Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2017 - 4 StR 228/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:050717B4STR228.17.0
bei uns veröffentlicht am05.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 228/17
vom
5. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:050717B4STR228.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Juli 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 6. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und wegen Nötigung“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete , auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen brachte die Lebensgefährtin des Angeklagten zwei Töchter, u.a. die im Tatzeitraum 14 und 15 Jahre alte L. , mit in die Beziehung. Seit August 2013 nahm der Angeklagte, der weiterhin über eine eigene Wohnung verfügte, zunehmend und regelmäßig am Familienleben seiner Lebensgefährtin teil. Er hielt sich regelmäßig in deren Wohnung auf und übernachtete auch dort; er unternahm Ausflüge mit der Familie und unterstützte seine Lebensgefährtin auch bei Erziehungsfragen. Es kam häufig zu Auseinandersetzungen zwischen L. und ihrer Mutter. „In diesen Momenten versuchte der Angeklagte, der gegenüber beiden Mädchen eine Vaterrolle einnahm, zu intervenieren und auf L. einzuwirken, was jedoch nur teilweise gelang.“ L. war froh, in dem Angeklagten eine neue Bezugsperson zu haben, zumal beide das gemeinsame Hobby des Fußballspielens verband. Ihre emotionale Verbundenheit zum Angeklagten brachte sie etwa dadurch zum Ausdruck, dass sie ihn „Bruderherz“ nannte.
3
1. Im Oktober 2014 befand sich die Lebensgefährtin des Angeklagten im Krankenhaus, um das erste gemeinsame Kind zur Welt zu bringen. Der Angeklagte war während dieser Zeit allein für die beiden Mädchen verantwortlich. An einem nicht näher bestimmbaren Tag setzte er sich im Wohnzimmer zuL. auf die Couch und sagte ihr, „dass sie süß sei und er Gefühle für sie habe“. Da er sich von dem Mädchen sexuell erregt fühlte, fing er an, es oberhalb ihrer Kleidung am Oberkörper und an den Brüsten zu berühren und zu streicheln. Oberhalb ihrer Kleidung streichelte er auch ihren Schambereich. Sodann fasste er mit seiner Hand unter ihrem T-Shirt an ihre Brüste. Auch als L. ihn bat, sie in Ruhe zu lassen, fuhr er fort, das Mädchen zu streicheln. Erst als sie ihn in ihrem Zimmer, in das er ihr gefolgt war, vehement aufforderte, dieses wieder zu verlassen, zog er sich zurück.
4
2. An einem weiteren, nicht näher bestimmbaren Tag zwischen Oktober 2014 und August 2015 stellte sich der Angeklagte vor die auf dem Boden sitzende L. , öffnete seine Hose und befriedigte sich vor ihren Augen selbst. Dabei forderte er sie auf, sich seinen erigierten Penis anzuschauen , da ihn dies sexuell erregte. Das Mädchen warf ihm jedoch nur einen kurzen Blick zu und starrte sodann aus Scham und Ekel auf den Boden.
5
3. An einem anderen Tag in dem zu Ziffer 2 genannten Zeitraum stellte sich der Angeklagte, der sich erneut von L. sexuell erregt fühlte, im Wohnzimmer vor sie hin, hob sie mit beiden Armen hoch und hielt sie auf seinem Arm fest; er versuchte, das Mädchen auf den Mund zu küssen. Das gelang ihm jedoch nicht, da L. sogleich den Kopf zur Seite wandte. Erst als sie den Angeklagten mehrfach vehement aufforderte, sie in Ruhe zu lassen, ließ dieser von ihr ab.

II.


6
Diese Feststellungen tragen den gegen den Angeklagten ergangenen Schuldspruch nicht.
7
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten „wegen sexuellen Miss- brauchs von Schutzbefohlenen“ – im Fall II.1 der Urteilsgründegemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB, im Fall II.2 gemäß § 174 Abs. 2 Nr. 1 StGB (in der Fassung vom 1. April 2004 bis 26. Januar 2015) bzw. § 174 Abs. 3 Nr. 1 StGB (in der Fassung ab 27. Januar 2015) – verurteilt hat, belegen die Feststellungen nicht, dass zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten zur Tatzeit ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestand.
8
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 29. Mai 2017 u.a. Folgendes ausgeführt: „Die Tatbestände des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB und des § 174 Abs. 2 Nr. 1 (in der Fassung vom 01. April 2004 bis 26. Januar 2015) bzw. Abs. 3 Nr. 1 (in der Fassung ab 27. Januar 2015) setzen voraus, dass zwischen Täter und Opfer ein Verhältnis besteht, kraft dessen eine Person unter 16 Jahren dem Täter zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist. Erforderlich hierfür ist ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne einer Unter- und Überordnung, die den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich umfasst, in welchem einer Person das Recht und die Pflicht obliegt, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistig-seelische Entwicklung zu überwachen und zu leiten (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 30. März 2011 - 4 StR 97/11; BGH, Beschluss vom 5. April 2011 - 3 StR 12/11; BGH, Beschluss vom 26. Juni 2003 - 4 StR 159/03; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2000 - 1 StR 221/00; Senat, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 4 StR 75/92, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 2; BGH, Urteil vom 20. September 1988 - 1 StR 383/88, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1; BGH, Urteil vom 5. November 1985 - 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344 f.; BGH, Urteil vom 20. September 1988 - 1 StR 383/88, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1).
Ausweislich der Feststellungen nahm der Angeklagte seit August 2013 zunehmend und regelmäßig an dem Familienleben seiner Lebensgefährtin , der Mutter der Geschädigten, teil. Der Angeklagte unterhielt noch seine eigene Wohnung, gleichwohl übernachtete er in der Wohnung seiner Lebensgefährtin (UA S. 4), in der auch die Geschädigte lebte, wobei er seit 2015 unter der Woche auf Montage arbeitete und sich lediglich an den Wochenenden regelmäßig bei der Mutter der Geschädigten aufhielt (UA S. 3, 22). Allein aus dem Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung noch kein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 StGB hergeleitet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 2 StR 200/15; BGH, Urteil vom 2. Juni 1999 - 5 StR 112/99; Senat, Beschluss vom 6. Mai 1999 - 4 StR 173/99). Aus den weiteren Feststellungen bzw. aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich ein solches besonderes Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten jedoch nicht zweifelsfrei entnehmen. Zwar ist im Rahmen der Beweiswürdigung [gemeint: Feststellungen] ausgeführt, dass der Angeklagte an den gemeinsamen Mahlzeiten der Familie teilnahm und seiner Partnerin im Haushalt half (UA S. 4). Er unternahm Ausflüge mit der Familie, brachte das Mädchen - die jüngere Schwester der Geschädigten - V. abends zu Bett und unterstützte [seine Lebensge-
fährtin] auch bei Erziehungsfragen (UA S. 4). In welcher konkretisierenden Art und Weise und in welchem zeitlichen Umfang der unter der Woche auf Montage arbeitende Angeklagte seine Lebensgefährtin jedoch vor allem bei der Erziehung der Geschädigten unterstützte, bleibt nach den Feststellungen unklar. Auch soweit darauf abgestellt wird, dass der Angeklagte gegenüber der ‚pubertierenden‘ Geschädigten eine ‚Vaterrolle ‘ eingenommen und versucht habe, zu ‚intervenieren‘ undauf sie ‚ein- zuwirken‘, lässt das Urteil dahingehende Feststellungen vermissen, dass dem Angeklagten die Mitverantwortung bei der Erziehung der Tochter seiner Lebensgefährtin durch diese eingeräumt war, er etwa Verbote und Erlaubnisse erteilen und Strafen verhängen konnte bzw. solche tatsächlich ausgesprochen hat.
Darüber hinaus muss das Obhuts- und damit das Unterordnungsverhältnis als solches auch der Geschädigten L. bewusst gewesen sein, denn aus dem Zusammenhang mit §§ 174a, 176 StGB ergibt sich, dass § 174 StGB vor allem die sexuelle Selbstbestimmung schützt (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 174 Rn. 5). Das Landgericht stellt in diesem Zusammenhang lediglich fest, dass die Geschädigte vor dem Hintergrund ihres ‚schwierigen‘ Verhältnisses zur Mutter in dem Angeklagten eine ‚neue Bezugsperson in ihrem Leben‘ sah (UA S. 4). Weiter wird festgestellt, dass die Geschädigte den Angeklagten ‚Bruderherz‘ (UA S. 4, vgl. auch UA S. 9, 10) nannte bzw. ihm die Rolle eines ‚Er- satzvaters‘ (UA S. 10) zuwies. Das spricht zwar für eine emotionale Ver- bundenheit der Geschädigten zum Angeklagten, jedoch ergibt sich daraus nicht ohne weiteres, dass aus ihrer Sicht auch ein Unterordnungsverhältnis im Sinne des § 174 StGB zum Angeklagten vorlag.“
9
Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend zum Fall II.1 der Urteilsgründe :
10
Zwar war der Angeklagte ausweislich der Feststellungen während des Krankenhausaufenthaltes seiner Lebensgefährtin im Oktober 2014 auch für L. verantwortlich. Das Urteil enthält aber keine Feststellungen zu dem Zeitraum der Abwesenheit der Mutter. Solcher hätte es bedurft, da eine nur ganz kurzfristige Verantwortlichkeit während der Abwesenheit des Erzie- hungsberechtigten nicht ausreicht, um ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1988 – 1StR 383/88, NStZ 1989, 21; Beschluss vom 27. Juni 2000 – 1 StR 221/00, bei Pfister NStZ-RR 2000, 353; OLG Zweibrücken NJW 1996, 330, 331; Hörnle in LK-StGB, 12. Aufl., § 174 Rn. 11 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 2 StR 200/15, NStZ 2017, 155, 156).
11
2. Auch die Verurteilung wegen vollendeter Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 StGB im Fall II.3 der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben.
12
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift Folgendes ausgeführt: „Die Urteilsfeststellungen ergeben nicht, dass der Angeklagte tatsächlich eine vollendete Nötigung begangen hat. § 240 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Die tatbestandsmäßige Nötigungshandlung des Täters muss in kausalem Sinne zu dem vom Täter geforderten Verhalten des Opfers führen. Vollendet ist die Nötigung erst dann, wenn der Genötigte die verlangte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat. Ein Teilerfolg, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, kann für die Annahme einer vollendeten Nötigung ausreichen, wenn die abgenötigte Handlung des Opfers nach den Vorstellungen des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juni 2012 - 4 StR 139/12; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 421/03, NStZ 2004, 442; Urteile vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082; vom 20. Juni 2007 - 1 StR 157/07, StV 2008, 249). Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt bereits in der ‚Bemächtigung der Geschädigten‘ durch das ‚Hochheben‘ und ‚Festhalten‘ (UA S. 18) kein die Annahme einer vollendeten Nötigung rechtfertigender Teilerfolg. Das Verhalten des Angeklagten zielte nach den Urteilsfeststellungen darauf ab, die Geschädigte auf den Mund zu küssen. Den Urteilsfeststellungen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass schon die Bemächtigungssituation nach der Vorstellung des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des angestrebten Enderfolgs dar- stellt. Die vorliegende Bemächtigungssituation erscheint … vielmehr als Mittel, um das vom Angeklagten letztlich erstrebte Verhalten der Geschädigten (hier der Kuss auf den Mund) zu ermöglichen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 421/03). Das Verhalten der Geschädigten erschöpft sich somit letztlich in der Hinnahme des Nöti- gungsmittels.“
13
Dem tritt der Senat bei.

III.


14
Für die neue Verhandlung und Entscheidung der Sache weist der Senat darauf hin, dass er die Bedenken des Generalbundesanwalts gegen die Beweiswürdigung zu den Fällen II.2 und 3 der Urteilsgründe nicht teilt. Das Landgericht hat sich insoweit mit der Auffassung des von ihm gehörten Sachverständigen auseinandergesetzt, der abweichend von seinem vorbereitenden Gutachten die Unwahrhypothese nicht sicher auszuschließen vermochte. Es ist hierbei rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aussage der Geschädigten glaubhaft ist.
15
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird, wenn er erneut zur Annahme eines Obhutsverhältnisses im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB gelangt, auch nähere Feststellungen zum subjektiven Tatbestand zu treffen haben.
VRi'inBGH Sost-Scheible ist urlaubsbedingt an der Beifügung der Unterschrift gehindert. Cierniak Cierniak Franke Bender Quentin

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2017 - 4 StR 228/17 zitiert 6 §§.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 97/11
vom
30. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 30. März 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 25. Oktober 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen schuldig ist, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts.
2
Das Rechtsmittel führt nur zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs ; im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
3
1. Die Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Februar 2011 nicht durch.
4
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
5
a) Im Fall II. 6 der Urteilsgründe wird die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB von den Feststellungen nicht getragen.
6
Die im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Tatbestandsvarianten des Anvertrautseins der unter 16 Jahre alten Person zur Erziehung oder zur Betreuung setzen ein Obhutsverhältnis voraus, kraft dessen einer Person das Recht und die Pflicht obliegt, die Lebensführung des Minderjährigen und damit dessen geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten. Ob ein solches Obhutsverhältnis besteht und welchen Umfang es hat, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 5. November 1985 - 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344 f.; Urteil vom 20. September 1988 - 1 StR 383/88, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1). Von längerer Dauer braucht das Verhältnis nicht zu sein (BGH, Urteil vom 3. April 1962 - 5 StR 74/62, BGHSt 17, 191, 192 f.). Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal "Erziehung" kommt es darauf an, dass die jeweilige Person Erziehungsfunktionen gegenüber den Jugendlichen tatsächlich ausübt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 27. Juni 2000 - 1 StR 221/00, NStZ-RR 2000, 353; BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 4 StR 75/92, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 2). Dies wird bei nur gelegentlicher Kinderbetreuung in der Regel nicht gegeben sein (SSW-StGB/Wolters, StGB, § 174 Rn. 7 m.w.N.).
7
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen bestand zwischen dem Angeklagten einerseits und der Nebenklägerin, ihrer Mutter und deren Lebensgefährten andererseits zum Tatzeitpunkt keine häusliche Gemeinschaft. Das enge Verhältnis der Nebenklägerin zum Angeklagten, die diesen als Vater betrachtete und auch so bezeichnete, ergab sich lediglich aus dem Umstand, dass der Angeklagte in der Vergangenheit mehrere Jahre lang mit deren Großmutter liiert war. Die Mutter der Geschädigten vereinbarte mit dem Angeklagten , zu dem sie weiterhin großes Vertrauen hatte, dass er am Tatabend in ihrer Wohnung ab und an nach dem Rechten sehen sollte, da sie sich mit ihrem Lebensgefährten auf einer Geburtstagsfeier befand. Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Angeklagten mit der einmaligen Übertragung der Aufsichtspflicht über die Nebenklägerin (und deren Brüder) zugleich die Verantwortung für das geistlich-sittliche Wohl und eine Einflussnahme auf die Persönlichkeitsbildung des Kindes übertragen werden sollte; ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt daher fern.
8
b) Der Senat ändert dementsprechend den Schuldspruch im Fall II. 6 der Urteilsgründe. Dass ein neuer Tatrichter ergänzende Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB treffen könnte, ist nach Lage der Dinge ausgeschlossen.
9
3. Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter auf Grund des geänderten Schuldspruchs eine geringere Strafe verhängt haben würde, zumal er im Fall II. 6 der Urteilsgründe den Umstand, dass der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt hat.
10
4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen, da sich die Schuldspruchänderung hier nicht als Teilerfolg der Revision erweist (§ 473 Abs. 1 StPO; vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 473 Rn. 25).
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 12/11
vom
5. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. c) und 2. auf dessen Antrag - am
5. April 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 22. Juli 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 16 Fällen und des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den drei Fällen des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der Nebenklägerin W. (jeweils Einführen einer Kerze in den Randbereich des Anus u.a.) und über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten;
c) im Ausspruch über die Anordnung der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin W. dadurch ent- standenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte hat die der Nebenklägerin K. durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 16 Fällen sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet; von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten in den drei Fällen des sexuellen Miss- brauchs zum Nachteil der Nebenklägerin W. (jeweils Einführen einer Kerze in den Randbereich des Anus u.a.) jeweils auch wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) verurteilt hat; denn die Feststellungen belegen nicht, dass die Nebenklägerin dem Angeklagten bereits zum Zeitpunkt dieser Taten zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut war.
3
a) Ein die Anforderungen des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllendes Anvertrautsein setzt ein den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich erfassendes Abhängigkeitsverhältnis des Jugendlichen zu dem Betreuer im Sinne einer Unter- und Überordnung voraus (BGH, Beschluss vom 21. April 1995 - 3 StR 526/94, BGHSt 41, 137, 139); entscheidend ist, ob nach den konkreten Umständen ein Verantwortungsverhältnis besteht, kraft dessen dem Täter das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2003 - 4 StR 159/03, NStZ 2003, 661).
4
b) Ein derartiges Obhutsverhältnis ist den Urteilsgründen für die Tatzeit im März 2008 nicht zu entnehmen. Danach war die Nebenklägerin zwar sehr oft bei der Zeugin K. und dem Angeklagten zu Besuch; dieser kümmerte sich um sie, machte die Wäsche und half ihr bei den Hausarbeiten. Allein diese Umstände genügen jedoch auch bei Berücksichtigung des Alters der Nebenklägerin nicht zur Begründung eines dem Schutzzweck des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechenden Abhängigkeitsverhältnisses. Ein solches entstand vielmehr erst nach Pfingsten 2008, als die Nebenklägerin ganz bei der Zeugin K. und dem Angeklagten lebte und dieser sich nunmehr auch um ihre Erziehung kümmerte , mithin den der Norm unterfallenden Pflichtenkreis tatsächlich übernahm (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 1967 - 1 StR 595/65, BGHSt 21, 196, 201 f.; Urteil vom 5. November 1985 - 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344 f.).
5
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden könnten, die bereits für März 2008 ein Obhutsverhältnis in dem dargelegten Sinne belegen; er ändert deshalb in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch selbst ab. § 265 StPO steht nicht entgegen; denn der Angeklagte hätte sich gegen den alleinigen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
6
2. Der Wegfall des vom Landgericht angenommenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in den genannten Fällen führt zur Aufhebung der jeweiligen Einzelfreiheitsstrafen; denn das Landgericht hat ausdrücklich die tateinheitliche Verwirklichung dieses Delikts strafschärfend berücksichtigt. Aufgrund des Wegfalls der drei Einzelfreiheitsstrafen kann auch die Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand haben. Die zugehörigen Strafzumessungstatsachen werden allerdings durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen durch das neue Tatgericht, die den bisherigen nicht widersprechen, sind zulässig.
7
3. Die auf § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB aF gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu u.a. ausgeführt : "Zur Begründung des Hangs hat die Kammer eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und der Taten vorgenommen (UA S. 52 ff.). Die starke Neigung zu pädosexuellen Handlungen begründet die Strafkammer dabei auch mit dem Einlassungsverhalten des Angeklagten: Die Betonung der eigenen Anteile des Opfers und des Guten, das er auch getan habe, sowie die Uneinsichtigkeit des Angeklagten seien Merkmale, die das eingeschliffene Verhaltensmuster kennzeichnen (UA S. 55 f.). Bei der Begründung der Gefährlichkeit lastet das Tatgericht - dem Sachverständigen folgend - dem Angeklagten seine fehlende Verantwortungsübernahme und dessen verformte Realitätswahrnehmung an, weil er stets die Nebenklägerin W. als die eigentliche Täterin dargestellt und sämtliche Schuld bei ihr gesehen habe (UA S. 56). Bei der Annahme, dass sich der Angeklagte in Zukunft weiterer erheblicher Taten nicht enthalten kann, hat die Strafkammer zur Begründung auf das unbelehrbare Verhalten des Angeklagten, seine Projektion seiner Schuld auf andere sowie den Mangel an Einsicht abgestellt (UA S. 58). Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Tatgericht die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des - hier jedenfalls nicht voll geständigen - Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 4). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf nicht hangbegründend verwertet werden (BGH NStZ 2001, 595, 596; 2010, 270, 271; …). Wenn der Angeklagte die Taten leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld an der Tat zuschiebt, ist dies grundsätzlich zulässiges Verteidigungsverhalten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8, 9, 10). Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10). Diese Grenze zu einer verbotenen oder auch nur die Belange der Geschädigten grob missachtenden Verteidigungsstrategie ist hier jedoch noch nicht überschritten."
8
Dem stimmt der Senat zu.
9
4. Sollte das neue Tatgericht die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB aF gegen den 68 Jahre alten Angeklagten auch ohne Berücksichtigung von dessen zulässigem Verteidigungsverhalten erneut bejahen, weist der Senat zur pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens auf Folgendes hin:
10
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll das Tatgericht die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken , sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 StGB - im Gegensatz zu Abs. 1 - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt. Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind deshalb wichtige Kriterien, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen dieser Ermessensentscheidung grundsätzlich zu berücksichtigen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270, 271 f. mwN). Dies gilt entsprechend auch für § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB.
Becker Pfister von Lienen
Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 221/00
vom
27. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 2. Februar 2000 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs eines Schutzbefohlenen entfällt. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die im übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO ist, führt lediglich zu einer Ä nderung des Schuldspruchs. Die Feststellungen tragen die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Schutzbefohlenen nicht. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt: "Voraussetzung für ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, daß ein Verhältnis besteht, kraft dessen einer Person das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Minderjährigen und damit dessen
geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (BGHR StGB § 174 Abs. 1 Nr. 1 Obhutsverhältnis 1 = NStZ 1989, 21). Ob ein solches Obhutsverhältnis , das auch im Verhältnis zwischen Großeltern und Enkel bestehen kann (BGHR StGB § 174 Abs. 1 Nr. 1 Obhutsverhältnis 10), vorliegt, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen (BGHSt 19, 163; 33, 340, 344; 41, 137, 139). Dabei braucht das Verhältnis nicht von längerer Dauer zu sein (BGHSt 17, 191; BGH NJW 1955, 1934). Im vorliegenden Fall bestand keine häusliche Gemeinschaft zwischen der sechsjährigen N. R. und dem Angeklagten, ihrem Großvater. N. R. wohnte vielmehr im Goldenen Kinderdorf in W. . Sie besuchte nur gelegentlich zusammen mit ihrer Mutter, der Zeugin S. R. , den Angeklagten. Da S. R. am 11. Juni 1998 bis in die Nacht arbeiten mußte, kam sie mit ihren Eltern überein, daß diese ihre Enkelin N. am 11. Juni bis in den Morgen des 12. Juni 1998 versorgen sollten (UA S. 6/7). Ob die Großeltern damit nur die Funktion eines Ersatz-Babysitters wahrnehmen sollten (vgl. dazu BGHR StGB § 174 Abs. 1 Nr. 1 Obhutsverhältnis 2), mag dahinstehen. Jedenfalls kann auf der Grundlage der Urteilsgründe nicht davon ausgegangen werden, daß dem Angeklagten mit der eintägigen Überlassung des Kindes die Verantwortung für das geistig-sittliche Wohl und eine Einflußnahme auf die Persönlichkeitsbildung des Kindes übertragen werden sollte. Denn der Angeklagte hatte sich seit langem vom eigentlichen Familienleben abgekapselt und sich im Wesentlichen in sein Wohnzimmer zurückgezogen (UA S. 45). Insbesondere hatte er kein herzliches Verhältnis zu den Enkelkindern entwickelt und nie einen richtigen Bezug zu ihnen gefunden (UA S. 44). Bei diesem Persönlichkeitsbild des Angeklagten liegt es fern, daß nach dem Willen der Mutter der N. R. ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegenüber dem Angeklagten begründet werden sollte. Der
Schuldspruch wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen kann demnach keinen Bestand haben." Dem tritt der Senat bei. Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB läßt den Strafausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, daß der Tatrichter aufgrund des geänderten Schuldspruchs eine geringere Strafe verhängt haben würde. Zwar hat der Tatrichter bei der Strafzumessung berücksichtigt , daß der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat. Er hat aber zugleich hervorgehoben, daß § 176 a Abs. 1 StGB ein Verbrechenstatbestand ist, und die Strafe diesem Strafrahmen entnommen (UA S. 52). Die Tat bleibt in ihrem Unwertgehalt weiter auch dadurch gekennzeichnet, daß die Tatbegehung durch den Großvater des mißbrauchten Kindes während eines - wenn auch nur besuchsweisen - eintägigen Aufenthaltes bei den Großeltern sich als gravierender Vertrauensbruch darstellt. Überdies ist die Schwere der Tat durch die Ausführung des Oralverkehrs mit Samenerguß in den Mund des erst sechsjährigen Kindes und erhebliche Folgen für das Opfer geprägt. Angesichts dieser Umstände und im Blick auf das vom Angeklagten in verjährter Zeit gegenüber seinen Töchtern gezeigte einschlägige Verhalten (vgl. UA S. 42 ff.; siehe zu dessen Berücksichtigungsfähigkeit bei der Strafbemessung BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11) erweist sich die ausgesprochene Strafe als solchermaßen milde, daß eine geringere Strafe auch nach der Schuldspruchänderung nicht vorstellbar erscheint.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, weil sich die Schuldspruchänderung nicht als Teilerfolg der Revision erweist (§ 473 Abs. 1 StPO; vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 473 Rdn. 25). Schäfer Granderath Nack Wahl Schluckebier

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 200/15
vom
8. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen
ECLI:DE:BGH:2015:081215B2STR200.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2 auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 26. Januar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.2. b) bb) der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und im Maßregelausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen einer zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Februar oder März 2012 begangenen Tat des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) – Fall II. 2. b) bb) der Urteilsgründe – verurteilt hat; die Feststellungen belegen nicht zweifelsfrei, dass der Nebenkläger dem Angeklagten auch zu diesem Zeitpunkt noch zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung anvertraut war.
3
a) Der Tatbestand des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass zwischen Täter und Opfer ein Verhältnis besteht, kraft dessen eine Person unter 16 Jahren dem Täter zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist. Das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft genügt hierfür nicht (BGH, Urteil vom 2. Juni 1999 – 5 StR 112/99, NStZ-RR 1999, 321). Erforderlich ist vielmehr ein Verhältnis, in welchem einer Person das Recht und die Pflicht obliegt, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistig-seelische Entwicklung zu überwachen und zu leiten (BGH, Urteil vom 20. September 1988 – 1 StR 383/88, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1). Entscheidend ist insoweit nicht, von wem und auf welche Weise der Betreuer bestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 31. Januar1967 – 1 StR 595/65, BGHSt 21, 196, 201; BGH, Urteil vom 5. November 1985 – 1 StR 491/85, 33, 341, 344). Es kann genügen, dass ein Jugendlicher selbst sich einem Erwachsenen zur Betreuung in der Lebensführung gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB anvertraut (BGH, Beschluss vom 21. April 1995 – 3 StR 526/94, BGHSt 41, 137, 139). Erforderlich ist jedoch stets ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der Unter- und Überordnung, die den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich umfasst (BGH, Beschluss vom 21. April 1995 – 3 StR 526/94, aaO; Senat, Urteil vom 2. Juli 1997 – 2 StR 205/97, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 10). Ob ein solches Obhutsverhältnis besteht und welchen Umfang es hat, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 5. November 1985 – 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344).
4
b) Nach den Feststellungen übernahm der Angeklagte für den am 31. Oktober 1996 geborenen Geschädigten F. auf dessen Initiative und in Absprache mit Mutter und Schwester des Jugendlichen ab Anfang November 2011 die Sorge für dessen Erziehung, organisierte seinen Tagesablauf , überwachte den Schulbesuch und kümmerte sich um Ernährung und Körperhygiene des Jugendlichen. Im Zeitraum von Anfang November bis Ende Dezember 2011 nahm der Angeklagte in zwölf Fällen sexuelle Handlungen, in mindestens zwei Fällen den Oralverkehr an dem Jugendlichen vor. Zwar hat das Landgericht nicht festgestellt, ob das Betreuungsverhältnis auf längere Dauer angelegt war; dies steht der Annahme des Anvertrautseins im Sinne der genannten Vorschrift jedoch nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 1962 – 5 StR74/62, BGHSt 17, 191, 193; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 174 Rn. 6; aA LK-Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 174 Rn. 11; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 174 Rn. 6). Danach belegen die Feststellungen die Erfüllung des Tatbestands in den unter II. b) aa) genannten zwölf Fällen.
5
Ausweislich der Feststellungen verließ der Geschädigte F. jedoch im Februar 2012 nach einem Streit den Haushalt des Angeklagten und kehrte zu seiner Schwester, der Zeugin B. zurück, die in Absprache mit dem Jugendamt die Personensorge für ihren jüngeren Bruder innehatte. Zwar besuchte der Nebenkläger den Angeklagten bis zu seiner Inhaftierung in anderer Sache in der Folgezeit gelegentlich. Dass aber weiterhin ein besonderes Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestand, ist weder ausdrücklich festgestellt noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zweifelsfrei entnehmen. Zwar ist im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, dass der Angeklagte angegeben hatte, den Geschädigten mit Zustimmung von Mutter und Schwester von November 2011 bis zum 8. März 2012 bei sich aufgenommen zu haben; dies steht freilich in einem unauflöslichen Widerspruch zu den Feststellungen, wonach der Geschädigte „etwaim Februar 2011“ – gemeint ist ersichtlich: Februar 2012 – nach einem Streit den Haushalt des Angeklagten verlassen hat, zu Mutter und Schwester zurückgekehrt ist und sich in der Folgezeit nur noch besuchsweise bei dem Angeklagten aufgehalten hat.
6
Bei dieser Sachlage erscheint fraglich, ob die vom Angeklagten an dem Nebenkläger zu einem nicht näher bestimmbaren Tag zwischen Mitte Februar 2012 und dem 8. März 2012 anlässlich einer Übernachtung desJugendlichen in seiner Wohnung vorgenommenen sexuellen Handlungen den Straftatbestand des § 174 StGB noch erfüllen oder nicht. Der Schuldspruch kann daher insoweit keinen Bestand haben.
7
2. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II. 2. b) aa) keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
8
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 2. b) bb) zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe sowie die Aufhebung des Maßregelausspruchs nach sich.
9
Die Sache bedarf daher in diesem Umfang neuer Verhandlung und Entscheidung.
10
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Gefährlichkeitsprognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB besonders sorgfältiger Überprüfung bedarf.
11
Dass die vor den verfahrensgegenständlichen Straftaten begangene letzte einschlägige Straftat bereits mehrere Jahre zurück liegt, ist ein grundsätzlich prognostisch eher günstiger Umstand, der nicht ohne Weiteres durch die Erwägung relativiert werden kann, dass „bei Sexualdelinquenz mehrjährige Latenzen bis zum Auftreten einer neuen Straftat der üblichen Rückfallgeschwindigkeit entsprechen“. Fischer Appl Krehl Ott Bartel

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer gefangenen oder auf behördliche Anordnung verwahrten Person, die ihm zur Erziehung, Ausbildung, Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist, unter Mißbrauch seiner Stellung vornimmt oder an sich von der gefangenen oder verwahrten Person vornehmen läßt oder die gefangene oder verwahrte Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Person, die in einer Einrichtung für kranke oder hilfsbedürftige Menschen aufgenommen und ihm zur Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist, dadurch mißbraucht, daß er unter Ausnutzung der Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit dieser Person sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einer dritten Person bestimmt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 221/00
vom
27. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 2. Februar 2000 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs eines Schutzbefohlenen entfällt. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die im übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO ist, führt lediglich zu einer Ä nderung des Schuldspruchs. Die Feststellungen tragen die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Schutzbefohlenen nicht. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt: "Voraussetzung für ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, daß ein Verhältnis besteht, kraft dessen einer Person das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Minderjährigen und damit dessen
geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (BGHR StGB § 174 Abs. 1 Nr. 1 Obhutsverhältnis 1 = NStZ 1989, 21). Ob ein solches Obhutsverhältnis , das auch im Verhältnis zwischen Großeltern und Enkel bestehen kann (BGHR StGB § 174 Abs. 1 Nr. 1 Obhutsverhältnis 10), vorliegt, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen (BGHSt 19, 163; 33, 340, 344; 41, 137, 139). Dabei braucht das Verhältnis nicht von längerer Dauer zu sein (BGHSt 17, 191; BGH NJW 1955, 1934). Im vorliegenden Fall bestand keine häusliche Gemeinschaft zwischen der sechsjährigen N. R. und dem Angeklagten, ihrem Großvater. N. R. wohnte vielmehr im Goldenen Kinderdorf in W. . Sie besuchte nur gelegentlich zusammen mit ihrer Mutter, der Zeugin S. R. , den Angeklagten. Da S. R. am 11. Juni 1998 bis in die Nacht arbeiten mußte, kam sie mit ihren Eltern überein, daß diese ihre Enkelin N. am 11. Juni bis in den Morgen des 12. Juni 1998 versorgen sollten (UA S. 6/7). Ob die Großeltern damit nur die Funktion eines Ersatz-Babysitters wahrnehmen sollten (vgl. dazu BGHR StGB § 174 Abs. 1 Nr. 1 Obhutsverhältnis 2), mag dahinstehen. Jedenfalls kann auf der Grundlage der Urteilsgründe nicht davon ausgegangen werden, daß dem Angeklagten mit der eintägigen Überlassung des Kindes die Verantwortung für das geistig-sittliche Wohl und eine Einflußnahme auf die Persönlichkeitsbildung des Kindes übertragen werden sollte. Denn der Angeklagte hatte sich seit langem vom eigentlichen Familienleben abgekapselt und sich im Wesentlichen in sein Wohnzimmer zurückgezogen (UA S. 45). Insbesondere hatte er kein herzliches Verhältnis zu den Enkelkindern entwickelt und nie einen richtigen Bezug zu ihnen gefunden (UA S. 44). Bei diesem Persönlichkeitsbild des Angeklagten liegt es fern, daß nach dem Willen der Mutter der N. R. ein Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegenüber dem Angeklagten begründet werden sollte. Der
Schuldspruch wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen kann demnach keinen Bestand haben." Dem tritt der Senat bei. Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB läßt den Strafausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, daß der Tatrichter aufgrund des geänderten Schuldspruchs eine geringere Strafe verhängt haben würde. Zwar hat der Tatrichter bei der Strafzumessung berücksichtigt , daß der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat. Er hat aber zugleich hervorgehoben, daß § 176 a Abs. 1 StGB ein Verbrechenstatbestand ist, und die Strafe diesem Strafrahmen entnommen (UA S. 52). Die Tat bleibt in ihrem Unwertgehalt weiter auch dadurch gekennzeichnet, daß die Tatbegehung durch den Großvater des mißbrauchten Kindes während eines - wenn auch nur besuchsweisen - eintägigen Aufenthaltes bei den Großeltern sich als gravierender Vertrauensbruch darstellt. Überdies ist die Schwere der Tat durch die Ausführung des Oralverkehrs mit Samenerguß in den Mund des erst sechsjährigen Kindes und erhebliche Folgen für das Opfer geprägt. Angesichts dieser Umstände und im Blick auf das vom Angeklagten in verjährter Zeit gegenüber seinen Töchtern gezeigte einschlägige Verhalten (vgl. UA S. 42 ff.; siehe zu dessen Berücksichtigungsfähigkeit bei der Strafbemessung BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 11) erweist sich die ausgesprochene Strafe als solchermaßen milde, daß eine geringere Strafe auch nach der Schuldspruchänderung nicht vorstellbar erscheint.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, weil sich die Schuldspruchänderung nicht als Teilerfolg der Revision erweist (§ 473 Abs. 1 StPO; vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 473 Rdn. 25). Schäfer Granderath Nack Wahl Schluckebier

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 200/15
vom
8. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen
ECLI:DE:BGH:2015:081215B2STR200.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2 auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 26. Januar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.2. b) bb) der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und im Maßregelausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen einer zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Februar oder März 2012 begangenen Tat des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) – Fall II. 2. b) bb) der Urteilsgründe – verurteilt hat; die Feststellungen belegen nicht zweifelsfrei, dass der Nebenkläger dem Angeklagten auch zu diesem Zeitpunkt noch zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung anvertraut war.
3
a) Der Tatbestand des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass zwischen Täter und Opfer ein Verhältnis besteht, kraft dessen eine Person unter 16 Jahren dem Täter zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist. Das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft genügt hierfür nicht (BGH, Urteil vom 2. Juni 1999 – 5 StR 112/99, NStZ-RR 1999, 321). Erforderlich ist vielmehr ein Verhältnis, in welchem einer Person das Recht und die Pflicht obliegt, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistig-seelische Entwicklung zu überwachen und zu leiten (BGH, Urteil vom 20. September 1988 – 1 StR 383/88, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1). Entscheidend ist insoweit nicht, von wem und auf welche Weise der Betreuer bestellt worden ist (BGH, Beschluss vom 31. Januar1967 – 1 StR 595/65, BGHSt 21, 196, 201; BGH, Urteil vom 5. November 1985 – 1 StR 491/85, 33, 341, 344). Es kann genügen, dass ein Jugendlicher selbst sich einem Erwachsenen zur Betreuung in der Lebensführung gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB anvertraut (BGH, Beschluss vom 21. April 1995 – 3 StR 526/94, BGHSt 41, 137, 139). Erforderlich ist jedoch stets ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne der Unter- und Überordnung, die den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich umfasst (BGH, Beschluss vom 21. April 1995 – 3 StR 526/94, aaO; Senat, Urteil vom 2. Juli 1997 – 2 StR 205/97, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 10). Ob ein solches Obhutsverhältnis besteht und welchen Umfang es hat, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 5. November 1985 – 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344).
4
b) Nach den Feststellungen übernahm der Angeklagte für den am 31. Oktober 1996 geborenen Geschädigten F. auf dessen Initiative und in Absprache mit Mutter und Schwester des Jugendlichen ab Anfang November 2011 die Sorge für dessen Erziehung, organisierte seinen Tagesablauf , überwachte den Schulbesuch und kümmerte sich um Ernährung und Körperhygiene des Jugendlichen. Im Zeitraum von Anfang November bis Ende Dezember 2011 nahm der Angeklagte in zwölf Fällen sexuelle Handlungen, in mindestens zwei Fällen den Oralverkehr an dem Jugendlichen vor. Zwar hat das Landgericht nicht festgestellt, ob das Betreuungsverhältnis auf längere Dauer angelegt war; dies steht der Annahme des Anvertrautseins im Sinne der genannten Vorschrift jedoch nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 1962 – 5 StR74/62, BGHSt 17, 191, 193; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 174 Rn. 6; aA LK-Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 174 Rn. 11; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 174 Rn. 6). Danach belegen die Feststellungen die Erfüllung des Tatbestands in den unter II. b) aa) genannten zwölf Fällen.
5
Ausweislich der Feststellungen verließ der Geschädigte F. jedoch im Februar 2012 nach einem Streit den Haushalt des Angeklagten und kehrte zu seiner Schwester, der Zeugin B. zurück, die in Absprache mit dem Jugendamt die Personensorge für ihren jüngeren Bruder innehatte. Zwar besuchte der Nebenkläger den Angeklagten bis zu seiner Inhaftierung in anderer Sache in der Folgezeit gelegentlich. Dass aber weiterhin ein besonderes Obhutsverhältnis im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestand, ist weder ausdrücklich festgestellt noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zweifelsfrei entnehmen. Zwar ist im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, dass der Angeklagte angegeben hatte, den Geschädigten mit Zustimmung von Mutter und Schwester von November 2011 bis zum 8. März 2012 bei sich aufgenommen zu haben; dies steht freilich in einem unauflöslichen Widerspruch zu den Feststellungen, wonach der Geschädigte „etwaim Februar 2011“ – gemeint ist ersichtlich: Februar 2012 – nach einem Streit den Haushalt des Angeklagten verlassen hat, zu Mutter und Schwester zurückgekehrt ist und sich in der Folgezeit nur noch besuchsweise bei dem Angeklagten aufgehalten hat.
6
Bei dieser Sachlage erscheint fraglich, ob die vom Angeklagten an dem Nebenkläger zu einem nicht näher bestimmbaren Tag zwischen Mitte Februar 2012 und dem 8. März 2012 anlässlich einer Übernachtung desJugendlichen in seiner Wohnung vorgenommenen sexuellen Handlungen den Straftatbestand des § 174 StGB noch erfüllen oder nicht. Der Schuldspruch kann daher insoweit keinen Bestand haben.
7
2. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II. 2. b) aa) keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
8
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 2. b) bb) zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe sowie die Aufhebung des Maßregelausspruchs nach sich.
9
Die Sache bedarf daher in diesem Umfang neuer Verhandlung und Entscheidung.
10
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Gefährlichkeitsprognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB besonders sorgfältiger Überprüfung bedarf.
11
Dass die vor den verfahrensgegenständlichen Straftaten begangene letzte einschlägige Straftat bereits mehrere Jahre zurück liegt, ist ein grundsätzlich prognostisch eher günstiger Umstand, der nicht ohne Weiteres durch die Erwägung relativiert werden kann, dass „bei Sexualdelinquenz mehrjährige Latenzen bis zum Auftreten einer neuen Straftat der üblichen Rückfallgeschwindigkeit entsprechen“. Fischer Appl Krehl Ott Bartel

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 139/12
vom
19. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Freiheitsberaubung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 1. Dezember 2011
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung zu der Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung im Strafausspruch; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vollendeter Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB kann nicht bestehen bleiben.
3
Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte am Tattag gegen 22.30 Uhr mit der Geschädigten, seiner ehemaligen Freundin, die er zuvor unter einem Vorwand zum Mitfahren veranlasst hatte, in einen Wald. Dort hielt er an und bedrohte die Geschädigte über einen Zeitraum von ca. einer halben Stunde mit einer ihr gegenüber als echte Waffe bezeichneten Softair-Pistole, wobei er mit der Pistole hektisch herumhantierte und sie der Geschädigten auch für wenige Sekunden an die linke Seite ihres Kopfes hielt. Mit seinem Verhalten wollte der Angeklagte der Geschädigten Angst einjagen. Er hatte die Vorstellung, dass dies für ihn das letzte Mittel sei, ihr zu zeigen, dass er es ernst meine und er sich gegenüber seinem vorherigen Verhalten geändert habe. Er wollte sie dadurch bewegen, die Beziehung zu ihm wieder aufzunehmen. Die Geschädigte, die die Pistole für echt hielt und in Todesangst geriet, erzählte dem Angeklagten in ihrer Panik, dass sie ihn noch liebe, ihn zurückhaben wolle und sie es noch einmal miteinander versuchen sollten. Sie schlug ihm auch vor, gemeinsam aus dem Siegerland wegzugehen. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab und legte die Softair-Pistole wieder in das Handschuhfach seines Autos. Das Ansinnen der Geschädigten, die Pistole wegzuwerfen, lehnte er mit der Bemerkung ab, dass es sein könne, dass sie ihn anlüge und er die Waffe noch brauchen würde.
4
Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben nicht, dass der Angeklagte eine vollendete Nötigung begangen hat.
5
§ 240 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Die tatbestandsmäßige Nötigungshandlung des Täters muss in kausalem Sinne zu dem vom Täter geforderten Verhalten des Opfers führen. Vollendet ist die Nötigung erst dann, wenn der Genötigte die verlangte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat. Ein Teilerfolg, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, kann für die Annahme einer vollendeten Nötigung ausreichen, wenn die abgenötigte Handlung des Opfers nach den Vorstellungen des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 421/03, NStZ 2004, 442; Urteile vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082; vom 20. Juni 2007 - 1 StR 157/07, StV 2008, 249). Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt in der Erklärung der Geschädigten, zu dem Angeklagten zurückzukehren, kein die Annahme einer vollendeten Nötigung rechtfertigender Teilerfolg. Das drohende Verhalten des Angeklagten zielte darauf ab, die Geschädigte zur Wiederaufnahme und Fortsetzung der Beziehung mit ihm zu bewegen. Die Tat war damit auf ein Verhalten der Geschädigten in der Zukunft gerichtet. Eine von der Geschädigten abzugebende Erklärung über ihr künftiges Verhalten war dagegen nach den Feststellungen vom Angeklagten nicht gewollt. Die Äußerungen der Geschädigten sind auch nicht als eigenständig bedeutsame Vorstufe des vom Angeklagten erstrebten künftigen Verhaltens der Geschädigten anzusehen. Zum einen entnimmt der Senat den Urteilsgründen, dass die entsprechende Ankündigung von der Geschädigten ersichtlich nicht ernst gemeint war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 421/03, aaO). Zum anderen zeigt die Bemerkung des Angeklagten im Zusammenhang mit seiner Weigerung, die Softair-Pistole wegzuwerfen, dass der Angeklagte selbst die Erklärung der Geschädigten nicht als verbindlich ansah.
6
Da weitere Feststellungen zum Tatgeschehen in einer neuerlichen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der geständige Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
7
2. Der Strafausspruch hält unabhängig von der Schuldspruchänderung einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil es die Jugendkammer versäumt hat, nach § 105 Abs. 2 JGG i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 JGG über die Einbeziehung des noch nicht erledigten Urteils des Amtsgerichts Siegen vom 22. Dezember 2010 zu entscheiden. Durch dieses seit 30. Dezember 2010 rechtskräftige Urteil wurde der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung in acht Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Von der Einbeziehung der früheren Verurteilung darf nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen zweckmäßig ist (§ 105 Abs. 2 JGG i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG). Dabei erfordert ein Absehen von der Einbeziehung Gründe, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von ganz besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Strafen notwendig erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2010 - 4 StR 208/10, StV 2011, 590 m.w.N.).
8
3. Mit Blick auf das Vorbringen in der Revisionsbegründung weist der Senat darauf hin, dass die Anklageerhebung gegen den Angeklagten in einem anderen Verfahren keinen in die Gesamtabwägung nach § 21 Abs. 1 und 2 JGG einzustellenden Gesichtspunkt darstellt, weil diesem Umstand für sich genommen kein prognoserelevanter Aussagegehalt zukommt. Berücksichtigung finden können dagegen noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Straftaten, sofern der Tatrichter hierzu prozessordnungsgemäß eigene Feststellungen trifft (vgl. zu § 56 StGB BGH, Beschluss vom 23. Mai 1995 - 4 StR 184/95, StV 1995, 521 m.w.N.; Mosbacher in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 56 Rn. 16; Stree/ Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 56 Rn. 21).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.