Arbeitsrecht: Sonderkündigungsschutz bei Unkenntnis der Schwerbehinderung eines Arbeitsnehmers

bei uns veröffentlicht am29.10.2011
Zusammenfassung des Autors
Arbeitnehmer muss nach Zugang der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist das Bestehen des Sonderkündigungsschutzes geltend machen-BAG vom 09.06.11-Az:2 AZR 703/09
Das BAG hat mit dem Urteil vom 09.06.2011 (Az: 2 AZR 703/09) folgendes entschieden:

Hat der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers oder dessen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch keine Kenntnis, muss der Arbeitnehmer, wenn er sich den Kündigungsschutz gemäß §§ 85 ff. SGB IX erhalten will, nach Zugang der Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist, die regelmäßig drei Wochen beträgt, gegenüber dem Arbeitgeber das Bestehen des Sonderkündigungsschutzes geltend machen. Diese Anforderung trägt dem Verwirkungsgedanken (§ 242 BGB) Rechnung und ist aus Vertrauensschutzgesichtspunkten gerechtfertigt.

Eine Einschränkung der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich auf den Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, ist unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung aber nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber tatsächlich schutzbedürftig ist. Hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vor Zugang der Kündigung mitgeteilt, er habe bei einem bestimmten Versorgungsamt einen Antrag auf "Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung" gestellt, muss der Arbeitgeber mit der Möglichkeit rechnen, dass die Kündigung der Zustimmung des Integrationsamts bedarf.

Mit einem vor Zugang der Kündigung erfolgten Hinweis auf einen Antrag auf Feststellung einer (Schwer-)Behinderung ist der Arbeitgeber hinreichend in die Lage versetzt, sich auf einen möglichen Schutztatbestand einzurichten, insbesondere im Fall der beabsichtigten Kündigung vorsorglich die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen. Näherer Angaben wie etwa der Mitteilung, wann der Antrag beim Versorgungsamt eingegangen ist, oder des Aktenzeichens des dortigen Vorgangs bedarf es dazu grundsätzlich nicht.


Tatbestand:

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die Beklagte betreibt in C ein Steuerberatungsbüro. In S unterhielt sie eine Zweigstelle/Beratungsstelle.

Der Kläger, der über keinen Abschluss als Steuerberater verfügt, war seit Oktober 1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Ihm oblag die Bearbeitung der laufenden Geschäfte der Zweigstelle. Außerdem war er „fachlicher Ansprechpartner“ der in S eingesetzten Arbeitnehmer der Beklagten.

Seit August 2006 war der Kläger arbeitsunfähig. Am 2. Januar 2007 beantragte er beim Amt für Familie und Soziales - Versorgungsamt - der Stadt C rückwirkend ab dem 27. September 2006 „die Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises“.

Im Februar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Juli 2007 wegen Schließung der Zweigstelle. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Mit außergerichtlichem Schreiben vom 7. März 2007 teilte sein Prozessbevollmächtigter der Beklagten - unter Hinweis auf die ihm vorliegende Kündigung und die bereits eingereichte Klage - „der Vollständigkeit halber“ mit, dass der Kläger beim Versorgungsamt C „einen Antrag auf Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung“ gestellt habe. Eine Entscheidung liege noch nicht vor.

Mit Bescheid vom 21. März 2007 stellte das Versorgungsamt die Schwerbehinderung des Klägers mit einem GdB von 100 rückwirkend ab dem 27. September 2006 fest.

Am 16. April 2007 fand in dem Kündigungsschutzprozess die Güteverhandlung statt. Ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers dabei nähere Angaben zu dem Antrag beim Versorgungsamt und zum Stand des Verfahrens machte, ist zwischen den Parteien streitig. Die Verhandlung endete mit dem Abschluss eines für den Kläger bis zum 30. April 2007 widerruflichen Vergleichs, der hinsichtlich einer vereinbarten Abfindung eine Ratenzahlung vorsah.

Am 27. April 2007 suchte der Kläger die Beklagte in S auf und begehrte die Zahlung der zugesagten Abfindung in einer Summe. Das lehnte die Beklagte ebenso ab wie eine vom Kläger alternativ geforderte Sicherheitsleistung. Daraufhin widerrief der Kläger den Vergleich. Seine Kündigungsschutzklage nahm er später zurück.

Die Beklagte erstattete nach dem Gespräch gegen den Kläger Strafanzeige mit der Begründung, der Kläger habe versucht, sie zu nötigen. Außerdem kündigte sie das Arbeitsverhältnis - ohne Zustimmung des Integrationsamts - mit Schreiben vom 8. Mai 2007 fristlos.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt und geltend gemacht, ein wichtiger Grund liege nicht vor. Zudem sei die Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamts unwirksam. Er habe die Beklagte durch das Schreiben vom 7. März 2007 hinreichend über seine zur Feststellung beantragte Schwerbehinderung unterrichtet. Während der Güteverhandlung im ersten Kündigungsschutzprozess habe sein Prozessbevollmächtigter zudem mitgeteilt, das Antragsverfahren sei abgeschlossen und er - der Kläger - sei „zu 100 % schwer-behindert“.

Der Kläger hat - soweit noch von Bedeutung - beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 8. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die fristlose Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe anlässlich des Gesprächs in S mit unlauteren Mitteln versucht, sie zum Eingehen auf seine Forderungen betreffend die Abfindungszahlung zu bewegen. Außerdem habe er gegen ein bestehendes Verbot verstoßen, Abschriften aus Handakten und Mandantenunterlagen zu fertigen. Ein sonstiger Unwirksamkeitsgrund liege nicht vor. Der Kläger habe das Recht, sich auf einen besonderen Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, verwirkt. Er habe sich gegenüber der Kündigung vom 8. Mai 2007 - unstreitig - erstmals im Gütetermin vom 14. Juni 2007 auf seine Schwerbehinderung berufen. Das Schreiben vom 7. März 2007 habe ihr keine ausreichende Kenntnis der Möglichkeit des Bestehens einer Schwerbehinderung verschafft. Es fehle an der Mitteilung des Datums der Antragstellung und des Aktenzeichens des beim Versorgungsamt bearbeiteten Vorgangs. Im Gütetermin des Vorprozesses habe sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht in der Lage gesehen, hierzu nähere Angaben zu machen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet. Die fristlose Kündigung vom 8. Mai 2007 ist nach § 134 BGB nichtig. Die Kündigung bedufte gemäß § 91 Abs. 1, § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Daran fehlt es.

Der Kläger hat gegen die Kündigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 4 Satz 1 KSchG binnen Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage erhoben. Dass er sich erst nach Ablauf dieser Frist auf seine Schwerbehinderung und einen daraus resultierenden Unwirksamkeitsgrund berufen hat, ist mit Blick auf die Klageerhebungsfrist unschädlich; er hat die erforderliche Rüge ordnungsgemäß (§ 6 KSchG) innerhalb des ersten Rechtszugs nachgeholt.

Dem Kläger stand im Kündigungszeitpunkt der Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX zu.

Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Das gilt uneingeschränkt auch für die außerordentliche Kündigung, § 91 Abs. 1 SGB IX.

Allerdings findet das Zustimmungserfordernis nach § 90 Abs. 2a SGB IX dann keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. Das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes setzt damit grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entweder die Schwerbehinderung bereits anerkannt (oder eine Gleichstellung erfolgt) ist oder die Stellung des Antrags auf Anerkennung der Schwerbehinderung (bzw. auf Gleichstellung) mindestens drei Wochen zurückliegt.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat das Versorgungsamt am 21. März 2007 - und damit vor Zugang der fristlosen Kündigung - die Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad von 100 festgestellt.

Der Kläger musste die Beklagte nicht binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung vom 8. Mai 2007 auf seine Anerkennung als schwerbehinderter Mensch hinweisen, um sich den besonderen Kündigungsschutz zu erhalten.

Ist der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt bereits als schwerbehinderter Mensch anerkannt, steht ihm der Kündigungsschutz gemäß §§ 85 ff. SGB IX nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft oder dem Anerkennungsantrag nichts wusste. Das ergibt sich schon daraus, dass § 85 iVm. § 2 SGB IX mit der „Schwerbehinderung“ ohnehin auf einen objektiven Grad der Behinderung und nicht auf dessen behördliche Feststellung abstellt.

Gleichwohl trifft den Arbeitnehmer - sowohl im Fall der außerordentlichen als auch der ordentlichen Kündigung - bei Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung bzw. der Antragstellung die Obliegenheit, innerhalb einer angemessenen Frist - die in der Regel drei Wochen beträgt - auf den besonderen Kündigungsschutz hinzuweisen. Dies trägt dem Verwirkungsgedanken (§ 242 BGB) Rechnung und ist aus Gründen des Vertrauensschutzes gerechtfertigt. Der Arbeitgeber, der keine Kenntnis von dem bestehenden oder möglichen Schutztatbestand hat, hat keinen Anlass, eine behördliche Zustimmung zur Kündigung einzuholen. Je nach dem Stand des Verfahrens beim Versorgungsamt ist ihm dies sogar unmöglich. Das Erfordernis, sich zeitnah auf den besonderen Kündigungsschutz zu berufen, ist geeignet, einer Überforderung des Arbeitgebers vorzubeugen. Dieser müsste anderenfalls vor Kündigungen stets vorsorglich einen Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamt stellen, damit nicht der besondere Schutztatbestand ggf. erst nach längerer Prozessdauer offenbar wird. Das Erfordernis trägt zugleich dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung.

Eine Einschränkung der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich auf den Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, ist aber nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber tatsächlich schutzbedürftig ist. Das ist hier nicht der Fall.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment). Der Gläubiger muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr wahrnehmen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Bedürfnis nach Vertrauensschutz auf Seiten des Verpflichteten das Interesse an der Rechtsausübung auf Seiten des Berechtigten derart überwiegen, dass ersterem die Erfüllung seiner Verpflichtung nicht mehr zuzumuten ist.

Danach kann der Arbeitgeber regelmäßig keinen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen, wenn er die Schwerbehinderung oder den Antrag vor Ausspruch der Kündigung kannte und deshalb mit dem Zustimmungserfordernis rechnen musste. Der Arbeitgeber ist auch dann nicht schutzbedürftig, wenn die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers offenkundig ist und er deshalb auch ohne Kenntnis von Anerkennung oder Antragstellung Anlass hatte, vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung zu beantragen.

Gemessen hieran sind die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht er- füllt. Der Beklagten war durch das Schreiben des Klägers vom 7. März 2007 die Antragstellung beim Versorgungsamt bekannt. Sie musste mit einer Anerkennung des Klägers als schwerbehinderter Mensch und damit der Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung vom 8. Mai 2007 rechnen. Weitergehender Informationen bedufte sie nicht. Insbesondere war der Kläger nichtverpflichtet, ihr das Datum der Antragstellung mitzuteilen oder seine Schwerbehinderung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung durch Vorlage des Feststellungsbescheids nachzuweisen.

Das Schreiben vom 7. März 2007 war geeignet, der Beklagten die er- forderliche Kenntnis von der Möglichkeit des Bestehens einer Schwerbehinderung des Klägers zu vermitteln.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Der Antrag auf Feststellung einer „Behinderung“ schließt, da die Versorgungsämter die Behinderung von Amts wegen festzustellen haben, die Feststellung einer Schwerbehinderung iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX ein. Darüber hinaus bedarf es - soweit die Schwerbehinderung nicht ohnehin offensichtlich ist - einer (förmlichen) Feststellung der Behinderung und ihres Grades nach § 69 SGB IX nur für die Inanspruchnahme der besonderen Hilfen zur Teilhabe Schwerbehinderter am Arbeitsleben und für einen Nachteilsausgleich nach Teil 2 SGB IX. Dazu zählt auch der besondere Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX.

Die Beklagte hat die Mitteilung ersichtlich zunächst so verstanden, dass sich der Antrag des Klägers (auch) auf die Feststellung einer Schwerbehinderung bezog. Sie hat behauptet, ihr Prozessbevollmächtigter habe sich im Gütetermin vom 16. April 2007 nach dem Datum der Antragstellung und dem Aktenzeichen des Vorgangs erkundigt. Diese Fragen zielten erkennbar darauf, die Relevanz der Antragstellung für die Wirksamkeit der ersten (ordentlichen) Kündigung mit Blick auf vom Kläger einzuhaltende Fristen (§ 90 Abs. 2a iVm. § 69 Abs. 2 SGB IX) abzuklären. Wäre die Beklagte im Zweifel darüber gewesen, ob sich der Antrag auch auf die Feststellung einer Schwerbehinderung bezog, hätte sie dies aller Wahrscheinlichkeit nach zum Ausdruck gebracht.

Ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Gütetermin vom 16. April 2007 in der Lage war, nähere Auskünfte zum Antragsverfahren zu erteilen, kann offenbleiben. Selbst wenn dies - wie die Beklagte behauptet - nicht der Fall gewesen sein sollte, war daraus nicht abzuleiten, die Angaben im Schreiben vom 7. März 2007 entbehrten jeglicher Grundlage. Wenn die Beklagte dies dennoch tat, handelte sie auf eigenes Risiko.

Die Beklagte war aufgrund der Angaben im Schreiben vom 7. März 2007 ausreichend in die Lage versetzt, zumindest vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung zu beantragen. Nach § 87 Abs. 1 SGB IX ist der Zustimmungsantrag schriftlich bei dem für den Sitz des Betriebes zuständigen Integrationsamt anzubringen. Dabei ist anzugeben, ob das Arbeitsverhältnis ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden soll, und sind die Gründe der Kündigung einschließlich des in Auge gefassten Kündigungstermins zu benennen. Darüber hinaus sind Angaben zur Person des Betroffenen wie Name und Anschrift erforderlich. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, konkrete Angaben zu einem bestimmten Feststellungsantrag des Arbeitnehmers zu machen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Zustimmungsbedürftigkeit der beabsichtigten Kündigung hat das Integrationsamt nach § 20 Abs. 1 SGB X von Amts wegen aufzuklären. Dabei haben sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer mitzuwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben (§ 21 Abs. 2 SGB X).

Zu Unrecht meint die Beklagte, der Mitteilung des Datums der Antragstellung habe es bedurft, um ihr eine Überprüfung der Relevanz der Antragstellung mit Blick auf die Frist des § 90 Abs. 2a SGB IX zu ermöglichen.

Allerdings ist der Zeitpunkt der Antragstellung durchaus von Bedeutung. Ist die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers im Kündigungszeitpunkt noch nicht festgestellt, sondern ist lediglich ein entsprechender Antrag gestellt, besteht der Sonderkündigungsschutz nur, wenn der Arbeitnehmer den Antrag so frühzeitig gestellt hat, dass eine Entscheidung bei Ausspruch der Kündigungbinnen der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX möglich gewesen wäre. Hat demnach der Arbeitnehmer seinen Antrag nicht mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt und liegt im Kündigungszeitpunkt auch noch kein Bescheid vor, der seine Schwerbehinderung feststellt, kann er keinen besonderen Kündigungsschutz beanspruchen. Aus diesem Grund wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, der Arbeitnehmer, der sich nach Ausspruch der Kündigung auf eine bereits geltend gemachte, aber noch nicht durch Bescheid festgestellte Schwerbehinderung berufe, müsse zugleich die Rechtzeitigkeit der Antragstellung darlegen.

Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen. Im Streitfall kam es auf die Rechtzeitigkeit der Antragstellung schon deshalb nicht an, weil im Kündigungszeitpunkt ein die Schwerbehinderung des Klägers feststellender Bescheid bereits vorlag. Zudem waren seit der Mitteilung vom 7. März 2007 bis zur Kündigung am 8. Mai 2007 mehr als drei Wochen verstrichen.

§ 90 Abs. 2a SGB IX verlangt nicht, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Bescheid über die Schwerbehinderung vorlegt, damit der Sonderkündigungsschutz erhalten bleibt. Ausreichend ist die objektive Existenz eines geeigneten Bescheides, der die Schwerbehinderung nachweist. Der Arbeitgeber, der die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers im Kündigungszeitpunkt nicht kennt, ist ausreichend durch die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Verwirkung geschützt. Bezweifelt er die ihm mitgeteilte Schwerbehinderung oder Antragstellung, kann er die Anerkennung bestreiten und sich auf diese Weise Klarheit verschaffen. Hat der Arbeitnehmer vorprozessual eine Antragstellung behauptet, kann der Arbeitgeber beim Integrationsamt vorsorglich einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung stellen. Erhält er auf seinen form- und fristgerecht gestellten Antrag ein Negativattest, beseitigt dieses, jedenfalls wenn es bestandskräftig ist, die Kündigungssperre.

Darauf, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB vorlag, kommt es nicht an.

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.



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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 20 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 85 Klagerecht der Verbände


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 91 Nachrang der Eingliederungshilfe


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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 21 Beweismittel


(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere 1. Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,2. Be

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 6 Verlängerte Anrufungsfrist


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 90 Aufgabe der Eingliederungshilfe


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 87 Verfahren des Beirats


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Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Juni 2011 - 2 AZR 703/09

bei uns veröffentlicht am 09.06.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. August 2009 - 3 Sa 698/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

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Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. August 2009 - 3 Sa 698/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt in C ein Steuerberatungsbüro. In S unterhielt sie eine Zweigstelle/Beratungsstelle.

3

Der Kläger, der über keinen Abschluss als Steuerberater verfügt, war seit Oktober 1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Ihm oblag die Bearbeitung der laufenden Geschäfte der Zweigstelle. Außerdem war er „fachlicher Ansprechpartner“ der in S eingesetzten Arbeitnehmer der Beklagten.

4

Seit August 2006 war der Kläger arbeitsunfähig. Am 2. Januar 2007 beantragte er beim Amt für Familie und Soziales - Versorgungsamt - der Stadt C rückwirkend ab dem 27. September 2006 „die Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises“.

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Im Februar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Juli 2007 wegen Schließung der Zweigstelle. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Mit außergerichtlichem Schreiben vom 7. März 2007 teilte sein Prozessbevollmächtigter der Beklagten - unter Hinweis auf die ihm vorliegende Kündigung und die bereits eingereichte Klage - „der Vollständigkeit halber“ mit, dass der Kläger beim Versorgungsamt C „einen Antrag auf Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung“ gestellt habe. Eine Entscheidung liege noch nicht vor.

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Mit Bescheid vom 21. März 2007 stellte das Versorgungsamt die Schwerbehinderung des Klägers mit einem GdB von 100 rückwirkend ab dem 27. September 2006 fest.

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Am 16. April 2007 fand in dem Kündigungsschutzprozess die Güteverhandlung statt. Ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers dabei nähere Angaben zu dem Antrag beim Versorgungsamt und zum Stand des Verfahrens machte, ist zwischen den Parteien streitig. Die Verhandlung endete mit dem Abschluss eines für den Kläger bis zum 30. April 2007 widerruflichen Vergleichs, der hinsichtlich einer vereinbarten Abfindung eine Ratenzahlung vorsah.

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Am 27. April 2007 suchte der Kläger die Beklagte in S auf und begehrte die Zahlung der zugesagten Abfindung in einer Summe. Das lehnte die Beklagte ebenso ab wie eine vom Kläger alternativ geforderte Sicherheitsleistung. Daraufhin widerrief der Kläger den Vergleich. Seine Kündigungsschutzklage nahm er später zurück.

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Die Beklagte erstattete nach dem Gespräch gegen den Kläger Strafanzeige mit der Begründung, der Kläger habe versucht, sie zu nötigen. Außerdem kündigte sie das Arbeitsverhältnis - ohne Zustimmung des Integrationsamts - mit Schreiben vom 8. Mai 2007 fristlos.

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Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt und geltend gemacht, ein wichtiger Grund liege nicht vor. Zudem sei die Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamts unwirksam. Er habe die Beklagte durch das Schreiben vom 7. März 2007 hinreichend über seine zur Feststellung beantragte Schwerbehinderung unterrichtet. Während der Güteverhandlung im ersten Kündigungsschutzprozess habe sein Prozessbevollmächtigter zudem mitgeteilt, das Antragsverfahren sei abgeschlossen und er - der Kläger - sei „zu 100 % schwerbehindert“.

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Der Kläger hat - soweit noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 8. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.

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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die fristlose Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe anlässlich des Gesprächs in S mit unlauteren Mitteln versucht, sie zum Eingehen auf seine Forderungen betreffend die Abfindungszahlung zu bewegen. Außerdem habe er gegen ein bestehendes Verbot verstoßen, Abschriften aus Handakten und Mandantenunterlagen zu fertigen. Ein sonstiger Unwirksamkeitsgrund liege nicht vor. Der Kläger habe das Recht, sich auf einen besonderen Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, verwirkt. Er habe sich gegenüber der Kündigung vom 8. Mai 2007 - unstreitig - erstmals im Gütetermin vom 14. Juni 2007 auf seine Schwerbehinderung berufen. Das Schreiben vom 7. März 2007 habe ihr keine ausreichende Kenntnis der Möglichkeit des Bestehens einer Schwerbehinderung verschafft. Es fehle an der Mitteilung des Datums der Antragstellung und des Aktenzeichens des beim Versorgungsamt bearbeiteten Vorgangs. Im Gütetermin des Vorprozesses habe sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht in der Lage gesehen, hierzu nähere Angaben zu machen.

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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Die fristlose Kündigung vom 8. Mai 2007 ist nach § 134 BGB nichtig. Die Kündigung bedurfte gemäß § 91 Abs. 1, § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Daran fehlt es.

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I. Der Kläger hat gegen die Kündigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 4 Satz 1 KSchG binnen Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage erhoben. Dass er sich erst nach Ablauf dieser Frist auf seine Schwerbehinderung und einen daraus resultierenden Unwirksamkeitsgrund berufen hat, ist mit Blick auf die Klageerhebungsfrist unschädlich; er hat die erforderliche Rüge ordnungsgemäß (§ 6 KSchG) innerhalb des ersten Rechtszugs nachgeholt (vgl. BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 395/07 - Rn. 15, BAGE 129, 25; 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84).

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II. Dem Kläger stand im Kündigungszeitpunkt der Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX zu.

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1. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Das gilt uneingeschränkt auch für die außerordentliche Kündigung, § 91 Abs. 1 SGB IX.

18

Allerdings findet das Zustimmungserfordernis nach § 90 Abs. 2a SGB IX dann keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. Das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes setzt damit grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entweder die Schwerbehinderung bereits anerkannt (oder eine Gleichstellung erfolgt) ist oder die Stellung des Antrags auf Anerkennung der Schwerbehinderung (bzw. auf Gleichstellung) mindestens drei Wochen zurückliegt (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 613/06 - Rn. 15, AP SGB IX § 90 Nr. 5 = EzA SGB IX § 90 Nr. 3; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - BAGE 121, 335).

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2. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat das Versorgungsamt am 21. März 2007 - und damit vor Zugang der fristlosen Kündigung - die Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad von 100 festgestellt.

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III. Der Kläger musste die Beklagte nicht binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung vom 8. Mai 2007 auf seine Anerkennung als schwerbehinderter Mensch hinweisen, um sich den besonderen Kündigungsschutz zu erhalten.

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1. Ist der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt bereits als schwerbehinderter Mensch anerkannt, steht ihm der Kündigungsschutz gemäß §§ 85 ff. SGB IX nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft oder dem Anerkennungsantrag nichts wusste. Das ergibt sich schon daraus, dass § 85 iVm. § 2 SGB IX mit der „Schwerbehinderung“ ohnehin auf einen objektiven Grad der Behinderung und nicht auf dessen behördliche Feststellung abstellt(BAG 6. September 2007 - 2 AZR 324/06 - Rn. 24, BAGE 124, 43; 12. Januar 2006 - 2 AZR 539/05 - Rn. 15, AP SGB IX § 85 Nr. 3 = EzA SGB IX § 85 Nr. 5).

22

2. Gleichwohl trifft den Arbeitnehmer - sowohl im Fall der außerordentlichen als auch der ordentlichen Kündigung - bei Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung bzw. der Antragstellung die Obliegenheit, innerhalb einer angemessenen Frist - die in der Regel drei Wochen beträgt - auf den besonderen Kündigungsschutz hinzuweisen (vgl. BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 659/08 - Rn. 16, AP SGB IX § 85 Nr. 8 = EzA SGB IX § 85 Nr. 6; 12. Januar 2006 - 2 AZR 539/05 - zu II 3 b der Gründe, AP SGB IX § 85 Nr. 3 = EzA SGB IX § 85 Nr. 5). Dies trägt dem Verwirkungsgedanken (§ 242 BGB) Rechnung und ist aus Gründen des Vertrauensschutzes gerechtfertigt (BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 16, BAGE 125, 345; 20. Januar 2005 - 2 AZR 675/03 - zu II 3 a der Gründe, AP SGB IX § 85 Nr. 1 = EzA SGB IX § 85 Nr. 3). Der Arbeitgeber, der keine Kenntnis von dem bestehenden oder möglichen Schutztatbestand hat, hat keinen Anlass, eine behördliche Zustimmung zur Kündigung einzuholen. Je nach dem Stand des Verfahrens beim Versorgungsamt ist ihm dies sogar unmöglich. Das Erfordernis, sich zeitnah auf den besonderen Kündigungsschutz zu berufen, ist geeignet, einer Überforderung des Arbeitgebers vorzubeugen. Dieser müsste anderenfalls vor Kündigungen stets vorsorglich einen Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamt stellen, damit nicht der besondere Schutztatbestand ggf. erst nach längerer Prozessdauer offenbar wird. Das Erfordernis trägt zugleich dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung (BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 675/03 - zu II 3 a der Gründe, aaO).

23

3. Eine Einschränkung der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich auf den Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, ist aber nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber tatsächlich schutzbedürftig ist. Das ist hier nicht der Fall.

24

a) Das Rechtsinstitut der Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment). Der Gläubiger muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr wahrnehmen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Bedürfnis nach Vertrauensschutz auf Seiten des Verpflichteten das Interesse an der Rechtsausübung auf Seiten des Berechtigten derart überwiegen, dass ersterem die Erfüllung seiner Verpflichtung nicht mehr zuzumuten ist (BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - Rn. 42, BAGE 121, 289).

25

b) Danach kann der Arbeitgeber regelmäßig keinen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen, wenn er die Schwerbehinderung oder den Antrag vor Ausspruch der Kündigung kannte und deshalb mit dem Zustimmungserfordernis rechnen musste (vgl. BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 659/08 - Rn. 16, AP SGB IX § 85 Nr. 8 = EzA SGB IX § 85 Nr. 6; 6. September 2007 - 2 AZR 324/06 - Rn. 25, BAGE 124, 43). Der Arbeitgeber ist auch dann nicht schutzbedürftig, wenn die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers offenkundig ist und er deshalb auch ohne Kenntnis von Anerkennung oder Antragstellung Anlass hatte, vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung zu beantragen (BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 864/06 - Rn. 15, 20, BAGE 125, 345).

26

c) Gemessen hieran sind die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht erfüllt. Der Beklagten war durch das Schreiben des Klägers vom 7. März 2007 die Antragstellung beim Versorgungsamt bekannt. Sie musste mit einer Anerkennung des Klägers als schwerbehinderter Mensch und damit der Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung vom 8. Mai 2007 rechnen. Weitergehender Informationen bedurfte sie nicht. Insbesondere war der Kläger nicht verpflichtet, ihr das Datum der Antragstellung mitzuteilen oder seine Schwerbehinderung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung durch Vorlage des Feststellungsbescheids nachzuweisen.

27

aa) Das Schreiben vom 7. März 2007 war geeignet, der Beklagten die erforderliche Kenntnis von der Möglichkeit des Bestehens einer Schwerbehinderung des Klägers zu vermitteln.

28

(1) Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Der Antrag auf Feststellung einer „Behinderung“ schließt, da die Versorgungsämter die Behinderung von Amts wegen festzustellen haben, die Feststellung einer Schwerbehinderung iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX ein. Darüber hinaus bedarf es - soweit die Schwerbehinderung nicht ohnehin offensichtlich ist - einer (förmlichen) Feststellung der Behinderung und ihres Grades nach § 69 SGB IX nur für die Inanspruchnahme der besonderen Hilfen zur Teilhabe Schwerbehinderter am Arbeitsleben und für einen Nachteilsausgleich nach Teil 2 SGB IX(vgl. dazu BT-Drucks. 14/5074 S. 98; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 2 Rn. 26). Dazu zählt auch der besondere Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX.

29

(2) Die Beklagte hat die Mitteilung ersichtlich zunächst so verstanden, dass sich der Antrag des Klägers (auch) auf die Feststellung einer Schwerbehinderung bezog. Sie hat behauptet, ihr Prozessbevollmächtigter habe sich im Gütetermin vom 16. April 2007 nach dem Datum der Antragstellung und dem Aktenzeichen des Vorgangs erkundigt. Diese Fragen zielten erkennbar darauf, die Relevanz der Antragstellung für die Wirksamkeit der ersten (ordentlichen) Kündigung mit Blick auf vom Kläger einzuhaltende Fristen (§ 90 Abs. 2a iVm. § 69 Abs. 2 SGB IX)abzuklären. Wäre die Beklagte im Zweifel darüber gewesen, ob sich der Antrag auch auf die Feststellung einer Schwerbehinderung bezog, hätte sie dies aller Wahrscheinlichkeit nach zum Ausdruck gebracht.

30

(3) Ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Gütetermin vom 16. April 2007 in der Lage war, nähere Auskünfte zum Antragsverfahren zu erteilen, kann offenbleiben. Selbst wenn dies - wie die Beklagte behauptet - nicht der Fall gewesen sein sollte, war daraus nicht abzuleiten, die Angaben im Schreiben vom 7. März 2007 entbehrten jeglicher Grundlage. Wenn die Beklagte dies dennoch tat, handelte sie auf eigenes Risiko.

31

bb) Die Beklagte war aufgrund der Angaben im Schreiben vom 7. März 2007 ausreichend in die Lage versetzt, zumindest vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung zu beantragen. Nach § 87 Abs. 1 SGB IX ist der Zustimmungsantrag schriftlich bei dem für den Sitz des Betriebes zuständigen Integrationsamt anzubringen. Dabei ist anzugeben, ob das Arbeitsverhältnis ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden soll, und sind die Gründe der Kündigung einschließlich des in Auge gefassten Kündigungstermins zu benennen. Darüber hinaus sind Angaben zur Person des Betroffenen wie Name und Anschrift erforderlich (vgl. Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 87 Rn. 9; Knittel SGB IX 5. Aufl. § 87 Rn. 5a; Kossens in Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 87 Rn. 2 ff.; jeweils mwN). Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, konkrete Angaben zu einem bestimmten Feststellungsantrag des Arbeitnehmers zu machen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Zustimmungsbedürftigkeit der beabsichtigten Kündigung hat das Integrationsamt nach § 20 Abs. 1 SGB X von Amts wegen aufzuklären. Dabei haben sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer mitzuwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben (§ 21 Abs. 2 SGB X).

32

cc) Zu Unrecht meint die Beklagte, der Mitteilung des Datums der Antragstellung habe es bedurft, um ihr eine Überprüfung der Relevanz der Antragstellung mit Blick auf die Frist des § 90 Abs. 2a SGB IX zu ermöglichen.

33

(1) Allerdings ist der Zeitpunkt der Antragstellung durchaus von Bedeutung. Ist die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers im Kündigungszeitpunkt noch nicht festgestellt, sondern ist lediglich ein entsprechender Antrag gestellt, besteht der Sonderkündigungsschutz nur, wenn der Arbeitnehmer den Antrag so frühzeitig gestellt hat, dass eine Entscheidung bei Ausspruch der Kündigung binnen der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX möglich gewesen wäre. Hat demnach der Arbeitnehmer seinen Antrag nicht mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt und liegt im Kündigungszeitpunkt auch noch kein Bescheid vor, der seine Schwerbehinderung feststellt, kann er keinen besonderen Kündigungsschutz beanspruchen (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 43, BAGE 121, 335). Aus diesem Grund wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, der Arbeitnehmer, der sich nach Ausspruch der Kündigung auf eine bereits geltend gemachte, aber noch nicht durch Bescheid festgestellte Schwerbehinderung berufe, müsse zugleich die Rechtzeitigkeit der Antragstellung darlegen (vgl. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 85 Rn. 37).

34

(2) Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen. Im Streitfall kam es auf die Rechtzeitigkeit der Antragstellung schon deshalb nicht an, weil im Kündigungszeitpunkt ein die Schwerbehinderung des Klägers feststellender Bescheid bereits vorlag. Zudem waren seit der Mitteilung vom 7. März 2007 bis zur Kündigung am 8. Mai 2007 mehr als drei Wochen verstrichen.

35

4. § 90 Abs. 2a SGB IX verlangt nicht, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Bescheid über die Schwerbehinderung vorlegt, damit der Sonderkündigungsschutz erhalten bleibt. Ausreichend ist die objektive Existenz eines geeigneten Bescheides, der die Schwerbehinderung nachweist (BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 395/07 - Rn. 28, BAGE 129, 25). Der Arbeitgeber, der die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers im Kündigungszeitpunkt nicht kennt, ist ausreichend durch die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Verwirkung geschützt. Bezweifelt er die ihm mitgeteilte Schwerbehinderung oder Antragstellung, kann er die Anerkennung bestreiten und sich auf diese Weise Klarheit verschaffen (BAG 11. Dezember 2008 - 2 AZR 395/07 - aaO). Hat der Arbeitnehmer vorprozessual eine Antragstellung behauptet, kann der Arbeitgeber beim Integrationsamt vorsorglich einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung stellen. Erhält er auf seinen form- und fristgerecht gestellten Antrag ein Negativattest, beseitigt dieses, jedenfalls wenn es bestandskräftig ist, die Kündigungssperre (BAG 6. September 2007 - 2 AZR 324/06 - Rn. 15, BAGE 124, 43).

36

IV. Darauf, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB vorlag, kommt es nicht an.

37

V. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    H. Frey    

        

    Nielebock    

                 

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

(1) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

(2) Besondere Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist es, eine Beeinträchtigung nach § 99 Absatz 1 abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(3) Besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern.

(4) Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(5) Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Der Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Im Übrigen gilt § 189 entsprechend.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

(2) Besondere Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist es, eine Beeinträchtigung nach § 99 Absatz 1 abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(3) Besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern.

(4) Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(5) Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

(2) Besondere Aufgabe der medizinischen Rehabilitation ist es, eine Beeinträchtigung nach § 99 Absatz 1 abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder die Leistungsberechtigten soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

(3) Besondere Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben ist es, die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung der Leistungsberechtigten entsprechenden Beschäftigung sowie die Weiterentwicklung ihrer Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit zu fördern.

(4) Besondere Aufgabe der Teilhabe an Bildung ist es, Leistungsberechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Schulbildung und schulische und hochschulische Aus- und Weiterbildung für einen Beruf zur Förderung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(5) Besondere Aufgabe der Sozialen Teilhabe ist es, die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)