Wirtschaftsstrafrecht: Kapitalanlagebetrug durch Prospekttäuschung

bei uns veröffentlicht am14.08.2010

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
unterliegt nicht der kurzen Verjährung nach dem Hessischen Landespressegesetz - BGH vom 21.12.1994 - 2 StR 628/94 - Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB

Kapitalanlagebetrug, der durch unrichtige oder unvollständige Angaben in gedruckten Prospekten begangen wird, unterliegt nicht der kurzen Verjährung nach dem Hessischen Landespressegesetz.


Tatbestand

Der Angekl. war Geschäftsführer einer GmbH, die sich mit Kapitalanlageberatung befaßte, außerdem auch Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft, die Immobiliengeschäfte betrieb. Beide Gesellschaften hatten ihren Sitz in Wiesbaden. Zur Werbung von Anlegern für den Erwerb von Anteilen an einem Immobilienfonds ließ die GmbH einen Hochglanzprospekt drucken und spätestens ab dem 7. 2. 1987 verteilen. Der Vertrieb der Anteile begann im Mai 1987 und war im Mai 1989 abgeschlossen.

Das LG hat den Angekl. wegen Mißbrauchs von Titeln zu einer Geldstrafe verurteilt, das Verfahren jedoch wegen Verfolgungsverjährung eingestellt, soweit dem Angekl. zur Last gelegt worden war, durch unrichtige und unvollständige Angaben in einem Prospekt zum Vertrieb von Anteilen an einem Immobilienfonds Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) begangen zu haben.

Gegen diese Einstellungsentscheidung hat die StA Revision eingelegt. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Aus den Gründen:

... II. ... 3. Die angefochtene Einstellungsentscheidung hat keinen Bestand.

Die Verfolgung des dem Angekl. vorgeworfenen Kapitalanlagebetrugs (§ 264a StGB) ist nicht verjährt. Die 6 monatige Verjährung nach § 12 I Hessisches Pressegesetz (im folgenden: HessPresseG) gilt - entgegen der Ansicht des LG - hier nicht. Die Vorschrift bezieht sich auf die Strafverfolgung derjenigen Vergehen und Verbrechen, die durch Veröffentlichung oder Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts begangen werden. Sie ist im vorliegenden Falle nicht anwendbar.

Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB), der durch Verbreitung gedruckter Prospekte ("Prospekttäuschung”) verübt wird, erfüllt allerdings die Voraussetzung, nach der die Tat mit einem Druckwerk “strafbaren Inhalts" begangen sein muß (sog. Presseinhaltsdelikt; vgl. RGSt 66, 145; BGHSt 26, 40, 43 ff.; LK-Jähnke 11. Aufl., § 78 Rn 15 mwN). Denn bei dieser Form der Verwirklichung des Straftatbestands liegt die Strafbarkeit gerade im Inhalt des Prospektes begründet, weil § 264a StGB voraussetzt, daß die unrichtigen oder unvollständigen Angaben, die den Kern des Handlungsunrechts ausmachen, in dem Prospekt selber enthalten sind.

Der kurzen Verjährung nach § 12 I HessPresseG steht aber § 4 II Nr. 2 desselben Gesetzes entgegen. Diese Vorschrift nimmt vom Begriff des “Druckwerks”, wie er in § 4 I näher bestimmt ist, solche Druckwerke aus, “die nur den Zwecken des Gewerbes und Verkehrs, des häuslichen und geselligen Lebens" dienen, und nennt als Beispiele hierfür “Formulare, Preislisten, Werbedrucksachen, Familienanzeigen, Geschäfts-, Jahres- und Verwaltungsberichte”. Diese Regelung, die sich mit gleichem oder nur unwesentlich abweichendem Wortlaut auch in den Pressegesetzen der anderen Bundesländer (mit Ausnahme Bayerns) findet (vgl. Löffler PresseR, 3. Aufl., Bd. I § 7 LPG S. 361 ff., und Stöckel in Erbs/Kohlhaas Strafrechtl. NebenG, P 190 Vorb. Rn 9), entzieht die bezeichneten Druckwerke der Geltung aller Bestimmungen des Landespressegesetzes, die an das Vorliegen eines Druckwerks anknüpfen; das gilt mithin auch für die in § 12 I HessPresseG getroffene Verjährungsregelung.

Zu den in § 4 II Nr. 2 HessPresseG genannten Druckwerken gehören auch Prospekte i. S. des § 264a StGB. Sie sind - ungeachtet der sie kennzeichnenden, formal-inhaltlichen Besonderheiten (Angaben über die angebotene Kapitalanlage, Anspruch auf Vollständigkeit) - Werbeschriften (Lackner 20. Aufl., § 264a Rn 10; Dreher/Tröndle 46. Aufl., § 264a Rn 9; S/S-Cramer 24. Aufl., § 264a Rn 18 f.; SKStGB-Samson § 264a Rn 23); sie lassen sich daher bereits den in dieser Bestimmung beispielhaft erwähnten “Werbedrucksachen” zuordnen und dienen nach ihrem objektiven Charakter, für den Inhalt und Beschaffenheit maßgebend sind (RGSt 14, 279, 282 f.; 36, 11, 13; 66, 145 f.; Löffler aaO, Rn 58), unmittelbar und ausschließlich (RGSt 36, 11, 13 f.; Löffler aaO; Löffler/Ricker Hdb. des Presserechts, 3. Aufl., 12. Kap. Rn 20) den “Zwecken eines Gewerbes”. Daß unter den weit auszulegenden Begriff des Gewerbes (vgl. hierzu RGSt 20, 63, 65; Löffler aaO, Rn 59; Löffler/Ricker aaO, Rn 21) auch die privatwirtschaftliche Betätigung im Rahmen von Kapitalanlagegeschäften fällt, kann nicht zweifelhaft sein.

Dem entsprechen die Feststellungen, die das LG zu dem hier in Rede stehenden Prospekt getroffen hat. Dieser zielte seinem Inhalt nach darauf ab, Kapitalanleger für die Beteiligung an einem Immobilienfonds zu werben, mit dessen Einrichtung die vom Angekl. geleitete, in dieser Branche tätige Firma die Absicht erwerbswirtschaftlicher Gewinnerzielung verband. An dieser Zweckbestimmung ändert es nichts, daß der Prospekt - wie das LG festgestellt hat - auch “allgemeine Angaben über Inflation und Steuern, die Darstellung einer Zinseszinsrechnung sowie meinungsbildende Wertungen über die Sicherheit der Renten und Inflationsschutz” enthielt. Angaben, Darstellungen und Wertungen dieser Art dienen innerhalb eines Prospekts, der für einen Immobilienfonds wirbt, allein dazu, das Interesse des Lesers an der angebotenen Kapitalanlage zu wecken und ihm den Gedanken einer Beteiligung nahezulegen; sie halten sich damit im Rahmen des ausschließlich verfolgten gewerblichen Zwecks.

Das LG vertritt demgegenüber die Ansicht, daß § 4 II Nr. 2 HessPresseG nach seinem Sinn und Zweck hier keine Anwendung finden könne, weil die Vorschrift allein auf die Befreiung von bestimmten presserechtlichen Verpflichtungen abziele und nur “harmlose” Druckwerke meine. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift sind die darin bezeichneten Druckwerke nicht nur in einzelnen Beziehungen, sondern insgesamt von der Geltung der Vorschriften des HessPresseG ausgenommen. Ob sie “harmlos” sind oder nicht, ist dabei ohne Belang. Daran ändert es nichts, daß sich in Schrifttum und Rechtsprechung die Bezeichnung “harmlose Druckwerke" durchgesetzt hat. Denn dabei handelt es sich nur um einen abkürzenden, der leichteren terminologischen Verständigung dienenden Sprachgebrauch. Dieser geht auf die Zeit der Geltung des Gesetzes über die Presse vom 7. 5. 1874 (RGBl 65) zurück, dessen § 6 II Druckwerke dieser Art lediglich von der Impressumpflicht freistellte. Schon damals wurde aber “Harmlosigkeit” des Druckwerks nicht etwa als rechtserhebliches Merkmal gewertet (vgl. KG GA 51 (1902), S. 59 f.); umso weniger kann diesem - zumindest mißverständlichen - Sprachgebrauch nach der jetzigen Gesetzeslage rechtliche Bedeutung zuerkannt werden.

Die Rechtsansicht des LG läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf Regelungen in anderen Gesetzen (§ 4 UWG; § 38 VGWB ) und die dazu ergangene Rechtsprechung begründen. Die Gesetzesregelungen selbst stehen der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Die Frage nach dem Anwendungsbereich des § 4 II Nr. 2 HessPresseG hat sich in diesem Zusammenhang, soweit ersichtlich, bislang nicht gestellt, ist jedenfalls noch nicht höchstrichterlich entschieden worden.

Für Kapitalanlagebetrug, der durch unrichtige oder unvollständige Angaben in gedruckten Prospekten begangen wird, gilt mithin nicht die kurze Verjährung des Presserechts; zugrundezulegen ist vielmehr die an der Strafdrohung des § 264a StGB ausgerichtete Verjährungsfrist von 5 Jahren (§ 78 III Nr. 4 StGB). Diese Frist war bei der Urteilsverkündung am 18. 5. 1994 noch nicht verstrichen. Die Verjährung der 1987 begonnenen Tat war jeweils in Abständen von weniger als 5 Jahren unterbrochen worden, so durch den Durchsuchungsbeschluß des AG Wiesbaden vom 12. 7. 1989 (§ 78c I Nr. 4 StGB) und durch die Anklageerhebung am 5. 10. 1992 (§ 78c I Nr. 6 StGB). Da die Frist danach jedesmal von neuem zu laufen begann (§ 78c III 1 StGB), ist Verjährung nicht eingetreten.

 

Gesetze

Gesetze

3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 4 Mitbewerberschutz


Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb

Strafgesetzbuch - StGB | § 264a Kapitalanlagebetrug


(1) Wer im Zusammenhang mit 1. dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder2. dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,in Prospekten oder i

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Referenzen

(1) Wer im Zusammenhang mit

1.
dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder
2.
dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,
in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn sich die Tat auf Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung erbracht wird. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Wer im Zusammenhang mit

1.
dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder
2.
dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,
in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn sich die Tat auf Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung erbracht wird. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern.