Nachvertragliche Pflichten: Vermieter muss Post an den alten Mieter aufbewahren

bei uns veröffentlicht am26.08.2014
Zusammenfassung des Autors
Er ist nicht berechtigt, die Sendungen ohne Nachfrage bei dem bisherigen Mieter einfach in einen öffentlichen Briefkasten zu werfen.
Wird nach Ende des Mietverhältnisses für einen gewerblichen Mieter (hier: Rechtsanwaltskanzlei) noch Geschäftspost in den Briefkasten der bisherigen Geschäftsräume eingeworfen, treffen den bisherigen Vermieter Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich dieser Postsendungen.

Der Vermieter muss den Mieter über eingegangene Post

• informieren und

• ihm Gelegenheit zur Abholung bieten.

Keinesfalls ist er berechtigt, die Sendungen einfach in einen öffentlichen Briefkasten zu werfen, da die Post den Brief nicht weiterbefördern muss und zudem - ohne Vermerk der neuen Adresse - lediglich mit einer Rücksendung an den Absender zu rechnen ist.

Wird nach Ende des Mietverhältnisses für einen gewerblichen Mieter noch Geschäftspost in den Briefkasten der bisherigen Geschäftsräume eingeworfen, treffen den bisherigen Vermieter Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich dieser Postsendungen.

Diese Klarstellung traf das Landgericht (LG) Darmstadt. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass es in Rechtsprechung und Literatur anerkannt sei, dass der Vermieter Obhuts- und Aufbewahrungspflichten auch noch nach Ende des Vertragsverhältnisses habe. Diese nachwirkenden Pflichten seien bisher für nicht offensichtlich wertlose Gegenstände und Einrichtungen anerkannt worden, die der Mieter bei seinem Auszug zurücklässt.

Nichts anderes könne für Postsendungen gelten, die für den Mieter bestimmt sind und nach dessen Auszug in den Gewahrsam des Vermieters geraten. Auch hier sei er aufgrund der nachwirkenden vertraglichen Obhuts- und Aufbewahrungspflichten nicht berechtigt, sich dieser Sendungen einfach zu entledigen. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn es sich - wie hier - nicht nur um unwichtige Werbesendungen, sondern ersichtlich um wichtige Geschäftspost für ein Anwalts- und Notarbüro handelt (LG Darmstadt, 25 T 138/13).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

LG Darmstadt, Beschluss vom 30.12.2013 (Az.: 25 T 138/13):

Wird nach Ende des Mietverhältnisses f1/4r einen gewerblichen Mieter noch Geschäftspost in den Briefkasten der bisherigen Geschäftsräume eingeworfen, treffen den bisherigen Vermieter Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich dieser Postsendungen. Er ist nicht berechtigt, die Sendungen ohne Nachfrag bei dem bisherigen Mieter einfach in einen öffentlichen Briefkasten zu werfen.

Die Antragstellerin war bis zum 31.3.2013 gewerbliche Mieterin der der Antragsgegnerin gehörenden Geschäftsräume in […]. Sie betrieb dort eine Anwalts- und Notarkanzlei. Die Antragstellerin zog zum 28.3.2013 aus und übergab der Antragsgegnerin alle Schlüssel einschließlich der Briefkastenschlüssel. Das neue Büro der Antragstellerin befindet sich ebenfalls in […], rund 400 m von den ehemaligen Mieträumen entfernt.

Mit Mail vom Samstag, dem 21.9.2013 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie anlässlich der Übergabe der Räume an die neuen Mieter Geschäftspost aus dem April 2013 für die Antragstellerin in dem Briefkasten der Gewerbeeinheit vorgefunden habe; eine Foto der vorgefundenen Post war der Mail beigefügt. Weiter schrieb sie: Ich habe aus bekannten Gründen wahrlich keine Veranlassung mehr, Ihnen gegenüber in irgendeiner Weise hilfsbereit zu sein. Dennoch informiere ich Sie über meinen Fund. Am Vormittag des folgenden Dienstag, dem 24.9.2013, bemühten sich Mitarbeiter der Antragstellerin mehrfach vergeblich durch persönliche Vorsprache um Aushändigung der Post. Mit Schreiben vom 25.9.2013 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Herausgabe der Schriftstücke bis 18 Uhr am gleichen Tage auf, die Antragsgegnerin reagierte jedoch nur per Mail mit der Aufforderung an die Antragstellerin, sie nicht mehr zu belästigen.

Mit Schriftsatz vom 26.9.2013, am gleichen Tag beim Amtsgericht Darmstadt eingegangen, beantragte die Antragstellerin daher, der Antragsgegnerin im Wege der Einstweiligen Verfügung die Herausgabe der dort noch eingegangenen Postsendungen aufzugeben. Die Einstweilige Verfügung wurde antragsgemäß am gleichen Tage erlassen. Die Antragsgegnerin erhob mit Schriftsatz vom 29.9.12013 Widerspruch und verwies darauf, dass sie nicht mehr im Besitz der von ihr vorgefundenen Sendungen sei, da sie diese schon am 23.9.2013 in einen öffentlichen Briefkasten geworfen habe.

Die Antragstellerin nahm daraufhin den Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung zurück.

Mit Beschluss vom 8.11.2013 erlegte das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auf. Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin am 13.11.2013 zugestellt. Mit einem am 25.11.2013 eingegangenen Schriftsatz erhob die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde und führt aus, es habe sowohl an einem Verfügungsanspruch als auch an einem Verfügungsgrund gefehlt.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Der Antragsgegnerin sind zu Recht die Kosten des Verfahrens auferlegt worden.

Die Antragsgegnerin war verpflichtet, die von ihr vorgefundene Geschäftspost an die Antragstellerin auszuhändigen. Diese Pflicht ergibt sich gem. § 242 BGB nach Treu und Glauben als nachwirkende Pflicht aus dem beendeten Mietvertrag.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass den Vermieter als nachwirkende vertragliche Nebenpflichten Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich von nicht offensichtlich wertlosen Gegenständen und Einrichtungen trifft, die der Mieter bei seinem Auszug zurücklässt. Das Ausmaß der Pflichten hängt dabei davon ab, ob der Mieter den Besitz der Mietsache freiwillig aufgegeben und dabei die Gegenstände zurückgelassen hat oder ob sich der Vermieter den Besitz an der Mietsache durch verbotene Eigenmacht bzw. im Wege der Selbsthilfe wieder verschafft und dabei die Gegenstände vorgefunden hat.

Nichts anderes kann für Postsendungen gelten, die für den Mieter bestimmt sind und nach dessen Auszug in den Gewahrsam des Vermieters geraten. Auch hier ist er aufgrund der nachwirkenden vertraglichen Obhuts- und Aufbewahrungspflichten nicht berechtigt, sich dieser Sendungen einfach zu entledigen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn es sich „wie hier - nicht nur um unwichtige Werbesendungen sondern ersichtlich um wichtige Geschäftspost für ein Anwalts- und Notarbüro handelt.

Offensichtlich war auch die Antragsgegnerin zunächst ebenfalls dieser Auffassung, hat sie doch am 21.9.2013 den Inhalt des Briefkastens an sich genommen und die gut 10, noch aus dem April 2013 stammenden Briefumschläge sogar für die Antragstellerin fotografiert, um diese per Mail über die Existenz dieser Schriftstücke zu informieren. Bis dahin hat sich die Antragsgegnerin völlig korrekt verhalten, wobei es hier aber „ entgegen der Annahme der Antragsgegnerin - nicht nur um eine besondere Form der Hilfsbereitschaft der Antragsgegnerin ging sondern darum, dass sie damit ihre nachvertraglichen Pflichten erfüllte. Es lag jetzt an der Antragstellerin, diese Sendungen bei der Antragsgegnerin abzuholen. Darum hat sich die Antragstellerin auch alsbald pflichtgemäß bemüht. Dabei ist der Antragstellerin nicht vorzuwerfen, dass sie nicht sofort am Montag, dem 23.9.2013 tätig geworden ist. In einem größeren Anwaltsbüro bedarf es immer einiger Zeit, bis alle Mails gesichtet sind. Es ist daher noch als ausreichend anzusehen, dass Mitarbeiter der Antragstellerin gleich am Vormittag des Folgetages, dem 24.9.2013, bei der Antragsgegnerin vorstellig geworden sind, um dort die Post abzuholen. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vermieter möglicherweise verpflichtet ist, bei ihm noch eingegangene Mieterpost von sich aus an den ausgezogenen Mieter weiterzuleiten, kann daher hier dahingestellt bleiben.

Diese naheliegenden Bemühungen hat die Antragsgegnerin jedoch mutwillig vereitelt, indem sie „ ihren Vortrag als richtig unterstellt „ diese Sendungen am 23.9.2013 einfach in einen öffentlichen Briefkasten geworfen hat. Damit hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt. Soweit es sich um Sendungen handelte, die von privaten Postdienstleistern befördert worden waren , war die Deutsche Post AG schon gar nicht dafür zuständig, diese Sendungen weiter zu befördern, da sie kein Entgelt dafür erhalten hatte. Zudem wäre das Einwerfen in einen öffentlichen Briefkasten allenfalls dann sachgemäß gewesen, wenn die Antragsgegnerin wenigstens die neue Adresse der Antragstellerin auf den Briefen vermerkt hätte. Dies ist jedoch nicht geschehen, da nie einer dieser Briefe bei der Antragstellerin eingetroffen ist. Man kann daher allenfalls mutmaßen, dass diese Briefe „ wenn die Deutsche Post AG sie überhaupt befördert hat - wieder an die Absender zurückgegangen sind, ohne dass für die Absender erkennbar wurde, wieso diese Briefe dort nach Monaten wieder eintrafen.

Die Antragsgegnerin hat durch dieses Verhalten gegen ihre Obhuts- und Aufbewahrungspflichten verstoßen. Dabei ist ohne Bedeutung, ob „wie es in der Mail vom 21.9.2013 anklingt - möglicherweise die Antragstellerin im Verlaufe des Mietverhältnisses irgendwelchen Anlass für eine Verärgerung der Antragsgegnerin gegeben hatte. Selbst wenn dies zutreffen sollte, berechtigte dies die Antragsgegnerin unter keinen denkbaren Umständen, so mit der für die Antragstellerin bestimmten Geschäftspost zu verfahren, wie es hier geschehen ist.

Zu Recht bemühte sich die Antragstellerin um Durchsetzung ihres Anspruchs im Wege der Einstweiligen Verfügung. Die Sache war erkennbar eilbedürftig. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung, dass jedes Anwalts- und Notarbüro dringendst darauf angewiesen ist, möglichst schnell in den Besitz der Geschäftspost zu gelangen, da diese jederzeit Ladungen oder Fristsetzungen enthalten kann, zu deren Beachtung Anwalt und Notar verpflichtet sind. 3. Da die Antragsgegnerin sich selbst die Erfüllung dieser Pflichten durch die Entsorgung der Briefe in einen öffentlichen Briefkasten am 23.9.2013 noch vor Einreichung der Antragsschrift beim Amtsgericht am 26.9.2013 unmöglich gemacht hat, hat sie nach billigem Ermessen die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO zu tragen. Dabei ist ohne Bedeutung, dass die Erledigung schon vor Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Amtsgericht eingetreten ist, da die Antragstellerin bei Einreichung ihres Antrags von der Entsorgung der Postsendungen durch die Antragsgegnerin nichts wusste. Erstmals mit der eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin vom 28.9.2013, dem Amtsgericht vorgelegt mit dem Widerspruch vom 29.9.2013 und der Antragstellerin durch das Amtsgericht übermittelt am 9.10.2013 wurde mitgeteilt, dass man die Postsendungen schon am 23.9.2013 in einen öffentlichen Briefkasten geworfen hatte. 4. Nachdem die Beschwerde somit keinen Erfolg hat, hat die Antragsgegnerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts trägt - ausgehend von dem vom Amtsgericht festgesetzten Gegenstandswert von 5.000,00 - den in dem Verfahren entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten Rechnung.

Gesetze

Gesetze

4 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

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Referenzen

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)