Amtsgericht Warburg Beschluss, 23. Aug. 2016 - 13 F 5/16
Tenor
Der Kindesmutter wird die elterliche Sorge für X, geb. am … entzogen und Vormundschaft angeordnet. Zum Vormund wird bestellt: Kreis I, Gesetzliche Vertretung und Unterhalt, ….
Der Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater wird zurückgewiesen.
Zum Verfahrensbeistand wird bestellt: Frau Rechtsanwältin B.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
Verfahrenswert: 3.000,00 EUR (§ 45 FamGKG).
1
Gründe:
2Die Entscheidung beruht auf §§ 1666, 1666 a BGB.
3Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
4Nach den Ermittlungen des Gerichts, insbesondere der Einholung des Gutachtens des Sachverständigen S vom 05.10.2015 und vom 27.05.2016 sowie der Anhörung der Kindeseltern steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine Kindeswohlgefährdung im Sinne der oben genannten Vorschriften aufgrund der Erziehungsunfähigkeit der Kindeseltern vorliegt.
5Der Sachverständige führt in seinem Gutachten u.a. aus, dass die Kindesmutter nicht in der Lage sei, eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung und Betreuung des Kindes N zu gewährleisten. Die Kindesmutter habe aufgrund einer Persönlichkeitsunreife eine Erziehungsunfähigkeit entwickelt, die dazu geführt habe, in instabilen Wohnverhältnissen zu leben und es zu Defiziten in der Gesundheitsfürsorge und der sonstigen Betreuung der beiden Kinder T und N gekommen sei. Ambulante und stationäre Maßnahmen der Jugendhilfe seien gescheitert, eine Korrektur der Defizite der Kindesmutter sei nicht möglich gewesen. Auch während des Aufenthalts in der Mutter-Kind-Einrichtung sei es zu zahlreichen Beeinträchtigungen des Kindeswohls gekommen. Die Kindesmutter habe sich zudem passiv-aggressiv der Hilfeplanung entzogen. Ein Sinneswandel der Kindesmutter sei auch innerhalb der Begutachtung nicht eingetreten, sie sei vielmehr oberflächlich und distanziert geblieben und könne sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen.
6Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen an. Der Sachverständige, der als Diplom-Psychologe für die Beantwortung der gestellten Beweisfragen fachlich zweifelsfrei geeignet ist, ist von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen in nachvollziehbarer Weise dargestellt. Das Gutachten ist in sich schlüssig. Die Kindeseltern sind dem Gutachten in Bezug auf die Kindesmutter auch nicht substantiiert entgegengetreten. Dass die Kindesmutter erziehungsfähig sei, wird schon nicht behauptet. Vielmehr wird lediglich angegriffen, der Sachverständige habe die Situation der Kindesmutter nach der Inobhutnahme der Kinder nicht ausreichend berücksichtigt. Diese sei aufgrund der zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits erfolgten Wegnahme der Kinder T und N verängstigt und daher nicht zugänglich gewesen. Diese Einwendung stellt das Ergebnis der Begutachtung nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht ernsthaft in Frage. Der Sachverständige erläutert seine getroffenen Feststellungen ausführlich und stellt die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen schlüssig und nachvollziehbar dar. So führt er u.a. auch aus, dass die Kindesmutter auch während der Begutachtung keine Einsicht in ihre vorhandenen Defizite gezeigt habe. Selbst wenn man also von einer Verängstigung der Kindesmutter ausgeht, so ergeben sich dennoch keine Zweifel daran, dass sich diese – ohne verängstigt zu sein – um die Belange ihres Kindes N ausreichend kümmern könnte.
7Hinsichtlich des Kindesvaters führt der Sachverständige aus, der Kindesvater habe sich einer Begutachtung durch den Sachverständigen nicht zur Verfügung gestellt. Es bestünden jedoch nach den gewonnenen Erkenntnissen erhebliche Zweifel an der Erziehungsfähigkeit des vorbestraften Kindesvaters. Er habe zusammen mit der Kindesmutter in defizitären Wohnverhältnissen gelebt und somit zumindest indirekt an der Vernachlässigung des weiteren Kindes T mitgewirkt. Er habe auch keine fachlichen Hilfen in Anspruch genommen. Eine ausreichende Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters sei auch deshalb zweifelhaft, weil davon auszugehen sei, dass dieser die Erziehung der Kindesmutter überlassen würde, die jedoch nicht erziehungsfähig sei.
8Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auch im Hinblick auf den Kindesvater an. Zwar ist eine persönliche Begutachtung des Kindesvaters durch den Sachverständigen nicht erfolgt. Dies hat jedoch der Kindesvater selbst zu verantworten. Nach Ansicht des Gerichts ist es nicht nachvollziehbar, dass der Kindesvater die von ihm verlangte Chance, sich als Vater zu beweisen, nicht genutzt und sich dem Sachverständigen nicht vorgestellt hat. Dass der Sachverständige zu einem aus Sicht des Kindesvaters ungünstigen Ergebnis betreffend die Kindesmutter gekommen ist, betrifft gerade nur die Kindesmutter und nicht ihn selbst. Die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen konnte dieser jedoch auch ohne persönliche Begutachtung des Kindesvaters nachvollziehbar gewinnen und entsprechen im Ergebnis auch dem Eindruck des Gerichts vom Kindesvater, der sich aus der persönlichen Anhörung dessen ergeben hat.
9Die Einholung eines weiteren Gutachtens war nach alledem nicht erforderlich.
10Der Sachverständige hat die Beweisfragen ausschöpfend beantwortet. Einer weiteren Begutachtung durch diesen hat der Kindesvater auch noch in der mündlichen Verhandlung vom 15.08.2016 widersprochen, so dass ein ergänzendes Gutachten durch den Sachverständigen keine weiteren Erkenntnisse gebracht hätte. Gründe, weshalb der Sachverständige für die vorliegende Begutachtung ungeeignet oder gar voreingenommen wäre, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.
11Auch nach dem in der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2016 gewonnenen persönlichen Eindruck des Gerichts von den Beteiligten ergeben sich erhebliche Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern. So hat sich der Kindesvater nach wie vor unkooperativ gezeigt, indem er eine weitere Begutachtung durch den Sachverständigen abgelehnt hat. Die hierfür angeführte Begründung, der Sachverständige habe bereits bezüglich der Kindesmutter ein ungünstiges Ergebnis hervorgebracht, überzeugt aus den oben bereits ausgeführten Gründen nicht.
12Es bestehen nach den getroffenen Feststellungen auch keine milderen Mittel als der vollständige Entzug der elterlichen Sorge. Andere Maßnahmen, wie etwa den Kindeseltern die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen aufzugeben, sind bereits gescheitert.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
14Rechtsbehelfsbelehrung:
15Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Warburg, Puhlplatz 1, 34414 Warburg schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.
16Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Warburg Puhlplatz 1, 34414 Warburg eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
17Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.
18Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm - eingegangen sein.
19Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.
20Warburg, 22.08.2016
21Amtsgericht
Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Warburg Beschluss, 23. Aug. 2016 - 13 F 5/16
Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Warburg Beschluss, 23. Aug. 2016 - 13 F 5/16
Referenzen - Gesetze
(1) In einer Kindschaftssache, die
- 1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge, - 2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft, - 3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, - 4.
die Kindesherausgabe oder - 5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.
(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.