ein solcher ist geeignet, den Verschuldensvorwurf zu relativieren, selbst dann, wenn er für den Arbeitnehmer vermeidbar war (BAG 14.02.1996, 2 AZR 274/95, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung).
53 
- Schließlich ist zu Gunsten des Arbeitnehmers ein eventuelles Mitverschulden des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Steht dem Pflichtverstoß des Arbeitnehmers eine entsprechende Pflichtverletzung des Arbeitgebers gegenüber, ist dieses Mitverschulden zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG, 20.01.1994, 2 AZR 521/93, AP BGB § 626 Nr. 115). Falls sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers angesichts des Verschuldens des Arbeitgebers als nicht zu gravierend darstellt, kann das Bestandschutzinteresse überwiegen.
(bb)
54 
- Für den Arbeitnehmer nachteilig wirken sich hingegen unter anderem das Gewicht der Vertragspflichtverletzungen und die Schwere des Verschuldens aus. Ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber zumutbar ist, hängt maßgeblich von der Intensität des vertragspflichtwidrigen Verhaltens (Beharrlichkeit und Häufigkeit) und vom Grad des Verschuldens ab. Mit der Häufigkeit einschlägiger Abmahnungen steigt die Wiederholungsgefahr und in der Regel auch das Verschulden des Arbeitnehmers. Durch ein vertragswidriges Verhalten aufgetretene Betriebsablaufstörungen sind im Rahmen der Interessenabwägung noch zusätzlich belastend für den Arbeitnehmer zu berücksichtigen (BAG,17.01.1991, 2 AZR 375/90, AP KSchG 1969 § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25). Zum Nachteil des Arbeitnehmers könne nur tatsächlich eingetretene konkrete Störungen, wozu auch von ihm verursachte Vermögensschäden des Arbeitgebers zu zählen sind, herangezogen werden; darauf, ob es sich um erhebliche Störungen handelt, kommt es nicht an, da diese keinen bestimmten Grad der Intensität erreichen müssen, um im Rahmen der Interessenabwägung für den Arbeitnehmer zusätzlich belastend zu sein.
55 
Die spezielle Frage, ob eine Eigentumsverletzung geringfügig oder schwer ist, beurteilt sich unter anderem nach der Stellung des Arbeitnehmers, der Art der entwendete Ware und den besondere Verhältnissen des Betriebs. Weitere bei der Prüfung der Schwere der vorliegenden Vertragsverletzung bedeutsame Kriterien sind der Anlass sowie die Art und Weise der Tatbegehung und ob der Arbeitnehmer in Ausübung der geschuldeten Tätigkeit handelt (Fiebig in: Fiebig/Gallner u.a., Handkommentar zum Kündigungsschutzrecht, 3. Auflage 2007, § 1 KSchG, Rz. 426 a.E.).
56 
- Ferner darf zu Lasten des Arbeitnehmers seitens des Arbeitgebers berücksichtigt werden, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht (BAG, 24.10.1996, 2 AZR 900/95; Juris). Allerdings stellt die Kündigung kein Disziplinierungsmittel gegenüber der Belegschaft dar, wenn auch im Einzelfall Gesichtspunkte der Betriebsdisziplin bei der Interessenabwägung eine Rolle spielen können (BAG, 04.06.1997, 2 AZR 526/96, AP BGB § 626 Nr. 137).
(cc)
57 
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze gelangte die Kammer zu dem gefundenen Ergebnis wie folgt:
58 
Zu Gunsten der Beklagten hat die Kammer folgende Aspekte gewürdigt:
59 
Zunächst unterstellt die Kammer, dass es, entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten, tatsächlich zu dem Vorfall betreffend „Toilettenpapier“ und dem daraufhin behaupteten Abmahnungsgespräch im Dezember 2007 gekommen ist. Dann hätte der Kläger aber wissen können beziehungsweise müssen, dass es sich bei dem vom Kläger zu bearbeitenden Abfall um Eigentum der Beklagten handelt und darüber hinaus, dass die Wegnahme bzw. Mitnahme von Gegenständen nicht erlaubt ist beziehungsweise zur fristlosen Kündigung führen kann. Angesichts der insoweit (unterstellten) einschlägigen Abmahnung stellt sich die erneute Entnahme von zur Entsorgung vorgesehener Gegenstände, vorliegend des Kinderreisebetts, als durchaus beharrliches vertragspflichtwidriges Verhalten dar. Daneben sieht die Kammer auf Seiten der Beklagten den Wunsch nach einer generalpräventiven „Abschreckungswirkung“: Der Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger soll der Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin und der Abschreckung in ähnlich gelagerten Fälle dienen.
60 
Zu Lasten des Klägers wurde auch gewertet, dass er, jedenfalls nach dem Sachvortrag der Beklagten, im Juli 2007 PET-Flaschen gesammelt und diese in seinem „Zwischenlager“ deponiert hat und deshalb das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit jedenfalls nicht störungsfrei verlaufen ist.
61 
Schließlich hat der Kläger bei der Wegnahme des Kinderbetts auch in Ausübung seiner Tätigkeit gehandelt.
62 
Jedoch wirkten sich die vorgenannten Argumente im Ergebnis nach Auffassung der Kammer nicht dahingehend aus, dass das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die gewichtigen, nachfolgend genannten Argumente, welche für die Weiterbeschäftigung des Klägers sprechen, zu überwiegen vermag.
63 
Entscheidend für die Beurteilung durch die Kammer war der geringe Grad des Verschuldens des Klägers bei der Tatausübung. Angesichts dessen, dass im Betrieb der Beklagten noch brauchbare Gegenstände von den Mitarbeiter mitgenommen werden dürfen, sofern sie vorher nachfragen und, wenn nichts dagegen spricht, die Erlaubnis auch regelmäßig erteilt wird, wird der Inhalt der von der Beklagten bezüglich des Vorfalls „Toilettenpapier“ vorgetragenen Abmahnung in erheblichem Maße relativiert. Einerseits besteht die vorgenannte betriebliche Übung der „Erlaubnisfähigkeit“ der Mitnahme von zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen, andererseits wird im Rahmen der (behaupteten) Abmahnung erklärt, jegliche Mitnahme von dem Abfall zugehörigen Gegenständen stelle einen Diebstahl dar.
64 
Die Kammer geht deshalb davon aus, dass der Kläger sich aufgrund der jedenfalls nicht eindeutigen betrieblichen Regelung bei der Entnahme des Kinderreisebetts in einem schuldmindernden Verbotsirrtum bezüglich der Rechtswidrigkeit beziehungsweise Strafbarkeit seines Handelns befand, selbst wenn das von der Beklagten behauptete Abmahnungsgespräch tatsächlich stattgefunden haben sollte.
65 
Dafür, dass der Kläger bei der Tatbegehung kein Unrechtsbewusstsein hatte, spricht nach Ansicht des Gerichts auch, dass er die Tat nicht „heimlich“, sondern vor den Augen seiner Arbeitskollegen ausgeübt hat, indem er das Kinderreisebett auseinander geklappt, wieder zusammengebaut und in seinen PKW verbracht hat und dabei stets wusste, dass der entsprechende Vorgang von der Videokamera vollumfänglich aufgezeichnet wird.
66 
Die Beklagte hat auf ausdrückliche Nachfragen des Gerichts nicht dargetan, dass es dem Kläger untersagt worden wäre, das Kinderreisebett an sich zu nehmen, wenn er zuvor gefragt hätte. Mit anderen Worten: Hätte der Kläger den Geschäftsführer vorher gefragt, hätte angesichts der „betrieblichen Übung“ bei der Vergabe von noch gebrauchsfähigen, jedoch zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der entsprechenden Erlaubnis bestanden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Tat des Klägers in überwiegendem Maße als Verletzung einer betrieblichen Ordnungsnorm und nur im geringen Maße als Verletzung des Eigentums der Beklagten dar.
67 
Verstärkt wird diese Einschätzung dadurch, dass das Kinderreisebett für die Beklagte keinerlei Restwert mehr hatte, sondern ohne weitere Zwischenschritte der Entsorgung zugeführt worden wäre.
68 
Die Kammer sieht deshalb in der vorliegenden Fallkonstellation eine Parallelität zur Frage des Verhältnisses von Nebentätigkeitsverbot und Nebentätigkeit, die ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübt wird. Im Falle eines Erlaubnisvorbehalts ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Aufnahme einer Nebentätigkeit willkürlich zu verwehren. Sofern keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu erwarten ist, hat der Arbeitnehmer vielmehr Anspruch auf Erteilung der Zustimmung (BAG, 21.09.1999, 9 AZR 759/98, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 6 = EZA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 3 m.w.N.).
69 
Ferner spricht zum einen für das gefundene Ergebnis, dass auch das Gewicht der Vertragspflichtverletzung dadurch gemindert wird, dass der Kläger als Hofarbeiter keine Vertrauensstellung innehat, zum anderen die bereits oben gewürdigte Tatsache, dass das entwendete Reisebett unmittelbar nach der Wegnahme durch den Kläger vernichtet worden wäre.
70 
Für das Bestandsschutzinteresse des Klägers spricht auch, dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ca. 8 ½ Jahre bei der Beklagten beschäftigt ist. Davon verliefen jedenfalls sieben Jahre beanstandungsfrei. Diesen Zeitraum wertete die Kammer bei der von ihr vorzunehmen Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers.
71 
Zu Gunsten des Klägers waren auch dessen Unterhaltspflichten gegenüber zwei kleinen Kindern und seiner Ehefrau zu berücksichtigen. Zwar hat sich der Kläger nicht darauf berufen, seine schlechte finanzielle Lage sei das bestimmende Motiv für die Tat gewesen. Doch ist die Kammer der Auffassung, dass angesichts dessen, dass der Kläger das Kinderreisebett für sein eigenes Kind im Alter von damals ca. 12 Monaten nutzen wollte, verbunden mit dem bereits festgestellten, mangelnden Unrechtsbewusstsein, die Unterhaltspflichten Berücksichtigung finden müssen.
72 
Schließlich besteht angesichts der derzeit herrschenden Wirtschaftslage in der Bundesrepublik Deutschland, die sich bereits nachteilig auf den Arbeitsmarkt niederschlägt, die Gefahr, dass der Kläger für einen als lang anzusehenden Zeitraum arbeitslos sein wird. Auch dieses Kriterium sah die Kammer als ein sich zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirkendes Kriterium an.
2.
73 
Da die in Rede stehende fristlose beziehungsweise hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten unwirksam ist, ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger in arbeitsvertragsgemäßer Weise bis zur Rechtskraft dieses Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
74 
Ausgehend von dem Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 (GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht), dessen Inhalt als bekannt vorausgesetzt wird und von dem abzuweichen die Kammer keine Veranlassung hat, ist der Weiterbeschäftigungsantrag begründet.
75 
Umstände, aufgrund derer trotz Obsiegens des Klägers mit der Kündigungsschutzklage die Interessen der Beklagten daran, den Kläger bis auf Weiteres nicht zu beschäftigen, gewichtiger erscheinen, als diejenigen des Klägers, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterbeschäftigt zu werden, sind nicht ersichtlich.
76 
Es war deshalb zu entscheiden wie geschehen.
III.
1.
77 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Soweit der Kläger den allgemeinen Feststellungsantrag gemäß § 269 ZPO zurückgenommen hat, ist dies angesichts des vollen Obsiegens des Klägers gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht von Belang, weshalb die Beklagte in vollem Umfang die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
2.
78 
Der Streitwert war nach Maßgabe der § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 IV S. 1 GKG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes für den Kündigungsschutzantrag festzusetzen.
79 
Der Weiterbeschäftigungsantrag wurde im Wege der Schätzung ebenfalls mit einem Bruttomonatsverdienst in Ansatz gebracht.

Gründe

 
II.
32 
Die Klage ist zulässig und im vollen Umfang begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Kündigung vom 10.12.2008 weder fristlos (1a) noch ordentlich geendet (1b.). Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist deshalb gleichfalls begründet (2.).
1.
a)
33 
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat trotz Vorhandenseins eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 nicht geendet, da nach Auffassung der Kammer vorliegend das Bestandsinteresse des Klägers das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt.
34 
Insoweit wird verwiesen auf die hierzu getätigten Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit im Rahmen der ordentlichen Kündigung unter 1. b), cc), (4), (cc), S. 11 ff..
b)
35 
Die Kündigung der Beklagten vom 10.12.2008 ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, da es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne fehlt.
aa)
36 
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mehr als 10 Arbeitnehmer gemäß § 23 KSchG bei der Beklagten beschäftigt waren und das Arbeitsverhältnis des Klägers länger als sechs Monate bestand.
bb)
37 
Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG kann eine Kündigung unter anderem auch dann ausgesprochen werden, wenn Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Solche Umstände können grundsätzlich in einem Verhalten des Arbeitnehmers gesehen werden, das bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebs die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784-788). Es genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG, 17.06.2003, 2 AZR 62/02, EZA KSchG § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59).
cc)
38 
Die Wegnahme des Kinderreisebetts stellt nach Auffassung der Kammer keinen Umstand dar, der die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lässt.
(1)
39 
Allerdings sind Eigentumsdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers regelmäßig geeignet, insbesondere eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG, 11.12.2003, 2 AZR 36/03, NZA 2004, 486 bis 488; AP Nr. 179 zu § 626 BGB).
(2)
40 
Dadurch, dass der Kläger das Kinderreisebett in seinen PKW verbracht hat, hat er den objektiven Tatbestand des § 242 StGB erfüllt. Denn das Kinderreisebett steht im Eigentum der Beklagten. Durch das Bereitstellen von Abfällen ergeht ein Angebot zur Eigentumsübertragung an den Abfallbeseitiger (Quack in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004, § 959 RZ 6).
41 
Zwar ist der Beklagten vorliegend kein materieller Schaden entstanden, da das Bett unmittelbar der Abfallentsorgung zugeführt worden wäre. Doch selbst ein Diebstahl einer geringwertigen Sache mit nur geringfügiger Schädigung des Arbeitgebers (so genanntes „Bagatelldelikt“) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen für die Kammer keine Veranlassung besteht, ebenfalls als Grund für eine (sogar außerordentliche) Kündigung objektiv geeignet (vgl. BAG, 11.12.2003, a.a.O.).
42 
Die Kammer sieht aus diesem Grund in der Handlung des Klägers, auch ohne dass der Beklagten ein finanzieller Schaden entstanden ist, eine Vertragspflichtverletzung.
(3)
43 
Über die Frage, ob bei geringfügigen Eigentumsdelikten, durch die der Arbeitgeber nicht wesentlich geschädigt wird, eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erforderlich ist, besteht zwar ein Meinungsstreit ( vgl. Schaub, NZA 1997, 1185, 1186). Die Frage, ob vorliegend vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich war, und die weitergehende Frage, ob eine einschlägige Abmahnung vorliegt, kann jedoch mangels Verhältnismäßigkeit der Kündigung dahinstehen.
44 
Von zwei einschlägigen Abmahnungen konnte die Kammer hingegen nicht ausgehen: Der Vorfall betreffend die „PET“-Flaschen umfasst keinen Diebstahlsvorwurf, auch nicht in Form des versuchten Diebstahls. Die hierzu durch die darlegungsbelastete Beklagte unterbreiteten Tatsachen genügen für die Annahme eines solchen Vorfalls nicht, da lediglich davon die Rede ist, dass der Kläger Flaschen aus dem „Gelben Sack“ entnommen und diese in seinem Zwischenlager „deponiert“ habe. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob die zusammen mit der Abmahnung überreichte Aktennotiz das Verbot enthält, Pfandflaschen aus dem Gelben Sack mitzunehmen und für den Eigenbedarf zu benutzen.
45 
Auch der Vortrag betreffend die Kommunikation des „Wegnahmeverbots“ im Rahmen der Betriebsversammlung im Jahr 2005 konnte nicht zu Gunsten der Beklagten verwertet werden, da diese nicht darlegen konnte, dass der Kläger die Anweisung vernommen hat. Allein seine Anwesenheit auf der Versammlung genügt hierfür nicht.
46 
Ferner war der Vortrag der Beklagten, das Wegnahmeverbot und die Aufklärung über die Eigentumsverhältnisse im Betrieb der Beklagten seien dem Kläger durch Herrn A. mehrfach mitgeteilt worden, mangels näherer Angaben zu Zeit, Ort und Umständen zu unsubstantiiert, um einer Beweisaufnahme zugänglich zu sein.
(4)
47 
Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ist auch bei der Prüfung einer verhaltensbedingten Kündigung abschließend zu untersuchen, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand überwiegt (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, BAG, 24.06.2004, NZA 2005, 158-161; Dörner in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Auflage 2007, § 1 Rz. 274, m.w.N.). Die Frage, welche Umstände im Einzelfall wesentlich sind, orientiert sich dabei an der konkreten Vertragspflichtverletzung.
(aa)
48 
Zu Gunsten des Arbeitnehmers sind im allgemeinen folgende Umstände zu berücksichtigen:
49 
- Zunächst die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Diese ist bei der Interessenabwägung grundsätzlich zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG, 16.10.1986, 2 AZR 695/85; Juris). Entscheidend ist vor allem, wie lange das Arbeitsverhältnis störungsfrei verlaufen ist. Hat sich der Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits Vertragspflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen, verliert eine längere Betriebszugehörigkeitsdauer an Gewicht, ferner bei schweren Vertragspflichtverletzungen.
50 
- Da auch Unterhaltspflichten das Gewicht des Interesses des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes beeinflussen, sind sie nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht, von der abzuweichen für die Kammer keine Veranlassung bestand, grundsätzlich in die Interessenabwägung mit einzubeziehen (vgl. BAG, 27.02.1997, 2 AZR 302/96, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969, verhaltensbedingte Kündigung).
51 
- Ferner können zu Gunsten des Arbeitnehmers auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden (Griebeling in: KR, 8. Auflage 2007, § 1 Rz. 411). Insbesondere die Gefahr lang andauernder Arbeitslosigkeit ist für den Arbeitnehmer von Gewicht. Bei schweren Vertragspflichtverletzungen mit hohem Verschuldensgrad tritt die Bedeutung personenbezogener Gesichtspunkte allerdings in den Hintergrund.
52 
- Auch ist ein Verbotsirrtum grundsätzlich zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Denn ein solcher ist geeignet, den Verschuldensvorwurf zu relativieren, selbst dann, wenn er für den Arbeitnehmer vermeidbar war (BAG 14.02.1996, 2 AZR 274/95, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung).
53 
- Schließlich ist zu Gunsten des Arbeitnehmers ein eventuelles Mitverschulden des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Steht dem Pflichtverstoß des Arbeitnehmers eine entsprechende Pflichtverletzung des Arbeitgebers gegenüber, ist dieses Mitverschulden zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG, 20.01.1994, 2 AZR 521/93, AP BGB § 626 Nr. 115). Falls sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers angesichts des Verschuldens des Arbeitgebers als nicht zu gravierend darstellt, kann das Bestandschutzinteresse überwiegen.
(bb)
54 
- Für den Arbeitnehmer nachteilig wirken sich hingegen unter anderem das Gewicht der Vertragspflichtverletzungen und die Schwere des Verschuldens aus. Ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber zumutbar ist, hängt maßgeblich von der Intensität des vertragspflichtwidrigen Verhaltens (Beharrlichkeit und Häufigkeit) und vom Grad des Verschuldens ab. Mit der Häufigkeit einschlägiger Abmahnungen steigt die Wiederholungsgefahr und in der Regel auch das Verschulden des Arbeitnehmers. Durch ein vertragswidriges Verhalten aufgetretene Betriebsablaufstörungen sind im Rahmen der Interessenabwägung noch zusätzlich belastend für den Arbeitnehmer zu berücksichtigen (BAG,17.01.1991, 2 AZR 375/90, AP KSchG 1969 § 1 verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25). Zum Nachteil des Arbeitnehmers könne nur tatsächlich eingetretene konkrete Störungen, wozu auch von ihm verursachte Vermögensschäden des Arbeitgebers zu zählen sind, herangezogen werden; darauf, ob es sich um erhebliche Störungen handelt, kommt es nicht an, da diese keinen bestimmten Grad der Intensität erreichen müssen, um im Rahmen der Interessenabwägung für den Arbeitnehmer zusätzlich belastend zu sein.
55 
Die spezielle Frage, ob eine Eigentumsverletzung geringfügig oder schwer ist, beurteilt sich unter anderem nach der Stellung des Arbeitnehmers, der Art der entwendete Ware und den besondere Verhältnissen des Betriebs. Weitere bei der Prüfung der Schwere der vorliegenden Vertragsverletzung bedeutsame Kriterien sind der Anlass sowie die Art und Weise der Tatbegehung und ob der Arbeitnehmer in Ausübung der geschuldeten Tätigkeit handelt (Fiebig in: Fiebig/Gallner u.a., Handkommentar zum Kündigungsschutzrecht, 3. Auflage 2007, § 1 KSchG, Rz. 426 a.E.).
56 
- Ferner darf zu Lasten des Arbeitnehmers seitens des Arbeitgebers berücksichtigt werden, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht (BAG, 24.10.1996, 2 AZR 900/95; Juris). Allerdings stellt die Kündigung kein Disziplinierungsmittel gegenüber der Belegschaft dar, wenn auch im Einzelfall Gesichtspunkte der Betriebsdisziplin bei der Interessenabwägung eine Rolle spielen können (BAG, 04.06.1997, 2 AZR 526/96, AP BGB § 626 Nr. 137).
(cc)
57 
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze gelangte die Kammer zu dem gefundenen Ergebnis wie folgt:
58 
Zu Gunsten der Beklagten hat die Kammer folgende Aspekte gewürdigt:
59 
Zunächst unterstellt die Kammer, dass es, entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten, tatsächlich zu dem Vorfall betreffend „Toilettenpapier“ und dem daraufhin behaupteten Abmahnungsgespräch im Dezember 2007 gekommen ist. Dann hätte der Kläger aber wissen können beziehungsweise müssen, dass es sich bei dem vom Kläger zu bearbeitenden Abfall um Eigentum der Beklagten handelt und darüber hinaus, dass die Wegnahme bzw. Mitnahme von Gegenständen nicht erlaubt ist beziehungsweise zur fristlosen Kündigung führen kann. Angesichts der insoweit (unterstellten) einschlägigen Abmahnung stellt sich die erneute Entnahme von zur Entsorgung vorgesehener Gegenstände, vorliegend des Kinderreisebetts, als durchaus beharrliches vertragspflichtwidriges Verhalten dar. Daneben sieht die Kammer auf Seiten der Beklagten den Wunsch nach einer generalpräventiven „Abschreckungswirkung“: Der Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Kläger soll der Aufrechterhaltung der Betriebsdisziplin und der Abschreckung in ähnlich gelagerten Fälle dienen.
60 
Zu Lasten des Klägers wurde auch gewertet, dass er, jedenfalls nach dem Sachvortrag der Beklagten, im Juli 2007 PET-Flaschen gesammelt und diese in seinem „Zwischenlager“ deponiert hat und deshalb das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit jedenfalls nicht störungsfrei verlaufen ist.
61 
Schließlich hat der Kläger bei der Wegnahme des Kinderbetts auch in Ausübung seiner Tätigkeit gehandelt.
62 
Jedoch wirkten sich die vorgenannten Argumente im Ergebnis nach Auffassung der Kammer nicht dahingehend aus, dass das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die gewichtigen, nachfolgend genannten Argumente, welche für die Weiterbeschäftigung des Klägers sprechen, zu überwiegen vermag.
63 
Entscheidend für die Beurteilung durch die Kammer war der geringe Grad des Verschuldens des Klägers bei der Tatausübung. Angesichts dessen, dass im Betrieb der Beklagten noch brauchbare Gegenstände von den Mitarbeiter mitgenommen werden dürfen, sofern sie vorher nachfragen und, wenn nichts dagegen spricht, die Erlaubnis auch regelmäßig erteilt wird, wird der Inhalt der von der Beklagten bezüglich des Vorfalls „Toilettenpapier“ vorgetragenen Abmahnung in erheblichem Maße relativiert. Einerseits besteht die vorgenannte betriebliche Übung der „Erlaubnisfähigkeit“ der Mitnahme von zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen, andererseits wird im Rahmen der (behaupteten) Abmahnung erklärt, jegliche Mitnahme von dem Abfall zugehörigen Gegenständen stelle einen Diebstahl dar.
64 
Die Kammer geht deshalb davon aus, dass der Kläger sich aufgrund der jedenfalls nicht eindeutigen betrieblichen Regelung bei der Entnahme des Kinderreisebetts in einem schuldmindernden Verbotsirrtum bezüglich der Rechtswidrigkeit beziehungsweise Strafbarkeit seines Handelns befand, selbst wenn das von der Beklagten behauptete Abmahnungsgespräch tatsächlich stattgefunden haben sollte.
65 
Dafür, dass der Kläger bei der Tatbegehung kein Unrechtsbewusstsein hatte, spricht nach Ansicht des Gerichts auch, dass er die Tat nicht „heimlich“, sondern vor den Augen seiner Arbeitskollegen ausgeübt hat, indem er das Kinderreisebett auseinander geklappt, wieder zusammengebaut und in seinen PKW verbracht hat und dabei stets wusste, dass der entsprechende Vorgang von der Videokamera vollumfänglich aufgezeichnet wird.
66 
Die Beklagte hat auf ausdrückliche Nachfragen des Gerichts nicht dargetan, dass es dem Kläger untersagt worden wäre, das Kinderreisebett an sich zu nehmen, wenn er zuvor gefragt hätte. Mit anderen Worten: Hätte der Kläger den Geschäftsführer vorher gefragt, hätte angesichts der „betrieblichen Übung“ bei der Vergabe von noch gebrauchsfähigen, jedoch zur Entsorgung vorgesehenen Gegenständen ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der entsprechenden Erlaubnis bestanden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Tat des Klägers in überwiegendem Maße als Verletzung einer betrieblichen Ordnungsnorm und nur im geringen Maße als Verletzung des Eigentums der Beklagten dar.
67 
Verstärkt wird diese Einschätzung dadurch, dass das Kinderreisebett für die Beklagte keinerlei Restwert mehr hatte, sondern ohne weitere Zwischenschritte der Entsorgung zugeführt worden wäre.
68 
Die Kammer sieht deshalb in der vorliegenden Fallkonstellation eine Parallelität zur Frage des Verhältnisses von Nebentätigkeitsverbot und Nebentätigkeit, die ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübt wird. Im Falle eines Erlaubnisvorbehalts ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Aufnahme einer Nebentätigkeit willkürlich zu verwehren. Sofern keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu erwarten ist, hat der Arbeitnehmer vielmehr Anspruch auf Erteilung der Zustimmung (BAG, 21.09.1999, 9 AZR 759/98, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 6 = EZA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 3 m.w.N.).
69 
Ferner spricht zum einen für das gefundene Ergebnis, dass auch das Gewicht der Vertragspflichtverletzung dadurch gemindert wird, dass der Kläger als Hofarbeiter keine Vertrauensstellung innehat, zum anderen die bereits oben gewürdigte Tatsache, dass das entwendete Reisebett unmittelbar nach der Wegnahme durch den Kläger vernichtet worden wäre.
70 
Für das Bestandsschutzinteresse des Klägers spricht auch, dass er im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ca. 8 ½ Jahre bei der Beklagten beschäftigt ist. Davon verliefen jedenfalls sieben Jahre beanstandungsfrei. Diesen Zeitraum wertete die Kammer bei der von ihr vorzunehmen Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers.
71 
Zu Gunsten des Klägers waren auch dessen Unterhaltspflichten gegenüber zwei kleinen Kindern und seiner Ehefrau zu berücksichtigen. Zwar hat sich der Kläger nicht darauf berufen, seine schlechte finanzielle Lage sei das bestimmende Motiv für die Tat gewesen. Doch ist die Kammer der Auffassung, dass angesichts dessen, dass der Kläger das Kinderreisebett für sein eigenes Kind im Alter von damals ca. 12 Monaten nutzen wollte, verbunden mit dem bereits festgestellten, mangelnden Unrechtsbewusstsein, die Unterhaltspflichten Berücksichtigung finden müssen.
72 
Schließlich besteht angesichts der derzeit herrschenden Wirtschaftslage in der Bundesrepublik Deutschland, die sich bereits nachteilig auf den Arbeitsmarkt niederschlägt, die Gefahr, dass der Kläger für einen als lang anzusehenden Zeitraum arbeitslos sein wird. Auch dieses Kriterium sah die Kammer als ein sich zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirkendes Kriterium an.
2.
73 
Da die in Rede stehende fristlose beziehungsweise hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten unwirksam ist, ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger in arbeitsvertragsgemäßer Weise bis zur Rechtskraft dieses Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
74 
Ausgehend von dem Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 (GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht), dessen Inhalt als bekannt vorausgesetzt wird und von dem abzuweichen die Kammer keine Veranlassung hat, ist der Weiterbeschäftigungsantrag begründet.
75 
Umstände, aufgrund derer trotz Obsiegens des Klägers mit der Kündigungsschutzklage die Interessen der Beklagten daran, den Kläger bis auf Weiteres nicht zu beschäftigen, gewichtiger erscheinen, als diejenigen des Klägers, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterbeschäftigt zu werden, sind nicht ersichtlich.
76 
Es war deshalb zu entscheiden wie geschehen.
III.
1.
77 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Soweit der Kläger den allgemeinen Feststellungsantrag gemäß § 269 ZPO zurückgenommen hat, ist dies angesichts des vollen Obsiegens des Klägers gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht von Belang, weshalb die Beklagte in vollem Umfang die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
2.
78 
Der Streitwert war nach Maßgabe der § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 42 IV S. 1 GKG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes für den Kündigungsschutzantrag festzusetzen.
79 
Der Weiterbeschäftigungsantrag wurde im Wege der Schätzung ebenfalls mit einem Bruttomonatsverdienst in Ansatz gebracht.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.

(2) Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten Rechts sowie für Betriebe, die von einer öffentlichen Verwaltung geführt werden, soweit sie wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.