Strafrecht: Zur Berücksichtigung von Aufklärungshilfe

bei uns veröffentlicht am18.05.2017

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Der Umstand, dass der Angeklagte seine eigenen Tatbeiträge geleugnet hat, steht der Möglichkeit zur Milderung der Strafe bei Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten nicht entgegen.
Die Hilfe des Angeklagten zur Aufklärung schwerer Straftaten ist in die Gesamtabwägung bei der Strafzumessung nicht nur als allgemeiner strafmildernder Gesichtspunkt einzustellen, sondern als vertypter Milderungsgrund. Es muss eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46 b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB geprüft werden.

Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss vom 02.03.2017 (5 RVs 17/17) folgendes entschieden:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.

Gründe:

Der Angeklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts Essen-Borbeck vom 22. Juni 2015 vom Vorwurf der gewerbsmäßigen Hehlerei in sieben Fällen freigesprochen worden. Auf die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat die VIII. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen mit Urteil vom 19. Oktober 2016 das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Gegen dieses, seinem Verteidiger am 22. November 2016 zugestellte Urteil, hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. Oktober 2016 Revision eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz seines Verteidigers vom 19. Dezember 2016 mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 24. Januar 2017 beantragt wie erkannt.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang – vorläufig – Erfolg.

Die Revision war, soweit sie den Schuldspruch betrifft, nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Auf die erhobene Sachrüge war das angefochtene Urteil jedoch im Rechtsfolgenausspruch mit den diesbezüglich getroffenen Feststellungen aufzuheben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift hierzu Folgendes ausgeführt:

„Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Grundsätzlich ist es Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Täterpersönlichkeit gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, insbesondere gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, wenn das Tatgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist oder aber, wenn sich die Strafe so weit nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des Spielraums liegt, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren detaillierte Angaben zu einzelnen Bandenmitgliedern, insbesondere zu deren Position innerhalb der Bandenhierarchie und deren Aufgaben gemacht. Die Kammer hat indes nicht erörtert, ob diese Angaben zu einem wesentlichen Aufklärungserfolg i.S.d. § 46 b Abs. 1 Nr. 1 StGB geführt haben. Der Umstand, dass der Angeklagte selbst ein vorsätzliches Verhalten in Abrede gestellt hat, steht der Anwendung des § 46 b StGB grundsätzlich nicht entgegen. Vorliegend hat das Landgericht weder eine etwaige Strafmilderung gemäß §§ 46 b, 49Abs. 1 StGB erörtert noch hat es die Angaben des Angeklagten bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu seinen Gunsten berücksichtigt.

Aufgrund dieser Erörterungsmängel ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einem abweichenden Strafausspruch gelangt wäre, wenn es § 46 b StGB in seine Erwägungen zur Wahl des anzuwendenden Strafrahmens oder aber die Angaben des Angeklagten - soweit diesen kein wesentlicher Aufklärungserfolg beizumessen wäre - im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne berücksichtigt hätte.

Ferner hält auch die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Entscheidung über die Strafaussetzung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dies gilt sowohl für die Annahme einer günstigen Sozialprognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGBals auch für die Gesamtbeurteilung der in der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten liegenden Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB. Die hierauf bezogene Würdigung ist von dem Revisionsgericht im Zweifel bis an die Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, solange das Tatgericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung nicht von unvollständigen, unrichtigen oder widersprüchlichen Feststellungen ausgegangen ist. Die Überprüfung beschränkt sich auf Rechts- und Ermessensfehler. Das Landgericht hat das Fehlen einer günstigen Sozialprognose damit begründet, dass der Angeklagte fünf Taten begangen hat und dass dieser weiterhin im Bereich der Autoverwertung, wenn auch in einem anderen Betrieb, tätig sei. Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Verurteilung wegen mehrerer selbständiger Handlungen für sich bereits eine negative Sozialprognose begründen kann. Dabei hat die Kammer außer Acht gelassen, dass die ausgeurteilten Fälle in einem sehr engen zeitlichen Zusammenhang standen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hätte ferner berücksichtigt werden müssen, dass die Taten inzwischen über drei Jahre zurückliegen und weitergehende strafrechtliche Verfehlungen des Angeklagten den Urteilsgründen nicht zu entnehmen sind. Der bloße Umstand, dass der Angeklagte nach wie vor im Bereich der Autoverwertung tätig ist, lässt einen Rückschluss auf eine ungünstige Sozialprognose ebenfalls nicht zu. Dies auch deshalb, da der Angeklagte Mechaniker ist und er somit lediglich weiterhin seinem erlernten Beruf nachgeht. Die Kammer hat sich schließlich auch nicht damit auseinandergesetzt, ob nicht das bisherige Strafverfahren eine Wirkung auf den Angeklagten entfaltet hat, welches eine überwiegende Wahrscheinlichkeit zukünftig straffreien Verhaltens begründen kann.

Lediglich ergänzend hierzu ist zu bemerken, dass auch das Vorliegen besonderer Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB unter Berücksichtigung der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten, des Zeitablaufs, des vergleichsweise geringen wirtschaftlichen Vorteils und einer etwaig geleisteten Aufklärungshilfe eher naheliegen dürfte.“

Diesen Ausführungen vermag sich der Senat nicht zu verschließen.

Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs.2 S.1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammmer des Landgerichts Essen zurückzuverweisen.

Gesetze

Gesetze

5 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.