Verkehrsstrafrecht: Zur Mindestangaben zur BAK-Ermittlung bei Trunkenheit im Verkehr

bei uns veröffentlicht am02.08.2006

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
OLG Koblenz vom 29.10.2008 - Az: 2 Ss 176/08 - Anwalt für Verkehrsstrafrecht - Strafrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Das OLG Koblenz hat mit dem Beschluss vom 29.10.2008 (Az: 2 Ss 176/08) folgendes entschieden:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Koblenz vom 17. 7. 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung - Jugendrichter - des Amtsgerichts Koblenz zurückverwiesen.


Gründe:

Das Amtsgericht - Jugendrichter - in Koblenz sprach den Angeklagten am 17. 7. 2008 der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig, verwarnte ihn und verhängte eine Geldbuße in Höhe von 600 €. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von einem Jahr festgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er eine Verfahrensrüge erhebt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Das formal nicht zu beanstandende Rechtsmittel hat mit der Sachrüge einen - vorläufigen - Erfolg. Eines Eingehens, auf die Verfahrensrüge bedarf es deshalb nicht.

Der Jugendrichter hat festgestellt, dass der geständige Angeklagte in der Nacht des 24. 3. 2008 gegen 3:25 Uhr mit seinem Pkw öffentliche Straßen in Koblenz befuhr, obwohl er alkoholbedingt fahruntüchtig war. Die bei dem Angeklagten festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug zur Tatzeit 1,39‰.

Der Senat kann aufgrund dieser Feststellungen nicht überprüfen, ob das Amtsgericht die Tatzeitblutalkoholkonzentration rechtlich zutreffend ermittelt hat. Es wird weder mitgeteilt, ob noch wann und mit welchem Ergebnis eine Blutprobe entnommen worden ist. Da sich diese für die Berechnung der Tatzeitalkoholkonzentration erforderlichen Daten den Urteilsgründen nicht entnehmen lassen, ist nicht nachvollziehbar, wie das Amtsgericht die Tatzeitblutalkoholkonzentration ermittelt hat.

Sollte - wie dies üblicherweise der Fall ist - das Ergebnis einer Blutprobenuntersuchung vorgelegen haben, wird diese Blutalkoholbestimmung im Urteil nicht mitgeteilt. Dem Senat ist daher die Prüfung verwehrt, ob das Amtsgericht diese Blutalkoholkonzentration seinen Feststellungen zugrunde gelegt oder hiervon ausgehend auf den Tatzeitpunkt zurückgerechnet hat. Im letzteren Fall fehlt es an jeder Angabe zum Trinkverlauf und insbesondere zum Trinkende. Diese Angaben sind grundsätzlich unentbehrlich, um bestimmen zu können, wann die Resorption des aufgenommenen Alkohols abgeschlossen ist. Darauf kommt es aber an, weil die Resorption bis zu zwei Stunden dauern kann und deshalb die ersten zwei Stunden nach Trinkende grundsätzlich von einer Rückrechnung auszunehmen sind.

Darüber hinaus bilden die getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage für den Rechtsfolgenausspruch einschließlich der Entziehung der Fahrerlaubnis. Zutreffend hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 23. 10. 2008 hierzu ausgeführt:

„Im Fall der Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt darf sich der Tatrichter hinsichtlich der Tat selbst in der Regel nicht damit begnügen, neben der Höhe der Blutalkoholkonzentration und der Schuldform lediglich anzugeben, dass der Angeklagte zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort ein Fahrzeug geführt habe. Die Schuld des Täters - ebenso die Frage der Ungeeignetheit zur Führung von Kraftfahrzeugen und die Dauer der Sperrfrist (§§ 69, 69a StGB) - kann in derartigen Fällen nämlich wesentlich durch die Umstände der Alkoholaufnahme und durch die Gegebenheiten der Tat selbst bestimmt worden sein. So kann von Bedeutung sein, ob der Täter sich auf einer „Zechtour“ befand und in Fahrbereitschaft getrunken hat, oder ob es eher zufällig zur Alkoholaufnahme kam, ob er aus eigenem Antrieb handelte oder ob er von Dritten verleitet wurde, ob er bewusst oder unbewusst fahrlässig handelte, und ob er sich in ausgeglichener Gemütsverfassung oder einer Ausnahmesituation befand. Wesentliche Faktoren der Tat selbst können - unter dem Gesichtspunkt des Ausmaßes der herbeigeführten Gefahr - die Dauer und die Länge der bereits zurückgelegten und der noch beabsichtigten Fahrstrecke sowie die Verkehrsbedeutung der befahrenen Straße sein. Feststellungen hierzu oder wenigstens zu einigen nach Lage des Einzelfalles besonders bedeutsamen Umständen sind im Allgemeinen zur näheren Bestimmung des Schuldgehalts der Tat als Grundlage für eine sachgerechte Rechtsfolgenbemessung - selbstredend auch im Fall der Anwendung von Jugendstrafrecht - erforderlich. Anders verhält es sich nur, wenn außer der Angabe von Tatzeit, Tatort und Blutalkoholwert keine weiteren, für den Schuldumfang wesentlichen Feststellungen mehr möglich sind, weil der Angeklagte zu den näheren Tatumständen schweigt und Beweismittel dafür entweder nicht zur Verfügung stehen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu beschaffen wären.

Vorliegend war der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen jedoch geständig, so dass davon auszugehen ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden konnten.“

Dem schließt sich der Senat an. Er hat deshalb die Sache gemäß § 354 Abs. 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Gesetze

Gesetze

3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 69 Entziehung der Fahrerlaubnis


(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine

Strafgesetzbuch - StGB | § 69a Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis


(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß

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Referenzen

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.