Arbeitsrecht: Rechte bei der Besetzung von Vollzeitstellen oder Aufstockung der Stundenzahl
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einemaktuellen Urteil die Rechte von Teilzeitkräften gestärkt (BAG, 9 AZR 874/06).Die Richter gaben der Klage eines Arbeitnehmers statt, der sich auf eine vonmehreren ausgeschriebenen Vollzeitstellen im Betrieb beworben hatte und seinenTeilzeitbeschäftigungsvertrag in einen Vollzeitvertrag ändern wollte.
Wann hat der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer einVorzugsrecht bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes mit längerer Arbeitszeit?
Das Urteil ist für Arbeitgeber mit Teilzeitkräftenvon großer praktischer Relevanz und bei zukünftigen Stellenausschreibungen zubeachten. Arbeitgeber, die eine Stelle neu besetzen möchten, sollten dieVorgaben von § 9 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) besondersberücksichtigen. Demnach besteht für einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerein Vorzugsrecht, wenn
- er seinen Wunsch nach Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat,
- ein entsprechender Arbeitsplatz zu besetzen ist,
- er gleich geeignet ist und
- keine dringenden betrieblichen Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen.
Was kann der Arbeitgeber tun?
Im Zweifel ist Arbeitgebern zu empfehlen, sich vonteilzeitbeschäftigten Mitarbeitern den Verzicht auf eine Verlängerung ihrerArbeitszeit schriftlich bestätigen zu lassen, bevor eine Stelle ausgeschriebenwird. So kann etwaigen Klagen übergangener Teilzeitkräfte auf Verlängerung derArbeitszeit oder Schadenersatz vorgebeugt werden.
Was gilt bei Aufstockung der Stundenzahl?
Was aber gilt, wenn keine neue Vollzeitstellegeschaffen wird, sondern aufgrund eines gestiegenen Arbeitsaufkommens dieStundenzahl in der Praxis erhöht wird und mehrere Teilzeitbeschäftigte ihrStundenkontingent entsprechend erhöhen wollen? Kann der Arbeitgeber dann seinemWunschkandidaten die Aufstockung der Stundenzahl allein anbieten oder muss erdie Arbeit unter den Interessenten aufteilen?
Diese Frage hat das BAG zugunsten eines beklagtenArbeitgebers entschieden (BAG, 9 AZR 575/05). Dieser hatte eine Teilzeitkraftfavorisiert und allein deren Arbeitszeit erhöht. Bekunden mehrereTeilzeitbeschäftigte ihr Interesse an einer Aufstockung, sei der Arbeitgeberbei der Auswahl, welcher Teilzeitkraft er zu diesem Zweck eine Vertragsänderunganbietet, frei. Insbesondere bestehe nach § 9 TzBfG auch keine Verpflichtung,das gestiegene Arbeitszeitvolumen gleichmäßig auf alle interessiertenTeilzeitbeschäftigten zu verteilen.
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Der Arbeitgeber hat einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm in Textform den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass
- 1.
es sich dabei nicht um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz handelt oder - 2.
der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugter Bewerber oder - 3.
Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer oder - 4.
dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
Ein freier zu besetzender Arbeitsplatz liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen.