Sorgerecht: Fehlende Unterhaltszahlungen und Kontakte beeinflussen die Beurteilung des Sorgerechts

bei uns veröffentlicht am24.02.2012

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für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
Gemeinsame Sorge des nichtehelichen Vaters-OLG Köln vom 01.12.11-Az:4 WF 184/11
Hat der nichteheliche Vater seit der Geburt des Kindes keinerlei Unterhaltszahlungen geleistet, kann dies Bedeutung für die Beurteilung des Sorgerechts haben.

Dieser bedeutsame Hinweis stammt vom Oberlandesgericht (OLG) Köln. Die Richter machten deutlich, dass es nicht dem Kindeswohl dienen könne, die elterliche Sorge auf einen nichtehelichen Vater zu übertragen, der bisher so gut wie keine Kontakte zu seinem Kind gepflegt und sich auch weiterhin um dessen Belange wenig oder gar nicht gekümmert habe. Er könne erst dann an der elterlichen Sorge teilhaben, wenn er mit dem Kind, dessen Bedürfnissen und den Strukturen des Kinderalltags vertraut geworden sei. Es sei insofern sinnvoll, wenn er zunächst in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt einen regelmäßigen Umgang mit dem Kind aufnehme. Erst wenn eine solche Umgangsregelung etabliert und mit Erfolg durchgeführt worden sei, könne mit Blick auf das Kindeswohl zu prüfen sein, ob eine gemeinsame elterlichen Sorge in Betracht komme (OLG Köln, 4 WF 184/11).


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

OLG Köln: Beschluss vom 01.12.2011 - Az: 4 WF 184/11

Auch bei nichtehelichen Kindern kommt ein gemeinsames Sorgerecht in Betracht, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl entspricht.

Hat der nichteheliche Vater bisher kaum Kontakte zu seinem Sohn gepflegt und sich auch sonst um dessen Belange wenig oder gar nicht gekümmert h, ist er insbesondere auch seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachgekommen, liegt aufgrund der wenig verantwortungsbewussten Haltung des Kindesvaters in der Vergangenheit die Annahme nahe, dass die Übernahme von Mitverantwortung für das Kind nicht dem Kindeswohl dienen kann.

In dieser Situation ist es sorgerechtlich nicht zu beanstanden, wenn versucht wird, eine Umgangsregelung zu schaffen und deren Erfolg abzuwarten, bevor eine gemeinsame elterliche Sorge in Betracht kommt. So kann der Kindesvater mit dem Kind, dessen Bedürfnissen und den Strukturen des Kinderalltags vertraut werden.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brühl – Familiengericht – vom 07.09.2011 (33 F 229/11) – wird zurückgewiesen.


Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht – Familiengericht – Brühl hat zu Recht den Antrag des Antragstellers auf Verfahrenskostenhilfe zur Übertragung der elterlichen Sorge hinsichtlich des Kindes M. V., geboren am 00.00.2005, abgelehnt.

Zu Recht hat das Familiengericht darauf hingewiesen, dass auch bei nichtehelichen Kindern ein gemeinsames Sorgerecht in Betracht kommt. Eine gemeinsame elterliche Sorge setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch voraus, dass diese dem Kindeswohl entspricht.

Diese Voraussetzungen hat das Familiengericht im vorliegenden Fall zu Recht verneint. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

In Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass der Antragsteller seit der Geburt des Kindes bisher keinerlei Unterhaltszahlungen geleistet hat, durchaus auch Bedeutung für die Beurteilung des Sorgerechts hat. Denn der Antragsteller, der 1985 geboren ist, hat keine Erklärung dazu abgegeben, warum er als junger Mann seit 2005, also über sechs Jahre nicht in der Lage gewesen sein soll, jedenfalls zeitweise eine Tätigkeit aufzunehmen und dementsprechend - zumindest teilweise – Unterhalt für sein Kind zu leisten. Der Antragsteller hat hierzu nichts dargelegt; es ist auch sonst aus den Akten nicht ersichtlich, warum er seiner Unterhaltsverpflichtung, die vorrangig gegenüber sonstigen Zahlungsverpflichtungen besteht, nicht nachgekommen ist.

Auch das Verhalten des Antragstellers zu einem Umgangskontakt, der von dem zuständigen Jugendamt begleitet werden sollte, erweckt ernsthafte Zweifel daran, dass der Antragsteller derzeit in der Lage und willens ist, sich verlässlich um sein Kind zu kümmern und für dieses Verantwortung zu übernehmen. Nach der Auskunft des Jugendamtes hat der Antragsteller zuletzt Kontakt mit seinem Sohn gehabt, als dieser 3 ½ Jahre alt war. Dieser Kontakt liegt damit über zwei Jahre zurück.

Die Zweifel, ob der Antragsteller sich derzeit überhaupt über seine Pflichten als Vater bewusst ist, werden durch sein Verhalten gegenüber dem Jugendamt verstärkt. So teilte das Jugendamt mit, dass sich der Antragsteller trotz entsprechender Aufforderungen (zweimaliges Anschreiben) nicht gemeldet habe. Zu einem Termin im September 2011 sei er nicht erschienen und habe sich auch danach zunächst nicht mehr gerührt. Die spätere Entschuldigung des Antragstellers, er sei an diesem Tag verhindert gewesen und habe nur freitags Zeit für Besuche beim Jugendamt, ist nicht nachvollziehbar. Denn nach seinen Angaben zur beantragten Verfahrenskostenhilfe bezieht er Arbeitslosengeld II. Wieso er bei dieser Situation nur freitagnachmittags Zeit für Termine beim Jugendamt hat, bleibt unklar.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass, falls der Antragsteller nunmehr eine feste Arbeitsstelle inne haben sollte, seine Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die er im Verfahrenskostenhilfeverfahren gemacht hat, nicht mehr zutreffen können. Unabhängig davon hätte der Antragsteller auf jeden Fall bei einer Verhinderung dem Jugendamt rechtzeitig Bescheid geben und sich um einen neuen Termin bemühen müssen.

Sollte der Antragsteller tatsächliche einem Beschäftigungsverhältnis nachgehen, so ist er auch verpflichtet, für den Unterhalt seines minderjährigen Kindes zu sorgen.

Soweit nunmehr mit dem Vertreter des Jugendamtes besprochen wurde, dass zunächst ein begleiteter Umgang des Antragstellers mit seinem Sohn statt finden soll, wird dies der richtige Weg sein, um Kontakte und auf Dauer ein Vertrauensverhältnis zu seinem Kind aufzubauen. Dass bisher ein solcher Umgang stattgefunden hat, ist nicht erkennbar.

Das Familiengericht hat schließlich auch mit Recht darauf abgestellt, dass eine Sorgerechtsentscheidung, die dem Antragsteller an der elterlichen Sorge teilhaben lässt, erst dann unter Kindeswohlgesichtspunkten in Betracht kommen kann, wenn der Antragsteller mit dem Kind, dessen Bedürfnissen und den Strukturen des Kinderalltags vertraut geworden ist. Dementsprechend ist die geplante Umgangsregelung der richtige Weg, wie sie in dem Gespräch des Antragstellers beim Jugendamt thematisiert wurde. Erst wenn eine solche Umgangsregelung etabliert und mit Erfolg durchgeführt worden ist, wird mit Blick auf das Kindeswohl zu prüfen sein, ob eine gemeinsame elterlichen Sorge in Betracht kommt. Erst zu diesem Zeitpunkt ist es sachgerecht, das vom Antragsteller erwähnte familienpsychologisches Gutachten einzuholen.

Es liegt auf der Hand, dass bei dem derzeitigen Sachstand die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Antragsteller, der bisher kaum Kontakte zu seinem Sohn gepflegt und sich auch sonst um dessen Belange wenig oder gar nicht gekümmert hat, nicht dem Kindeswohl dienen kann. Im Ergebnis hat es damit bei der Entscheidung des Familiengerichts zu bleiben.


Gesetze

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