Vollstreckungsrecht: In Kindergeld kann nicht vollstreckt werden

bei uns veröffentlicht am10.01.2017

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Nach dem EstG kann der Anspruch auf Kindergeld nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes gepfändet werden, das bei der Festsetzung des Kindergelds berücksichtigt wird.
Die Vorschrift kann nicht auf Fälle erweitert werden, in denen die Pfändung des ­Anspruchs auf Kindergeld wegen solcher Ansprüche erfolgt, die mit dem Unterhalt des Kindes in einem inneren Zusammenhang stehen. 

Dies hat der BGH für die Pfändung aus einem Titel über einen Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Kauf von Kinderschuhen entschieden. Das Kindergeld konnte damit nicht gepfändet werden.


Die Entscheidung im Einzelnen lautet:

BGH, Urteil vom 9.3.2016, (Az.: VII ZB 68/13).

Aus einem Titel über einen Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit dem Kauf von Kinderschuhen können Ansprüche der Schuldnerin auf Zahlung von Kindergeld nicht gepfändet werden.


Gründe:

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil, durch das die Schuldnerin zur Zahlung von 49,95 € zuzüglich Zinsen und außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten an die Gläubigerin verurteilt worden ist. Ferner ist festgestellt worden, dass die Schuldnerin die Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gemäß § 263 StGB schuldet. Der Verurteilung liegt ein Kauf von Kinderschuhen der Größe 25 für ein Kind der Schuldnerin bei der Gläubigerin zugrunde.

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht -am 18. Oktober 2012 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, durch den der Anspruch der Schuldnerin auf Auszahlung des fälligen und künftigen Kindergeldes gegenüber der Drittschuldnerin, das Kind betreffend, gepfändet worden ist. Auf die sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin hat das Beschwerdegericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben.

Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Gläubigerin den Anspruch der Schuldnerin auf Auszahlung des Kindergeldes gegen die Drittschuldnerin nach § 76 EStG nicht pfänden könne. In § 76 Satz 1 EStG sei festgelegt, dass der Anspruch auf Kindergeld nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt wird, gepfändet werden könne. Daraus folge auch, dass wegen der Forderung eines Dritten selbst aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung des Vollstreckungsschuldners die Pfändung ausgeschlossen sei.

Diese eindeutige gesetzliche Regelung lasse eine andere Auslegung und Entscheidung nicht zu. Der Gläubigerin sei zuzugestehen, dass es unbillig erscheine, dass die Schuldnerin das Kindergeld ungekürzt einziehe, eine notwendige Besorgung für das Kind aber durch betrügerische Handlung unter Nichtzahlung des Kaufpreises vornehme, ohne das erhaltene Kindergeld hierfür einzusetzen.

Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Die Beschwerde zieht zu Recht nicht in Zweifel, dass die Voraussetzungen des § 76 Satz 1 EStG, unter denen der Anspruch auf Kindergeld ausnahmsweise der Pfändung unterliegt, nicht vorliegen. Die Zwangsvollstreckung erfolgt nicht wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche des Kindes.

Die von der Beschwerde gewünschte teleologische Erweiterung der Vorschrift auf Fälle, in denen die Pfändung des Anspruchs auf Kindergeld wegen solcher Ansprüche erfolgt, die mit dem Unterhalt des Kindes in einem inneren Zusammenhang stehen, ist nicht möglich.

In Betracht zu ziehen wäre allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 76 Satz 1 EStG für Fälle der vorliegenden Art. Die Voraussetzungen einer Analogie zu der dort genannten Ausnahme werden von der Beschwerde weder dargelegt noch liegen sie vor. Soweit ersichtlich wird auch von niemandem vertreten, dass die Vorschrift auf derartige Ansprüche analog anzuwenden wäre.

Es spricht schon nichts dafür, dass das Gesetz eine planwidrige Lücke aufweist. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber übersehen haben könnte, dass es Ansprüche Dritter gibt, die mit dem Unterhalt des Kindes in einem inneren Zusammenhang stehen. Denn solche Ansprüche entstehen regelmäßig in großer Zahl bei der Versorgung eines Kindes.

Es fehlt außerdem aus mehreren Gründen an einer vergleichbaren Interessenlage.

Die grundsätzliche Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Kindergeld dient dazu sicherzustellen, dass dem Kindergeldberechtigten das Geld auch tatsächlich zufließt, damit er ungehindert hierüber zu Gunsten des Kindes verfügen kann; mittelbar wird damit auch das Kind geschützt, dem das Kindergeld zu Gute kommen soll. Diese Un-pfändbarkeit würde sich jedoch ihrem Sinn zuwider nachteilig für das begünstigte Kind auswirken, wenn dessen gesetzliche Unterhaltsansprüche nicht erfüllt werden und im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden sollen. Deshalb ist wegen dieser Ansprüche die Pfändung möglich, wodurch im Ergebnis das Kindergeld direkt dem Kind zufließen kann.

Eine Erweiterung dieser Ausnahme von der Unpfändbarkeit des Kindergeldanspruchs zugunsten von Ansprüchen, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Unterhalt des Kindes stehen, kann mit diesen Erwägungen nicht begründet werden. Sie ist nicht geboten, um zu verhindern, dass das Kind durch die Unpfändbarkeit Nachteile erleidet.

Schließlich ist es außerdem nicht in gleicher Weise wie bei der Qualifizierung als gesetzlicher Unterhaltsanspruch möglich, mit hinreichender Klarheit für das Vollstreckungsverfahren zu bestimmen, wegen welcher sonstigen Ansprüche eine Pfändung zulässig sein sollte.

Die Auffassung der Gläubigerin, sie habe dem Kind durch die Lieferung der Schuhe eine Unterhaltssachleistung erbracht, trifft nicht zu. Selbst in einem solchen Fall wäre sie nicht Inhaberin gesetzlicher Unterhaltsansprüche des Kindes. Solche sind dementsprechend auch nicht zu ihren Gunsten tituliert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

1Der Anspruch auf Kindergeld kann nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt wird, gepfändet werden.2Für die Höhe des pfändbaren Betrags gilt:

1.
1Gehört das unterhaltsberechtigte Kind zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt wird, so ist eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfällt.2Ist das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht, für das einer dritten Person Kindergeld oder dieser oder dem Leistungsberechtigten eine andere Geldleistung für Kinder zusteht, so bleibt der Erhöhungsbetrag bei der Bestimmung des pfändbaren Betrags des Kindergeldes nach Satz 1 außer Betracht;
2.
der Erhöhungsbetrag nach Nummer 1 Satz 2 ist zugunsten jedes bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigten unterhaltsberechtigten Kindes zu dem Anteil pfändbar, der sich bei gleichmäßiger Verteilung auf alle Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Leistungsberechtigten berücksichtigt werden, ergibt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)