Landgericht Köln Urteil, 14. Juli 2016 - 24 S 10/16
Gericht
Tenor
1.
Das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 08.03.2016 – 124 C 483/15 – wird abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Parteien besteht auf der Grundlage des Versicherungsscheins vom 06.04.2010 (Anlage K 1, Bl. 6 ff GA) ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, auf den die DEVK-ARB 2008, Stand: 01.01.2010 (Anlage zur Berufungserwiderung, AH), Anwendung finden.
3In § 4 der streitgegenständlichen ARB heißt es u.a.:
4Abs. 1 Satz 1, Buchst. c)
5Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles…in allen anderen Fällen (Anm: d.h. soweit es nicht um Schadensersatz-Rechtsschutz und Rechtsschutz im Betreuungsverfahren und um Beratungs-Rechtsschutz geht) von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein Anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
6Abs. 1 Satz 2:
7Die Voraussetzungen nach a) bis c) müssen nach Beginn des Versicherungsschutzes gemäß § 7 und vor dessen Beendigung eingetreten sein…
8Abs. 2:
9Erstreckt sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum, ist dessen Beginn maßgeblich. Sind für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen mehrere Rechtsschutzfälle ursächlich, ist der Erste entscheidend, wobei jedoch jeder Rechtsschutzfall außer Betracht bleibt, der länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung eingetreten oder, soweit sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum erstreckt, beendet ist.
10Abs. 3 Buchst. a):
11Es besteht kein Rechtsschutz wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach Absatz 1 c) ausgelöst hat.
12In § 7 heißt es:
13Der Versicherungsschutz beginnt zu dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt…
14Der Kläger hatte am 09.07.2008 mit der T eG einen Vertrag über die Aufnahme von drei Darlehen in Höhe von 48.000,- €, 16.000,- € und 28.500,- € geschlossen mit Zinsen in Höhe von 5,42 %, 5,68 % und 6 % geschlossen, die u.a. über eine Grundschuld in Höhe von 92.500,- € abgesichert waren. Auf den Darlehensvertrag wird Bezug genommen (Anlage zur Berufungserwiderung, AH). Der Kläger erbrachte vertragsgemäß Zins- und Tilgungsleistungen. Mit einer Zahlung der Kreissparkasse T1 vom 13.08.2015 im Wege einer Umschuldung wurden die Kontostände bei der T-Bank auf 0,- € gestellt. Der Kläger erbrachte an Tilgungs- und Zinszahlungen sowie für eine Vorfälligkeitsentschädigung insgesamt 109.941,99 €. Auf die mit der Berufungserwiderung vorgelegten Kontoauszüge wird Bezug genommen (AH).
15Mit Schreiben vom 20.03.2015 erklärte der Kläger den Widerruf des vorgenannten Darlehensvertrages (Anlage zur Berufungserwiderung, AH). Die T-Bank antwortete hierauf mit Schreiben vom 26.03.2015 (Anlage zur Berufungserwiderung, AH), in dem sie ausführte, die Widerrufsbelehrung habe der Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages entsprochen. Sie berief sich zudem auf Verwirkung. Der Kläger mandatierte seinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der T-Bank am 20.07.2015.
16Der Kläger bat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 10.12.2014 (Anlage K 2, Bl. 9 ff GA) um Deckungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegen die T-Bank im Hinblick auf den beabsichtigten Widerruf des Darlehensvertrages.
17Die Beklagte erklärte am 13.01.2015 die Deckungsablehnung (Anlage K 3, Bl. 12 GA). Sie vertrat die Auffassung, der Rechtsschutzfall sei vorvertraglich. Hierbei blieb die Beklagte auch im Schreiben vom 04.02.2015 (Anlage K 5, Bl. 15 GA) im Anschluss an ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.01.2015 (Anlage K 4, Bl. 13 f GA). Auch das Anwaltsschreiben des Klägers vom 31.03.2015 (Anlage K 6, Bl. 16 GA), mit dem der Kläger auf das vorgenannte Schreiben der T-Bank vom 26.03.2015 wiederum um Deckungsschutz für das außergerichtliche Verfahren bat, führte bei der Beklagten gemäß deren Schreiben vom 03.06.2015 (Anlage K 7, AH) nicht zu einer abweichenden Deckungsentscheidung.
18Die Parteien streiten um die Frage, ob der Rechtsschutzfall (auch) in der aus Sicht des Klägers fehlerhaften Widerrufsbelehrung liegt oder erst in der Weigerung der Bank, die Berechtigung des Widerrufs anzuerkennen und dem Kläger und seiner Ehefrau einen Zinsdifferenzbetrag zu zahlen.
19Ferner sind die Parteien uneins in der Frage, ob die sog. Vorerstreckungsklausel vorliegend greift.
20Zu beiden Fragen haben die Parteien erstinstanzlich eingehend vorgetragen.
21Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
22die Beklagte zu verurteilen, Versicherungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung des Klägers in einer Bankrechtssache gegen die T eG aus einem Gegenstandswert von 85.250,70 € zu bestätigen.
23Die Beklagte hat beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Amtsgericht hat ausgeführt, der Rechtsschutzfall liege in der Weigerung der Bank, das Widerrufsrecht des Klägers anzuerkennen. Die Vorerstreckungsklausel greife nicht, da eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung nicht zwangsläufig eine rechtliche Auseinandersetzung nach sich ziehe und daher nicht die erste Stufe der Gefahr einer rechtlichen Auseinandersetzung erreiche. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Bl. 76 ff GA).
26Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet.
27In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen zu den Fragen, wann der Versicherungsfall eingetreten ist und ob die Vorerstreckungsklausel greift.
28Die Beklagte beantragt,
29unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des AG Köln vom 08.03.2016, Aktenzeichen 124 C 483/15, die Klage abzuweisen.
30Der Kläger beantragt,
31die Berufung der Beklagten vom 11.05.2015 zurückzuweisen.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe:
34Die Berufung hat Erfolg.
35Die Klage ist unbegründet.
36Dem Kläger steht kein Anspruch auf Deckungsschutz zu.
37Auch wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass der Rechtsschutzfall im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 Buchst. c) der ARB erst in der Weigerung der Bank zu sehen ist, die Berechtigung des von ihm erklärten Widerrufs anzuerkennen und dementsprechend die begehrten Leistungen an den Kläger zu erbringen, so besteht kein Deckungsschutz.
38Denn dann greift die Vorerstreckungsklausel des § 4 Abs. 3 a) der ARB. Danach besteht kein Rechtsschutz, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach Absatz 1 c) ausgelöst hat. Die sog. Vorerstreckungsklausel versagt demnach den Deckungsschutz für Rechtsstreitigkeiten, die in vorvertraglicher Zeit vorprogrammiert waren. Der spätere Rechtsstreit muss bei Vornahme einer in der Klausel genannten Rechtshandlung bereits die erste Stufe der Gefahrverwirklichung erreicht haben. Eine Willenserklärung oder Rechtshandlung trägt in diesem Sinne den Keim eines Rechtsstreites dann in sich, wenn die Art der Willenserklärung oder Rechtshandlung geeignet ist, einen Verstoß auszulösen (vgl. Urteil des BGH vom 24.04.2013 – IV ZR 23/12 -, zu recherchieren über juris, Urteil des OLG Köln vom 23.01.2001 – 9 U 94/00 -, zu recherchieren über juris; Beschluss des OLG Köln vom 15.01.2016 – 9 U 251/15 -). Was diesen rechtlichen Ausgangspunkt angeht, besteht Übereinstimmung in der Rechtsprechung.
39Fraglich ist nur, ob aus der Sicht des Versicherungsnehmers, auf die allein (ebenso wie bei der Prüfung, ob ein Rechtsschutzversicherungsfall gegeben ist) abzustellen ist, eine Vorprogrammierung des späteren Streits um die Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung in dem oben genannten Sinne gegeben ist.
40In der o.g. Entscheidung des BGH vom 24.04.2013 – IV ZR 23/12 -, hatte der dortige Kläger nach seinem Vortrag bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrages nicht alle für seine Willensbildung maßgeblichen Informationen, insbesondere die Vertragsbedingungen nicht erhalten. Der Lebensversicherer weigerte sich, den hierauf gestützten Widerspruch des Klägers anzuerkennen und die von diesem begehrten Leistungen zu erbringen. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass nach dem allein maßgeblichen Vorbringen des auf Deckung klagenden Versicherungsnehmers für die Bestimmung des Zeitpunkts des Eintritts des Rechtsschutzfalles auf die Weigerung des Lebensversicherers abzustellen sei, das Widerspruchsrecht des Klägers anzuerkennen und die von diesem verlangten Zahlungen zu erbringen. Was die Frage angeht, ob die Vorerstreckungsklausel greift, hat der BGH ausgeführt:
41„Aus den vorgenannten Gründen haben die Umstände des Vertragsschlusses im Jahre 1995 den für den Versicherungsfall maßgeblichen Pflichtenverstoß auch nicht in dem Sinne „ausgelöst“, dass bereits die erste Stufe der Verwirklichung der Gefahr einer rechtlichen Auseinandersetzung erreicht gewesen wäre. Die Beklagte ist deshalb auch nicht aufgrund des in § 4 (3) Buchst. a) ARB 2004 geregelten Haftungsausschlusses, der keine zusätzliche Definition des Rechtsschutzfalles enthält (vgl. dazu Senatsurteil vom 28. September 2005 – IV ZR 106/04, VersR 2005, 1684 unter I 3 e), leistungsfrei (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 – IV ZR 37/07, VersR 2008, 113 Rn. 4).“
42In diesem Sinne hat auch der Berufungssenat u.a. in seinem Beschluss vom 02.05.2016 – 9 U 252/15 – argumentiert: Es sei zwar zutreffend, jedoch nicht entscheidend, dass die dortigen Klägerinnen mit dem Kreditinstitut um Pflichtangaben stritten, deren Fehlen den Widerruf überhaupt erst ermöglichen würden. Die Klägerinnen würden dem Kreditinstitut aber gerade nicht als Pflichtverstoß vorwerfen, sie nicht ordnungsgemäß belehrt zu haben. Die behauptete fehlerhafte Widerrufsbelehrung ermögliche vielmehr erst die Jahre später erfolgte Ausübung des Widerrufs als Voraussetzung für die Rückabwicklung der Darlehensverträge. Der dem Vertragspartner angelastete Pflichtenverstoß sei erst im Bestreiten der Fortgeltung des Widerrufsrechts zu sehen. In dieselbe Richtung gehen auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 16.02.2016 – 9 U 159/15 -, zu recherchieren über juris.
43Auch die Kammer geht davon aus, dass die Vorerstreckungsklausel keine zusätzliche Definition des Versicherungsfalles enthält. Der Klausel ist auch nicht zu entnehmen, dass sie eine weitergehende Festlegung des Rechtsschutzfalles geben will als sich diese aus den Bestimmungen in den ARB ergibt, die den Rechtsschutzfall beschreiben.
44Gerade weil die Vorerstreckungsklausel jedoch keine zusätzliche Definition des Versicherungsfalles enthält, kann das Eingreifen der Vorerstreckungsklausel auch vorliegend nicht mit der Begründung verneint werden, der Rechtsschutzfall sei erst mit der Weigerung der Bank entstanden, den seitens des Darlehensnehmers ausgeübten Widerruf anzuerkennen und entsprechende Leistungen an ihn zu erbringen.
45Vielmehr ist zu prüfen, ob die Widerrufsbelehrung, von deren Fehlerhaftigkeit bei der Prüfung der Deckungspflicht der Beklagten mit dem Klägervortrag auszugehen ist, da die Beklagte ihre Deckungsablehnung nicht auf fehlende hinreichende Erfolgsaussicht gestützt hat, den Keim des späteren Rechtsstreits im oben genannten Sinne in sich getragen hat. Dies ist aus Sicht der Kammer zu bejahen. Breite Schichten von Darlehensnehmern sind durch Rechtsanwälte – insbesondere im Rahmen von Internetauftritten -, Verbraucherschutzorganisationen und Presseartikel über die Möglichkeit informiert worden, durch einen Widerruf, der auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung gestützt wird, im wirtschaftlichen Ergebnis angesichts des stark gesunkenen Zinsniveaus zu einer erheblichen Verminderung der Zinsbelastung zu gelangen. Entsprechend dem hohen wirtschaftlichen Anreiz sind der Widerruf von Erklärungen, die auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichtet waren, und hierdurch bedingte rechtliche Auseinandersetzungen zu einer Massenerscheinung geworden. Dies spiegelt sich auch in einer besonders hohen Anzahl von Gerichtsverfahren wider, welche die Folgen eines Widerrufs zum Streitgegenstand haben, ebenso wie in einer Vielzahl von entsprechenden Deckungsanfragen und Deckungsstreitigkeiten. Gerade der Massencharakter der Auseinandersetzungen von Darlehensnehmern mit ihren Kreditinstituten und die erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die Kreditinstitute haben den Gesetzgeber für den Bereich der Immobiliendarlehensverträge dazu veranlasst, mit Gesetz vom 11.03.2016 in Art. 229 § 38 EGBGB Regelungen über das Erlöschen des Widerrufsrechtes vorzunehmen.
46Das OLG Köln hat in seinem vorgenannten Beschluss vom 15.01.2016 zu der Frage, ob eine Vorprogrammierung des späteren Rechtsstreites über die Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung bei der Behauptung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung anzunehmen sei, ausgeführt:
47„Abgesehen davon hat die behauptete fehlerhafte Widerrufsbelehrung den Rechtsschutzfall auch nicht ausgelöst. Nur solche Rechtshandlungen oder Willenserklärungen, die auf eine Veränderung oder Verwirklichung der Rechtslage hinzielen, können einen Rechtsverstoß auslösen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.01.1994, - 4 U 235/92 -, VersR 1994, 1337 in juris). Die Widerrufsbelehrung als bloße Belehrung zielt jedoch gerade nicht auf die Änderung oder Verwirklichung der Rechtslage ab, sondern weist nur auf eine bestimmte Rechtslage hin. Zudem umfasst die Norm nur solche Willenserklärungen und Rechtshandlungen, die gerade den Keim des nachfolgenden Rechtsverstoßes in sich tragen; Äquavilenz allein genügt nicht (OLG Köln, Urteil vom 23.01.2001 – 9 U 94/00 -, RuS 2001, 201 ff in juris Rn. 7; OLG Hamm, Urteil vom 20.10.2000, - 20 U 247/99 -, VersR 2001, 712 f. in juris Rn. 10; OLG Celle, Urteil vom 10.07.2008, - 8 U 30/08 -, VersR 2008, 1645 ff. in juris Rn. 7). Eine Klausel trägt den Keim eines Rechtsstreits dann in sich, wenn die Art der Willenserklärung geeignet ist, einen Verstoß auszulösen oder die Willenserklärung häufig Streit nach sich zieht (OLG Köln, Urteil vom 23.01.2001, - 9 U 94/00-, RuS 2001, 201 ff. Rn. 7). Der spätere Rechtsstreit muss bei Abgabe der Willenserklärung bereits die erste Stufe der Gefahrverwirklichung erreicht haben, gewissermaßen vorprogrammiert sein (OLG Celle, Urteil vom 10.07.2008, - 8 U 30/08 -, VersR 2008, 1645 in juris Rn. 9). Dies ist hier eindeutig nicht der Fall. Eine Widerrufsbelehrung, sei sie auch fehlerhaft, erschöpft sich in der Wiedergabe gesetzlicher Regelungen und stellt daher eine neutrale Erklärung dar, ohne bereits bei ihrer Abgabe die Erwartung zu begründen, aufgrund dieses Fehlers werde es zu einem Rechtskonflikt kommen.“
48Im Urteil des OLG Köln vom 16.02.2016 – 9 U 159/15 -, zu recherchieren über juris, heißt es im Zusammenhang mit der Frage des Eingreifens der Vorerstreckungsklausel u.a.:
49„Jeder Vertrag, für den das Gesetz ein Widerrufsrecht vorsieht, kann bei einer Widerrufserklärung zum Streit über einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages führen.“
50Die Kammer vermag die Einschätzung des Senates nicht zu teilen, bei einer Widerrufsbelehrung handele es sich um eine neutrale Erklärung, die bei ihrer Abgabe nicht die Erwartung begründe, aufgrund ihrer Fehlerhaftigkeit werde es zu einem Rechtskonflikt kommen. Ausgangspunkt muss bleiben, dass – aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Versicherungsnehmers – die Widerrufsbelehrung fehlerhaft und damit rechtswidrig ist. Gerade rechtswidrige Rechtshandlungen sind prädestiniert dafür, den Ausgangspunkt für einen späteren Rechtsstreit zu bilden. Ohne die (angeblich) fehlerhafte Widerrufsbelehrung wäre auch Jahre später der Widerruf unter Hinweis auf das wegen fehlerhafte Widerrufsbelehrung fortbestehende Widerrufsrecht nicht ausgesprochen worden und damit der Rechtsstreit zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer nicht entstanden. Dass jeder Vertrag, für den das Gesetz ein Widerrufsrecht vorsieht, bei einer Widerrufserklärung zum Streit über einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages führen kann, ist zwar zutreffend, ändert jedoch nichts daran, dass gerade die aus Sicht des Darlehensnehmers/Versicherungsnehmers bestehende Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung Auslöser für den oftmals Jahre später erfolgten Widerruf und den sich daran anschließenden Rechtsstreit mit dem Kreditinstitut ist. In diesem Sinne ist die (angebliche) Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung der entscheidende Grund für den sich anschließenden Streit um die Wirksamkeit des späteren Widerrufs und die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Darlehensnehmers/Versicherungsnehmers. Gerade deshalb hat der Kläger sich auch gegenüber der Bank zur Begründung der Wirksamkeit seines Widerrufs ungeachtet des langen Zeitablaufs nach Abschluss des Darlehensvertrages auf die (angebliche) Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung berufen. Der spätere Rechtsschutzfall war demnach zum Zeitpunkt der (angeblich) fehlerhaften Widerrufsbelehrung vorprogrammiert.
51Wenn der BGH in seinem Beschluss vom 05.04.2006 - IV ZR 176/05 -, zustimmend zitiert von Wendt in RuS 2008, 223, davon ausgeht, dass bei Stellung des - aus Sicht des Versicherungsnehmers rechtmäßigen - Antrags bei einem Unfallversicherer eben diese Antragstellung eine Willenserklärung oder Rechtshandlung im Sinne der Vorerstreckungsklausel darstellt, der Streit vor dem Sozialgericht demnach mit Stellung des Rentenantrags vorprogrammiert sei, so muss dies doch auch für Fälle der vorliegenden Art gelten, in denen eine rechtswidrige Widerrufsbelehrung den Ausgangspunkt für den weiteren Streit bildet; denn gerade ein rechtswidriges Verhalten ist geeignet, einen späteren Rechtsstreit aufkommen zu lassen.
52Soweit der Berufungssenat im vorgenannten Beschluss der Auffassung ist, die Widerrufsbelehrung könne schon deshalb nicht als Rechtshandlung im Sinne der Vorerstreckungsklausel angesehen werden, da sie nicht auf die Änderung oder Verwirklichung der Rechtslage abziele, so mag dahinstehen, ob sich eine derart einschränkende Auslegung der Vorerstreckungsklausel aus Sicht des durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmers entnehmen lässt, denn weder der Wortlaut der Klausel noch ihr erkennbarer Sinn bieten einen Anhaltspunkt dafür, weshalb eine Rechtshandlung im Sinne der Vorerstreckungsklausel – anders als das sonstige allgemeine Verständnis des Begriffs der Rechtshandlung (vgl. Ellenberger, in Palandt, BGB, 75. Aufl., Überbl v § 104 Rdn 4 – nur vorliegt, wenn sie auf eine Änderung oder Verwirklichung der Rechtslage abzielt. Auch wenn man dem Begriff der Rechtshandlung jedenfalls im Sinne der Vorerstreckungsklausel eine solch einschränkende Bedeutung zumisst, ist vorliegend eine Rechtshandlung in diesem Sinne gegeben, denn eine Bank zielt mit der Abgabe einer Widerrufsbelehrung darauf ab, den Darlehensvertrag für die Zeit nach Ablauf der Widerrufsfrist beständig zu machen, indem sie mit der Widerrufsbelehrung spätere Widerrufserklärungen vermeidet oder jedenfalls die Wirksamkeit nimmt.
53Der Vorerstreckungsklausel kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch nicht entnehmen, dass darauf abzustellen ist, die (angeblich) fehlerhafte Rechtshandlung, hier also die (angeblich) fehlerhafte Widerrufsbelehrung, die den späteren Streit um die Wirksamkeit des Widerrufs und seine Folgen ausgelöst hat, müsse geradezu „zwangsläufig“ zu einem Rechtsstreit, der den Rechtsschutzfall bildet, führen. Für eine solche Auslegung bildet die Klausel keinerlei Anhaltspunkt, zumal es selbstverständlich der eigenen Entscheidung eines jeden Versicherungsnehmers vorbehalten bleibt, ob er überhaupt ein (angeblich) rechtswidriges Verhalten seines Vertragsgegners zum Anlass nimmt, diesen in Anspruch zu nehmen und hierfür um Deckungsschutz nachzusuchen.
54Die Vorerstreckungsklausel ist zudem objektiv gefasst, so dass es auch unerheblich ist, ob zum Zeitpunkt der Rechtshandlung oder Willenserklärung, die in den späteren Rechtsschutzfall eingemündet ist, bereits für den Versicherungsnehmer erkennbar war, dass die rechtswidrige Rechtshandlung oder Willenserklärung Auslöser für einen späteren Rechtsschutzfall werden würde. Eine diesbezügliche Unklarheit im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB, die dafür sprechen könnte, auf das Vorstellungsbild des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung oder Abgabe der Willenserklärung abzustellen, ist nicht gegeben. Ebenso wenig kommt es daher darauf an, ob der Versicherungsnehmer jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsschutzversicherungsvertrages die Streitträchtigkeit der (angeblich) fehlerhaften Widerrufsbelehrung erkannt hat, denn die Klausel ist – wie dargetan – objektiv gefasst und stellt nicht auf das Vorliegen eines sog. Zweckabschlusses ab.
55Da – so die h.M. (s. Urteil des BGH vom 22.04.2013 – IV ZR 23/12 –) die (angebliche) Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung auch nicht den Rechtsschutzfall darstellt, ist es bereits von daher unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 2 der ARB unerheblich, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung und dem Abschluss des Rechtsschutzversicherungsvertrages ein Zeitraum liegt, der länger als ein Jahr ist. Die Frage, ob die Vorerstreckungsklausel dann nicht gilt, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung im Sinne der Vorerstreckungsklausel zugleich einen Rechtsschutzfall bildet, stellt sich daher nicht (zum Streitstand vgl. die Nachweise in der vorgenannten Entscheidung des OLG Köln vom 15.01.2016).
56Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
57Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
58Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Frage der Bedeutung der Vorerstreckungsklausel ist für eine Vielzahl von Verfahren entscheidungserheblich. Es ist das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Handhabung des Rechtes berührt. Auch wenn in Fällen der vorliegenden Art richtungsweisende ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, so ist die Revision zuzulassen, wenn die Berufungskammer der Auffassung ist, dass die bislang aufgestellten Anwendungsgrundsätze in ihrer Begründung unzutreffend sind und einer höchstrichterlichen Überprüfung zugeführt werden sollten (vgl. hierzu Heßler in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 543 Rz 11).
59Streitwert für beide Instanzen: bis 3.100,- €
60Der Kläger hat seinen Rechtsanwalt in der Auseinandersetzung mit der Bank zu einem Zeitpunkt mandatiert, als die Umschuldung noch nicht durchgeführt worden war. Das Mandat bestand auch zu einem Zeitpunkt, als dann insgesamt 109.941,99 € an die T-Bank geflossen waren. In Ansehung der Entscheidung des BGH vom 12.01.2016 – XI ZR 366/15 -, zu recherchieren über juris, sind demnach betreffend die Auseinandersetzung mit der Bank diese 109.941,99 € streitwertbestimmend zuzüglich der Grundschuld mit ihrem Nominalbetrag (vgl. BGH, Entscheidung vom 04.03.2016 - XI ZR 39/15 -, ebenfalls zu recherchieren über juris). Maßgeblich ist demnach für die Auseinandersetzung mit der Bank zu dem Zeitpunkt, als die Mandatierung bereits erfolgt war, zeitweilig von einem Streitwert von 202.441,99 € auszugehen, auch wenn der Kläger in der Klageschrift und im Klageantrag davon ausgegangen ist, der Streitwert besti8mme sich nach der Höhe der noch offenen Darlehensvaluta. Da der Kläger die Auffassung vertritt, die Geschäftsgebühr in der Auseinandersetzung mit der Bank sei mit einem 1,5-fachen Satz zu berechnen, ist folglich von einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr nach einem Streitwert von 202.441,99 € auszugehen zuzüglich 20,- € Auslagenpauschale und zuzüglich der Mehrwertsteuer und abzüglich 20 %, da vorliegend kein bezifferter Zahlungsantrag gestellt worden ist und die Leistungsklage letztlich wie eine positive Feststellungsklage zu behandeln ist.
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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
