Verkehrsstrafrecht: Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben

bei uns veröffentlicht am15.07.2011

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
LG Hamburg vom 13.01.09 - Az: 603 QS 10/09 - Anwalt für Verkehrsstrafrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Das LG Hamburg hat mit dem Beschluss vom 13.01.2009 (Az: 603 QS 10/09) folgendes entschieden:

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 17.11.2008 (Az.: 214 Gs 234/08) aufgehoben.


Gründe:

Die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§111 a StPO) ist begründet. Die Zusammenschau der festgestellten Alkoholisierung und der vom Polizeibeamten beobachteten Fahrfehler lässt den Schluss auf den dringenden Tatverdacht einer Trunkenheitsfahrt nicht zu.

Auszugehen ist davon, dass der Beschuldigte im Tatzeitpunkt, am 09.11.2008 gegen 06.20 Uhr, einen Blutalkoholgehalt von 0,64%o aufwies. Dies ergibt sich aus dem Ergebnis des Alkoholbestimmungsgutachtens des Universitätsklinikums X1. - Institut für Rechtsmedizin, vom 10.11.2008. Zur Entnahmezeit um 09.50 Uhr wurde ein Blutalkoholgehalt von 0,46%o festgestellt. Angaben zum Trinkverhalten des Betroffenen liegen nicht vor. Auszugehen ist daher von einem Trinkende ca. eine Viertelstunde vor Fahrtantritt, also um 06.05 Uhr. Die ersten beiden Stunden nach Trinkende sind rückrechnungsfrei (was in der Berechnung des genannten Alkoholbestimmungsgutachten keine Berücksichtigung fand). Folglich kann lediglich für den Zeitraum von 08.05 Uhr bis zum Entnahmezeitpunkt um 09.50 Uhr, also für 1 Stunde und 45 Minuten eine Rückrechnung vorgenommen werden. Dies führt unter Zugrundelegung eines stündlichen Abbauwertes von 0,1%o zu dem oben angegebenen Tatzeitwert von 0,64%o.

Dieser Wert liegt unterhalb der Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1%0). Der Nachweis der Trunkenheitsfahrt setzt somit das Vorliegen alkoholbedingter Fahrfehler oder anderer alkoholtypischer Ausfallerscheinungen voraus, wobei im vorliegenden Fall angesichts der geringen Blutalkoholkonzentration eher strenge Anforderungen an den Nachweis der sonstigen Umstände zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit zu stellen sind.

Die bisherigen Ermittlungen zur Fahr- und Verhaltensweise reichen nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht aus, um den dringenden Verdacht der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit zu rechtfertigen. Der Zeuge der - vermutlich in einem zivilen Fahrzeug - die Straße in H Richtung stadtauswärts befuhr, wurde - aus nicht näher erläuterten Gründen - auf das Fahrzeug des Beschuldigten aufmerksam, das auf dem rechten Geradeausfahrstreifen ebenfalls stadtauswärts fuhr. Der Zeuge bemerkte mehrere Fahrfehler des Beschuldigten, nämlich dass dieser

- auf Höhe der A.-Tankstelle einen Schlenker nach links machte und zur Hälfte auf dem linken Geradeausfahrstreifen fuhr und nach einiger Zeit sein Fahrzeug wieder in den rechten Geradeausfahrstreifen zog,

- kurz vor der M.-Straße wieder einen Schlenker nach links machte und mit beiden linken Rädern auf den linken Geradeausfahrstreifen kam und dann wieder auf die rechte Fahrbahn fuhr,

- in Höhe des Freizeitbades ß noch einmal einen Schlenker nach links machte und die linken Räder erneut auf dem linken Geradeausfahrstreifen waren,

- im: Damm, nachdem er zuvor auf den linken Geradeausfahrstreifen gewechselt hatte, wiederum einen Schlenker nach links machte und mit dem linken Vorderreifen auf die Gegenfahrbahn kam,

- auf dem Abbiegestreifen zur SAB ... (Auffahrt Richtung Süden) den Blinker nicht setzte

- beim Abbiegen auf die BAB ... sehr langsam und teilweise auf dem Standstreifen fuhr.

Nach dem Abbiegen auf die A ... in Richtung Norden wurde der Beschuldigte von Polizeibeamten, die der Zeuge alarmiert hatte, an der Abfahrt gestoppt.

Grundsätzlich ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer gerade das vom Zeugen beobachtete Fahren in Schlangenlinien regelmäßig ein typisches Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles vermag die Kammer allerdings nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine Fahruntüchtigkeit zu schließen. Hierbei ist zu beachten, dass die geschilderten Fahrfehler sich auf einer Fahrtstrecke von weit mehr als 10 Kilometern ereigneten und es sich somit um ein eher sporadisches Überschreiten der Fahrbahnbegrenzungslinien handelt. Solche Fahrfehler genügen noch nicht den strengen Anforderungen, die angesichts der verhältnismäßig geringen Alkoholisierung an das Vorliegen weiterer Beweisanzeichen zu stellen sind.

Das Nichtbetätigen des Fahrtrichtungsanzeigers ist eine im Straßenverkehr immer wieder zu beobachtende Nachlässigkeit und für sich genommen kein ausreichendes Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, Bezüglich des Langsamfahrens auf dem Abbiegestreifen ist nach Aktenlage das Beschwerdevorbringen schwerlich zu widerlegen, wonach dieses dem Umstand geschuldet ist, dass der Beschuldigte sich vom Zeugen verfolgt fühlte.


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