Beschluß des VG Münster: 10 L 361/06 vom 26.06.2006 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren: Ablehnung der Anerkennung eines tschechischem Führerscheines

bei uns veröffentlicht am30.03.2007

Rechtsgebiete

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, Straßenverkehrsrecht, Europarecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB

Zum missbräuchlichem Erwerb einer EU-Fahrerlaubnis in Tschechien nach Entziehung in Deutschland hat das VG Münster zum Aktenzeichen 10 L 361/06 am 26.06.2006 den Antrag auf Wiederherstellung der Aufschiebenden Wirkung des Widerspruches abgelehnt.
 
Die Entscheidung lautet:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Ast. trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

G r ü n d e

I.Die Ast. wendet sich gegen die Aberkennung des Rechts, von ihrer polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen zu dürfen.

Am 10. 3. 1983 erwarb die Ast. die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der damaligen Klasse 3. Das AG P. verurteilte die Ast. durch Urteil vom 29. 5. 1985 ( ) wegen Trunkenheit im Straßenverkehr und unerlaubten Entfernes vom Unfallort zu einer Geldstrafe. Gleichzeitig entzog es ihr die Fahrerlaubnis und verhängte eine Sperrfrist von acht Monaten. Die dagegen eingelegte Berufung verwarf das LG P. durch Beschluss vom 28. 11. 1985 ( ).

Nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 5. 3. 1986 entzog das AG U. durch Beschluss vom 12. 10. 1987 ( ) der Ast. vorläufig die Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Straßenverkehr. Auf ihre Beschwerde hob das LG N. den Beschluss auf ( ).

Wegen Trunkenheit im Verkehr (Blutalkoholgehalt mindestens 1,81 ‰) verhängte das AG P. durch Strafbefehl vom 15. 3. 1990 ( ) gegenüber der Ast. eine Geldstrafe und entzog ihr gleichzeitig die Fahrerlaubnis. Das AG erließ eine Sperrfrist vom sieben Monaten.

Im Rahmen ihrer unter dem 8. 10. 1990 beantragten Neuerteilung einer Fahrerlaubnis kam ein von der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde angefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten zu dem Ergebnis, dass zu erwarten sei, dass die Ast. auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss fahren werde. Daraufhin hat die Ast. im Jahr 1991 an einem Kurs für alkoholauffällige Kraftfahrer des Technischen Überwachungsvereins (TÜV) I. e.V. teilgenommen. Durch Verfügung der Stadt P. vom 21. 3. 1991 wurde der Ast. die Fahrerlaubnis der Klasse 3 wieder erteilt.

Wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr (BAK 2,32 ‰) verurteilte das AG U. die Ast. durch Urteil vom 27. 3. 2002 ( ) zu einer Geldstrafe und entzog ihr erneut die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von 6 Monaten.

Den Antrag der Ast. vom 27. 3. 2003 auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis beabsichtigte der Ag. zunächst zu versagen, weil das eingeholte medizinisch-psychologische Gutachten des RWTÜV zu dem Ergebnis kam, dass die Ast. auch in der Zukunft Kraftfahrzeuge unter Alkoholgenuss führen werde. Gleichzeitig sprachen sich die Gutachter für therapeutische Maßnahmen und eine Wiederholungsbegutachtung nach einem halben Jahr aus. Die Ast. teilte mit, den Empfehlungen nachzukommen.

Auf ihren wiederholten Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis vom 14. 2. 2003 und nach einer positiven Prognose durch den TÜV Nord erhielt die Ast. ihre Fahrerlaubnis am 3. 7. 2003 wieder, die ihr jedoch durch Urteil des AG U. vom 22. 12. 2004 ( ) erneut wegen Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,1 ‰) entzogen wurde. Gleichzeitig verhängte das AG eine Sperrfrist von sechs Monaten.

Durch Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes erhielt der Ag. davon Kenntnis, dass die Ast. am 3. 11. 2005 in der Stadt T. (Polen) eine Fahrerlaubnis der Klasse B erhalten hat. Das Kraftfahrtbundesamt teilte ferner mit: „Die Auskünfte aus dem Verkehrszentralregister wie auch aus dem Zentralen Fahrerlaubnisregister wurden erteilt, wobei insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass die Person in Deutschland keine gültige Fahrerlaubnis besitzt und nur auf Grund eines medizinisch/psychologischen Gutachtens eine neue Fahrerlaubnis erhalten könne. Auf einen möglichen Verstoß hinsichtlich des Wohnsitzprinzips wurde bereits hingewiesen. Trotz dieser Hinweise wurde von der Fahrerlaubnisbehörde der Stadt T. der ... Führerschein erteilt.“

Daraufhin ordnete der Ag. gegenüber der Ast. mit Schreiben vom 23. 3. 2006 die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung bis zum 5. 5. 2006 an.

Nach Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens über die Kraftfahreignung der Ast. erkannte der Ag. ihr durch Ordnungsverfügung vom 9. 5. 2005 das Recht ab, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Bereich der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an und drohte der Ast. für den Fall einer nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins spätestens drei Tage nach Zustellung der Ordnungsverfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro an.

Hiergegen hat die Ast. am 18. 5. 2005 Widerspruch erhoben.

Gleichzeitig hat sie am 18. 5. 2006 den vorliegenden Antrag gestellt. Zur Begründung trägt sie vor: Die Verfügung sei offensichtlich rechtswidrig. Sie stelle keine Einzelfallprüfung dar, sondern nur den Versuch, dem Führerscheintourismus entgegen zu steuern, was aber nicht Aufgabe der Verwaltung sei. Da es sich um ein Dokument der Republik Polen handele, widerspreche es dem Souveränitätsprinzip, ihr den Führerschein wegzunehmen. Ferner sei es der Versuch, eine nicht genehme Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) „auf kaltem Wege“ zu unterlaufen. Die Ordnungsverfügung verstoße gegen das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, welches der EuGH wiederholt formuliert habe. Im Ergebnis handele es sich um ein glatte Missachtung der Autorität des EuGH. Führerscheine, egal unter welchen Voraussetzungen sie erworben seien, müssten gleich behandelt werden. Sie nehme seit mehr als sechs Monaten wieder am Straßenverkehr teil und habe sich bewährt.

Die Ast. beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches vom 18. 5. 2006 gegen die Ordnungsverfügung des Ast. vom 9. 5. 2006 wieder herzustellen.

Der Ag. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist er auf den Inhalt der angefochtenen Verfügung. Die Überprüfung der Kraftfahreignung der Ast. verstoße nicht gegen geltendes EU-Recht. Zwar seien die von anderen EU-Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine nach der EuGH-Rechtsprechung anzuerkennen, doch ergebe sich daraus keine Rechtfertigung für diejenigen, denen der Führerschein in Deutschland entzogen worden sei, sich zur Umgehung der medizinisch-psychologischen Untersuchung im europäischen Ausland einen Führerschein zu beschaffen. Die Regelung über die Kraftfahreignung seien für deutsche wie für ausländische Kraftfahrer gleichermaßen anwendbar. Die deutschen Behörden könnten bei Eignungszweifeln die Kraftfahrer in ihrem Hoheitsgebiet und nach ihren nationalen Vorschriften überprüfen. Damit werde die Anerkennung der polnischen EU- Fahrerlaubnis nicht in Frage gestellt. Es müsse zudem davon ausgegangen werden, dass dem EuGH die Dualität des deutschen Maßnahmesystems nicht hinreichend vor Augen gestanden habe. Solange es an einer Harmonisierung der materiellen Voraussetzungen für die Fahrerlaubniserteilung und einem zentralen europäischen Straßenverkehrsregister fehle, sei es nicht sachgerecht, die deutschen Vorschriften des Fahrerlaubnisrechts partiell leer laufen zu lassen. Die gegen die Kraftfahreignung der Ast. bestehenden Zweifel habe diese nicht einmal ansatzweise ausgeräumt.

Nach dem vom Ag. vorgelegten Auszug aus dem Melderegister der Gemeinde X. ist die Ast. seit dem 1. 5. 1994 unter ihrer Anschrift dort mit alleiniger Wohnung gemeldet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Ag. verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Im Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine Interessenabwägung nach summarischer Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmen, soweit diese auf Grund der allein gebotenen summarischen Prüfung zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Ist die angefochtene Ordnungsverfügung danach als offensichtlich rechtmäßig zu beurteilen, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich demgegenüber die Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Interesse der Betroffenen an der Erhaltung der aufschiebenden Wirkung ihres gegen die Ordnungsverfügung eingelegten Widerspruchs. Lässt sich bei summarischer Prüfung weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellen, so ist eine von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung durch das Gericht vorzunehmen.

Die danach gebotene Abwägung zwischen dem Suspensivinteresse der Ast. und dem Vollzugsinteresse des Ag. geht zu Lasten der Ast. aus. Im vorliegenden Fall lässt sich nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, ob die Ordnungsverfügung des Ag. offensichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig ist.

Ein Verstoß gegen Vorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts oder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist - jedenfalls nicht offensichtlich - nicht gegeben.

Gemäß Art. 1 II der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. 7. 1991 über den Führerschein (ABl. Nr. L 237/1) [im folgenden RiL 91/439/EWG] werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine von den übrigen Mitgliedstaaten gegenseitig anerkannt. Ein Mitgliedstaat kann die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, nach Art. 8 IV RiL 91/439/EWG aber ablehnen, wenn auf die Person zuvor eine Maßnahme der Einschränkung, Aussetzung, des Entzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis nach Art. 8 II angewandt wurde. Die nach Art. 12 RiL 91/439/EWG vorzunehmende Umsetzung in innerstaatliches Recht hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) vom 18. 8. 1998 umgesetzt. § 28 I Satz 1 FeV sieht vor, dass Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz i.S. des § 7 I oder 2 in der Bundesrepublik Deutschland haben - vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 -, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen dürfen. Dieser Grundsatz wird für die Ast. jedoch durch § 28 IV FeV eingeschränkt. Nach § 28 IV Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung nicht für Inhaber eines EU-Führerscheins, die zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten oder nach § 28 II Nr. 3 FeV für Fahrerlaubnisinhaber, denen die Fahrerlaubnis im Inland rechtskräftig von einem Gericht entzogen worden ist. Abs. 5 der Vorschrift sieht seit dem 1. 9. 2002 vor, dass dem Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis das Recht, von der EU-Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, auf Antrag erteilt werden kann, wenn die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen.

Ausweislich der zu den Gerichtsakten gereichten Mitteilung der Meldebehörde der Gemeinde X. ist die Ast. seit dem 1. 5. 1994 unter ihrer im Rubrum angegebenen Anschrift mit alleiniger Wohnung gemeldet. Eine Abmeldung in einen anderen EU-Mitgliedstaat, insbesondere im Jahr 2005 in die Republik Polen, ist entgegen § 13 II Meldegesetz nicht erfolgt. Des weiteren ist der Ast. die deutsche Fahrerlaubnis der Klasse B durch Urteil des AG U. vom 22. 12. 2004 ( ) entzogen worden. Gleichzeitig wurde eine Sperrfrist von sechs Monaten verhängt, vor deren Ablauf die Verwaltungsbehörde der Ast. kein neue Fahrerlaubnis erteilen durfte.

Die Anwendung des § 28 IV FeV dieser Vorschrift verstößt - entgegen der Auffassung der Ast. - nicht gegen die Rechtsprechung des EuGH,

vgl. Urteil vom 29. 4. 2004 - Rs. C-476/01 (Kapper), in: EuGHEEuGH-Slg 2004, I-5205 (5252 f., Rn. 78),

wonach „ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht deshalb ablehnen darf, weil im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats auf den Inhaber des Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs oder Aufhebung einer von diesem Staat erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedstaat abgelaufen war, bevor der Führerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden war“ bzw. wonach es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, den Führerschein eines EU-Mitgliedstaates „deshalb nicht anzuerkennen, weil sich sein Inhaber, dem in dem erstgenannten Staat eine vorher erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden war, nicht der nach den Rechtsvorschriften dieses Staates für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach dem genannten Entzug erforderlichen Fahreignungsprüfung unterzogen hat, wenn die mit diesem Entzug verbundene Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis abgelaufen war, als der Führerschein in dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde.“

EuGH, Beschluss vom 6. 4. 2006 - Rs. C-227/05 (Halbritter), zit. nach JURIS (dort Rn. 32).

Zwar war die sechsmonatige Sperrfrist für die Ast. bei Ausstellung ihrer polnischen Fahrerlaubnis am 5. 11. 2005 abgelaufen, doch ist damit nicht gleichzeitig gesagt, dass die zuständige Fahrerlaubnisbehörde desjenigen Mitgliedstaats, in dem sich die Person mit der ausländischen EU-Fahrerlaubnis aufhält, deren Kraftfahreignung in bestimmten Einzelfällen nicht überprüfen darf. Auch wenn die genannten Entscheidungen des EuGH eine solche Sichtweise nahe legen, gilt dies nach der Rechtsprechung desselben Gerichts jedenfalls nicht in solchen Fällen, in denen unter Bezugnahme auf die unmittelbare Anwendung des Gemeinschaftsrechts ein Rechtsmissbrauch betrieben wird. Sowohl der Fall Kapper, bei dem es im Ergebnis um die Frage der Strafbarkeit eines Fahrens ohne (inländische) Fahrerlaubnis ging, als auch der Fall des Kl. Halbritter, der seinen Wohnsitz aus beruflichen Gründen in die Republik Österreich verlegte und dort, nach erfolgreicher mediznisch-psychologischer Untersuchung, eine Fahrerlaubnis erhielt, sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Anders als bei Gültigkeitsurteilen des EuGH entfalten die beiden Auslegungsentscheidungen in den vorgelegten Vorabentscheidungsverfahren Bindungswirkung nur zwischen den an den Ausgangsverfahren Beteiligten und für das vorlegende nationale Gericht.

Vgl. Hakenberg, DRiZ 2000, 345 (347).

Gleichwohl gehen von den Vorabentscheidungen des EuGH auch starke präjudizielle Wirkungen für alle anderen Gerichte aus, so dass man von einer eingeschränkten erga-omnes-Wirkung sprechen kann. Diese greift aber nur bei vergleichbaren Sachverhalten ein. Die Ast. kann sich deshalb nicht auf das Gemeinschaftsrecht, namentlich auf Art. 8 IV RiL 91/439/EWG und dessen Auslegung durch den EuGH berufen, weil objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie hierdurch rechtsmissbräuchlich handelt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein Mitgliedstaat durchaus berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die verhindern sollen, dass sich einige seiner Staatsangehörigen unter Missbrauch der durch das Gemeinschaftsrecht geschaffenen Möglichkeiten der Anwendung des nationalen Rechts entziehen. Die missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist nämlich auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht gestattet.

Vgl. ständige Rechtsprechung des EuGH: für den Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs Urt. vom 3. 12. 1974 - Rs. 33/74 (Van Binsbergen) -, EuGHEEuGH-Slg 1974, 1299 (Rn. 13); Urt. vom 3. 2. 1993 - Rs. C-148/91 (Veronica Omroep Organisatie) -, EuGHEEuGH-Slg 1993, I-487 (Rn. 12); Urt. vom 5. 10. 1994 - Rs. C-23/93 (TV10) - EuGHEEuGH-Slg 1994, I-4795 (Rn. 21); auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit Urt. vom 7. 2. 1979 - Rs. 115/78 (Knoors) -, EuGHEEuGH-Slg 1979, 399 (Rn. 25); Urt. vom 3. 10. 1990 - Rs. C-61/89 (Bouchoucha) -, EuGHEEuGH-Slg 1990, I-3551 (Rn. 14); Urt. vom 9. 3. 1999 - Rs. C- 212/97 (Centros Ltd.) - EuGHEEuGH-Slg 1999, I-1459 (Rn. 24) m.w. Nachw. auch für die Gebiete des freien Warenverkehrs, der sozialen Sicherheit und der Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Danach können die nationalen Gerichte im Einzelfall das missbräuchliche Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihnen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht zu verwehren; sie haben jedoch bei der Würdigung eines solchen Verhaltens die Ziele der fraglichen Bestimmungen zu beachten.

EuGH, Urt. vom 2. 5. 1996 - Rs. C-206/94 (Paletta) -, EuGH 1996, I-2357 (Rn. 24).

Die Feststellung eines Missbrauchs setzt danach voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde.

EuGH, Urt. vom 21. 2. 2006 - Rs. C-255/02 (Halifax plc) -, zit nach curia.eu.int (Rn. 74); vgl. zum Missbrauchsverbot auch Otte/Kühner, NZV 2004, 321 (327).

Im Fall der Ast. liegen objektive Anhaltspunkte vor, die für einen offenen Missbrauch der mit der RiL 91/439/EWG eingeführten gegenseitigen Anerkennung von EU-Führerscheinen sprechen. Der Ast. wurde die Fahrerlaubnis in Deutschland bislang fünfmal wegen Trunkenheit im Straßenverkehr entzogen. Ein weitere vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Straßenverkehr ist nach Einlegung einer Beschwerde rückgängig gemacht worden. Im Laufe der verschiedenen Neubeantragungen haben Gutachter im Rahmen von medizinisch-psychologischen Untersuchungen der Ast. immer wieder eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für alkoholbedingte Verkehrsauffälligkeiten attestiert (RWTÜV vom 12. 12. 1990, S. 7 und vom 5. 9. 2002, S. 13). Selbst der TÜV Nord sprach in seinem Gutachten davon, dass die Rückfallgefahr der Ast. nicht als völlig überwunden gelten könne (TÜVNord vom 30. 6. 2003, S. 12), was sich im weiteren Lebensverlauf der Ast. auch herausstellte. Trotz verschiedener Gespräche und Empfehlungen von Fachleuten sowie trotz Teilnahme an einem Aufbauseminar für alkoholauffällige Kraftfahrer ist die Ast. immer wieder durch alkoholisierte Teilnahme im Straßenverkehr - teils weit über den 1,3 ‰-Bereich hinaus - aufgefallen. Angesichts der verschiedenen zum Teil negativen Gutachten ist es kaum wahrscheinlich, dass die Ast. ohne nachgewiesene Alkoholabstinenz sowie ohne einen nachgewiesenen dauerhaften und regelmäßigen Besuch einer Selbsthilfegruppe, wie ihn der TÜVNord in seinem Gutachten (dort S. 13) empfohlen hatte, ein Gutachten mit einer für sie positiven Prognose in Deutschland erhalten hätte. Dass die polnischen Behörden trotz der Mitteilung dieses Sachverhaltes und ausdrücklichen Hinweises des Kraftfahrtbundesamtes auf die Verkehrsauffälligkeiten der Ast. durch Trunkenheit im Straßenverkehr dieser einer neue Fahrerlaubnis erteilten, deutet eklatant auf eine missbräuchliche Umgehung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften der RiL 91/439/EWG hin. Hierfür spricht auch der Umstand, dass das Kraftfahrtbundesamt auf einen möglichen Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip hingewiesen hat. Der Verdacht eines solchen Verstoßes wird zudem durch die Bescheinigung der Meldebehörde genährt, wonach die Ast. ununterbrochen seit dem 1. 5. 1994 in der Gemeinde X. gemeldet ist. Eine Darlegung, warum sie sich in Polen aufgehalten habe, geschweige denn einen Nachweis, dass sie in Polen einen ordentlichen Wohnsitz i.S. des Art. 9 I RiL 91/439/EWG begründet hatte, d.h. sich mindestens an 185 Kalendertagen in T. (Polen) aufgehalten hat, ist von der Ast. nicht erbracht worden. Diese Gesamtumstände begründen den Verdacht, dass die Ast. sich unter Missbrauch des EU-Rechts und unter Umgehung der in der RiL 91/439/EWG 91/439 enthaltenen Voraussetzungen im Wege eines sog. Führerschein-Tourismus eine neue Fahrerlaubnis in Polen als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft beschafft hat.

Vgl. zu der Werbung deutscher Fahrschulen und Reisveranstalter zum Führerschein-Tourismus in benachbarte EU-Mitgliedstaaten Bräutigam, BAK 2004, S. 441; Ludovisy, DAR 2005, 7 (8); Brenner DAR 2005, 363 (366); Grohmann, BAK 2005, 106 (113).

Die abschließende Aufklärung der damit angesprochenen Tatsachenfragen ist im Eilverfahren jedoch nicht geboten.

Das Ergebnis, dass sich die Ast. auf die RiL 91/439/EWG in der Auslegung des EuGH nicht mit Erfolg berufen kann, steht auch im Einklang mit dem von der RiL 91/439/EWG zur Harmonisierung der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen vorgegebenen Gemeinschaftsziel. Ausweislich der Präambel zum Erlass der RiL 91/439/EWG 91/439 soll die Harmonisierung der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine erfolgen, „um einen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben. ... Aus Gründen der Sicherheit im Straßenverkehr sind Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins festzulegen. ... Ausserdem sollte aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Straßenverkehrs die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat.“ Diesem Ziel entsprechend hat Art. 8 II und 4 nach der Rechtsprechung des EuGH den Zweck, „es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, in ihrem Hoheitsgebiet ihre nationalen Vorschriften über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden.“

EuGH, Urt. vom 29. 4. 2004 - Rs. C- 476/01 (Kapper) -, EuGHEEuGH-Slg 2004, I-5205 (5252 Rn. 73); Beschluss vom 6. 4. 2006 - Rs. C-227/05 (Halbritter) -, zit. nach Juris.

Auch wenn es sich hierbei um eine Ausnahme vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung handelt, die nach dem EuGH eng auszulegen ist, wird die Geltung dieser Vorschrift für Ausnahmefälle vom EuGH gerade bestätigt und nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Vielmehr muss diese „Ausnahmevorschrift“ im Zusammenhang mit dem von der RiL 91/439/EWG verfolgten Zielsetzungen gesehen werden. Diese Zielvorgaben würden aber mit der verfolgten unbedingten Anerkennung der polnischen Fahrerlaubnis für die Ast. durch den Ag. nicht erreicht. Zum einen besteht der o.g. näher begründete Verdacht, dass sich die Ast. nicht in der Republik Polen niedergelassen hat und sie den Erwerb der polnischen Fahrerlaubnis nicht zur Wahrnehmung ihrer Freizügigkeit in Polen benötigte. Zum anderen wird auch das gemeinschaftsrechtlich verfolgte Ziel der Sicherheit des Straßenverkehrs nicht erreicht, geschweige denn verbessert. Selbst unterstellt, die Ast. hätte zwischenzeitlich ihren ordentlichen Wohnsitz in die Republik Polen verlegt, wäre der Ag. nicht gehindert, die innerstaatlichen Bestimmungen „aus Gründen der Verkehrssicherheit“ auf die Ast. anzuwenden, weil sie dann jedenfalls ihren ordentlichen Wohnsitz wieder im Bereich der Bundesrepublik Deutschland begründet hätte.

Eine unbegrenzte Verweigerung der Anerkennung ihrer polnischen Fahrerlaubnis ist damit nicht verbunden. Vielmehr hat es die Ast. nach den vorstehenden Ausführungen selbst in der Hand, von dieser Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch machen zu können.

Nach alledem ist es jedenfalls nicht offensichtlich, dass die Untersagungsverfügung des Ag. rechtswidrig ist. In Anbetracht der im Eilverfahren nicht zu klärenden Tatsachenfragen ist die Rechtmäßigkeit der Verfügung aber genauso wenig offensichtlich.

Die in diesem Fall vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angegriffenen Ordnungsverfügung deutlich gegenüber dem Interesse der Ast., vorläufig vom Sofortvollzug verschont zu bleiben, überwiegt. Die gegen ihre Kraftfahreignung bestehenden gravierenden Zweifel infolge ihrer wiederholten Trunkenheitsfahrten und der fünfmaligen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen erwiesener Trunkenheit im Straßenverkehr hat die Ast. nicht ansatzweise ausgeräumt.

Gemäß § 3 I Satz 2 StVG i.V. mit § 46 Abs. 5 Satz 2 FeV hat die Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis die Wirkung der Aberkennung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Die Ast. hat den polnischen Führerschein an den Ag. herauszugeben, damit dieser einen Sperrvermerk des Inhalts auf der Urkunde anbringen kann, dass von der Fahrerlaubnis innerhalb Deutschlands kein Gebrauch gemacht werden darf.

Vgl. dazu VGH München, Beschluss vom 6. 10. 2005 - 11 CS 05/1505 - in: DAR 2006, 38 (42 f.); VGH Kassel, Beschluss vom 16. 12. 2005 - 2 TG 2511/05 -, in: DAR 2006, 345 (346).

Anschließend wird die im Grundsatz anerkannte polnische Fahrerlaubnis an die Ast. wieder ausgehändigt, da es ihr unbenommen bleibt, von ihrer polnischen Fahrerlaubnis bei einer Niederlassung in der Republik Polen davon Gebrauch zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO.

 

 

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(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

(2) Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis noch als bedingt geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, schränkt die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Bei Inhabern ausländischer Fahrerlaubnisse schränkt die Fahrerlaubnisbehörde das Recht, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, so weit wie notwendig ein oder ordnet die erforderlichen Auflagen an. Die Anlagen 4, 5 und 6 sind zu berücksichtigen.

(3) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.

(4) Die Fahrerlaubnis ist auch zu entziehen, wenn der Inhaber sich als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Rechtfertigen Tatsachen eine solche Annahme, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen. § 11 Absatz 6 bis 8 ist entsprechend anzuwenden.

(5) Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

(6) Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.