Kitaplatzklage: 2-jähriges Kind hat keinen Anspruch auf Kitaplatz für acht Stunden täglich

bei uns veröffentlicht am17.09.2013

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Rechtsanspruch auf Förderung umfasst einen bedarfsunabhängigen Grundanspruch für alle Kinder im Umfang von täglich vier Stunden von Montag bis Freitag.
Das VG Stuttgart hat mit dem Beschluss vom 22.08.2013 (Az: 7 K 2688/13) folgendes entschieden:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.


Gründe

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter.

Die am ... 2011 geborene Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, der Antragstellerin ab dem 1.8.2013 ein Platz in einer Tageseinrichtung oder in Kindestagespflege im Umfang von acht Stunden täglich zur Verfügung zu stellen.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ferner sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind in beiden Fällen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO), dass einerseits ein Anspruch glaubhaft gemacht wird, dessen vorläufiger Sicherung die begehrte Anordnung dienen soll (Anordnungsanspruch) und dass andererseits die Gründe glaubhaft gemacht werden, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund).

Ein Anordnungsgrund ist hier nicht glaubhaft gemacht. Die Eltern der Antragstellerin tragen vor, nach der Geburt ihres zweiten Kindes am 12.8.2013 besuche die Antragstellerin an fünf Tagen in der Woche eine private Kindertagesstätte. Damit dürfte der notwendige Betreuungsbedarf der Antragstellerin vorläufig gedeckt sein. Irgendwelche Gründe, die den Wechsel in eine städtische Tageseinrichtung oder die eines freien Trägers bzw. in die Tagespflege erfordern, werden von den Eltern der Antragstellerin nicht geltend gemacht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Antragstellerin ein vorläufiger Verbleib in der privaten Kindertagesstätte zugemutet werden kann, bis über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid entschieden ist.

Im Übrigen bestehen auch Zweifel am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, soweit für die Antragstellerin frühkindliche Förderung im Umfang von acht Stunden täglich beansprucht wird. Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII (in der ab dem 1.8.2013 geltenden Fassung) hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Nach der Verweisung in § 24 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richtet sich der Umfang der täglichen Förderung nach dem individuellen Bedarf (§ 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII). Aus dem Zusammenspiel dieser Regelungen wird gefolgert, der Rechtsanspruch auf Förderung umfasse einen bedarfsunabhängigen Grundanspruch für alle Kinder im Umfang von täglich vier Stunden von Montag bis Freitag. Begehren Erziehungsberechtigte für ihr Kind vom bedarfsunabhängigen Grundanspruch abweichende Betreuungszeiten, so fordert das Gesetz hierfür die Geltendmachung eines individuellen Bedarfs. Ein Rechtsanspruch dürfte danach in Bezug auf den Betreuungsumfang nicht bei jedem persönlichen Wunsch der Erziehungsberechtigten bestehen. Notwendig erscheint vielmehr, dass die Erziehungsberechtigten objektivierbare Gründe für abweichende Betreuungszeiten haben (etwa Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Arbeitssuche u. a.), die aufgrund der Zielsetzung des Gesetzes anzuerkennen sind. Rein persönliche Interessen der Erziehungsberechtigten an einem erweiterten Betreuungsumfang dürften demgegenüber nicht ausreichen, um einen den Grundanspruch erweiternden Bedarf anzuerkennen. Die Eltern der Antragstellerin haben keine objektivierbare Gründe für einen Bedarf an einer täglich achtstündigen Betreuung dargelegt. Gerade der Umstand, dass sich die Mutter der Antragstellerin nach ihren Angaben vom 1.7.2013 in Elternzeit befindet, spricht dafür, dass bei ihr kein gesteigerter individueller Betreuungsbedarf im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII besteht.

Gesetze

Gesetze

3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 24 Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege


(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn 1. diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Per

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn

1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder
2.
die Erziehungsberechtigten
a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,
b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder
c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
Lebt das Kind nur mit einem Erziehungsberechtigten zusammen, so tritt diese Person an die Stelle der Erziehungsberechtigten. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.

(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.

(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.