Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Apr. 2012 - 8 Sa 554/10

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2012:0404.8SA554.10.0A
bei uns veröffentlicht am04.04.2012

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.8.2009 - 1 Ca 198/09 - wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.8.2009 - 1 Ca 198/09 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin gegen die Beklagte die im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zur Insolvenztabelle (Geschäftsnummer: 3 IK 275/10) angemeldete Forderung in Höhe von 180.887,72 € zusteht.

Es wird festgestellt, dass es sich bei dieser Forderung in Höhe eines Teilbetrages von 134.125,32 € um eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 302 Nr. 1 InsO handelt.

Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 89 % und die Klägerin 11 % der erstinstanzlichen Kosten. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 84 % der Beklagten und zu 16 % der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin aus einem zwischenzeitlich beendeten Arbeitsverhältnis.

2

Die Beklagte war bei der Klägerin, einer im Online-Kreditgeschäft tätigen Bank, seit dem 01.10.1999 zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.982,00 € beschäftigt. Zuletzt hatte sie zwei Funktionen inne: Gemeinsam mit einer weiteren Kollegin war sie als Sekretärin für die beiden Geschäftsführer der Klägerin tätig; zum anderen war sie als Personalsachbearbeiterin beschäftigt.

3

Die Klägerin lässt ihre Gehaltsabrechnungen extern von der Fa. Z erstellen. Diesbezüglich oblag es der Beklagten, der Fa. Z monatlich per E-Mail die von den Mitarbeitern der Klägerin im Vormonat erbrachten (Über-)Stunden zu übermitteln. Dies betraf auch etwaige, von ihr selbst geleisteten Überstunden. Die Fa. Z erstellte sodann - unter Verwendung der Angaben der Beklagten - die monatlichen Gehaltsabrechnungen, auf deren Basis die Auszahlung der Arbeitsvergütung durch die Klägerin jeweils erfolgte. Auf der Grundlage ihrer eigenen Meldungen an die Fa. Z wurden der Beklagten in den Jahren 2003 bis 2008 für insgesamt 3.554,29 Überstunden insgesamt 156.333,45 € ausgezahlt. Hierauf entfielen 134.125,32 € auf von der Beklagten angeblich an Wochenenden (Samstag und Sonntag) und an Feiertagen zu Hause erbrachten zuschlagspflichtigen Überstunden.

4

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis (erstmals) mit Schreiben vom 14.01.2009, welches der Beklagten am 15.01.2009 zuging. Die gegen diese Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Mainz mit Urteil vom 16.09.2009 (1 Ca 156/09) abgewiesen. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung blieb erfolglos (LAG Rheinland-Pfalz v. 08.12.2010 - 8 Sa 710/09 -).

5

Mit ihrer am 02.02.2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung der geleisteten Überstundenvergütung in Höhe von 156.333,45 € sowie die Rückzahlung an die Beklagte ausgezahlter Zulagen, Weihnachtsgelder sowie Tantiemen i. H. v. insgesamt 31.400,00 €.

6

Die Beklagte hat die Aufrechnung erklärt mit Gehalts-, Weihnachtsgeld - und Urlaubsabgeltungsansprüchen in Höhe von insgesamt 37.929,95 € und insoweit - hilfsweise - Widerklage erhoben.

7

Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.08.2010 (Bl. 998 - 1011 d. A.).

8

Die Klägerin hat beantragt,

9

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 187.733,45 € Schadensersatz für die Zeit vom 01.02.2003 bis 31.12.2008 nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung, dem 06.02.2009 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Hilfsweise,

13

die Klägerin zu verurteilen, an sie 37.929,95 € zu zahlen.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die hilfsweise erhobene Widerklage abzuweisen.

16

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.08.2010 der Klage in Höhe von 163.680,75 € stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung von Überstundenvergütungen sei insoweit begründet, als sich die Beklagte für angeblich von ihr an Wochenenden und an Feiertagen erbrachte Überstunden habe insgesamt 134.125,32 € auszahlen lassen. Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ergebe sich aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB. Ein Anspruch auf Rückzahlung der für die im Betrieb der Klägerin an den üblichen Arbeitstagen von der Beklagten möglicherweise erbrachten Überstunden ausgezahlten Vergütung bestehe indessen nicht. Die Klägerin habe gegen die Beklagte jedoch auch einen Anspruch auf Rückzahlung monatlicher Zulagen, Weihnachtsgelder und Tantiemen aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB). Der sich aus den betreffenden Positionen (Zulagen, Weihnachtsgeld und Tantiemen) ergebende Gesamtanspruch in Höhe von 31.400,00 € sei jedoch infolge Aufrechnung in Höhe eines Teilbetrages von 1.843,58 € erloschen, da der Beklagten gegen die Klägerin in dieser Höhe noch ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit vom 01.01. bis 15.01.2009 zustehe. Weitergehende aufrechenbare Ansprüche der Beklagten bestünden nicht. Die von der Beklagten hilfsweise erhobene Widerklage hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des Urteils abgewiesen. Zur Darstellung aller Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 15 bis 28 (= Bl. 1011 - 1029 d. A.) des Urteils vom 25.08.2010 verwiesen.

17

Gegen das ihr am 14.09.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.10.2010 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 08.11.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.12.2010 begründet.

18

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruhe auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast. Es möge zwar zutreffen, dass grundsätzlich eine klagende Partei ihrer Darlegungs- und Beweislast dadurch genüge, dass sie mit Hilfe von Indizien, ohne nähere Einzelheiten, Tatsachenbehauptungen aufstelle, die ausreichten, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Dies könne jedoch nicht gelten, wenn - wie vorliegend - seitens der Klägerin allmonatlich eine Abrechnung über die zu zahlende Mehrarbeitsvergütung - ebenso wie über die Tantiemen und monatlichen Zulagen - erteilt worden sei. Die Geschäftsführung der Klägerin habe nicht nur allmonatlich per Sammelüberweisung die Gehälter für alle Mitarbeiter zur Auszahlung gebracht, sondern anhand der dazugehörigen Diskettenlisten auch Kenntnis von den jeweiligen Einzelbeträgen erlangen können. Hinzu komme, dass die Geschäftsführer der Klägerin für die Jahre 2000 - 2008 in einer Aktennotiz bestätigt hätten, dass bei Prüfung der Gehaltsunterlagen keine Unstimmigkeiten bei den Gehaltszahlungen aufgetreten seien. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung auch ganz offensichtlich nicht beachtet, dass ein substantiiertes Bestreiten des Sachvortrages der klagenden Partei nur dann erforderlich sei, wenn diese ihrerseits substantiiert vorgetragen habe, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei. Für sie - die Beklagte - sei es unmöglich, für einen teilweise sieben Jahre zurückliegenden Zeitraum die erbrachte Mehrarbeit schlüssig darzulegen. Unberücksichtigt sei bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts auch geblieben, dass sie - die Beklagte - vorgetragen habe, dass sie der Mitgeschäftsführer Y der Klägerin mehrfach aufgefordert habe, sich Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Eine ausdrückliche Aufforderung zur Leistung von Mehrarbeit ergebe sich auch aus der E-Mail der Klägerin vom 27.10.2002 sowie aus der E-Mail vom 01.09.2004 (Bl. 133 d. A.). Unzutreffend sei auch die Annahme des Arbeitsgerichts, eine Ableistung von Überstunden beispielsweise am Samstag, dem 05.01. und am Sonntag, dem 06.01.2008 sei bereits deshalb unwahrscheinlich, weil sie in der Zeit vom 02. - 04.01.2008 Urlaub gehabt habe und am 07.01. und 08.01.2008 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Wie sich nämlich aus der von der Klägerin selbst vorgelegten Zeiterfassungsliste ergebe, sei sie am 07. und 08.01.2008 keineswegs arbeitsunfähig erkrankt gewesen, sondern habe gearbeitet. Ein Anspruch der Klägerin aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB komme - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - ohnehin nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 263 StGB nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin, wonach weder die von ihr - der Beklagten - gemeldeten Überstunden von der Fa. Z, noch die von dieser erstellten Zahlungsanweisungen seitens der Geschäftsführung der Klägerin auf ihre Einzelpositionen hin überprüft worden seien, nicht erfüllt seien. Es fehle insoweit an einem durch Täuschung erweckten Irrtum des Verfügenden. Darauf, dass sie - die Beklagte - keinen Zugriff auf das Firmennetzwerk gehabt habe und auch nicht befugt gewesen sei, Personalakten mit nach Hause zu nehmen, komme es nicht an. Insoweit sei entscheidend, dass sie, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, die notwendigen Dateien auf ihren häuslichen Privatrechner übermittelt habe. Bezüglich des seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung der in den Jahren 2005 und 2006 gewährten Tantiemen seien die Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil letztlich wenig nachvollziehbar. Die Erhöhung der außertariflichen Zulage ab dem 01.01.2007 von 100,00 € monatlich auf 1.000,00 € monatlich sei zwischen ihr und dem Mitgeschäftsführer Y vereinbart worden. An Ort und Zeitpunkt dieser Vereinbarung könne sie sich jedoch nicht mehr erinnern. Letztlich mache sie den Einwand der Entreicherung geltend. Aufgrund des durch die Mehrarbeit pp. entstandenen zusätzlichen Verdienstes habe sie sich einige Reisen geleistet, die sie ansonsten niemals unternommen hätte. Für diese Reisen habe sie insgesamt 73.700,00 € aufgewendet. Darüber hinaus habe sie sich einen höheren Lebensstandard gegönnt.

19

Die Beklagte beantragt,

20

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und nach ihren Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

21

Die Klägerin beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 17.01.2011 (Bl. 1165 - 1173 d. A.) sowie ihres Schriftsatzes vom 30.03.2011 (Bl. 1193 - 1198 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

24

Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 15.12.2010 wurde über das Vermögen der Beklagten das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und insoweit das schriftliche Verfahren angeordnet. Die Klägerin hat am 04.04.2011 ihre erstinstanzlich ausgeurteilte Haupt- und Zinsforderung nebst Kosten, insoweit insgesamt 180.887,72 € sowie eine weitere Forderung in Höhe von 1.554,22 € zur Insolvenztabelle angemeldet und als Grund der Forderung jeweils angegeben, die Forderung resultiere aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. Die Beklagte hat gegen die gesamte Forderungsanmeldung Anfang Mai 2011 Widerspruch erhoben.

25

Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 06.04.2011 - in Unkenntnis der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens - den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ausgesetzt. Das betreffende Kündigungsschutzverfahren wurde mit Ablauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 08.12.2010 (8 Sa 710/09) am 06.05.2001 rechtskräftig.

26

Die Klägerin hat (erstmals) mit Schriftsatz vom 03.08.2011 unter Hinweis auf die zwischenzeitlich im Kündigungsschutzverfahren eingetretene Rechtskraft sowie unter Hinweis auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 15.12.2010 erklärt, sie rufe das Verfahren wieder auf und beantrage im Wege der Klageerweiterung die Feststellung, dass es sich bei der Forderung in Höhe von 163.680,75 € um eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung handele. Mit Schriftsatz vom 22.08.2011 hat die Klägerin erklärt, das Verfahren sei entsprechend § 184 Abs. 1 Satz 2 InsO aufzunehmen sowie mit Schriftsatz vom 20.12.2012 die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits beantragt.

27

Die Klägerin stellt (zuletzt) über den Antrag auf Zurückweisung der gegnerischen Berufung hinaus folgende Anträge:

28

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.08.2009 (Az. 1 Ca 198/09), berichtigt durch Beschluss vom 20.10.2010, wird dahingehend abgeändert, dass die Forderung gegen die Berufungsklägerin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Berufungsklägerin zur Insolvenztabelle (laufende Geschäfts-Nr. 3 IK 275/10) in Höhe eines Betrages von € 180.887,72 festgestellt wird.

29

Es wird festgestellt, dass es sich bei der Forderung in Höhe von € 163.680,75 um eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 302 Nr. I InsO handelt.

30

Die Beklagte beantragt,

31

auch diese Klageanträge zurückzuweisen.

32

Zur Darstellung aller Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien im Übrigen wird die auf die im Berufungsverfahren von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

I.

33

Die Berufung der Beklagten ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel ist somit insgesamt zulässig.

II.

34

Die von der Klägerin zuletzt gestellten Anträge sind - jedenfalls hinsichtlich der titelergänzenden Feststellungsklage (Antrag zu 2.) - als Anschlussberufung i. S. v. § 524 ZPO zu behandeln, da die Klägerin mit der begehrten Feststellung, dass es sich bei ihrer erstinstanzlich titulierten Forderung um eine solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung handelt, mehr erreichen will, als die bloße Zurückweisung der gegnerischen Berufung.

35

Die Anschlussberufung ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der einmonatigen Berufungserwiderungsfrist des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt worden (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Zwar ist die Berufung der Klägerin bereits am 13.12.2010 begründet worden, gleichwohl war die Berufungserwiderungsfrist bei Eingang der Anschlussberufung (08.08.2011) noch nicht abgelaufen, da der Rechtsstreit mit Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ab dem 15.12.2010 gemäß § 240 ZPO unterbrochen war mit der Folge, dass die Berufungserwiderungsfrist nicht lief (§ 249 Abs. 1 ZPO). Diese begann vielmehr erst mit Aufnahme des Verfahrens, die mit Zustellung des die Klageerweiterung und somit die Anschlussberufung beinhaltenden Schriftsatzes der Klägerin vom 03.08.2011, in welchem die Klägerin, u. a. unter Hinweis auf die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens erklärte, sie rufe das Verfahren wieder auf (§ 250 ZPO). Die Klägerin hat ihre Anschlussberufung in dem betreffenden Schriftsatz auch zugleich begründet. Der Wirksamkeit der Aufnahme des Verfahrens steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Rechtsstreit mit Beschluss vom 06.04.2011 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ausgesetzt worden war. Zum einen war der in Unkenntnis der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangene Beschluss wohl gemäß § 249 Abs. 2 ZPO wirkungslos (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage, § 249 Rz. 7), zum anderen war das Kündigungsschutzverfahren, hinsichtlich dessen die Aussetzung erfolgte, mit Ende der Frist zur Nichteinlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil im Kündigungsschutzrechtsstreit vom 08.12.2010 mit Ablauf des 06.05.2011 rechtskräftig abgeschlossen. Das Kündigungsschutzverfahren seinerseits war durch die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten nicht unterbrochen worden (BAG v. 05.11.2009 - 2 AZR 609/08 - AP Nr. 224 zu § 626 BGB).

B.

36

In der Sache erweist sich die Berufung der Beklagten als unbegründet und die Anschlussberufung der Klägerin als zum Teil begründet.

I.

37

Die Anschlussberufung ist überwiegend begründet.

38

1. Der gemäß § 184 Abs. 1 InsO zulässige Anschlussberufungsantrag zu 1. ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte die zur Insolvenztabelle als "erste Hauptforderung" angemeldete Forderung in Höhe von 180.877,72 € (Bl. 1224 u. Bl. 1226 d. A.) zu.

39

Die Begründetheit des Antrages folgt bereits daraus, dass über die betreffende Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel, nämlich das mit der Berufung der Beklagten angefochtene erstinstanzliche Urteil vorliegt und die Beklagte ihren Widerspruch gegen die Anmeldung dieser Forderung zur Insolvenztabelle nicht innerhalb eines Monats verfolgt hat mit der Folge, dass dieser als nicht erhoben gilt (§ 184 Abs. 2 InsO).

40

Bezüglich der von der Klägerin zur Insolvenztabelle als "erste Hauptforderung" angemeldeten Forderung bildet das erstinstanzliche Urteil einen vollstreckbaren Schuldtitel i. S. v. § 184 Abs. 2 InsO. Der Gesamtbetrag setzt sich zusammen aus der erstinstanzlich ausgeurteilten Hauptforderung in Höhe von 163.680,75 €, den ausgeurteilten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2009 (vgl. Berichtigungsbeschluss vom 03.01.2011 (Bl. 1057 ff. d. A.), die die Klägerin bei ihrer Forderungsanmeldung mit insgesamt 16.542,34 € beziffert hat sowie den Kosten der Zwangsvollstreckung in Höhe von 664,63 €, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Urteil ebenfalls einen Vollstreckungstitel bildet (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 27. Auflage, § 788 ZPO Rz. 14).

41

Gemäß § 184 Abs. 2 InsO oblag es der Beklagten binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Bestreiten der Forderung Anfang Mai 2011 begann, ihren Widerspruch zu verfolgen. Dieses "Verfolgen" hat im Falle eines unterbrochenen Rechtsstreits im Wege der Aufnahme des Verfahrens durch den Schuldner zu erfolgen (vgl. Jaeger, InsO, § 184, Rz. 22; Nerlich/Römermann, InsO, § 184 Rz. 32). Im Streitfall hat die Beklagte das unterbrochene Verfahren nicht aufgenommen und damit ihren Widerspruch nicht i. S. v. § 184 Abs. 2 InsO verfolgt. Die Aufnahme des Verfahrens erfolgte vielmehr lange nach Ablauf der Einmonatsfrist des § 184 Abs. 2 InsO durch die Klägerin.

42

Auf Antrag der Klägerin war daher festzustellen, dass ihr die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung in Höhe von 180.887,72 € zusteht (Zur Tenorierung vgl. Jaeger, InsO § 184 Rz. 5).

43

2. Die zulässige titelergänzende Feststellungsklage (Anschlussberufungsantrag zu 2.; vgl. zur Zulässigkeit: BGH v. 02.12.2010 - IX ZR 41/10 - MDR 2011, 130) ist nur zum Teil begründet.

44

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB einen Schadensersatzanspruch in Höhe der an die Beklagte für von dieser angeblich in den Jahren 2003 - 2008 an Wochenenden und Feiertagen erbrachte zuschlagspflichtige Mehrarbeit ausgezahlte Vergütung in Höhe von insgesamt 134.125,32 €. Das Berufungsgericht folgt insoweit den zutreffenden und ausführlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I 1 bis I 3 c der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 1012 - 1020 d. A.) mit Ausnahme der Ausführungen auf Seite 19, 2. Absatz des Urteils und stellt dies ausdrücklich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher insoweit abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten bietet lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

45

aa) Zutreffend ist das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte die von ihr an die Fa. Z gemeldeten Arbeitszeiten an Wochenenden und an Feiertagen tatsächlich nicht erbracht hat und sich somit letztlich durch Täuschung die entsprechenden Überstundenvergütungen auszahlen ließ. Insbesondere hat das Arbeitsgericht diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin ihren Anspruch schlüssig dargetan hat und die Beklagte demgegenüber der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist.

46

Aus dem Umstand, dass die Beklagte monatlich Abrechnungen erhalten hat, die auch die betreffenden Überstundenvergütungen enthielten, lässt sich nichts zu Gunsten der Beklagten ableiten. Insbesondere hat dies vorliegend keinerlei Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die betreffenden Abrechnungen, insbesondere bezüglich der Überstundenvergütungen, auf den Angaben der Beklagten selbst und der von ihr getätigten Meldungen an die Abrechnungsstelle (Fa. Z) beruhten. Entsprechendes gilt bezüglich der Tatsache, dass die maßgeblichen Beträge in die von den Geschäftsführern der Klägerin abgezeichneten Sammelüberweisungen eingeflossen sind. Auch diese resultieren letztlich aus den Meldungen der Beklagten, die insoweit eine hervorgehobene Vertrauensstellung bei der Klägerin inne hatte. Dementsprechend kommt auch der von der Klägerin behaupteten Aktennotiz, wonach bei Prüfung der Gehaltsunterlagen keine Unstimmigkeiten festgestellt worden seien, keine Bedeutung für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu.

47

bb) Die Beklagte hat auch im Berufungsverfahren nicht ansatzweise einen Sachvortrag gehalten, der die Ableistung von Überstunden an Wochenenden und an Feiertagen in den Jahren 2003 bis 2008 zumindest plausibel erscheinen lassen könnte.

48

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass das tatsächliche Ableisten der im erstinstanzlichen Tatbestand wiedergegebenen Überstunden an Feiertagen und an Wochenenden nicht nur äußerst ungewöhnlich erscheint, sondern auch jeder Lebenserfahrung widerspricht. Dies gilt beispielsweise im Hinblick darauf, dass die Beklagte im Jahr 2008 für Januar und Februar durchschnittlich 9,375 Stunden, für März durchschnittlich 8,6 Stunden, für April durchschnittlich 7 Stunden und für Mai durchschnittlich 10 Stunden angeblich an Feier- und Wochenendtagen geleistete Überstunden angegeben hat. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte andererseits - bezogen auf normale Wochentage - keine oder nur relativ geringfügige Überstunden in Anspruch genommen hat. So waren dies im Januar und Februar 2008 jeweils nur 15 Stunden sowie im März, April und Mai 2008 überhaupt keine Stunden. Es erscheint von daher nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte gerade an den (zuschlagspflichtigen) Wochenend- und Feiertagen arbeiten musste. Entsprechendes gilt bezüglich der von der Beklagten angeblich erbrachten 8 Arbeitsstunden am 24.12.2008 (Heiligabend) der für den 26.12.2008 (2. Weihnachtsfeiertag) behaupteten 10 Arbeitsstunden, der für den 27.12.2008 behaupteten 6 Arbeitsstunden sowie der für den 28.12.2008 behaupteten 10 Arbeitsstunden, für welche die Beklagte jeweils hohe Überstundenzuschläge erhalten hat.

49

Gegen die Richtigkeit der von der Beklagten an die Fa. Z gemeldeten, angeblich an Wochenenden und an Feiertagen geleisteten Überstunden spricht auch, dass die Beklagte von zu Hause aus unstreitig keinen Zugriff auf das Firmennetzwerk hatte und es ihr - ebenso unstreitig - verboten war, Personalakten mit nach Hause zu nehmen.

50

In Anbetracht all dieser Umstände bzw. Indizien oblag es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast, konkrete Tatsachen vorzutragen, die das tatsächliche Ableisten der maßgeblichen Überstunden plausibel erscheinen lassen. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Beklagten indessen in keiner Weise gerecht. Die in ihrem Schriftsatz vom 02.12.2009 enthaltene Übersicht (Bl. 821 ff. d. A.) über die angeblich von ihr an Wochenenden sowie an Feiertagen erbrachten Tätigkeiten erweist sich als unsubstantiiert. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, welche dieser angeblichen Tätigkeiten die Beklagte ohne Zugriff auf das Netzwerk von zu Hause aus hat durchführen können bzw. ob und ggf. wann sie sich bestimmte, für die betreffenden Arbeiten notwendigen Unterlagen nach Hause transferiert hat. Darüber hinaus bestehen gegen die inhaltliche Richtigkeit der betreffenden Aufstellung ohnehin erhebliche Bedenken. So gibt die Beklagte beispielsweise an, am Sonntag, den 29.01.2006 8 Stunden mit der Tätigkeit "Aktualisierung der Telefonlisten und Geburtstagslisten" verbracht zu haben. Selbst wenn man unterstellen würde, alle bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer hätten ihre Telefonnummern gewechselt, wären allenfalls 65 alte durch 65 neue Nummern zu ersetzen gewesen. Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte für diese Tätigkeit 8 Stunden aufgewendet haben soll.

51

Es fehlt auch an jeglicher Darlegung konkreter Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, dass die "normale" Arbeitszeit der Beklagten für die Bewältigung der von ihr angeblich an den Wochenenden und an Feiertagen ausgeführten Arbeiten nicht ausgereicht hat. Der pauschale Hinweis der Beklagten auf die ihr obliegenden Tätigkeiten ist insoweit völlig unzureichend. Soweit die Beklagte auf eine E-Mail eines der Geschäftsführer der Beklagten vom Sonntag, dem 27.10.2002, verweist, so ist dies für den hier in Rede stehenden Zeitraum unbeachtlich. Auch aus der von der Klägerin vorgelegten E-Mail vom 01.09.2004 (Bl. 133 d. A.) lässt sich nichts zu Gunsten der Beklagten ableiten. Aus dem betreffenden Schriftstück ergibt sich lediglich, dass der Mitgeschäftsführer Y der Klägerin sich mit dem Ansinnen der Beklagten einverstanden erklärt hat, mit ihr ein Gespräch über die Arbeitssituation im Sekretariat zu führen. Es kann jedoch nicht unterstellt werden, dass der Geschäftsführer, ohne die Möglichkeit der Nachprüfung der Berechtigung der angeblich erbrachten Mehrarbeit, diese für den Monat August 2004 anerkannt oder sogar darüber hinaus sämtliche Mehrarbeit in den Folgejahren ohne Prüfung anerkannt hat.

52

cc) Das den Schadensersatzanspruch der Klägerin begründende Verhalten erfüllt den Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB).

53

Die Beklagte hat, indem sie der für die Abrechnung der Arbeitsvergütung zuständigen Stelle (Fa. Z) Überstunden meldete, die sie tatsächlich nicht geleistet hat, falsche Tatsachen vorgespiegelt. Sie hat dadurch auch bei ihrem Arbeitgeber, der die Auszahlung der betreffenden Arbeitsvergütung durch Abzeichnung bzw. Freigabe einer Sammelüberweisung verfügt hat, einen Irrtum erregt. Dabei ist es - entgegen der Ansicht der Beklagten - unerheblich, dass die Sammelüberweisung seitens der Geschäftsführung der Klägerin (unter Zugrundelegung deren Vorbringens) nicht mehr unter Hinzuziehung der sog. Diskettenliste oder sonstiger Unterlagen auf ihre Einzelpositionen hin überprüft wurde. Im Zusammenhang mit standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist es nämlich nicht erforderlich, dass der Verfügende hinsichtlich der Richtigkeit von einzelnen Positionen die positive Vorstellung hatte, diese seien der Höhe nach berechtigt; vielmehr genügt die stillschweigende Annahme, die ihm vorliegende Abrechnung sei insgesamt "in Ordnung". Daher setzt ein Irrtum i. S. v. § 263 StGB nicht voraus, dass tatsächlich eine Überprüfung der Abrechnungen im Einzelfall durchgeführt wurde (BGH v. 22.08.2006 - 1 StR 547/05 - NJW - Spezial 2007, 185). Die Beklagte hat somit durch die Erregung eines Irrtums über die Höhe der ihr zustehenden Arbeitsvergütung das Vermögen der Klägerin beschädigt, um sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.

54

Darüber hinaus erfüllt das Verhalten der Beklagten auch den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB). Die Beklagte hatte nämlich im Rahmen ihrer Vertrauensstellung bei Meldung der für die Berechnung der an die Mitarbeiter der Klägerin auszuzahlenden Arbeitsvergütung erforderlichen Daten an die Fa. Z die arbeitsvertragliche Verpflichtung, die Vermögensinteressen der Klägerin wahrzunehmen. Diese Pflicht hat die Beklagte in erheblichem Maß verletzt und dadurch der Klägerin einen Vermögensnachteil zugefügt.

55

b) Die weitergehende titelergänzende Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet.

56

Das Arbeitsgericht hat den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung von monatlichen Zulagen, Weihnachtsgeldern und Tantiemen in Höhe von insgesamt 31.400,00 € zu Recht nicht unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung sondern lediglich als Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) bejaht.

57

Das Vorliegen der Voraussetzungen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, insbesondere einer diesbezüglichen Straftat der Beklagten, sind - bezogen auf die überhöhten Tantieme -, Weihnachtsgeld- und Zulagenzahlungen - nicht feststellbar. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Beklagten die betreffenden Ansprüche nicht zustanden. Die Klägerin macht zur Begründung einer unerlaubten Handlung diesbezüglich geltend, die Beklagte selbst habe die maßgeblichen Listen, die sie ebenfalls an die Fa. Z weiterleitete, nachträglich manipuliert und zum Teil mit Faximile-Unterschriften der Geschäftsführer versehen. Für dieses - seitens der Beklagten bestrittene Vorbringen, hat die Klägerin jedoch keinen geeigneten Beweis angetreten. Die angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens könnte zwar zu dem Ergebnis führen, dass die betreffenden Listen manipuliert und mit Faximile-Unterschriften versehen wurden. Hieraus ergibt sich indessen nicht die zwingende Schlussfolgerung, dass diese Manipulationen von der Beklagten selbst ausgeführt wurden oder zumindest nur von ihr ausgeführt werden konnten. Insoweit besteht letztlich gegen die Beklagte lediglich ein Verdacht.

II.

58

Die Berufung der Beklagten erweist sich - soweit das Arbeitsgericht der Zahlungsklage der Klägerin stattgegeben hat - nach Maßgabe vorstehender Ausführungen unter B I. 1. als unbegründet.

59

Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, als das Arbeitsgericht die hilfsweise erhobene Widerklage abgewiesen hat. Die seitens der Beklagten im Rahmen ihrer Widerklage geltend gemachten Ansprüche sind lediglich in Höhe des auf den Zeitraum vom 01.01. bis 15.01.2009 entfallenden Arbeitsvergütungsanspruch der Beklagten (1.843,58 €) begründet. Dieser Betrag ist indessen bereits infolge der seitens der Beklagten erklärten Aufrechnung bei der Berechnung und Ausurteilung des Bereicherungsanspruchs der Klägerin im erstinstanzlichen Urteil berücksichtigt worden. Weitergehende Ansprüche, welche die Beklagte mit ihrer Hilfswiderklage geltend macht, bestehen nicht. Das Berufungsgericht folgt insoweit uneingeschränkt den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter III des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 1023 ff. d. A.) und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Den diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts ist - nicht zuletzt in Ermangelung eines (ergänzenden) Berufungsvorbringens der Beklagten - nichts hinzuzufügen.

60

Letztlich erweist sich der Einwand der Beklagten, die vom Arbeitsgericht vorgenommenen Abtrennung nach § 145 Abs. 2 ZPO der nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz vorgenommenen Erweiterung der Hilfswiderklage auf insgesamt 80.620,87 € brutto sei unzulässig gewesen, als unzutreffend. Zwar trifft es zu, dass die Abtrennung einer Hilfswiderklage grundsätzlich unzulässig ist. Wird jedoch, wie vorliegend, ein klageerweiternder Schriftsatz nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eingereicht, so wird diese Klageerweiterung nicht rechtshängig (BGH v. 09.07.1997 IV ZB 11/97 - NJW-RR 1997, 1486). Das Arbeitsgericht war daher nicht gehalten, die mündliche Verhandlung im Hinblick auf die Erweiterung der Hilfswiderklage wieder zu eröffnen.

C.

61

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

63

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Apr. 2012 - 8 Sa 554/10

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Apr. 2012 - 8 Sa 554/10

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Apr. 2012 - 8 Sa 554/10 zitiert 23 §§.

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

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Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt: 1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gew

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Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.9.2009, Az.: 1 Ca 156/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit

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Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.9.2009, Az.: 1 Ca 156/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer fristloser sowie ordentlicher Kündigungen.

2

Die am 13.12.1957 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 01.10.1999 bei der Beklagten, einer im Online-Kreditgeschäft tätigen Bank, die ca. 65 Mitarbeiter beschäftigt, zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.982,00 Euro angestellt. Zuletzt hatte sie zwei Funktionen inne: Gemeinsam mit einer weiteren Kollegin war sie als Sekretärin für die beiden Geschäftsführer der Beklagten tätig; zum anderen war sie als Personalsachbearbeiterin beschäftigt. Ihre vertragsgemäße regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit belief sich auf 39 Stunden.

3

Die Beklagte lässt ihre Gehaltsabrechnungen extern von der Fa. W erstellen. Diesbezüglich oblag es der Klägerin, der Fa. W monatlich per e-mail die von den Mitarbeitern der Beklagten im Vormonat erbrachten (Über-)Stunden zu übermitteln. Dies betraf auch etwaige, von ihr selbst geleisteten Überstunden. Die Fa. W erstellte sodann - unter Verwendung der Angaben der Klägerin - die monatlichen Gehaltsabrechnungen, auf deren Basis die Auszahlung der Arbeitsvergütung jeweils erfolgte.

4

In der Zeit von Mai 2004 bis einschließlich Dezember 2008 meldete die Klägerin der Fa. W (angeblich) von ihr geleistete Überstunden, was zur Auszahlung einer Überstundenvergütung in Höhe von ca. 140.000,00 Euro führte. Wegen der Meldungen der Klägerin im Einzelnen wird auf die Anlagen B 5 - B 64 (Bl. 122 - 188 d.A.) verwiesen.

5

Bezogen auf die zuschlagspflichtigen Arbeitszeiten am Wochenende und an Feiertagen, allerdings unter Hochrechnung der Zuschläge (d.h. z.B. an Sonntagen statt 10 Stunden wegen des einhundertprozentigen Zuschlags 20 Stunden) hat sich die Klägerin folgende Beträge abrechnen und auszahlen lassen:

6

bei 112 Wochenend- und Feiertagen im Jahr 2004 für angeblich an 42 dieser Tage geleisteten insgesamt 480,5 (Über-)Stunden einen Betrag i.H.v. 9.474,80 €;

7

bei 112 Wochenend- und Feiertagen im Jahr 2005 für angeblich an 72 dieser Tage geleisteten insgesamt 1.040 (Über-)Stunden einen Betrag i.H.v. 21.362,64 €;

8

Bei 112 Wochenend- und Feiertagen im Jahr 2006 für angeblich an 81 dieser Tage geleisteten insgesamt 1.528 (Über-)Stunden einen Betrag i.H.v. 33.911,11 €;

9

bei 112 Wochenend- und Feiertagen im Jahr 2007 für angeblich an 72 dieser Tage geleisteten insgesamt 1.152,50 (Über-)Stunden einen Betrag i.H.v. 31.609,44 €;

10

bei 112 Wochenend- und Feiertagen im Jahr 2008 für angeblich an 98 dieser Tage geleisteten insgesamt 1.630 (Über-)Stunden einen Betrag i.H.v. 46.344,78 €.

11

Mit Schreiben vom 14.01.2009 und vom 19.02.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie mit Schreiben vom 27.02.2009, 03.04.2009 und 13.05.2009 ordentlich. Die Beklagte stützt diese Kündigungen auf verschiedene verhaltensbedingte Gründe, u.a. (so auch die Kündigung vom 14.01.2009) auf den Vorwurf, die Klägerin habe sich Vergütung für Überstunden abrechnen und auszahlen lassen, die sich nicht abgeleistet habe.

12

Gegen diese Kündigungen richtet sich die von der Klägerin am 26.01.2009 beim Arbeitsgericht eingereichte und mehrfach erweiterte Klage.

13

Die Klägerin hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, sie habe lediglich diejenigen Arbeitsstunden zur Abrechnung gebracht, die sie tatsächlich geleistet habe. Aufgrund ihrer vielseitigen und umfangreichen Aufgaben (vgl. die Aufstellung im Schriftsatz der Klägerin vom 30.03.2009, dort Seite 10 f = Bl. 276 f d.A.) sei sie völlig überlastet gewesen. Entsprechende Beschwerden habe der Mitgeschäftsführer V mit Bemerkungen wie "dann müsse sie sich besser organisieren" bzw. "dann sei sie eben zu blöd" kommentiert und sie mehrfach aufgefordert, sich eben Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Vor diesem Hintergrund habe sie jahrelang regelmäßig an Wochenenden und gelegentlich auch abends außerhalb der Dienstzeit gearbeitet. Was die häusliche Wochenend- und Feiertagsarbeit angehe, so sei es zwar zutreffend, dass sie von zu Hause aus keinen unmittelbaren Zugriff auf das Firmennetzwerk gehabt habe; sie habe sich aber mit Zustimmung der Geschäftsleitung die erforderlichen Datensätze per e-mail nach Hause geschickt. Der Mitgeschäftsführer der Beklagten, Herr V, habe ihr ausweislich einer e-mail vom Sonntag, dem 27.10.2002, eine Anweisung zur Überarbeitung einer Unterlage und damit zur Ableistung von Überstunden erteilt. Außerdem ergebe sich aus der von der Beklagten selbst vorgelegten e-mail dieses Geschäftsführers vom 01.09.2004, dass sie - die Klägerin - ihn von ihren Überstunden im August 2004 Mitteilung gemacht habe und der Geschäftsführer damit einverstanden gewesen sei. Nach einem Urlaubsende habe sie ihr erster Weg in die Bank geführt, um nachzusehen, welche e-mails und welche Arbeiten angefallen seien. Zudem sei sie infolge von Schlafstörungen regelmäßig zwischen 3.00 Uhr und 4.00 Uhr aufgewacht und habe bereits mit der Arbeit begonnen. Es treffe auch nicht zu, dass die Fa. W keine Kontrolle ihrer Angaben vorgenommen habe. Darüber hinaus seien die Abrechnungen nebst den dazu gehörigen Sammelüberweisungen der Geschäftsleitung zur Unterschrift vorgelegt worden, so dass der Beklagten eventuelle Unregelmäßigkeiten hätten auffallen müssen.

14

Die Klägerin hat beantragt:

15

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche fristlose Kündigung vom 14.01.2009, zugegangen am 15.01.2009, nicht aufgelöst wurde.
2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche fristlose Kündigung vom 19.02.2009, zugegangen am 21.02.2009, nicht aufgelöst wurde.
3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche ordentliche Kündigung vom 27.02.2009, zugegangen am 27.02.2009, nicht aufgelöst wurde.
4. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung vom 03.04.2009, zugegangen am 03.04.2009, nicht aufgelöst wurde.
5. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche schriftliche Kündigung vom 13.05.2009, zugegangen am 13.05.2009, nicht aufgelöst wurde.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, die im Zeitraum von Mai 2004 bis einschließlich Dezember 2008 von der Klägerin allein an Wochenenden und Feiertagen angeblich geleisteten Überstunden seien weder angeordnet noch genehmigt worden. Die Klägerin habe diese Überstunden auch nicht abgeleistet. Der Klägerin seien keine Arbeiten übertragen worden, die eine Mehrarbeit - schon gar nicht in dem betreffenden Umfang - notwendig gemacht hätten. Das Arbeiten an Wochenenden und Feiertagen von zu Hause aus sei der Klägerin auch gar nicht möglich gewesen. Zum einen sei es verboten, Personalakten mit nach Hause zu nehmen. Zum anderen habe die Klägerin - die zwischen den Parteien unstreitig - von zu Hause aus auch gar keinen Zugriff auf das Firmennetzwerk gehabt. Die Fa. W führe lediglich eine rechnerische Kontrolle der ihr mitgeteilten Daten durch. Aus den Sammelüberweisungen, aus denen einzelne Positionen nicht ersichtlich seien und die nur zwischen 300.000,00 Euro und 330.000,00 Euro differierten, seien die Manipulationen der Klägerin ebenfalls nicht erkennbar gewesen. Es treffe auch nicht zu, dass sich die Klägerin die für ihre Arbeit erforderlichen Datensätze per e-mail oder Datenstick nach Hause transferiert habe. Eine Analyse des Postfachs der Klägerin habe ergeben, dass außer einer e-mail vom 05.01.2009 alle an die Privatadresse der Klägerin versandten e-mails ausschließlich privaten Charakter gehabt hätten. Die von der Klägerin vorgelegte e-mail vom 27.10.2002 habe eine Ausnahmesituation betroffen. Der Sachvortrag der Klägerin bezüglich der von ihr geleisteten Überstunden, insbesondere an Wochenend- und Feiertagen sei unsubstantiiert und unbeachtlich. Dies gelte insbesondere auch bezogen auf den Zeitraum unmittelbar vor Kündigungsausspruch. Ausweislich der vorgelegten und von der Klägerin nicht bestrittenen Unterlagen habe diese - unstreitig angegeben, sie habe am 24.12.2008 (Heiligabend) 8 Stunden (nebst 100 % Zuschlag) sowie am 26.12.2008 10 Stunden (nebst 100 % Zuschlag) sowie am 27.12.2008 6 Stunden (nebst 50 % Zuschlag) sowie am 28.12.2008 10 Stunden (nebst 100 % Zuschlag) gearbeitet, ohne dies anlässlich ihrer Befragung am 12.01.2009 begründen zu können. Der Mitgeschäftsführer U habe am 09.01.2009 erstmals von den Überstunden - und Gehaltsmanipulationen erfahren und den Betriebsrat mündlich am 13.01.2009 zur beabsichtigten fristlosen Kündigung unter Angabe der Sozialdaten der Klägerin sowie unter Mitteilung des Sachverhalts im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Überstunden - und Gehaltsmanipulationen unter Vorlage sämtlicher diesbezüglicher Unterlagen angehört. Der Betriebsrat habe - vor Kündigungsausspruch - am 14.01.2009 schriftlich (Bl. 313 d.A.) der Kündigung ausdrücklich zugestimmt.

19

Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.09.2009 (Bl. 793 - 804 d.A.).

20

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.09.2009 insgesamt abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 12 - 21 dieses Urteils = Bl. 804 - 813 d.A. verwiesen.

21

Gegen das ihr am 28.10.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.11.2009 Berufung eingelegt und zugleich beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern. Mit Beschluss vom 07.12.2009 wurde die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 28.01.2010 verlängert. Am 28.01.2010 hat die Klägerin per Telefax zwei inhaltlich identische Berufungsbegründungsschriften eingereicht. Diese enthalten auf Seite 26 folgende Formulierung:

22

"Rein vorsorglich macht die Klägerin auch im vorliegenden Verfahren ihren nachstehend einbezogenen Sachvortrag in dem Parallelverfahren 1 Ca 198/09 zum Gegenstand ihres Sachvortrages. In diesem Verfahren geht es um das Rückzahlungsverlangen der Beklagten des vorliegenden Verfahrens bezüglich der nach deren Auffassung hinsichtlich der erlangten Vergütung ihr zustehenden Rückzahlungsanspruches. Der nachstehende Sachvortrag ist dementsprechend so zu lesen, dass es statt der Klägerin jeweils Beklagte und statt Beklagte jeweils Klägerin heißen muss - bezogen auf das vorliegende Verfahren."

23

Es folgen danach Abschriften von Schriftsätzen der Klägerin in einem seinerzeit beim Arbeitsgericht Mainz unter dem Az. 1 Ca 198/09 anhängigen Verfahren, endend mit einem an das Arbeitsgericht in diesem Verfahren gerichteten Schriftsatz der Klägerin vom 18.12.2009 (Bl. 946 f d.A.), der auf Seite 2 (= Bl. 947 d.A.) unterhalb des Textes die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin trägt. Ein Original der Berufungsbegründungsschrift nebst mehreren Abschriften ist am 01.02.2010, nach Ablauf der verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangen.

24

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 27.05.2010 (Bl. 1323 - 1325 d.A.), auf den gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen wird, in Erfüllung eines gerichtlichen Auflagenbeschlusses vom 05.05.2010 (Bl. 1303 d.A.) vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die per Telefax eingegangene Berufungsbegründungsschrift als solche auf Seite 69 von ihrem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet worden sei, und dass es sich insoweit nicht um die Kopie einer bereits früher, ggf. aus anderem Anlass getätigten Unterschrift handele.

25

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor, zu Unrecht sei das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, bereits die außerordentliche Kündigung vom 14.01.2009 habe das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Die Entscheidung beruhe auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast. Die Beklagte sei der ihr hinsichtlich der behaupteten Kündigungsgründe obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht ausreichend nachgekommen. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang insbesondere auch, dass es vorliegend nicht um die Geltendmachung einer Vergütung für geleitstete Überstunden gehe, sondern vielmehr um einen (vermeintlichen) Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers aus (vermeintlicher) ungerechtfertigter Bereicherung. Die insoweit geltende Beweislastverteilung sei auch vorliegend bei der Überprüfung des Vorliegens eines Kündigungsgrundes maßgeblich. Es hätte daher der Beklagten oblegen, darzulegen und zu beweisen, dass von ihr abgerechnete Mehrarbeit seitens der Klägerin nicht geleistet worden sei. Die Beklagte habe in Person ihrer Geschäftsführer jedenfalls im Zuge der allmonatlichen Gehaltsauszahlung die Möglichkeit gehabt, die Richtigkeit der erfolgten Auszahlung zu überprüfen. Jede monatliche Sammelüberweisung sei mit einer dazugehörigen Diskettenliste versehen, aus der sich im Einzelnen ergebe, wie sich der Betrag auf der Sammelüberweisung zusammensetze. Die Geschäftsleitung der Beklagten habe daher unschwer erkennen können, dass die Vergütung der Klägerin über die vertraglich geschuldete Grundvergütung hinaus gehe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Gehaltsunterlagen nach Fertigstellung durch die Fa. W an die Beklagte zurück gelangten und von deren Geschäftsleitung jedes Jahr einer Überprüfung unterzogen würden. Soweit das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung ausführe, einer Ableistung von Überstunden am Wochenende 05./06.01.2008 stehe der Umstand entgegen, dass es sie - die Klägerin - in der Zeit vom 02. bis 04.01.2008 Urlaub gehabt habe und am 07.01. und 08.01. 2008 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, so erweise sich diese Schlussfolgerung bereits als fehlerhaft, weil sie ausweislich der von der Beklagten selbst vorgelegten Zeiterfassungs- Aufstellung am 07. und 08.01.2008 nicht arbeitsunfähig gewesen sei, sondern vielmehr gearbeitet habe. Zwar treffe es zu, dass sie sich am 18.12.2005 nach Venezuela begeben und somit an diesem Tag nicht gearbeitet habe. Ihre diesbezügliche Meldung von Arbeitszeit für den betreffenden Tag an die Fa. W beruhe auf einem Irrtum. Insoweit handele es sich nämlich um die irrtümliche Nennung der Arbeitszeit vom 11.12.2005 unter dem falschen Datum vom 18.12.2005. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die betreffende e-mail, mit der die geleitsteten Überstunden angemeldet worden seien, bereits vom 16.12.2005 datiere und folglich Angaben zu in der Zukunft liegenden Überstunden gar nicht hätte enthalten können oder enthalten sollen. Soweit das Arbeitsgericht auf die Gleitzeitordnung der Beklagten abstelle, so sei diese - wie bereits erstinstanzlich vorgetragen - bei ihr nicht angewendet worden. Ihr sei Arbeit zugewiesen worden, die umfangmäßig in der regulären Arbeitszeit nicht habe geleistet werden können. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten ergebe sich auch, dass sie seinerzeit völlig überlastet gewesen sei. Die von ihr im Zeitraum von Januar 2006 bis Dezember 2008 an Wochenenden und Feiertagen zu Hause erledigten Arbeiten und deren Umfang ergäben sich aus der nunmehr im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung (Bl. 1069 - 1084 d.A.), die sie aus ihrer Erinnerung heraus erstellt habe. Es handele sich insoweit um immer wiederkehrende Tätigkeiten. Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung auch davon ausgegangen, sie habe eine Vertrauensstellung inne gehabt. Es treffe auch nicht zu, dass nur eine einzige e-mail, die sie von ihrem Arbeitsplatz zu sich nach Hause gesendet habe, dienstliche Belange beinhaltet habe. Allein der von der Beklagten insoweit vorgelegte Ausdruck belege, dass es sich um vielzählige dienstliche e-mails an ihre private E-mail-Adresse gehandelt habe, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass sie regelmäßig ihr Postfach durch Löschen erledigter e-mails bereinigt habe. Übersehen habe das Arbeitsgericht schließlich, dass die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hinsichtlich der ersten Kündigung streitig geblieben sei.

26

Zur Darstellung aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 27.01.2010 (Bl. 1052 - 1155) sowie auf deren Schriftsatz vom 21.04.2010 (Bl. 1287 - 1299 d.A.) Bezug genommen.

27

Die Klägerin beantragt,

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das erstinstanzliche Urteil abzuändern und nach ihren Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

29

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

31

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Berufung sei unzulässig und verteidigt im Übrigen das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 06.04.2010 (Bl. 1232 - 1267 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

32

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ChristianMaria-Robert D. (Prozessbevollmächtigter der Klägerin), A. und B..

33

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15.09.2010 (Bl. 1369 ff d.A.) und vom 08.12.2010 (Bl. 1406 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 28.01.2010 per Telefax eingereichte Berufungsbegründungsschrift ist vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnet worden und genügt daher als bestimmender Schriftsatz dem Formerfordernis des § 130 Nr. 6 ZPO.

35

Zwar trifft es zu, dass das äußere Erscheinungsbild der per Telefax eingereichten Berufungsbegründungsschrift vom 27.01.2010 für sich genommen nicht zweifelsfrei erkennen lässt, ob dieses Schriftstück als solches auf seiner letzten Seite unterzeichnet ist. Die Berufungsbegründungsschrift endet nämlich mit einem von der Klägerin in einem seinerzeit beim Arbeitsgericht Mainz anhängigen Parallelverfahren eingereichten Schriftsatz, wobei sich diesem nicht entnehmen lässt, ob die dort enthaltene Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin (nochmals) gesondert als Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift vorgenommen wurde, oder ob es sich dabei lediglich um die Kopie einer bereits früher, aus anderem Anlass getätigten Unterschrift handelt.

36

Das Berufungsgericht ist jedoch nach dem Ergebnis der zu dieser Frage durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass auch bereits die per Telefax eingereichte Berufungsbegründungsschrift vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin als solche unterzeichnet worden ist. Sowohl der als Zeuge vernommene Prozessbevollmächtigte der Klägerin als auch die Zeugin C. haben bei ihrer Vernehmung glaubhaft bekundet, dass sämtliche Exemplare bzw. Abschriften der Berufungsbegründungsschrift vom 27.01.2010 vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf der letzten Seite unterzeichnet wurden. Die Zeugin C. hat auch ausgesagt, dass sie sodann ein Exemplar der unterzeichneten Berufungsbegründungsschrift per Telefax an das Gericht gesandt habe.

37

Das Berufungsgericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser widerspruchsfreien Zeugenaussagen. Darüber hinaus erscheint die Unterschrift auf Seite 69 des Faxschriftsatzes vom 27.01.2010 (Bl. 947 d.A.) identisch mit der auf der letzten Seite einer der eingereichten Original-Schriftsätze (das betreffende Exemplar gelangte zu den Unterlagen eines ehrenamtlichen Richters) enthaltenen Unterschrift (vgl. Kopie Bl. 1377 d.A.). Auch dies spricht für die Richtigkeit der Zeugenaussagen, wonach sämtliche Exemplare der Berufungsbegründungsschrift zunächst unterzeichnet und sodann eines dieser Exemplare per Fax dem Gericht übermittelt wurde.

38

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat vielmehr zu Recht die Klage insgesamt abgewiesen, da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits durch die zeitlich erste fristlose Kündigung der Beklagten vom 14.01.2009 aufgelöst worden ist.

39

1. Die Klage ist unbegründet.

40

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.01.2009 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Die fristlose Kündigung erweist sich wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sowie in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe als rechtswirksam.

41

Ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d.h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

42

Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass der Arbeitszeitbetrug eines Arbeitnehmers an sich - unabhängig von seinem Umfang - einen wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Der Arbeitnehmer, der über den Umfang der von ihm geleisteten Arbeitszeit täuscht, verletzt die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in schwerwiegender Weise. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Arbeitnehmer mit der Täuschung den Zweck verfolgt, in den Genuss einer ihm nicht zustehenden Überstundenvergütung zu gelangen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an.

43

Im Streitfall steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Klägerin der für die Gehaltsabrechnungen zuständigen Fa. W eigene Arbeitsstunden gemeldet hat, die sie jedoch in Wahrheit nicht erbracht hatte, und sich hierfür Arbeitsvergütung auszahlen ließ. So hat sie mit e-mail vom 16.12.2005 (Bl. 148 d.A.) gegenüber der diesbezüglich zuständigen Sachbearbeiterin der Fa. W angegeben, sie habe am Sonntag, dem 18.12.2005 von 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr gearbeitet, obwohl sie sich - unstreitig - an diesem Tag auf eine Reise nach Venezuela begeben hat, wo sie noch am selben Tag einreiste. Soweit die Klägerin diesbezüglich in ihrer Berufungsbegründung geltend macht, es liege insoweit eine irrtümliche Nennung der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit vom 11.12.2005 unter Angabe des falschen Datums (18.12.2005) vor, so erweist sich dieses Vorbringen als widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Wie es sich aus der betreffenden Meldung der Klägerin vom 16.12.2005 (Bl. 148 d.A.) ergibt, hat sie dort nämlich auch für den 11.12.2005 eine Arbeitszeit von 4 Stunden angegeben. Es kann sich von daher nicht um eine bloße Verwechslung der beiden Daten gehandelt haben. Auch der Umstand, dass die betreffende e-mail bereits am 16.12.2005 verfasst wurde, spricht nicht gegen die Annahme des vorsätzlichen Vortäuschens von Arbeitsleistungen, sondern belegt vielmehr eine zwar gedankenlose aber zugleich auch dreiste Vorgehensweise der Klägerin in der Absicht, Arbeitsvergütung für nicht erbrachte Arbeitsstunden zu erhalten.

44

Des Weiteren hat die Klägerin mit e-mail vom Dezember 2008 (Bl. 187 d.A.) gegenüber der Fa. W angegeben, am Samstag, dem 29.11.2008 insgesamt zehn Stunden, nämlich von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr durchgehend gearbeitet zu haben. Indessen zeigt ein an dem betreffenden Tag um 15.12 Uhr aufgenommenes Foto (Anlagenordner Anlage B 134) die Klägerin, wie sie sich auf dem Boden sitzend mit einem Hund beschäftigt. Zwar trifft es zu, dass das betreffende Foto nur eine kurze Momentaufnahme zeigt, es belegt jedoch in eindeutiger Weise, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Bildaufnahme nicht gearbeitet hat. Die Klägerin hat auch nicht etwa vorgetragen, dass sie ihre Arbeit seinerzeit lediglich für einen kurzen Moment unterbrochen hat. Demgegenüber beinhaltet ihre Meldung gegenüber der Fa. W eine durchgehende Arbeitszeit (ohne Pausen!) an dem betreffenden Tag von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr.

45

Bereits die beiden Täuschungshandlungen der Klägerin betreffen die Ableistung von Überstunden am 29.11.2008 und am 18.12.2005 stellen - auch jeweils lediglich einzeln betrachtet - einen den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung an sich rechtfertigenden Grund dar.

46

Darüber hinaus steht jedoch zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Klägerin auch ansonsten in erheblichem Umfang die Ableistung von Überstunden vorgetäuscht hat.

47

Im Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Vorliegens der von ihm behaupteten Kündigungsgründe. Diese Darlegungslast kann jedoch, soweit es sich um Geschehnisse aus dem Bereich der anderen Partei handelt, durch eine sich aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ergebende Mitwirkungspflicht des Gegners gemindert sein. Darüber hinaus obliegt dem Gegner der primär darlegungs- und beweisbelasteten Partei dann eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BAG v. 20.11.2003 - 8 AZR 580/02 - NZA 2004 489 m.w.N.).

48

Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich bei Würdigung des beiderseitigen Parteivorbringens, dass die Klägerin in erheblichem Umfang Überstunden an die Fa. W zur Abrechnung gemeldet hat, die sie tatsächlich nicht geleistet hat.

49

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass das tatsächliche Ableisten der im Tatbestand wiedergegebenen Überstunden an Feiertagen und an Wochenenden vorliegend nicht nur äußerst ungewöhnlich erscheint, sondern auch jeder Lebenserfahrung widerspricht. Dies gilt beispielsweise im Hinblick darauf, dass die Klägerin im Jahr 2008 für Januar und Februar durchschnittlich 9,375 Stunden, für März durchschnittlich 8,6 Stunden, für April durchschnittlich 7 Stunden und für Mai durchschnittlich 10 Stunden angeblich an Feier- und Wochenendtagen geleistete Überstunden angegeben hat. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin andererseits - bezogen auf normale Wochentage - keine oder nur relativ geringfügige Überstunden beansprucht hat. So waren dies im Januar und Februar jeweils nur 15 Stunden sowie im März, April und Mai überhaupt keine Stunden. Es erscheint von daher nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin gerade an den (zuschlagspflichtigen) Wochenend- und Feiertagen arbeiten musste. Entsprechendes gilt bezüglich der von der Klägerin angeblich erbrachten 8 Stunden am 24.12.2008 (Heiligabend), der für den 26.12.2008 (2. Weihnachtsfeiertag) behaupteten 10 Arbeitsstunden, der für den 27.12.2008 behaupteten 6 Arbeitsstunden sowie der für den 28.12.2008 behaupteten 10 Arbeitsstunden, zu welchen die Klägerin jeweils hohe Überstundenzuschläge erhalten hat.

50

Gegen die Richtigkeit der von der Klägerin an die Fa. W gemeldeten, angeblich an Wochenend- und Feiertagen geleisteten Überstunden spricht auch, dass die Klägerin von zu Hause aus unstreitig keinen Zugriff auf das Firmennetzwerk hatte und es ihr - ebenso unstreitig - verboten war, Personalakten mit nach Hause zu nehmen.

51

In Anbetracht all dieser Umstände bzw. Indizien oblag es der Klägerin im Rahmen ihrer (sekundären) Darlegungslast, konkrete Tatsachen vorzutragen, die das tatsächliche Ableisten der maßgeblichen Überstunden plausibel erscheinen lassen. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin indessen nicht gerecht. Die in ihrer Berufungsbegründungsschrift enthaltene Übersicht über die angeblich von ihr erbrachten Tätigkeiten für den Zeitraum von Januar 2006 bis Dezember 2008 an den Wochenend- und Feiertagen erweist sich insoweit als unsubstantiiert. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, welche dieser angeblichen Tätigkeiten die Klägerin ohne Zugriff auf das Netzwerk von zu Hause aus hat durchführen können bzw. ob und ggf. wann, sie sich wie, welche Unterlagen zu sich nach Hause transferiert hat. Darüber hinaus bestehen gegen die inhaltliche Richtigkeit der betreffenden Aufstellung auch in sonstiger Hinsicht ohnehin erhebliche Bedenken. So gibt die Klägerin beispielsweise an, am Sonntag, dem 29.01.2006 8 Stunden mit der Tätigkeit "Aktualisierung der Telefonlisten und Geburtstagslisten" verbracht zu haben. Selbst wenn man unterstellen würde, alle bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer hätten ihre Telefonnummern gewechselt, wären allenfalls 65 alte durch 65 neue Nummern zu ersetzen gewesen. Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin für diese Tätigkeit 8 Stunden aufgewendet haben soll. Es fehlt auch an jeglicher Darlegung konkreter Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, dass die "normale" Arbeitszeit der Klägerin für die Bewältigung der von ihr angeblich an den Wochenenden und an Feiertagen ausgeführten Arbeiten nicht ausgereicht hat. Der pauschale Hinweis der Klägerin auf die ihr obliegenden Tätigkeiten ist insoweit völlig unzureichend. Soweit die Klägerin auf eine e-mail eines der Geschäftsführer der Beklagten von Sonntag, dem 27.10.2002, verweist, so ist dies für den hier in Rede stehenden Zeitraum unbeachtlich. Nichts anderes ergibt sich auch aus der von der Beklagten selbst vorgelegten e-mail vom 01.09.2004 (Bl. 131 d.A.). Aus dem betreffenden Schriftstück ergibt sich lediglich,

52

dass der Geschäftsführer der Beklagten sich mit dem Ansinnen der Klägerin einverstanden erklärt hat, mit der Klägerin ein Gespräch über die Arbeitssituation im Sekretariat zu führen. Es kann jedoch nicht unterstellt werden, dass der Geschäftsführer ohne die Möglichkeit der Nachprüfung der Berechtigung der angeblich erbrachten Mehrarbeit diese für den Monat August 2004 anerkannt oder sogar darüber hinaus sämtliche Mehrarbeit in den Folgejahren ohne Prüfung anerkannt hätte.

53

Soweit die Klägerin behauptet, sie sei aufgrund ihrer vielseitigen und umfangreichen Aufgaben völlig überlastet gewesen und habe dies auch einem der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, so ist auch dieses Vorbringen unsubstantiiert. Auch aus den von der Klägerin zu den Akten gereichten ärztlichen Attesten lässt sich nichts zu ihren Gunsten herleiten. Aus deren Inhalt ergibt sich nicht ansatzweise die Notwendigkeit oder gar das tatsächliche Ableisten der behaupteten Überstunden.

54

Soweit die Klägerin behauptet, für die Geschäftsführer der Beklagten habe bei Einsicht in die im Zusammenhang mit den monatlichen Sammelüberweisungen gefertigten Diskettenlisten die Möglichkeit bestanden, von der Zahlung der vorliegend maßgeblichen Überstundenvergütungen Kenntnis zu erlangen, so ist dies für die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unbeachtlich. Entsprechendes gilt hinsichtlich der jährlichen Überprüfung der Gehaltsunterlagen durch die Geschäftsleitung der Beklagten.

55

Die Beklagte war auch nicht gehalten, der Klägerin zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Eine solche ist nämlich jedenfalls dann entbehrlich, wenn es - wie vorliegend - um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar war und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass ein derart gravierendes Fehlverhalten (Vortäuschen erbrachter Überstunden), was auch eine strafrechtliche Überprüfung rechtfertigt, seitens der Beklagten hingenommen wird.

56

Auch das Ergebnis der stets vorzunehmenden Interessenabwägung steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Auch wenn man zu Gunsten der Klägerin deren Beschäftigungsdauer, ihr Lebensalter, ihre ungünstigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie ihre sonstigen Sozialdaten berücksichtigt, so überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Klägerin, das Arbeitsverhältnis noch jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Dies ergibt sich aus der besonderen Schwere des Fehlverhaltens der Klägerin, die ihre Position und die damit verbundenen Befugnisse dazu ausgenutzt hat, unter Vortäuschung tatsächlich nicht erbrachter Arbeitsleistungen in den Genuss erheblicher Überstundenvergütungen zu gelangen. In Anbetracht dessen war der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - auch nur für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist - nicht zumutbar.

57

Die Beklagte hat die streitbefangene außerordentliche Kündigung vom 14.01.2009 innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen. Nach dem vom Arbeitsgericht Unter A I. 2. c der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (dort Seite 19 f. = 811 f d.A.) getroffenen tatsächlichen Feststellungen, deren Richtigkeit die Klägerin im Berufungsverfahren nicht gerügt hat, wurden der Beklagten die seitens der Klägerin an die Fa. W getätigten Überstundenmeldungen erst am 08.01.2009 übermittelt. Erst damit hat die Beklagte sichere Kenntnis vom Kündigungsgrund erlangt. Der Klägerin ist das Kündigungsschreiben bereits am 15.01.2009 zugegangen. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist somit gewahrt.

58

Die streitbefangene außerordentliche Kündigung vom 14.01.2009 ist letztlich auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, da die Beklagte den Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört hat.

59

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Mitgeschäftsführer U dem Betriebsrat das Anhörungsschreiben vom 13.01.2009 (Bl. 213 d.A.) vor Kündigungsausspruch übergeben hat. Dies hat die Zeugin A. bei ihrer Vernehmung glaubhaft bekundet. In diesem Schreiben wurde der Betriebsrat um Zustimmung zur fristlosen Kündigung der Klägerin gebeten. Zwar enthält das Schreiben keinerlei Angaben über die Kündigungsgründe. Diesbezüglich hat jedoch die Zeugin A., die Betriebsratsvorsitzende, bei ihrer Vernehmung ausgesagt, dass ihr der Mitgeschäftsführer im Zusammenhang mit der Anhörung mitgeteilt habe, man habe festgestellt, dass die Klägerin in erheblichem Umfang nicht geleistete Überstunden (auch an Wochenenden und sonstigen arbeitsfreien Tagen) an die Fa. W gemeldet habe und sich die entsprechende Überstundenvergütung habe auszahlen lassen. Das Gericht hat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit dieser Zeugenaussage. Somit wurde dem Betriebsrat bei Anhörung der wesentliche Sachverhalt, der die streitbefangene Kündigung nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen rechtfertigt, mitgeteilt. Allerdings enthält das Anhörungsschreiben bezüglich der maßgeblichen Sozialdaten der Klägerin lediglich deren Eintrittsdatum. Dies steht der Ordnungsgemäßheit der Anhörung jedoch vorliegend nicht entgegen. Zwar darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat keine - ihm bekannten und von ihm bedachten - persönlichen Umstände des Arbeitnehmers vorenthalten, die sich im Rahmen der Interessenabwägung entscheidend zu seinen Gunsten auswirken können. Dies bedeutet dann auch, dass im Allgemeinen dem Betriebsrat sowohl das Lebensalter als auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit des betroffenen Mitarbeiters mitzuteilen sind, soweit der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass diese für die Beurteilung der Wirksamkeit von Bedeutung sind (BAG v. 15.11.1995 - 2 AZR 1973/94 - EzA § 102 BetVG 1972 Nr. 89). Im Streitfall kam es der Beklagten - auch ersichtlich für den Betriebsrat - angesichts der Schwere der erhobenen Vorwürfe für die Abwägung, ob sie der Klägerin kündigen solle, nicht auf das genaue Alter der Klägerin an. Darüber hinaus war dem Betriebsrat das Alter der Klägerin bereits im Rahmen einer Versetzungsmaßnahme bekannt gegeben worden (vgl. Bl. 595 d.A.). Darüber hinaus ist der Sachvortrag der Beklagten, wonach dem Betriebsrat der Arbeitsvertrag der Klägerin vorgelegen hat (Schriftsatz der Beklagten vom 12.05.2009, dort S. 42 = Bl. 281 d.A.), seitens der Klägerin unbestritten geblieben. Dieser Arbeitsvertrag enthält auf seiner ersten Seite (Bl. 13 d.A.) das Geburtsdatum der Klägerin. Der Umstand, dass das im Anhörungsschreiben genannte Eintrittsdatum (17.09.1999) geringfügig vom tatsächlichen Eintrittsdatum (01.10.1999) abweicht, war für die Willensbildung des Betriebsrats im Hinblick auf die fast zehnjährige Dienstzeit der Klägerin ohne Belang. Darüber hinaus ergibt sich der tatsächliche Beginn des Arbeitsverhältnisses auch aus dem Arbeitsvertrag, der dem Betriebsrat unstreitig vorgelegen hat.

60

Wie sich dem Anhörungsschreiben (Bl. 213 d.A.) entnehmen lässt, hat der Betriebsrat am 14.01.2009 seine Zustimmung zur Kündigung erteilt. Erst danach wurde den Zeuginnen A. und B. das Kündigungsschreiben ausgehändigt, um dieses - wie geschehen (vgl. Übergabeprotokoll vom 14.01.2009, Bl. 596 d.A.) - der Klägerin zuzustellen. Dies haben sowohl die Zeugin A. als auch die Zeugin B. bei ihrer Vernehmung widerspruchsfrei und glaubhaft ausgesagt.

61

Gegen die Ordnungsgemäßheit des Anhörungsverfahrens gemäß § 102 BetrVG bestehen somit keine Bedenken.

62

2. Die gegen die weiteren Kündigungen vom 19.02.2009, 27.02.2009, 03.04.2009 und 13.05.2009 gerichteten Kündigungsschutzanträge sind ebenfalls unbegründet. Dies folgt bereits daraus, dass im Zeitpunkt des Ausspruchs dieser Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien infolge der fristlosen Kündigung vom 14.01.2009 nicht mehr bestand.

63

III. Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

64

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

 

(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen.

(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin. Der Schuldner hat dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen.

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.

(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.

(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.

(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

(1) Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt.

(2) Die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung.

(3) Durch die nach dem Schluss einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert.

Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

(1) Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt.

(2) Die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung.

(3) Durch die nach dem Schluss einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen.

(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin. Der Schuldner hat dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen.

(1) Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Als Kosten der Zwangsvollstreckung gelten auch die Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils. Soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, haften sie auch für die Kosten der Zwangsvollstreckung als Gesamtschuldner; § 100 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

(2) Auf Antrag setzt das Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist, die Kosten gemäß § 103 Abs. 2, den §§ 104, 107 fest. Im Falle einer Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 887, 888 und 890 entscheidet das Prozessgericht des ersten Rechtszuges.

(3) Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird.

(4) Die Kosten eines Verfahrens nach den §§ 765a, 811a, 811b, 829, 850k, 851a, 851b, 900 und 904 bis 907 kann das Gericht ganz oder teilweise dem Gläubiger auferlegen, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht.

(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen.

(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin. Der Schuldner hat dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 41/10
Verkündet am:
2. Dezember 2010
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Klage eines Gläubigers, der über einen vollstreckbaren Schuldtitel verfügt, auf
Feststellung des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung fehlt es nach dem auf
den Rechtsgrund beschränkten Widerspruch des Schuldners nicht an einem rechtlich
geschützten Interesse.
BGH, Urt. vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 41/10 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den
Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin
Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 11. Februar 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Klägerin steht aufgrund eines rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Cottbus vom 11. Januar 2001 gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 150.531,91 DM (76.965,74 €) nebst 4 % Zinsen seit dem 1. April 2000 zu. Den Urteilsgründen nach beruht der Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a StGB.
2
Am 26. September 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet. Die Klägerin meldete den titulierten Anspruch an; der Verwalter stellte ihn mit dem Schuldgrund "Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" zur Tabelle fest. Der Schuldner widersprach dem Rechtsgrund der Forderung.
3
Im vorliegenden Rechtsstreit beantragt die Klägerin festzustellen, dass der Widerspruch des Beklagten unbegründet sei. Die Vorinstanzen haben die Klage für unzulässig gehalten. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt (NZI 2010, 266): Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Der Beklagte habe seinen Widerspruch nicht binnen eines Monats ab dem Prüfungstermin im Klagewege verfolgt. Analog § 184 Abs. 2 InsO gelte der Widerspruch damit als nicht erhoben. Im Vorprozess sei zwar nicht mit Rechtskraftwirkung festgestellt worden, dass dem Anspruch der Klägerin eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Beklagten zugrunde liege. Auch wenn die materiell-rechtliche Beurteilung des Schuldgrundes allein dem Prozessgericht obliege, seien das Vollstreckungs- und das Insolvenzgericht jedoch gehalten, den ihm vorgelegten Titel auf den maßgebli- chen Schuldgrund hin zu überprüfen und gegebenenfalls auszulegen. Sei - wie im vorliegenden Fall - eine Auslegung möglich, könne man dem Gläubiger nicht zumuten, einen weiteren Rechtsstreit gegen den insolventen Schuldner zu betreiben. Dass der Widerspruch des Schuldners weiterhin in der Tabelle vermerkt sei und die zuständige Rechtspflegerin eine Berichtigung abgelehnt habe, begründe ebenfalls nicht die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Die Klägerin brauche zur Klärung der Wirkungen des Widerspruchs zwar nicht den Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten. Infolge der Neufassung des § 184 InsO bedürfe es einer Klage jedoch nicht. Die Tabelle sei analog § 183 Abs. 2 InsO zu berichtigen. Gegen einen Beschluss, mit dem die Berichtigung abgelehnt werde, finde die sofortige Rechtspflegererinnerung statt. Die Klägerin habe es versäumt, einen förmlichen Beschluss der zuständigen Rechtspflegerin und eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.

II.


6
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage ist zulässig.
7
1. Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde (§ 256 Abs. 1 ZPO). Im vorliegenden Fall folgt das rechtliche Interesse der Klägerin aus § 302 Nr. 1 InsO. Der Schuldner hat Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Wird die Restschuldbefreiung erteilt, darf die Klägerin grundsätzlich weder aus dem Urteil vom 1. Januar 2001 noch aus dem Auszug aus der Tabelle (§ 201 Abs. 2 InsO) die Zwangsvollstreckung ge- gen den Schuldner betreiben. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung werden jedoch von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte (§ 302 Nr. 1 InsO).
8
Die Klägerin hat ihre Forderung als Forderung aus unerlaubter Handlung zur Tabelle angemeldet. Die Forderung gilt als festgestellt, nachdem im schriftlichen Verfahren (§ 177 InsO) ein Widerspruch weder vom Insolvenzverwalter noch von einem der Insolvenzgläubiger erhoben worden ist (§ 178 Abs. 1 InsO). Der auf den Anspruchsgrund beschränkte Widerspruch des Schuldners stand der Feststellung nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO) und wirkt sich auf das Insolvenzverfahren nicht aus. Er hindert für sich genommen auch nicht die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle (§ 201 Abs. 2 InsO). Der Schuldner kann jedoch, falls die Klägerin aus der vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle (§ 201 Abs. 2 InsO) oder aus dem Urteil vom 1. Januar 2001 die Zwangsvollstreckung gegen ihn betreiben sollte, sich im Wege der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) hiergegen zur Wehr setzen (vgl. BGH, Beschl. v. 25. September 2008 - IX ZB 205/06, WM 2008, 2219, 2220 f Rn. 8 ff). Sein Widerspruch hat ihm nicht nur die rechtliche Möglichkeit hierzu verschafft, sondern begründet zugleich das Risiko, dass es früher oder später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung kommen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, WM 2006, 1347, 1348 Rn. 10, zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 184 Abs. 2 InsO am 1. Juli 2007). Zurückgenommen hat er den Widerspruch auch nach entsprechender Aufforderung durch die Klägerin nicht.
9
2. Der Klägerin steht kein gegenüber der Feststellungsklage einfacherer Weg zur Verfügung, um die Wirkungen des Widerspruchs des Beklagten zu beseitigen. Insbesondere kann sie nicht auf einen Antrag auf Berichtigung der Tabelle gemäß oder entsprechend analog § 183 Abs. 2 InsO verwiesen werden. Die Tabelle ist nicht im Sinne von § 183 Abs. 2 InsO unrichtig.
10
a) Die Regelung des § 183 Abs. 2 InsO erlangt Bedeutung, wenn ein Gläubiger auf den Widerspruch des Verwalters oder eines anderen Gläubigers hin Klage auf Feststellung seiner Forderung erhoben hat und eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, durch die eine Forderung festgestellt oder ein Widerspruch für begründet erklärt worden ist (§ 183 Abs. 1 InsO). Es obliegt dann der obsiegenden Partei, beim Insolvenzgericht unter Vorlage des rechtskräftigen Urteils die Berichtigung der Tabelle zu beantragen (§ 183 Abs. 2 InsO).
11
b) Die Vorschrift des § 183 Abs. 2 InsO dürfte entsprechend anzuwenden sein, wenn der Schuldner eine bereits titulierte Forderung, die zur Tabelle angemeldet worden ist, bestritten hat, dann aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 184 Abs. 2 InsO Klage erhoben und dem Insolvenzgericht die Verfolgung des Anspruchs nachgewiesen hat. Auch in einem solchen Fall wird die Tabelle unrichtig; denn nach fruchtlosem Ablauf der Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben (§ 184 Abs. 2 Satz 2 InsO). Da der Schuldner dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen hat (§ 184 Abs. 2 Satz 4 InsO), kann das Insolvenzgericht die Wirkungslosigkeit des Widerspruchs feststellen, ohne schwierige Fragen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts beurteilen zu müssen. Zu prüfen ist lediglich, ob die Forderung tituliert ist, ob der Schuldner sie im Prüfungstermin bestritten hat und ob der Schuldner danach binnen eines Monats Klage gegen den Gläubiger erhoben hat.
12
c) Hat der Schuldner nicht die Forderung, sondern nur den Anspruchsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bestritten und ist die Forderung tituliert, nicht aber der Anspruchsgrund rechtskräftig festgestellt, kommt eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 184 Abs. 2 und des § 183 Abs. 2 InsO nicht in Betracht.
13
§ 184 Abs. 2 InsO ist eingeführt worden, weil es unbillig erschien, dass ein Gläubiger, der bereits einen Titel gegen den Schuldner erstritten hat, nach dessen Widerspruch nochmals prozessieren muss (BT-Drucks. 16/3227, S. 21). Der Gläubiger soll also denselben Rechtsstreit nicht ein zweites Mal führen müssen; ihm obliegt nur die erstmalige Titulierung der Forderung oder des Anspruchsgrundes (§ 184 Abs. 1 InsO). Ist der Anspruchsgrund im Vorprozess nicht rechtskräftig festgestellt worden, stellt sich die Frage einer "nochmaligen" Prüfung und Feststellung des Anspruchsgrundes jedoch nicht. Dies ist offensichtlich , wenn es um Ansprüche geht, die entweder Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraussetzen oder auch auf andere Grundlagen gestützt werden können. Zum Beispiel kann ein Schadensersatzanspruch wegen eines Personenschadens auf eine vom Schädiger begangene vorsätzliche Körperverletzung (§ 823 Abs. 2 BGB, § 223 StGB), aber auch auf fahrlässige Körperverletzung (§ 823 Abs. 2 BGB, § 229 StGB) oder sogar auf Gefährdungshaftung (etwa § 833 BGB) gestützt werden. Der Gläubiger kann also obsiegen und einen Titel gegen den Schuldner erwirken, ohne ein vorsätzliches Handeln des Schuldners dargelegt und bewiesen zu haben. Dann ist eine entsprechende Anwendung des § 184 Abs. 2 InsO nicht gerechtfertigt.
14
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann es aber auch nicht darauf ankommen, welche Feststellungen das Gericht des Vorprozesses getroffen und welche Subsumtionsschlüsse es gezogen hat. Es ist nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts, nach einem Widerspruch des Schuldners die Entscheidungsgründe eines bei der Anmeldung der Forderung vorgelegten Titels inhaltlich zu überprüfen. Die Prüfung kann schwierig sein, weil es sich um einen Umstand handelt oder jedenfalls handeln kann, auf den es im Vorprozess nicht ankam und auf den deshalb keine besondere Sorgfalt verwandt worden ist. Die Urteilsgründe können lückenhaft sein oder umgekehrt überschießende Feststellungen enthalten. Erst recht ist es nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts zu prüfen , ob der im Vorprozess ausgeurteilte Anspruch unter Berücksichtigung des ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalts nach materiellem Recht zwingend eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung voraussetzt oder ob auch andere Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen. Wegen dieser nahezu unvermeidlichen Zweifel über die Reichweite eines richterlichen Leistungsbefehls hat der Senat es abgelehnt, die Rechtskraft eines Leistungsurteils auf die Feststellung zu erstrecken, das der Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt, wenn dieser nach materiellem Recht ein Vorsatzdelikt voraussetzt (BGH, Urt. v. 5. November 2009 - IX ZR 239/07, BGHZ 183, 77, Rn. 16 f). Besteht keine Bindungswirkung, ist auch nicht zu rechtfertigen, dem Schuldner die Feststellungslast dafür aufzubürden, dass der vom Gläubiger bei der Anmeldung der Forderung angegebene Anspruchsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht besteht.
15
Allerdings wird dem Gläubiger, der bereits einen Zahlungstitel erwirkt hat, ein zweiter Rechtsstreit zugemutet, dessen Kosten er vom zahlungsunfähigen Schuldner (jedenfalls zunächst) regelmäßig nicht erstattet erhält. Es liegt jedoch an ihm, dies zu vermeiden, indem er von vornherein zweckentsprechende Maßnahmen ergreift, etwa nach einer Titulierung im Mahnverfahren eine titelergänzende Feststellungsklage oder im Übrigen im Wege der objektiven Klage- häufig neben dem Zahlungs- auch einen Feststellungsantrag anhängig macht (vgl. BGH, Urt. v. 5. November 2009, aaO Rn. 18).
16
d) Das Urteil vom 11. Januar 2001, das die Klägerin gegen den Beklagten erwirkt hat, enthält nur einen Zahlungsausspruch, keinen Feststellungsausspruch hinsichtlich des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung. Mit der unanfechtbaren Verurteilung des Geschäftsführer einer GmbH zum Schadensersatz für nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile von Sozialversicherungsbeiträgen steht gegenüber der Klägerin nicht rechtskräftig fest, dass der zuerkannte Anspruch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht (BGH, Urt. v. 5. November 2009, aaO Rn. 14 ff). Die Vorschrift des § 184 Abs. 2 InsO ist damit weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Es ist nicht Sache des Beklagten, seinen Widerspruch im Klagewege weiter zu verfolgen. Vielmehr muss die Klägerin den Rechtsgrund ihres Anspruchs (erstmals) rechtskräftig feststellen lassen. Eine Berichtigung der Tabelle (§ 183 Abs. 2 InsO analog ) kommt solange nicht in Betracht, wie eine solche Feststellung nicht erfolgt ist.

III.


17
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird nunmehr die Begründetheit der Klage zu prüfen haben.
Kayser Raebel Lohmann
Pape Möhring
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Entscheidung vom 30.07.2009 - 6 O 57/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 11.02.2010 - 12 U 164/09 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 547/05
vom
22. August 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betruges u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
22. August 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. P. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. Sch. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 30. Juni 2005 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Verfahren gegen die Angeklagten eingestellt und der Angeklagte Dr. P. hinsichtlich des Tatkomplexes "Augenlinsen" freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Mit Urteil des Landgerichts Mannheim vom 3. Dezember 2002 waren die drei Angeklagten sowie drei weitere vormals Mitangeklagte wegen zahlreicher Betrugs- und Untreuetaten verurteilt worden, und zwar der Angeklagte Dr. P. zur Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung und daneben zur Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen, die Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. jeweils zur Gesamtgeldstrafe von 600 Tagessätzen. Das Urteil hatte der Senat mit Beschluss vom 27. April 2004 - 1 StR 165/03 (NStZ 2004, 568) auf die Revisionen der drei Angeklagten und des früheren Mitangeklagten R. aufgehoben.
2
Nunmehr hat das Landgericht, nachdem zwischenzeitlich das Verfahren gegen R. abgetrennt und ein Verfahren gegen die drei Angeklagten wegen Steuerhinterziehung hierher verbunden worden war, diese wie folgt verurteilt: – den Angeklagten Dr. P. wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zur Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen, – die Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. jeweils wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zur Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen.
3
Soweit dem Angeklagten Dr. P. Betrug durch manipulierte Abrechnungen von Augenlinsen (Tatkomplex „Augenlinsen“) und ein weiterer Fall der Steuerhinterziehung zur Last lagen, ist er aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden. Soweit den drei Angeklagten Untreue durch manipulierte Abrechnungen von Medikamenten (Tatkomplex „Medikamente“) vorgeworfen wurde , ist das Verfahren wegen Verfolgungsverjährung eingestellt worden.
4
Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und wirksam beschränkten Revisionen an. Sie beanstandet , dass das Landgericht zu Unrecht das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung angenommen habe. Mit der Sachbeschwerde rügt sie den Teilfreispruch des Angeklagten Dr. P. hinsichtlich des Tatkomplexes „Augenlinsen“. Die Revisionen haben Erfolg.

I.

5
1. Folgendes ist - soweit im Rahmen der Revisionen von Bedeutung - festgestellt:
6
Die drei Angeklagten - allesamt kassenärztlich zugelassene Augenärzte - bestellten und erwarben in den Jahren 1993 bis 1997 von dem vormals mitangeklagten Pharmahändler R. Augenlinsen und Medikamente (Hilfs- oder Zusatzstoffe ), die sie für ambulant durchgeführte Operationen zur Behandlung des Grauen Star verwandten. Die Kosten hierfür, die gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen geltend gemacht und mit denen diese letztlich belastet wurden, waren jedoch überhöht, weil R. an die Angeklagten umsatzbezogene Rückvergütungen (sog. kick backs) entrichtete, was die Angeklagten den Kassen gegenüber verschwiegen. R. zahlte an den Angeklagten Dr. P. insgesamt 500.000,- DM, an die Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. zusammen insgesamt 1.848.000,- DM.
7
Der Abrechnungsmodus war für Augenlinsen einerseits und Medikamente andererseits verschieden. Die Kosten für die an den Angeklagten Dr. P. gelieferten Augenlinsen wurden diesem in Rechnung gestellt und von ihm verauslagt. Der Angeklagte machte sodann im Rahmen der quartalsmäßigen patientenbezogenen Abrechnungen die Einzelpreise für die Augenlinsen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung geltend und verschwieg dabei den jeweiligen Rabattanteil infolge der Rückvergütungen. Von der Kassenärztlichen Vereinigung wurden die Preise diversen Krankenkassen in Rechnung gestellt, welche daraufhin die überhöhten Zahlungen an den Angeklagten leisteten. Die Bestellung von Medikamenten seitens der drei Angeklagten erfolgte hingegen nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, sondern im Wege der kassenärztlichen Verordnung (Sprechstundenbedarfsrezept) unmittelbar zu Lasten der Krankenkassen nicht einzelfallbezogen als Operationsbedarf. Geliefert wurden die Medikamente über den gutgläubigen Apotheker V. , der das Rezept bei der Verrechnungsstelle für Apotheker mit den von R. vorgegebenen Bezugspreisen einreichte. Diese erstellte monatlich eine Gesamtabrechnung gegenüber der örtlich zuständigen AOK und bis einschließlich 1994 auch gegenüber der Barmer Ersatzkasse, woraufhin die wiederum um den Rabattanteil überhöhten Zahlungen an V. erfolgten.
8
2. Wegen der verschiedenen Abrechnungsmodi hat das Landgericht im Ansatz zutreffend den Tatkomplex „Augenlinsen“ auf eine Strafbarkeit wegen Betruges, den Tatkomplex „Medikamente“ - gemäß den Grundsätzen von BGHSt 49, 17 - auf eine Strafbarkeit wegen Untreue geprüft und ist sodann auf dieser Basis zu Freispruch und Einstellung gelangt.
9
In Bezug auf die Betrugstaten hat es sich weder von irrtumsbedingten Vermögensverfügungen bei den Leistungsträgern noch von einem entsprechenden „Täuschungsvorsatz“ des Angeklagten Dr. P. überzeugen können, da die Abrechnungen von der Kassenärztlichen Vereinigung und von den Krankenkassen keiner Überprüfung unterzogen worden seien. Die Untreuehandlungen hinsichtlich des Tatkomplexes „Medikamente“ waren nach Auffassung des Landgerichts bereits verjährt, weil insoweit keine Verjährungsunterbrechung erfolgt sei.

II.

10
Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht die Teileinstellungen wegen Verfolgungsverjährung. Ob ein Verfahrenshindernis vorliegt, prüft das Revisionsgericht von Amts wegen aufgrund eigener Sachuntersuchung unter Benutzung aller verfügbaren Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren (vgl. BGHSt 46, 307, 309; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 337 Rdn. 6 m.w.N.).
11
1. Die Kammer hat die Untreuetaten mit Erhalt der nachträglichen Kickback -Zahlungen als materiell beendet angesehen. Nach den Urteilsfeststellungen sind solche Zahlungen an den Angeklagten Dr. P. vom 30. November 1994 bis zum 11. Oktober 1996, an die Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. gemeinsam vom 8. Oktober 1993 bis zum 18. Juni 1997 erfolgt (UA S. 51).
12
Das Landgericht ist der Auffassung, die Verjährungsfrist, die nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre beträgt und nach § 78a StGB mit der materiellen Beendigung der Taten zu laufen beginnt, sei bei Anklageerhebung - die Anklageschrift vom 26. Juni 2002 ging am 5. Juli 2002 beim Landgericht ein - bereits verstrichen gewesen. Hinsichtlich des Tatkomplexes "Medikamente" seien zuvor keine verjährungsunterbrechenden Maßnahmen im Sinne von § 78c StGB erfolgt. Das Amtsgericht Mannheim habe zwar am 1. September 1998 Durchsuchungsbeschlüsse gegen die Angeklagten Dr. P. und Dr. S. sowie am 16. Juli 1999 gegen die Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. erlassen (UA S. 13 f.). Die Beschlüsse hätten jedoch nicht diesen Tatkomplex, sondern den Tatkomplex „Augenlinsen“ betroffen (UA S. 52 f.). Zeugenvernehmungen zweier Ermittlungsbeamter in der Hauptverhandlung hätten ergeben, dass Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Medikamenten erst im September 2000 aufgefallen seien (UA S. 42 f., 52).
13
2. Ein - im Urteil nicht erwähnter - Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 25. Oktober 1999 ( - ) hat die Verjährung nach § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB unterbrochen, sodass schon deswegen die Untreuetaten, bei denen die materielle Beendigung nach dem 25. Oktober 1994 eintrat, nicht verjährt sind. In diesen Zeitraum fallen sämtliche Kick-back-Zahlungen an den Angeklagten Dr. P. sowie 13 von 17 Zahlungen an die Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. - ausgenommen diejenigen in den Jahren 1993 und 1994 von insgesamt 285.000,- DM (UA S. 18 f.).
14
Mit dem benannten Beschluss wurde die Beschlagnahme von Unterlagen bei der Firma Ph. , angeordnet. Als Beschuldigte im Ermittlungsverfahren sind dort ausdrücklich unter anderem die drei Angeklagten bezeichnet. Der Tatvorwurf ist auf „Abrechnungsbetrügereien“ zum Nachteil der gesetzlichen Krankenkassen infolge von Kick-back-Zahlungen gerichtet, wobei er auf die fehlerhafte Abrechnung von Augenlinsen und - ausdrücklich auch - Zusatzstoffen bezogen ist. Der Beschluss beschreibt die Verdachtslage hinreichend und genügt verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen; er ist damit eine taugliche richterliche Untersuchungsmaßnahme i.S.v. § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB (vgl. BGH NStZ 2000, 427, 429; 2004, 275; Beschluss vom 25. April 2006 - 5 StR 42/06 - Umdruck S. 2). Dass hinsichtlich des Tatkomplexes „Medikamente" die zutreffende rechtliche Beurteilung im Urteil als Untreuetaten von der Beschlussbegründung, der zufolge den Angeklagten Betrug vorgeworfen wurde , abweicht, ist unschädlich (vgl. G. Schäfer in FS für Dünnebier S. 541, 545).
15
Eine Beschlagnahmeanordnung eines deutschen Gerichts (vgl. BGHSt 1, 325) unterbricht nach § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB auch dann die Verjährung, wenn die Beschlagnahme bei Dritten erfolgen soll und der Beschuldigte vorher weder vernommen noch von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt wurde (vgl. Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 78c Rdn. 12).
16
An der verjährungsunterbrechenden Wirkung des Beschlusses zu zweifeln , besteht auch deshalb kein Anlass, weil die ohne Bindung an die Urteilsfeststellungen vorzunehmende freibeweisliche Prüfung durch den Senat ergibt, dass die Strafverfolgungsbehörden bereits im Oktober 1999 Kenntnis von Umständen hatten, die auf manipulierte Abrechnungen von Medikamenten hindeuteten. Die Annahme der Kammer, die Ermittlungen hätten erstmals im September 2000 derartige Verdachtsmomente ergeben, kann somit nicht zutreffen. In einem Schreiben des sachbearbeitenden Dezernenten der Staatsanwaltschaft vom 19. Mai 1999 an den Verteidiger des damaligen Mitbeschuldigten V. ( ) heißt es wörtlich: „Ich verweise insoweit auf den Inhalt des … Durchsuchungsbeschlusses gegen den Beschuldigten, der … sich im Hinblick auf das zugrunde liegende Schema auch auf die Lieferung der Zusatzstoffe wie beispielsweise Cellugel weiter übertragen lässt“. In den Ermittlungsakten findet sich weiterhin ein AOK-internes Schreiben vom 1. April 1998, in welchem von Verdachtsmomenten gegen V. und andere in dem Beschluss vom 25. Oktober 1999 beschuldigte Augenärzte im Hinblick auf die Abrechnung des Medi- kaments Cellugel berichtet wird ( ). Der Verteidiger von V. nahm mit an die Staatsanwaltschaft und die Steuerfahndung gerichteten Schriftsätzen vom 25. Februar 1999 ausdrücklich hierauf Bezug ( ).
17
3. Aber auch drei gegen die Angeklagten gerichtete Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Mannheim vom 1. September 1998 ( , und ) haben entgegen der Auffassung der Kammer verjährungsunterbrechende Wirkung im Sinne von § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB. Dadurch sind Untreuetaten der Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. , die mit drei Kickback -Zahlungen von insgesamt 245.000,- DM im Jahre 1994 beendet und von der Unterbrechungswirkung des oben erwähnten Beschlusses nicht erfasst wurden, ebenfalls nicht verjährt.
18
a) Dass, wie das Urteil feststellt (UA S. 13 f.), ein Durchsuchungsbeschluss vom 1. September 1998 gegen den Angeklagten Dr. Sch. nicht erlassen wurde, trifft nicht zu. Der Originalbeschluss befindet sich zwar ebenso wenig wie die gegen die Angeklagten Dr. P. und Dr. S. erlassenen Originalbeschlüsse bei den Ermittlungsakten; die drei Beschlüsse sind jedoch von der Staatsanwaltschaft in beglaubigter Abschrift vorgelegt worden. Dass die Staatsanwaltschaft inhaltsgleiche Durchsuchungsbeschlüsse beantragt hatte, ergibt sich auch aus der Einleitungsverfügung für die drei Angeklagten vom 26. August 1998 ( ).
19
b) Die gleich lautenden Beschlüsse haben folgenden Inhalt:
20
Die Durchsuchung sollte zum Zweck der Auffindung und Beschlagnahme von Geschäfts - und sonstigen Unterlagen seit 1991 betreffend die damaligen Mitbeschuldigten R. , V. und diesen zuzuordnende Unternehmen sowie von sonstigen Beweismitteln bezüglich des aus der Beschlussbegründung ersichtlichen Tatvorwurfs erfolgen. Zur Begründung ist die Verdachtslage wie folgt dargestellt:
21
Der jeweilige beschuldigte Augenarzt „ist … des Abrechnungsbetruges zum Nachteil der gesetzlichen Krankenkassen seit 1994 sowie der Einkommenssteuerhinterziehung für zwischen 1994 und 1996 verdächtig.
22
Der Beschuldigte R. bezieht seit 1994 als Geschäftsführer der R. OHG bzw. der Einzelfirma B. … von inländischen Herstellern zur Implantation bestimmte, intraokulare Linsen zum Preis von durchschnittlich ca. 190,- DM pro Paar. Die Linsen verkaufte R. anschließend papiermäßig mit einer jeweils 5-prozentigen Provision an die von ihm wirtschaftlich beherrschte Domizilfirma Ph. mit Sitz auf G. und in der Sc. und von dort aus weiter an den Beschuldigten V. , dieser als Inhaber einer Apotheke in F. . Von dort aus wurden die Linsen, die gegenständlich das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nie verlassen hatten, auf Vermittlung von R. an zahlreiche im Inland ansässige Augenärzte ... weiterveräußert. Der Preis schwankte je nach Beschaffenheit der Linse zwischen 308,- DM und 710,- DM. Der durchschnittliche Verkaufspreis lag bei 476,- DM. Die letztgenannten Preise wurden durch die Augenärzte den gesetzlichen Krankenkassen als gesonderte Sachkosten in Rechnung gestellt und durch diese bezahlt.
23
Es besteht der Verdacht, daß entsprechend einem gemeinsamen Tatplan … von den Krankenkassen die Erstattung überhöhter Sachkosten erschlichen werden sollte. Dabei sei ein Teil des von der Tätergruppe erzielten Gewinns an die beteiligten Augenärzte in Form von Geldzahlungen oder Rabatten in bislang unbekannter Höhe zurückgeflossen, ohne daß dies den Kassen gegenüber offenbart worden sei …“
24
c) Die verjährungsunterbrechende Wirkung der Beschlüsse erfasst nicht nur die Betrugstaten in Bezug auf Augenlinsen, sondern auch die Untreuetaten in Bezug auf Medikamente.
25
Generell gilt: In Wirtschaftsstrafverfahren werden regelmäßig schon zu einem frühen Zeitpunkt Durchsuchungen nach §§ 102, 103 StPO notwendig. Insoweit ist es üblich und für erfolgversprechende Ermittlungen auch geboten, auf schriftliche Unterlagen, insbesondere über die Buchhaltung und den Zahlungsverkehr , zuzugreifen, weil sich in den meisten Fällen erst aufgrund derartiger Unterlagen Umstände herausstellen, die den Tatverdacht konkretisieren sowie Schuld oder Unschuld belegen. Dies gilt insbesondere bei Abrechnungsmanipulationen , die in einem so frühen Verfahrensstadium regelmäßig nicht detailliert zu umschreiben sind. Es entspricht daher einem praktischen Bedürf- nis und ist prinzipiell nicht zu beanstanden, wenn der Tatverdacht in den Durchsuchsuchungsbeschlüssen weit gefasst wird. Dementsprechend genügt es für die Darstellung der Verdachtslage, dass die Taten unter zusammenfassenden kennzeichnenden Merkmalen bestimmbar sind, falls die Maßnahme wegen einer Vielzahl von Taten im prozessualen Sinne erfolgt, deren Einzelheiten die Ermittlungen noch klären müssen (vgl. BGH NStZ 2001, 191). Dies ist bei der Auslegung verjährungsunterbrechender Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse sowie bei der Ermittlung des Verfolgungswillens der Strafverfolgungsbehörden zu bedenken.
26
Im Einzelnen hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze aufgestellt: Wird in einem Verfahren wegen einer Vielzahl von Taten ermittelt, so erstreckt sich die Unterbrechungswirkung grundsätzlich auf alle verfahrensgegenständlichen Taten, es sei denn der - insoweit maßgebliche - Verfolgungswille der Strafverfolgungsbehörden ist erkennbar auf eine oder mehrere Taten beschränkt. Für die Bestimmung des Verfolgungswillens ist der Zweck der richterlichen Untersuchungsmaßnahme maßgeblich. Ergibt sich dieser nicht bereits aus deren Wortlaut, ist namentlich auf den Sach- und Verfahrenszusammenhang abzustellen (vgl. BGH NStZ 2000, 427 m. Anm. Jäger wistra 2000, 227; BGH NStZ 2001, 191; wistra 2002, 57; Stree/Sternberg-Lieben aaO Rdn. 23).
27
Die Unterbrechungswirkung ergibt sich hier auch hinsichtlich des Tatkomplexes "Medikamente" aus dem Wortlaut der Beschlüsse. Zweck der Beschlüsse war danach das Auffinden und die Beschlagnahme insbesondere von Unterlagen betreffend die damaligen Mitbeschuldigten R. und V. bzw. bestimmte ihnen zuzuordnende Unternehmen. Dieser Zweck ist für die Ermittlungen im Tatkomplex „Medikamente“ gleichermaßen wie im Tatkomplex „Augenlinsen“ relevant. Dem Wortlaut der Beschlussbegründung lässt sich eine Beschränkung des Verfolgungswillens nicht entnehmen. Die Tatschilderung bezieht sich zwar zunächst nur auf Augenlinsen. Die anschließend dargelegte Schlussfolgerung geht allerdings dahin, der Verdacht richte sich allgemein darauf , dass von den gesetzlichen Krankenkassen die Erstattung überhöhter Sachkosten erschlichen werden sollte.
28
Die in den Durchsuchungsbeschlüssen genau umschriebene Begehungsweise genügt dem Bedürfnis, die von der Unterbrechung betroffenen Taten von denkbar ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen, auf die sich die Verfolgung nicht bezog, zu unterscheiden (vgl. Senat, Urt. vom 17. Februar 1981 – 1 StR 546/80 – Umdruck S. 6; BGH NStZ 2001, 191). Bei der Schilderung der Taten tritt als bestimmendes Merkmal, welches die Taten von legalen Verhaltensweisen unterscheidet, der Umstand hervor, dass die Angeklagten Kick-back-Zahlungen von ihrem Lieferanten R. erhielten, die sie gegenüber den Krankenkassen verschwiegen. Ferner ist die Begehungsweise auch dadurch charakterisiert, dass R. zuzuordnende Unternehmen eingebunden waren und die Lieferungen über den Apotheker V. erfolgten. Alle diese kennzeichnenden Merkmale treffen sowohl auf den Tatkomplex „Augenlinsen“ als auch auf den Tatkomplex „Medikamente“ zu. Was die Begehungsweise anbelangt , differiert zwischen den Tatkomplexen lediglich der Abrechnungsmodus gegenüber den Krankenkassen aufgrund unterschiedlicher sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften, was letztlich zur Beurteilung des Tatkomplexes „Medikamente" als Untreue – und nicht als Betrug – führt. Der Abrechnungsmodus ist in den Beschlussbegründungen aber gerade nicht dargestellt.
29
Ferner ist der enge Sach- und Verfahrenszusammenhang zwischen von R. gelieferten Augenlinsen und Medikamenten evident. Es geht nämlich gerade nicht um irgendwelche Medikamente, sondern um solche, die bei den von den Angeklagten durchgeführten ambulanten Operationen für das Einsetzen der Augenlinsen als Hilfs- bzw. Zusatzstoffe verwendet wurden, die also die Angeklagten überhaupt nur deswegen erwarben, weil ihnen die Augenlinsen geliefert wurden. Der enge Verfahrenszusammenhang ist insbesondere auch daran zu erkennen, dass es lebensfremd gewesen wäre, wenn die Staatsanwaltschaft im Fall späterer Kenntniserlangung von Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung solcher Stoffe ein neues Verfahren gegen die Angeklagten eingeleitet hätte.
30
4. Die Teileinstellungen bezüglich der Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. können auch nicht teilweise bestehen bleiben, soweit die Kammer die Untreuetaten bereits im Jahr 1993 als materiell beendet angesehen hat. Zwar erfasst der Inhalt der Durchsuchungsbeschlüsse vom 1. September 1998 nur Taten ab 1994, sodass 1993 beendete Taten bereits verjährt sind.
31
Nach den Urteilsfeststellungen erfolgten die kassenärztlichen Verordnungen seitens der Angeklagten Dr. S. und Dr. Sch. ab dem 26. Oktober 1993 (UA S. 24). Die erste und einzige Kick-back-Zahlung im Jahr 1993 datiert allerdings bereits auf den 8. Oktober 1993 (UA S. 18). Den Feststellungen zufolge kann es sich demnach nicht um eine - wie für die Frage der Verjährung von der Kammer durchgehend angenommene - nachträgliche Zahlung handeln, sodass das Urteil insoweit unklar bleibt. Ist die Zahlung indessen ausnahmsweise im Vorhinein erfolgt, ist nicht ausgeschlossen, dass sie (teilweise) für Verordnungen im Jahr 1994 bestimmt war, sodass insoweit auch die materielle Beendigung nicht vor 1994 eingetreten sein kann.

III.

32
Der Teilfreispruch des Angeklagten Dr. P. hinsichtlich des Tatkomplexes „Augenlinsen“ hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
33
1. Das Landgericht hat den Angeklagten Dr. P. aus tatsächlichen Gründen von den Betrugsvorwürfen freigesprochen, da es weder irrtumsbedingte Vermögensverfügungen seitens der Leistungsträger noch einen entsprechenden „Täuschungsvorsatz“ des Angeklagten habe feststellen können (UA S. 50). Den Mitarbeitern der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen habe jegliche Vorstellung über die Berechtigung der Höhe der geltend gemachten Kosten für die Augenlinsen gefehlt, da insoweit keine Überprüfungen vorgenommen worden seien (UA S. 20 f.). Nach den Urteilsfeststellungen vertrat man bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Auffassung, die Überprüfungspflicht für diese Kosten treffe die Krankenkassen (UA S. 35 f.). Die Krankenkassen überprüften die Abrechnungen aber nur bei außergewöhnlichen Abweichungen bzw. stichprobenartig oder unterzogen diejenigen eines Arztes insgesamt einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Teilweise wurde dies damit gerechtfertigt , dass man bei den Krankenkassen der Ansicht war, die Kassenärztliche Vereinigung würde auch die geltend gemachten Sachkosten überprüfen (UA S. 37 f.). Angesichts dieser Prüfungspraxis habe nicht festgestellt werden können , dass der Angeklagte Dr. P. davon ausging, die Kassenärztliche Vereinigung oder die Krankenkassen nähmen Kontrollen vor (UA S. 21, 39).
34
2. Das Landgericht hat mit rechtsfehlerhafter Begründung das Vorliegen eines Irrtums verneint. Ob beim Verfügenden ein Irrtum erregt oder unterhalten wurde, ist zwar Tatfrage (vgl. BGH NStZ 2000, 375); die Ausführungen im Urteil zum fehlenden Irrtum gehen jedoch schon im rechtlichen Ausgangspunkt fehl. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass es jedenfalls bei dem - hier gegebenen - standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren nicht erforderlich ist, dass der jeweilige Mitarbeiter hinsichtlich jeder einzelnen geltend gemachten Position die positive Vorstellung hatte, sie sei der Höhe nach berechtigt; vielmehr genügt die stillschweigende Annahme, die ihm vorliegende Abrechnung sei insgesamt „in Ordnung“ (vgl. BGHSt 2, 325, 326; 24, 386, 389; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 79, 83). Daher setzt ein Irrtum nicht voraus, dass tatsächlich eine Überprüfung der Abrechnungen im Einzelfall durchgeführt wurde. Dies ergibt sich hier gerade aus der besonderen Stellung von Kassenärzten; denn das ihnen durch die Kassenarztzulassung entgegengebrachte Vertrauen rechtfertigt erwartungsgemäß die Herabsetzung des Prüfungsumfangs seitens der Leistungsträger.
35
Vor diesem Hintergrund ist insbesondere der Schluss des Landgerichts vom Prüfungsumfang bei den betroffenen Krankenkassen darauf, dass bei deren Mitarbeitern kein Irrtum erregt worden sei, nicht nachvollziehbar. So legen etwa stichprobenartige Kontrollen den Schluss auf eine selbstverständliche Erwartungshaltung des jeweiligen Mitarbeiters bei den nicht kontrollierten Vorgängen dahin nahe, dass die angesetzten Kosten auch tatsächlich angefallen sind. Auch ist sachlogische Voraussetzung für die - den Krankenkassen regelmäßig vorbehaltene - Wirtschaftlichkeitsprüfung, dass Prüfungsgegenstand nur tatsächlich erbrachte Leistungen und angefallene Kosten sind (vgl. BSG MedR 1995, 245, 248; Herffs, Der Abrechnungsbetrug des Vertragsarztes Diss. 2002 S. 74).
36
Inwieweit das Landgericht daneben das Fehlen eines Irrtums bei den Mitarbeitern der Kassenärztlichen Vereinigung tragfähig begründet hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. hierzu Herffs aaO S. 60 ff.). Für die Krankenkassen gilt jedenfalls, dass diese nach den Urteilsfeststellungen nicht wie der Kassenärztlichen Vereinigung nachgeordnete Zahlstellen zu beurteilen sind, die ohne eigene Prüfungskompetenz etwaige dortige Entscheidungen nur zahlungstechnisch abwickeln (zu dieser - hier nicht vorliegenden - Fallkonstellation vgl. den in der Gegenerklärung zitierten Beschluss des 5. Strafsenats vom 11. Oktober 2004 – 5 StR 389/04 [NStZ 2005, 157]).
37
3. Auch soweit das Landgericht den Vorsatz beim Angeklagten Dr. P. verneint hat, begegnen die Ausführungen im Urteil - bereits für sich gesehen - durchgreifenden Bedenken.
38
Zunächst wird die Vorstellung des Angeklagten nur unter dem Gesichtspunkt des direkten Vorsatzes, nicht des bedingten Vorsatzes erörtert. Das Urteil verhält sich nicht dazu, ob der Angeklagte Fehlvorstellungen bei den Mitarbeitern der Leistungsträger für möglich hielt und sich um seines finanziellen Vorteils willen hiermit abfand (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.; BGH NStZ 1999, 32, 34). Darüber hinaus könnte einer bestimmten Prüfungspraxis für den Vorsatz überhaupt nur dann Bedeutung zukommen, wenn sie in die Vorstellung des Angeklagten, was das Urteil nicht erörtert, auf irgendeine Weise Eingang fand.

IV.

39
Für die neue Hauptverhandlung sieht der Senat Anlass zu den folgenden Hinweisen:
40
1. Ob die von den drei Angeklagten bezogenen Medikamente unter die (jeweils) einschlägige Sprechstundenbedarfsvereinbarung fielen, ist entgegen der Auffassung der Kammer (UA S. 24 f.) im Ergebnis unerheblich. Die Möglichkeit der Verordnung von Sprechstundenbedarf - hier Operationsbedarf - zu Lasten der Krankenkassen ergibt sich aus derartigen Vereinbarungen auf der Grundlage von § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den zuständigen Verbänden der Kassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder schließen; was als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig ist, kann dabei in den Vereinbarungen, insbesondere in den Anlagen, definiert werden (vgl. Dahm in Rieger [Hrsg.], Lexikon des Arztrechts 2. Aufl. 13. Lfg. Ordnungsziff. 4940 Rdn. 9, 15).
41
Die Strafbarkeit wegen Untreue hängt allerdings im Ergebnis weder vom im Wege der Vertragsauslegung zu ermittelnden Inhalt der einschlägigen Sprechstundenbedarfsvereinbarung noch von der Anwendung des Verbringungsverbots nach § 73 AMG in den für den Tatzeitraum geltenden Fassungen vom 27. April 1993 und 19. Oktober 1994 ab. Die Vertretungsmacht des Kassen - bzw. Vertragsarztes geht sehr weit. Der Apotheker, der sich an die ärztliche Verordnung hält, ist in seinem Vertrauen auf Bezahlung des Kaufpreises durch die Krankenkasse geschützt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 132a Nr. 3). Er ist im Grundsatz nicht verpflichtet, zu überprüfen, ob die ärztliche Verordnung sachlich richtig ist. Die jeweilige Krankenkasse kann dem Apotheker Einwendungen , die die ärztliche Verordnung betreffen, regelmäßig nicht entgegenhalten (vgl. BSGE 77, 194, 206; Senat, Beschluss vom 27. April 2004 - 1 StR 165/03 - Umdruck S. 11). Aber selbst wenn sich hier die Vertretungsmacht (vgl. BGHSt 49, 17, 19, 23 f.; BSGE aaO 200) nicht auf die Verordnung der Produkte Cellugel und Wydase als Sprechstundenbedarf bezogen hätte, hätten die Angeklagten zwar als Vertreter ohne Vertretungsmacht i.S.v. § 177 Abs. 1 BGB gehandelt. Dann wäre das jeweilige Geschäft jedoch durch die nachträgliche Zahlung seitens der zuständigen AOK oder der Barmer Ersatzkasse genehmigt worden, wobei sich die Genehmigung naturgemäß nicht auf den von den Angeklagten gerade verschwiegenen Rabattanteil hätte beziehen können. An der Strafbarkeit eines derartigen Verhaltens nach § 266 Abs. 1 StGB würde sich hierdurch - abgesehen davon, dass der Treubruchs- anstelle des Missbrauchstatbestands einschlägig wäre - nichts ändern. Sollten sich die Angeklagten sogar bewusst über die ihnen zustehende Vertretungsmacht hinweggesetzt haben , um die jeweilige Kasse zur Zahlung zu veranlassen, könnte dies freilich bei der Strafzumessung zu ihren Lasten gewertet werden.
42
2. Was den Tatkomplex „Augenlinsen“ anbelangt, hat die Kammer nicht feststellen können, welche der patientenbezogenen Abrechnungen Augenlin- sen, die R. an den Angeklagten Dr. P. geliefert hatte, und welche Augenlinsen seiner sechs anderen Lieferanten betrafen. Da alle nicht mit einer speziellen Identifizierungsnummer versehen waren, war die Zuordnung der Augenlinsen , hinsichtlich derer Kick-back-Zahlungen erfolgten, zu den Abrechnungen nicht möglich (UA S. 39). Die Kammer hat somit letztlich nicht feststellen können, gegenüber welchen Krankenkassen - allein die vierte Quartalsabrechnung aus 1996 betraf 30 Kassen (UA S. 36) - überhöhte Kosten abgerechnet wurden.
43
Sollten sich von dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht hinsichtlich des Tatkomplexes „Augenlinsen“ erneut keine Feststellungen zu konkret geschädigten Kassen treffen lassen, stellt dies keinen Mangel des Urteils dar, der dessen Bestand gefährden würde (vgl. Senat, Beschluss vom 27. April 2004 - 1 StR 165/03 - Umdruck S. 7 f.). Auch dann ist die Beweisaufnahme aber wiederum auf die regelhaften internen Abläufe bei der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kassen zu erstrecken (aaO S. 6), wobei es sich, da einerseits eine Vielzahl von Kassen als Geschädigte in Betracht kommt, andererseits die Geschädigten nicht mehr zu ermitteln sind, nur um exemplarische Beweiserhebungen für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts handeln kann. Da es um standardisierte, auf Massenerledigung angelegte Abrechnungsverfahren geht, sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht (vgl. § 244 Abs. 2 StPO) nicht zu überspannen. Was die Frage anbelangt, wie der Gesamtschaden auf die Tathandlungen zu verteilen ist, wird gegebenenfalls eine Schätzung anhand der prozentualen Gewinnmarge erforderlich sein.
44
3. Dem Beschleunigungsgebot nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK wird hier besondere Bedeutung zukommen, obwohl es sich nicht um eine Haftsache handelt. Nack Boetticher Kolz Hebenstreit Elf

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.