Wegerecht: Ein Tor muss hingenommen werden

bei uns veröffentlicht am25.02.2011

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für Familien- und Erbrecht

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Der Berechtigte eines Geh- und Fahrrechtes kann wegen seiner Pflicht zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit gehalten sein, das Anbringen eines Tores hinzunehmen - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Wer über ein Wegerecht verfügt, muss unter bestimmten Voraussetzungen hinnehmen, dass vor dem Weg ein Tor angebracht wird.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. im Falle eines Mannes, der ein Geh- und Fahrrecht über das Nachbargrundstück hatte. Als der Nachbar ein Tor vor der Einfahrt montierte, kam es zum Streit. Mit seiner Klage auf Beseitigung des Tores hatte der Mann jedoch bei Gericht keinen Erfolg. Die Richter entschieden, dass er das Tor hinnehmen müsse. Das ergebe sich aus seiner Pflicht zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit. Im vorliegenden Fall bestünden nämlich berechtigte Interessen des Nachbarn. Durch die vollständige Einzäunung des Grundstücks wolle er einen Schutz seiner minderjährigen Kinder erreichen, die auf dem Grundstück spielen würden. Diesem berechtigten Grund müsse sich der Berechtigte des Geh- und Fahrrechts unterordnen. Das gelte auch, wenn er durch das manuelle Öffnen des Tores belastet werde (OLG Frankfurt a.M., 19 W 59/10).


Die Entscheidung im einzelnen lautet:

OLG Frankfurt a. M.: Beschluss vom 22.11.2010 - 19 W 59/10

Der Berechtigte eines Geh- und Fahrrechtes kann wegen seiner Pflicht zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit gehalten sein, das Anbringen eines Tores hinzunehmen.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Main vom 07.10.2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 9.000,- EUR.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet. Das Landgericht hat den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Den Antragstellern steht gegen die Antragsgegner ein Anspruch aus §§ 1027, 1004 BGB, die Errichtung eines Tores zwischen den Grundstücken der Parteien und zwischen dem Grundstück der Antragsteller und der öffentlichen Straße... zu unterlassen, nicht zu. Der Unterlassungsanspruch ist bereits deshalb unbegründet, weil die beiden Tore - wie sich aus der Beschwerdeschrift ergibt - inzwischen angebracht worden sind, so dass allenfalls ein Anspruch auf Störungsbeseitigung gegeben sein könnte.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Unterlassungsanspruch, nachdem die Handlung, zu deren Abwehr er geltend gemacht wurde, vorgenommen wurde, fortbesteht und sich demgemäß das begehrte Unterlassungsgebot in einen Anspruch auf Störungsbeseitigung umwandelt, ist der Antrag nicht begründet. Das Anbringen von Toren ist nicht schon nach dem Inhalt des Geh- und Fahrrechtes ausgeschlossen.

Zur Ermittlung des Inhalts der Dienstbarkeit ist voranging auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen jedoch insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Hier ergibt sich weder aus der Eintragungsbewilligung gemäß Urkunde des Notars Dr. ... Nr. .../1969 noch etwa aus den für jedermann erkennbaren örtlichen Verhältnissen, dass die Errichtung von Toren zur Gewährleistung des Geh- und Fahrrechtes ausgeschlossen ist.

Allerdings ergibt sich aus der Anbringung eines Tores eine Beschwernis des Berechtigten bei der Ausübung des Geh- und Fahrrechtes. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass der Berechtigte wegen der Verpflichtung zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit (§ 1020 S. 1 BGB) gewissen Erschwernisse bei deren Ausübung hinnehmen muss, soweit berechtigte Interessen des Verpflichtenden dies als angemessen erscheinen lassen. Hier erscheint die Absperrung des Grundstücks der Antragsgegner durch die beiden angebrachten Tore angemessen. Die Antragsgegner als Grundstücksnachbarn der Antragsteller bewohnen das auf ihrem Grundstück gelegene Wohnhaus mit ihren vier Jahre, zwei Jahre und knapp ein Jahr alten Kindern und haben deshalb jedenfalls derzeit zum Schutz ihrer Kinder - nicht zuletzt um zu vermeiden, dass sich die Kinder unbemerkt vom Grundstück entfernen - ein anzuerkennendes Interesse, an einer vollständigen Einfriedung ihres Grundstücks. Die Tore sind für die Antragsteller und ihre Besucher jederzeit manuell zu öffnen. Für sie wirkt sich das Tor zwischen dem Grundstück der Antragsgegner und der öffentlichen Straße sowie das Tor zwischen ihrem Grundstück und dem der Antragsgegner lediglich im Rahmen einer gewissen Lästigkeit bei der Ausübung des Geh- und Fahrrechtes aus. Diese Lästigkeit hinzunehmen erscheint als zumutbar im Rahmen der schonenden Ausübung der Dienstbarkeit.

Die Besorgnis der Antragsteller, die Tore könnten in den Wintermonaten bei Schnee nur schwer zu öffnen sein, steht dem nicht entgegen. Es ist Sache der Antragsgegner dafür zu sorgen, dass sich die Tore ohne besondere Erschwernisse öffnen lassen. Welche Ansprüche der Antragsteller gegeben sind, wenn sich die Tore wegen winterlicher Witterungsverhältnisse nicht ohne weiteres öffnen lassen, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung.

Auch der Hilfsantrag, die Tore so auszustatten, dass sie elektrisch und mit Fernbedienung geöffnet werden können, dass ferner eine Klingelanlage mit Sprechverbindung von den Toren zum Haus der Antragsteller geschaffen wird, ist nicht begründet. Das Geh- und Fahrrecht kann auch ohne die von den Antragsstellern verlangte technische Ausstattung der Tore ausgeübt werden.

Der technische und finanzielle Aufwand, den eine derartige Ausstattung der Tore erfordern würde, würde in keinem angemessenen Verhältnis zur Verbesserung des Komforts beim Passieren der Tore stehen.

Schließlich können die Antragsteller von den Antragsgegnern auch nicht beanspruchen, dass die Antragsgegner es unterlassen, auf ihrem Grundstück den von den Antragsstellern auf der vorgelegten Skizze markierten Bereich so umzugestalten, dass dort ein Wenden von Kraftfahrzeugen nicht mehr möglich ist. Der Inhalt des den Antragstellern eingeräumten Geh- und Fahrrechtes beschränkt sich nach dem klaren Wortlaut der Bewilligung auf einen etwa 3 m breiten Geländestreifen mit dem in der notariellen Urkunde näher bezeichneten Verlauf. Eine darüber hinaus gehende Fläche zum Wenden von Fahrzeugen ist nach dem klaren Inhalt der Bewilligung nicht Inhalt des Geh- und Fahrrechtes geworden. Der Umstand, dass die frühere Eigentümerin des nun den Antragsgegnern gehörigen Grundstückes duldete, dass die Antragsteller die von ihnen bezeichnete Fläche auf dem Grundstück der Antragsgegner zum Wenden von Fahrzeugen benutzten, mag auf tatsächlicher Duldung oder auch einer stillschweigend zustande gekommenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarung beruht haben; eine entsprechende Ausdehnung des Inhalts der Grunddienstbarkeit ergibt sich hieraus nicht. Anders könnte es nur dann liegen, wenn die von den Antragsstellern zum Wenden von Kraftfahrzeugen beanspruchte zusätzliche Fläche auf dem Grundstück der Antragsgegner nach den örtlichen Verhältnissen für jedermann ohne weiteres erkennbar im Rahmen der Nutzung der Zufahrt zum Grundstück der Antragsteller und zu der dort gelegenen Garage notwendig wäre, insbesondere etwa deshalb, weil auf dem Grundstück der Antragsteller die zum Wenden erforderliche Fläche weder vorhanden ist noch ohne weiteres geschaffen werden kann. Derartige örtliche Verhältnisse ergeben sich aber weder aus den vorgelegten Lichtbildern noch aus dem Lageplan und sind demgemäß nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Fehlt es danach an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs, kann offen bleiben, ob der begehrte Erlass der einstweiligen Verfügung eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde, wie das Landgericht meint.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Wertfestsetzung entspricht dem Interesse der Antragsteller an der Durchsetzung der begehrten einstweiligen Verfügung.


Gesetze

Gesetze

5 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1020 Schonende Ausübung


Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmä

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1027 Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit


Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

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Referenzen

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)