Arbeitsrecht: betriebsbedingte Kündigung, freie Unternehmerentscheidung kann vor Kündigungsschutz gehen

bei uns veröffentlicht am25.04.2007
Zusammenfassung des Autors

Konzeptänderung - Unternehmerentscheidung wird nicht auf Zweckmäßigkeit geprüft - Arbeitnehmer - selbständige Unternehmer - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin

Betriebsbedingte Gründe, die eine ordentliche Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz rechtfertigen, liegen vor, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfällt. Das ist u.a. der Fall, wenn der Arbeitgeber den Betrieb reorganisiert und nach dem neuen Konzept die bisherige Tätigkeit nicht mehr anfällt. Die Umgestaltung wird als sog. freie Unternehmerentscheidung von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre organisatorische oder betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit überprüft, sondern allein darauf, ob sie willkürlich oder sonst missbräuchlich erfolgt ist. Entschließt sich der Arbeitgeber, bisher von Arbeitnehmern ausgeübte Tätigkeiten in Zukunft nicht mehr durch Arbeitnehmer, sondern durch selbstständige Unternehmer ausführen zu lassen, entfällt in diesem Umfang das bisherige Beschäftigungsbedürfnis für Arbeitnehmer und ein betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt vor.

Beispielsfall: Ein Arbeitnehmer war bei einem Unternehmen der Städtewerbung als „Moskito-Anschläger“ beschäftigt. Als „Moskitos“ werden Klapprahmen bezeichnet, die z.B. an Schaltkästen im öffentlichen Raum befestigt sind und in die Werbeplakate eingespannt werden. Der Arbeitgeber entschloss sich aus wirtschaftlichen Erwägungen, die Anschläge nicht mehr durch eigene Arbeitnehmer anbringen zu lassen. In einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich war festgelegt, dass den als „Moskito-Anschlägern“ beschäftigten Arbeitnehmern gekündigt und eine Beschäftigung als selbstständige Unternehmer angeboten werden sollte. Der Arbeitnehmer klagte gegen die nach Abschluss des Interessenausgleichs erklärte fristgerechte Kündigung.

Lösung: Die Klage blieb   wie schon in den Vorinstanzen   auch vor dem Bundesarbeitsgericht  (BAG) erfolglos. Die vom Arbeitgeber vorgenommene Neuordnung war nicht willkürlich oder sonst missbräuchlich. Für sie sprachen nachvollziehbare Erwägungen. Die den bisher als Arbeitnehmern beschäftigten „Moskito-Anschlägern“ angebotenen Verträge sind keine Arbeitsverträge. Die nach diesen Verträgen Tätigen unterliegen nicht dem für Arbeitsverhältnisse kennzeichnenden Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Ort und Art und Weise der Arbeitsleistung. Außerdem müssen sie die Leistungen nicht in Person erbringen, sondern können sie auch durch Dritte (z.B. Arbeitnehmer) erbringen lassen (BAG, 2 AZR 1037/06).

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