StPO: Unverwertbarkeit des Untersuchungsergebnisses einer Blutprobenentnahme

bei uns veröffentlicht am10.12.2015

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Zum Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. StPO und zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes.
Das AG Zeitz hat in seinem Beschluss vom 03.08.2015 (Az.: 13 OWi 723 Js 204201/15) folgendes entschieden:


Gründe:

Der Betroffene hat gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde - Zentrale Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt - vom 22.12.2014 fristgerecht Einspruch eingelegt.

Mit dem Bußgeldbescheid wird der Betroffene beschuldigt, am 05.10.2014 um 16:30 Uhr in Zeitz, Am Güterbahnhof, als Führer des Pkws Mercedes mit amtl. Kennzeichen … das Kraftfahrzeug unter Wirkung des berauschenden Mittels geführt zu haben.

Von diesem Vorwurf war der Betroffene freizusprechen, weil ihm die Tat nicht in rechtsstaatlich noch hinzunehmender Weise nachzuweisen ist. Das einzige zum Tatnachweis zur Verfügung geeignete Beweismittel, das Untersuchungsergebnis der Blutprobenentnahme, darf nicht verwertet werden. Eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung i. S. d. § 81 a Abs. 2 StPO hat es nicht gegeben. Dass kein erkennbarer Versuch stattgefunden hat, den Bereitschaftsrichter zu erreichen, stellt sich insgesamt als nicht frei von Willkür dar

Das ergibt sich aus Folgendem:

Der Zeuge POM... hat am 05.10.2014 dokumentiert, um 16:30 Uhr sei der PKW Mercedes … am Güterbahnhof in Zeitz festgestellt, angehalten und kontrolliert worden. Fahrzeugführer sei der Betroffene gewesen. Ein freiwilliger Drogenschnelltest habe eine positive Reaktion auf Einnahme von Methamphetamin und Amphetamin ergeben. Der Betroffene sei belehrt worden und zwecks Blutprobenentnahme zum Klinikum Zeitz verbracht worden. Der Blutprobenentnahme habe der Betroffene nicht zugestimmt. Die Anordnung sei daher aufgrund Gefahr im Verzuge durch den Zeugen... erfolgt.

Der Zeuge …. ordnete die Blutprobenentnahme gem.81a StPO an.

Bei der Untersuchung wurden folgende Substanzen nachgewiesen :

Cannabinoidbestätigung: Serum:Tetrahydrocannabinol8,3ng/mI und THC-Metabolite11-Hydroxy-THC 4,3ng/mI THC-Carbonsäure120ng/mI Bestätigung für Amphetamine: Serum:Amphetamin30ng/ml Methamphetamin180ng/ml.

Ausweislich des Dienstplans für den gemeinsamen richterlichen Bereitschaftsdienst der Amtsgerichte Naumburg, Weißenfels und Zeitz stand am Sonntag, 05.10.2014, RiAG..., AG Zeitz, von 08:30 Uhr bis 21:00 Uhr als Bereitschaftsrichter zur Verfügung.

Der Zeuge … hat zur Frage nach Gefahr im Verzug angegeben: „Zur Frage der Anordnung der Blutprobenentnahme können durch Unterzeichner keine Angaben mehr gemacht werden. Im Laufe der letzten Monate und Jahre wurden ständig neue Weisungen und Verfügungen der StA und Richterschaft bzw. durch die Polizeidirektionen erlassen, so dass es dem Unterzeichner schlichtweg unmöglich ist, zum heutigen Zeitpunkt nachzuvollziehen, welche Verfügung oder Weisung zum Tatzeitpunkt Gültigkeit besaß. In der Regel wird und wurde auch in der Vergangenheit bei fehlender Zustimmung des Beschuldigten/Betroffenen durch den handelnden Beamten der Diensthabende des RK Zeitz darüber informiert, welcher dann den Bereitschaftsstaatsanwalt bzw. den Bereitschaftsrichter telefonisch in Kenntnis setzt, sofern ein solcher erreichbar ist. Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, kann durch Unterzeichner nicht negiert oder bestätigt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass zumindest der Diensthabende des RK Zeitz benachrichtigt wurde.

Evtl. hat zum Tatzeitpunkt sogar eine Weisung oder Verfügung existiert, die von vornherein am Wochenende einen richterlichen Eildienst ausschloss. Dies kann durch Unterzeichner jedoch nicht mit Gewissheit gesagt werden. Aktuell ist es definitiv so, dass die Erreichbarkeit des Bereitschaftsrichters in der Zeit von 21:00 Uhr bis 05:00 Uhr per Weisung nicht gegeben ist, so dass immer von „Gefahr im Verzuge“ auszugehen ist. Warum eine solche Weisung existiert, ist für den Unterzeichner ebenso nicht nachvollziehbar. Außerdem gibt es genügend Beispiele dafür, dass Bereitschaftsrichter tel. nicht erreichbar sind, obwohl sie dies laut Zeitangabe sein müssten.

Weiteres kann durch Unterzeichner nicht angegeben werden. In Zukunft wird der Unterzeichner immer persönlich und zu jeder Zeit versuchen, den Bereitschaftsrichter bzw. den Bereitschaftsstaatsanwalt zu erreichen, wie es der § 81 a Abs. 2 StPO vorschreibt“.

Der Zeuge POK … hat vermerkt: „Zur Frage, ob durch Unterzeichner versucht wurde, den richterlichen Bereitschaftsdienst zwecks der Blutprobenentnahme zu erreichen, kann dieser zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Angaben mehr tätigen. Es konnten keine Aufzeichnungen bekannt gemacht werden, wo vermerkt wurde, ob durch Unterzeichner versucht wurde, den richterlichen Eildienst zu erreichen.

Im Laufe der letzten Jahre gab es ständig neue Verfügungen bzw. Weisungen der Richterschaft und Staatsanwaltschaft bzw. Polizeidirektionen, wie es mit der Informationspflicht des richterlichen Eildienstes zu handeln gewesen ist. Welche der Verfügungen zum damaligen Zeitpunkt bestanden kann durch Unterzeichner nicht nachvollzogen werden.

Weitere Angaben können nicht getätigt werden.“

Eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung bestand objektiv nicht. Ein Bereitschaftsrichter stand zur Verfügung. Anhaltspunkte dafür, dass die richterliche Anordnung ohne Aktenvorlage von vornherein verweigert worden wäre, sind weder dokumentiert noch sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Eine fernmündliche richterliche Anordnung war nicht nur nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit sogleich erfolgt. Es handelte sich um einen überschaubaren und einfachen Sachverhalt, die Fahrereigenschaft des Betroffenen stand außer Frage, und es gab aufgrund des Ergebnisses des Drogenschnelltests konkrete Anhaltspunkte für eine Drogenbeeinflussung, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit begründeten.

Es ist nichts dokumentiert, aus dem entnommen werden könnte, dass es einen Versuch gegeben hätte, den Bereitschaftsrichter zu erreichen. Es ist liegt vielmehr auf der Hand, dass es einen solchen Versuch auch nicht gegeben hat, denn es ist davon auszugehen, dass dann der Bereitschaftsrichter erreicht worden wäre und die Blutprobenentnahme fernmündlich angeordnet hätte.

Das Unterbleiben des Versuchs stellt sich im konkreten Fall als nicht frei von Willkür dar und führt zum Beweisverwertungsverbot. Von einem Beweisverwertungsverbot ist nur dann auszugehen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird und folglich jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbots unerträglich wäre. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor bei bewusster und zielgerichteter Umgehung des Richtervorbehalts sowie bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder bei Vorliegen eines gleichwertigen, besonders schwerwiegenden Fehlers.

Vorliegend hat sich der Zeuge … entweder gar nicht um den Richtervorbehalt gekümmert oder er wurde durch fehlerhafte Anweisungen seiner Vorgesetzten zur Erreichbarkeit der Richter davon abgehalten, sich um die richterliche Anordnung zu bemühen. Die Ignorierung des Richtervorbehalts stellt einen ein Beweisverwertungsverbot begründenden Umstand dar; werden Polizeibeamte durch fehlerhafte Anweisungen davon abgehalten, sich um die richterliche Anordnung zu bemühen, stellt dies nach Auffassung des Gerichts einen gleichwertigen, besonders schwerwiegenden Fehler dar.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 Abs.1 OWiG.
 

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3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


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Referenzen

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.