Strafrecht: Erfolgreiche Revision gegen Verurteilung wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Schusswaffe

bei uns veröffentlicht am24.06.2011

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Enthält das Taturt
Der BGH hat mit dem Beschluss vom 22.06.2010 (Az: 4 StR 211/10) folgendes entschieden:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Dezember 2009 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.


Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Tatwaffe nebst Munition eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge lediglich zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Ausschluss erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) durch das Landgericht hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen wurde dem Angeklagten am 25. Juli 2009 gegen 3.52 Uhr eine Blutprobe entnommen, deren Auswertung eine Blutalkoholkonzentration von 1,38 ‰ ergab. Hiervon ausgehend hat das Landgericht eine Tatzeitblutalkoholkonzentration von 1,88 ‰ errechnet, auf Grund derer es unter Berücksichtigung der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gesehen hat.

Da das Urteil jedoch keine Angaben zur Tatzeit enthält, ist dem Senat die Prüfung versagt, ob die vom Landgericht vorgenommene Rückrechnung den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung entspricht, wonach neben dem stündlichen Abbauwert auch ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ zu berücksichtigen ist.

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen. Angesichts des rechtsfehlerfrei festgestellten Tatgeschehens lässt sich ausschließen, dass der Angeklagte schuldunfähig gewesen sein könnte.

Im Übrigen bemerkt der Senat, dass die strafschärfende Berücksichtigung der Tatsache, dass "der Angeklagte die Waffe nicht nur in seinem Besitz hatte, sondern sie auch geführt und letztlich eingesetzt hat" (UA 12), im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.


Gesetze

Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Urteile

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juni 2010 - 4 StR 211/10

bei uns veröffentlicht am 22.06.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 211/10 vom 22. Juni 2010 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Schusswaffe u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Besch

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 211/10
vom
22. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Schusswaffe u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Juni 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Dezember 2009 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Tatwaffe nebst Munition eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge lediglich zum Strafausspruch Erfolg ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Ausschluss erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) durch das Landgericht hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
3
Nach den Feststellungen wurde dem Angeklagten am 25. Juli 2009 gegen 3.52 Uhr eine Blutprobe entnommen, deren Auswertung eine Blutalkoholkonzentration von 1,38 ‰ ergab. Hiervon ausgehend hat das Landgericht eine Tatzeitblutalkoholkonzentration von 1,88 ‰ errechnet, auf Grund derer es unter Berücksichtigung der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gesehen hat.
4
Da das Urteil jedoch keine Angaben zur Tatzeit enthält, ist dem Senat die Prüfung versagt, ob die vom Landgericht vorgenommene Rückrechnung den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung entspricht, wonach neben dem stündlichen Abbauwert auch ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ zu berücksichtigen ist (vgl. BGHSt 35, 308, 314; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 20 Rdn. 13 m. w. N.).
5
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen. Angesichts des rechtsfehlerfrei festgestellten Tatgeschehens lässt sich ausschließen, dass der Angeklagte schuldunfähig gewesen sein könnte.
6
Im Übrigen bemerkt der Senat, dass die strafschärfende Berücksichtigung der Tatsache, dass "der Angeklagte die Waffe nicht nur in seinem Besitz hatte, sondern sie auch geführt und letztlich eingesetzt hat" (UA 12), im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. RiBGH Cierniak befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Solin-Stojanović Ernemann RiBGH Dr. Franke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Bender

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.