Amtsgericht Duisburg Beschluss, 17. Juli 2014 - 19 F 210/14
Tenor
Das Verbringen des Kindes ND J, geboren am 00.00.0000, durch die Mutter, Frau U J, geborene I, am 10.04.2014, in die Türkei ist widerrechtlich im Sinne von Art. 3 des Haager Kindesentführungsübereinkommens.
Von der Entscheidung von Gerichtskosten wird abgesehen eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Verfahrenswert wird auf 3000 EUR festgesetzt.
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Gründe:
2I. Nach dem durch Vorlage der Heiratsurkunde in Kopie und der Geburtsurkunde glaubhaft gemachten Sachvortrag des Kindesvaters hat sich folgendes zugetragen:
3Bis Mitte des Jahres 2013 hat es zwischen den Eheleuten keinen Auseinandersetzungen gegeben. Ende Juli 2013 kam es auf der Fahrt in die Türkei, wo die Familie beabsichtigte, Urlaub zu machen, zu einem Verkehrsunfall. Die Kindesmutter musste in Ungarn operiert werden. Seit diesem Tag kann sie nicht mehr beschwerdefrei laufen. Der Kindesvater selbst wurde aus unklaren Gründen ohnmächtig. Die Familie der Kindesmutter beschuldigte den Kindesvater fortan, an dem Unfall die Schuld zu tragen. Im Dezember 2013 erlitt der Kindesvater einen Herzinfarkt, der zu seiner Erwerbsunfähigkeit führte. Zuvor war er als Lkw-Fahrer tätig. In dieser Zeit reiste die Kindesmutter mit dem gemeinsamen Sohn in die Türkei. Begleitet wurde sie von der Oma des Kindes. In der Türkei gab sie an, in Deutschland „die Hölle erlebt zu haben“. Gleichwohl kehrte sie am 19.01.2014 nach Deutschland mit dem Kind zurück. Aufgrund der Erwerbsunfähigkeit des Kindesvaters war es der Familie nicht möglich, einen bei der U-bank aufgenommenen Kredit weiter zu tilgen. Mit diesem Kredit hatten sie ein Haus in der Türkei gekauft. Der Kindesvater schlug daher Ende Februar 2014 vor, das Haus zu verkaufen und mit dem Erlös die Schulden zu tilgen. Seit dieser Zeit lebten sich die Eheleute auseinander. Es kam zur Trennung innerhalb der Ehewohnung. Am 10.04.2014 musste sich der Kindesvater einer Untersuchung im Krankenhaus in Dinslaken unterziehen. Nachmittags bis in den Abend hinein versuchte er, die Kindesmutter telefonisch zu erreichen, was ihm jedoch nicht gelang. Aufgrund ihrer Behinderung machte sich der Kindesvater Sorgen. Noch am selben Tage kehrte er sich nach Hause zurück. Von einer Bekannten erfuhr er, dass die Kindesmutter samt Kind in die Türkei gefahren sei. Der Kindesvater begab sich daraufhin wieder in das Krankenhaus, wo er sich einer Katheteruntersuchung unterzog. Am 19.04.2014 flog er in die Türkei. Dort traf er seinen Sohn, den er jedoch nur unter Aufsicht für etwa 2 Stunden sehen konnte. Der Sohn gab an, ihn, den Vater, zu vermissen. Mit der Kindesmutter hat der Kindesvater nicht gesprochen. Der letzte Kontakt zwischen den Kindeseltern kam etwa 2 Wochen vor der gerichtlichen Anhörung am 17.07.2014 zu Stande. Die Kindesmutter rief an und erklärte, dass sie zurückkommen wolle. Allerdings wolle sie sich von dem Kindesvater trennen. Dieser sollte die Miete für die Ehewohnung weiter begleichen. Zudem müsse er die Anzeige für die Rückführung des Kindes zurücknehmen. Hierauf ließ sich der Kindesvater indessen nicht ein.
4Am 15.05.2014 stellte er bei dem Bundesamt für Justiz einen Antrag auf Rückgabe nach dem Haager Übereinkommen vom 22.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung.
5II. Die Entscheidung beruht auf § 41 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes. Danach entscheidet über einen Antrag, die Widerrechtlichkeit des Verbringens oder des Zurückhaltens eines Kindes nach Artikel 15 S. 1 Nr. 2 des Haager Kindesentführungsübereinkommens festzustellen, das Familiengericht, in dessen Bezirk das Kind seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.
6Bis zum Verbringen in der Türkei lebte das Kind mit den Eltern in der ehelichen Wohnung auf der B-Straße 22 in E. Der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes liegt im Bezirk des hiesigen Amtsgerichtes, das daher zur Entscheidung berufen ist. Die Kindeseltern sind verheiratet. Aus ihrer Ehe ist das gemeinsame Kind ND hervorgegangen. Gemäß §§ 1626, 1629 des Bürgerlichen Gesetzbuches üben sie das Sorgerecht gemeinsam aus und vertreten es gemeinsam. Der Antragsteller hat angegeben, mit dem Verbringen des Kindes in die Türkei nicht einverstanden zu sein. Aus diesem Grunde ist das Verbringen des Kindes widerrechtlich im Sinne von Artikel 3 a) des Haager Kindesentführungsübereinkommens, wonach es als widerrechtlich gilt, wenn durch das Verbringen das Sorgerecht verletzt wird, dass einer Person gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
7Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 81 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Festsetzung des Verfahrenswertes § 45 Abs. 1 des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen entsprechend.
Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Duisburg Beschluss, 17. Juli 2014 - 19 F 210/14
Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Duisburg Beschluss, 17. Juli 2014 - 19 F 210/14
Referenzen - Gesetze
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
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der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) In einer Kindschaftssache, die
- 1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge, - 2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft, - 3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, - 4.
die Kindesherausgabe oder - 5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.
(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.