Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 03. Dez. 2014 - L 7 SB 36/12

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2014:1203.L7SB36.12.0A
bei uns veröffentlicht am03.12.2014

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

2

Die 1955 geborene Klägerin beantragte im April 2009 beim Beklagten die Feststellung von Behinderungen und begründete dies mit einem Diabetes mellitus. Nach Beiziehung eines Befundscheins der Ärztin Dipl.-Med. O., die einen sekundär insulinpflichtigen Diabetes mellitus diagnostizierte, stellte der Beklagte einen GdB von 30 fest (Bescheid vom 1. Juli 2009).

3

Am 16. Mai 2011 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB und begründete dies mit der Notwendigkeit, sich vier Mal täglich Insulin spritzen zu müssen. In einem vom Beklagten eingeholten Befundschein von Juni 2011 berichtete die Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. Die Klägerin müsse drei bis fünf Mal täglich den Blutzucker messen und sich am Tag vier bis fünf Mal Insulin spritzen. Der HbA1c-Wert bewege sich zwischen 6,8 % bis 10 %. In Auswertung des Befundes sprach sich der ärztliche Gutachter des Beklagten MR Dr. S. am 16. Juli 2011 für eine Erhöhung des GdB auf 40 aus. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2011 ab dem 16. Mai 2011 einen GdB von 40 fest. Dagegen erhob die Klägerin am 8. August 2011 Widerspruch, legte Blutzuckertagebücher vor und führte zur Begründung aus: Eine ausgeglichene Stoffwechsellage werde bei ihr trotz vierfacher Insulingabe am Tag nicht erreicht. Die Stoffwechsellage sei daher als instabil zu bewerten. Nach dem GdB-Katalog der Diabetes-Gesellschaft sei der GdB daher auf 50 festzustellen. Der Beklagte holte eine Stellungnahme seines ärztlichen Gutachters OMR Dr. J. vom 20. November 2011 ein, der ausführte: Aus den bisher vorliegenden Unterlagen sei keine Instabilität des Diabetes zu erkennen. Die erkrankungsbedingte Einschränkung der Lebensqualität sei nicht als gravierend anzusehen. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2011 den Widerspruch zurück.

4

Dagegen hat die Klägerin am 20. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben und vorgetragen: Der HbA1c-Wert schwanke bei ihr bis 10 % und sei schlecht eingestellt. Sie spritze drei Mal täglich Insulin Apidra und am Abend einmal Lantus. Beruflich arbeite sie in Wechselschichten in Tageszeiten zwischen 6.00 und 20.00 Uhr. Aufgrund von Herzproblemen habe sie beim Treppensteigen Atemnot und sei bei langen Fußwegen weniger belastbar. Sie müsse auch weitere Medikamente wegen der Herzerkrankung und des Bluthochdrucks einnehmen.

5

Das SG hat einen Befundbericht der behandelnden Hausärztin Dipl.-Med. O. eingeholt. Diese hat am 23. Februar 2012 ausgeführt: In den Jahren 2011 und 2012 sei die Klägerin wiederholt wegen Herzbeschwerden stationär im Krankenhaus behandelt worden. In einem beigefügten Arztbrief des Herzzentrums C. vom 18. Mai 2011 berichtete Direktor Dr. G. über einen stationären Aufenthalt vom 16 bis 19. Mai 2011. Hiernach bestehe eine koronare Eingefäßerkrankung mit hochgradiger RCX-Stenose, die am 17. Mai 2011 erfolgreich mit einer Stent-OP behandelt worden sei. Diagnostisch sei von einer diastolischen Dysfunktion des linken Ventrikels sowie einer geringgradigen Mitralklappeninsuffizienz auszugehen. Dr. G. berichtete unter dem 19. Januar 2012 über eine weitere Untersuchung der Klägerin vom 18. Januar 2012. Es habe der Verdacht auf eine KHK-Progression bei belastungsabhängiger Dyspnoe und gelegentlichem thorakalen Druckgefühl bestanden. Als kardiovaskuläre Risikofaktoren bestünden eine arterielle Hypertonie, ein Diabetes mellitus, eine Adipositas Grad II (BMI 35,3) sowie ein Ex-Nikotinabusus. Nach den Untersuchungen sei von einer koronaren Ein-Gefäßerkrankung auszugehen. Es werde eine straffe Blutdruckführung, eine medikamentöse Therapie und eine Gewichtsreduktion empfohlen. Die behandelnde Kardiologin Dr. R. diagnostizierte unter dem 21. April 2011 u.a. eine Angina pectoris-Symptomatik. Die Belastbarkeit in einer Ergometrie vom November 2010 habe einen Belastungswert bis 75 Watt ergeben. Der Abbruch des Belastungstests sei wegen Erreichen der Grundfrequenz erfolgt.

6

In Auswertung der Befunde hat die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. W. am 15. März 2012 ausgeführt: Eine tägliche Kontrolle der Blutzuckerwerte habe die Klägerin nicht dokumentiert. Die vorliegenden Blutzuckerwerte bewegten sich in einem sehr guten Bereich, was gravierende Einschritte in die Lebensführung nicht erwarten lasse. Ein GdB von 40 sei daher nicht vertretbar. Auf kardiologischem Gebiet bestehe keine Leistungsminderung des Herzens. Die koronare Herzerkrankung sowie der Bluthochdruck seien mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten.

7

Mit Gerichtsbescheid vom 25. Mai 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Zuerkennung eines GdB von 50 erfordere neben vier Insulininjektionen täglich, einem selbständigen Anpassen der Insulindosis auch gravierende und erhebliche Einschnitte in die Lebensführung. Die letztgenannte Voraussetzung sei nicht gegeben.

8

Gegen den ihr am 30. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12. Juni 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Sie arbeite in der telefonischen Reklamationsbearbeitung in der Zeit zwischen 6.00 bis 24.00 Uhr. Ihre körperliche Verfassung erlaube es ihr, an den Wochenenden gelegentlich Fahrrad zu fahren und leichte Gartenarbeiten durchzuführen. Der Stoffwechsel sei schlecht eingestellt.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 25. Mai 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 22. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr ab 16. Mai 2011 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Der Senat hat einen Befundbericht von Dipl.-Med. O. vom 5. April 2013 eingeholt. Hiernach sei die Klägerin vom 29. November 2012 bis 1. Dezember 2012 im Deutschen Herzzentrum M. behandelt worden. Im Juni 2012 sei es stressbedingt zu einer Verschlechterung der Blutdruckerkrankung gekommen. Dies habe sich ab Januar 2013 nach einer durchgeführten Ablation der Nierenarterien wieder gebessert. Aktuell seien die Blutzuckerwerte stabil. Hyperglykämien seien im Juli (zwei Mal) und Dezember (ein Mal) aufgetreten. Fremdhilfe oder ärztliches Eingreifen sei in diesen Fällen nicht erforderlich geworden. Die mit dem Beruf verbundene Wechselschichttätigkeit habe auf die Stabilisierung der Blutzuckerwerte einen eher negativen Einfluss. Am 2. Juli 2012 sei der Klägerin vom bisherigen Arbeitgeber gekündigt worden. Das Deutsche Herzzentrum hat in einem beigefügten Arztbrief vom 1. Dezember 2012 angegeben: Die Klägerin habe eine Belastungsdyspnoe, jedoch nicht über pektanginöse Beschwerden geklagt. Der Aufnahmestatus sei kardiopulmonal stabil und beschwerdefrei gewesen. Am 29. November 2011 sei mittels Ballon-Katheder eine Ablation beider Nierenarterien vorgenommen worden. Die arterielle Hypertonie sei seit drei Jahren bekannt, wobei sich maximale Blutdruckwerte bis 200/110 mmHg gezeigt hätten. Nach einem weiteren Befundbrief des Deutschen Herzzentrums vom 7. Januar 2013 habe die Klägerin keine Druckschmerzen mehr in der Brust mitgeteilt. Es habe sich bei einem Maximalblutdruckwert von 160 mmHg eine Besserung der Werte ergeben. Bei einer Körpergröße von 155 cm wiege sie 85 kg. In einem weiteren Bericht des Deutschen Herzzentrums vom 27. März 2013 hat Prof. Dr. S. angegeben: Drei Monate nach einer renalen Denervation sei das Druckgefühl verschwunden und auch keine Atemnot bei Belastung mehr aufgetreten. Der Blutdruckwert sei auf maximal 170 mmHg gestiegen.

14

Die Ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. W. hat diese Befunde ausgewertet und sich für einen Gesamt-GdB von 40 ausgesprochen.

15

Im Erörterungstermin vom 20. September 2013 hat die Klägerin angegeben: Nach der Insolvenz bei N. sei sie seit Februar 2013 arbeitslos und erhalte Arbeitslosengeld. Aufgrund der damaligen Medikamenteneinstellung und der Entwicklung der Blutdruckwerte habe die Indikation für eine Nierenarterienablation bestanden. Aktuell spitze sie vier Mal täglich Insulin. Die Blutdruckmedikation verursache keine Nebenwirkungen. Ein bis zwei Mal im Monat habe sie zu niedrigen Blutdruck, was zu Schwindelanfällen führe. Ihr Ehemann bemerke es, wenn der Blutdruck oder der Blutzucker kritische Werte erreiche, an ihrem Verhalten. In der Freizeit arbeite sie im Garten und fahre – je nach körperlicher Verfassung – Fahrrad.

16

Die Klägerin hat Auszüge aus dem Blutzuckertagebuch vorgelegt. In einer prüfärztlichen Stellungnahme hat die Versorgungsärztin Dr. W. am 25. Oktober 2013 ausgeführt: Der Blutdruck habe nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht zu einer Organbeteiligung oder einer Herzleistungsminderung geführt. Der Diabetes mellitus sei mit drei Insulininjektionen sehr stabil eingestellt.

17

In dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten hat Dr. M. unter dem 17. September 2014 ausgeführt (Untersuchung vom 4. April 2014): Nach der Stentversorgung im Mai 2011 habe bei der Klägerin zunächst Beschwerdefreiheit bestanden. Ende 2011 habe sich ein gelegentliches thorakales Druckgefühl mit belastungsabhängiger Luftnot entwickelt. Bei therapieresistenter arterieller Hypertonie mit dokumentierten Ruheblutdruckwerten von über 160/100 mmHg sei am 12. November 2012 im Herzzentrum M. eine renale Denervation mit Vessix-System (Katheterintervention in den Nierenarterien) durchgeführt worden. Auch habe man dort gleichzeitig die Koronararterien angiografiert. Die Blutdruckwerte hätten in der Folge zwischen 150/90 mmHg und 190/90 mmHg gelegen. Ein aufgetretener Schwindel sei nach HNO-Abklärung ohne Befund geblieben. In der Regel spitze sie zwei Mal 17 Einheiten Lantus gleichzeitig in den rechten und linken Oberschenkel. Die Standarddosierung für Apidra betrage 14 Einheiten (morgens), 10 Einheiten (mittags) und 18 Einheiten (abends). Hyperglykämien mit Bewusstseinsstörungen seien nur einmal aufgetreten. Eine diabetische Retinopathie sei nicht bekannt. Selten trete ein Augenflimmern auf. Die Klägerin fühle sich nur noch eingeschränkt belastbar. Bei mehreren Treppenstufen habe sie Luftnot. Sie arbeite gern im Garten, pflanze und ordne Blumenbeete. Mitunter stelle sich dabei Luftnot, Kopfdruck oder Schwindelgefühl ein. Ähnliche Erscheinungen habe sie auch beim Fahrradfahren. Ca. ein Mal in der Woche komme es zu derartigen Erscheinungen. Im Tagesablauf stehe sie gegen 5.30 Uhr auf, frühstücke mit dem Ehemann und lege sich dann noch einmal hin. Nach dem erneuten Aufstehen gegen 8.30 Uhr mache sie den Haushalt. Sie kaufe alles ein, wobei lediglich Getränkekisten vom Ehemann besorgt würden. Gegen 11.00 Uhr esse sie meist eine Suppe. Der Ehemann komme gegen 16.30 Uhr nach Hause. Anschließend werde ein gemeinsames warmes Abendbrot eingenommen. Nach dem Abendessen würden noch Besorgungen gemacht und zwei ältere Damen aus der Familie betreut. Ein Viertel des eigenen Gartens sei Nutzgarten. Als Hobby reise sie gern. Sie unternehme drei bis vier Mal im Jahr Fernreisen über eine bis drei Wochen. Sie sei schon "auf der ganzen Welt" gewesen. Auch längere Flugreisen könne sie trotz ihres Diabetes durchstehen. Ca. ein bis zwei Mal die Woche fahre sie Rad. Sie habe einen großen Freundeskreis und eine gute Nachbarschaft. Es gebe wechselseitige Einladungen fast an jedem Wochenende.

18

Die Untersuchung der Klägerin habe einen BMI von 34,48 kg/m² ergeben (Größe: 157 cm; Gewicht: 85 kg). Zeichen akuter kardiopulmonaler Dekompensation bestünden nicht. Die Wirbelsäule sei frei beweglich bei einem Finger-Boden-Abstand von 15 cm. In einem 6-Minuten-Gehtest habe die Klägerin 343 Meter zurücklegen können. Im 20-Minuten-Gehtest habe sie 937 Meter erreicht. Das Ruhe-EKG sei regelgerecht. Das Langzeit-EKG habe 17 vorzeitige ventrikuläre Extrasystolen, 33 verbreiterte QRS-Komplexe und eine supraventrikuläre Extrasystole gezeigt. Die Halbliegend-Fahrradergometrie sei bis zur Belastung von 117 Watt erfolgt. Der Blutdruckanstieg sei von 130/95 mmHg auf 216/120 mmHg erfolgt. Im Lungenbereich zeige sich eine leichtgradige Ventilationsstörung. Der HbA1c-Wert habe bei 7,2 % gelegen. Diagnostisch bestehe ein komplettes metabolisches Syndrom mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II bei oral antidiabetischer Medikation und viermaliger Insulininjektion. Zudem bestünden Hinweise auf eine periphere diabetische sensible Polyneuropathie geringen Schweregrades mit einer Einschränkung des Vibrationsempfindens. Folgeerkrankungen einer diabetischen Retinopathie oder Nephropathie seien nicht erkennbar. Zudem liege eine schwer einstellbare arterielle Hypertonie mit antihypertensiver Mehrfachmedikation und Zustand nach interventioneller Ablation in den Nierenarterien bei grenzwertig gering erhöhten Blutdruckwerten vor. Daneben bestehe eine koronare Ein-Gefäßerkrankung mit Zustand nach PTCA bei 30%iger Instentstenose und normaler systolischer linksventrikulärer Funktion. Hinzu komme eine diastolische Funktionsstörung des Herzens ohne Nachweis einer signifikanten Wandhyperthropie, Fettstoffwechselstörungen und eine Adipositas. Die Klägerin fühle sich in der Bewältigung ihrer Alltagsaufgaben (Haus- und Gartenarbeit) nicht eingeschränkt (vgl. auch Teilhabe am sozialen Leben und an Fernreisen). Der Diabetes sei aktuell nicht zufriedenstellend eingestellt und eine Intensivierung der Therapie angezeigt. Die Langzeit-HbA1c-Werte seien weiterhin zu hoch, wobei nächtliche Hypoglykämien aufträten. Die im Durchschnitt einmal pro Monat auftretenden Hypoglykämien seien zwar in ihren Auswirkungen nicht schwer, zeigten sich jedoch häufig. Schwerwiegende Organkomplikationen bestünden nicht. Entsprechend der Versorgungsmedizin-Verordnung sei wegen der Insulinmedikation und der dokumentierten Blutzuckermessungen ein GdB von 50 vorgesehen. Die Klägerin erfülle daher die Kriterien für einen GdB von 50. Die Adipositas und konsekutive Fettstoffwechselstörung ohne Notwendigkeit einer LDL-Apharese bedinge keinen GdB. Herzinsuffizienzzeichen wie Atemnot oder anginöse Beschwerden würden nicht vorliegen. Für das Herz- und Blutdruckleiden sei je ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen, da keine Organbeteiligung oder Linksherzhypertrophie vorliege. Zusammenfassend sei von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen. Für einen GdB von 50 fehle es an dafür erforderlichen schweren Hypoglykämien.

19

Die Klägerin hat zu dem Gutachten ausgeführt: Die Bildung des Gesamt-GdB von 40 sei nicht nachvollziehbar, da der Sachverständige selbst ausgeführt habe, dass der GdB von 50 erreicht werde. Überdies nehme sie auch Bisoprorol gegen den Bluthochdruck. Es werde angeregt, den Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung zu laden.

20

Der Beklagte sieht sich in seiner bisherigen Bewertung bestätigt und hat eine Prüfärztliche Stellungnahme des Gutachters Dr. W. vom 23. Oktober 2014 vorgelegt. Die subjektiv von der Klägerin angegebenen Unterzuckerungen seien nach dem Blutzuckertagebuch nicht belegt. Gravierende Einschränkungen in der Lebensführung seien nicht erkennbar. Für die koronare Herzerkrankung sowie den Bluthochdruck sei kein höherer GdB als 10 festzustellen.

21

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2011 den Behinderungsgrad ab 16. Mai 2011 mit einem GdB von 40 neu festgestellt. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft liegen nicht vor.

23

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 16. Mai 2011. Hierbei handelt es sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, für die bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist.

24

Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 1. Juli 2009 einen GdB von 30 festgestellt und damit über den Behinderungsgrad der Klägerin entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 1. Juli 2009 vorgelegen haben, ist eine Änderung nur insoweit eingetreten, als ab dem 16. Mai 2011 ein GdB von 40 vorliegt. Die Funktionsstörungen der Klägerin rechtfertigen jedoch keinen höheren GdB als 40.

25

Nach § 69 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialsetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung knüpft materiell-rechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden. Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt.

26

Soweit der streitigen Bemessung des GdB die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A) zugrunde zu legen ist, gilt Folgendes: Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B 1) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).

27

Nach diesem Maßstab ist bei der Klägerin weiterhin ein GdB von 40 ab dem 16. Mai 2011 gerechtfertigt. Dabei stützt sich der Senat auf das Sachverständigengutachten von Dr. M. vom 17. September 2014 sowie die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen, die versorgungsärztlichen Stellungnahmen, die Arztbriefe und die vorgelegten Diabetikertagebücher.

28

a) Das zentrale Leiden der Klägerin betrifft das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und wird durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14. Juli 2010 gilt nach Teil B, Nr. 15.1:

29

"Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

30

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

31

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen."

32

Das BSG hat mit Urteil vom 2. Dezember 2010 (B 9 SB/09 R, juris) diese Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für rechtmäßig erklärt (vgl. BSG a.a.O. Rdn. 26) und für die Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung unter Hinweis auf das Urteil vom 24. April 2008 (B 9/9a SB 10/06) bei der Bewertung des Einzel-GdB eines insulineingestellten Diabetes mellitus neben der Einstellungsqualität insbesondere den jeweiligen Therapieaufwand hervorgehoben, soweit sich dieser auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirkt. Hierbei ist der GdB eher niedrig anzusetzen, wenn bei geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden kann. Bei einem beeinträchtigenden, wachsenden Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilere Stoffwechsellage) wird der GdB entsprechend höher zu bewerten sein. Dabei sind – im Vergleich zu anderen Behinderungen – die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu prüfen (BSG a.a.O. Rdn. 33). Bei therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung können z.B. die Planung des Tagesablaufs, die Gestaltung der Freizeit, die Zubereitung der Mahlzeiten, die Berufsausübung und die Mobilität beachtet werden (vgl. Begründung zur Verordnungsänderung, BR-Drucksache 285/10 S. 3 zu Nr. 2).

33

Durch die Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Diabetes mellitus erfordert die Feststellung eines GdB von 50 nicht nur mindestens vier Insulininjektionen pro Tag und ein selbständiges Anpassen der Insulindosis. Zusätzlich muss es - sei es bedingt durch den konkreten Therapieaufwand, die jeweilige Stoffwechselqualität oder wegen sonstiger Auswirkungen der Erkrankung (z.B. Folgeerkrankungen) - zu einer krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung kommen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012, B 9 SB 2/12 R, juris). Die Formulierung in Teil B, Nr. 15.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze "und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" ist daher nicht nur therapiebezogen gemeint, sondern dahingehend zu verstehen, dass neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die selbständige jeweilige Dosisanpassung eine zusätzliche Wertung notwendig ist, um die Schwerbehinderung zu rechtfertigen. Der am insulinpflichtigen Diabetes mellitus Erkrankte muss daher wegen des reinen Therapieaufwandes und/oder den durch die Erkrankung eingetretenen weiteren Begleitfolgen generell gravierende Einschritte in der Lebensführung erleiden. Dass zusätzlich ein gravierender Einschnitt in die Lebensführung festgestellt werden muss, ergibt sich aus den vorhergehenden Formulierungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für einen GdB von 30 bis 40. Hiernach sind für die Bewertung der Teilhabeeinschränkung der konkrete Therapieaufwand und die jeweilige Stoffwechselqualität von wertungserheblicher Bedeutung. Diese beiden Kriterien müssen entsprechend auch bei der höheren Bewertungsstufe eines GdB von 50 noch bedeutsam sein. Für die besondere Bedeutung der Stoffwechsellage spricht auch, dass nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen allein bereits eine Erhöhung des GdB rechtfertigen können.

34

Ein GdB von 50 setzt damit mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbständiges Anpassen der Insulindosis und durch erhebliche Einschnitte gravierende Beeinträchtigungen in der Lebensführung voraus. Diese Anforderungen für einen GdB von 50 erreicht die Klägerin unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht. Der Senat folgt insoweit den Einschätzungen der Versorgungsärzte des Beklagten sowie der abschließenden Bewertung des Sachverständigen Dr. M.

35

In funktioneller Hinsicht liegen bei der Klägerin die therapiebedingten Voraussetzungen für einen GdB von 50 vor. Sie muss sich vier Mal täglich Insulin spritzen, wobei die jeweilige Insulindosis angepasst werden muss. Dies hat auch der Sachverständige Dr. M. zutreffend festgestellt. Die Grenze der Schwerbehinderung verlangt jedoch darüber hinaus noch eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilbereiche, in denen sich therapie- und krankheitsbedingte Einschränkungen in der Lebensführung auswirken können, lässt sich nicht feststellen, dass gravierende Auswirkungen des Diabetes mellitus bei der Klägerin in den Bereichen der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten und der Mobilität vorliegen. Die von ihr angegebenen Nachteile durch ihre Stoffwechselerkrankung sind insgesamt zwar einschränkend und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Gegen eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung sprechen die Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesablauf. Sie kann ihren Haushalt offenbar problemlos meistern, Gartenarbeit verrichten, Fahrradfahren und an den privaten Unternehmungen der Familie praktisch ohne Einschränkungen teilnehmen. Insbesondere kann sie im Urlaub selbst körperlich belastende Fernreisen trotz des Diabetes mellitus bewältigen. Gravierende Leistungsbeeinträchtigungen lassen sich auch nicht aus der beruflichen Betätigung der Klägerin ableiten. Bis zu ihrer Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis hat sie in einer körperlich belastenden Wechselschichttätigkeit in einem Callcenter gearbeitet, ohne gesundheitliche Einschränkungen zu zeigen. Funktionell beachtliche Begleitfolgen des Diabetes haben sich bei der Klägerin auch nicht eingestellt. Trotz der tendenziell eher zu hohen Blutzuckerwerte konnte der Sachverständige Dr. M. nur leichte Sensibilitätsstörungen für Vibrationsempfindungen feststellen, denen keine besondere Bedeutung zugemessen werden kann. Hinweise für diabetestypische Augenhintergrundänderungen sowie eine beachtliche Polyneuropathie finden sich dagegen nicht.

36

Die Klägerin wird über den einschränkenden Therapieaufwand hinaus nicht auch noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Auch führt die Insulintherapie zu häufigen, wenn auch schwächeren Unterzuckerungen, die jedoch nicht mit erheblichen Einschränkungen im Lebensalltag und gravierenden funktionellen Einschränkungen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund ist es auch konsequent und richtig, wenn der Sachverständige Dr. M. in seiner Gesamtbewertung für den Diabetes mellitus keinen höheren Einzel-GdB als 40 befürwortet. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat nach eigener Würdigung der Befunde und Gesamtumstände der alltäglichen Einschränkungen der Klägerin an. Dieser Wertung entsprechen auch die Einschätzungen der Versorgungsärzte des Beklagten.

37

b) Das Bluthochdruckleiden ist dem Funktionssystem Herz-Kreislauf zuzuordnen und rechtfertigt maximal einen GdB von 10. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil B, Nr. 9) kommt es bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht auf die Art der Erkrankung, sondern auf die jeweilige konkrete Leistungseinbuße an. Daher lässt die Diagnose eines Bluthochdrucks keinen Rückschluss auf die bestehenden Funktionseinschränkungen der Klägerin zu. Nach Teil B, Nr. 9.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist die leichte Form der Hypertonie, bei der keine oder eine geringe Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichte Augenhintergrundsveränderungen vorliegen, mit einem GdB von 0 bis zu 10 zu bewerten. Die mittelschwere Form eröffnet je nach Leistungsbeeinträchtigung einen Bewertungsrahmen von 20 bis 40. Kriterien dafür sind Organbeteiligungen leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen – Fundus hypertonicus I bis II- und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie) sowie diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung. Vor diesem Hintergrund ist der Einschätzung des Sachverständigen Dr. M. zu folgen, einen Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Höher zu bewertende Organbeteiligungen vermochte der Sachverständige bei der Klägerin nicht festzustellen.

38

c) Auch die coronare Herzerkrankung gehört zum Funktionssystem Herz-Kreislauf und rechtfertigt allenfalls einen Einzel-GdB von 10. Nach Teil B 9.1.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze spielt für die Bewertung einer Herz-Kreislauf-Erkrankung die jeweilige Leistungseinbuße eine entscheidende Rolle, wobei auch die Auswirkungen des Leidens auf andere Organe (z. B. Lungen, Leber, Gehirn, Nieren) zu beachten sind. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M. ist die Klägerin allenfalls bei der Bewältigung schwerer körperlicher Belastung beeinträchtigt. Signifikante myokardiale Ischämie in Ruhe oder unter Belastung vermochte der Sachverständige nicht festzustellen. Nachdem die Stentversorgung im Jahr 2011 zunächst nur eine kurzzeitige Besserung auf kardiologischen Gebiet erbrachte, führte die später im Deutschen Herzzentrum vorgenommene Nierenarterienablation (beidseits) am 29. November 2012 zu einem guten Operationsergebnis und einer deutlichen und auch dauerhaften Verbesserung der von der Klägerin zuvor geschilderten Herzbeschwerden. So berichtete das Deutsche Herzzentrum bereits unter dem 7. Januar 2013 davon, dass die Klägerin keinen Druck mehr in der Brust und auch keine Atemnot bei Belastung mehr angegeben habe. Der vom Sachverständigen Dr. M. vertretene Einzel-GdB von 10 für diese Erkrankung entspricht diesen geringfügigen Einschränkungen im Funktionssystem und wird vom Senat nach eigener Prüfung – wie auch von den Versorgungsärzten des Beklagten vertreten – für zutreffend erachtet.

39

d) Weitere Funktionseinschränkungen, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind, sind nicht erkennbar. Insbesondere die vom Sachverständigen diagnostizierten Fettstoffwechselstörungen sowie die Adipositas rechtfertigen keinen Einzel-GdB, da damit verbundene funktionelle Einschränkungen nicht dokumentiert sind.

40

e) Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren GdB vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Gesamtbehinderungsgrad zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der VMG anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Danach ist vom höchsten Einzelwert für das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" von einem Einzel-GdB von 20 auszugehen. Aufgrund der Bluthochdruckerkrankung (GdB von 10) sowie der koronaren Herzerkrankung (Einzel-GdB 10) kann kein höherer Gesamt-GdB gebildet werden. Schließlich führt ein GdB von 10 nicht zur Erhöhung des Gesamt-GdB, denn von einem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes des Gesamtbeeinträchtigung (Teil A, Nr. 3 ee).

41

Letztlich widerspräche die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft auch einer nach Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu berücksichtigenden Vergleichsüberlegung. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Eine derartig schwere Funktionsstörung liegt bei der Klägerin nicht vor.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

43

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.


Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 03. Dez. 2014 - L 7 SB 36/12

Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 03. Dez. 2014 - L 7 SB 36/12

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 03. Dez. 2014 - L 7 SB 36/12 zitiert 12 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 30


(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV | § 2 Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“


Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

Referenzen - Urteile

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 03. Dez. 2014 - L 7 SB 36/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 03. Dez. 2014 - L 7 SB 36/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - B 9 SB 2/12 R

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

2

Auf den Antrag der 1954 geborenen Klägerin vom 20.4.2010 stellte das beklagte Land nach Beiziehung eines Befundberichts und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 22.7.2010 wegen eines Diabetes mellitus einen GdB von 30 ab April 2010 fest. Nachdem die Klägerin im Widerspruchsverfahren Auszüge ihres Diabetikertagebuchs vorgelegt hatte, holte der Beklagte weitere versorgungsärztliche Stellungnahmen ein. Die Versorgungsärztin S. führte unter dem 23.12.2010 aus: Die vorgelegte Dokumentation umfasse einen Zeitraum von 96 Tagen. Die Klägerin messe vier bis achtmal täglich den Blutzucker und injiziere zwei bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal täglich Basisinsulin. An mindestens 35 Tagen habe die Dosis nicht angepasst werden müssen. An den restlichen Tagen seien ein bis drei Korrekturinjektionen vorgenommen worden. Eine für einen GdB von 50 erforderliche ständige Anpassung der Insulindosierung sei daher nicht zu bestätigen. Es werde ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. Hierauf gestützt änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 den angefochtenen Bescheid unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen dahin ab, dass ab April 2010 der GdB 40 betrage. Zur Begründung gab er den Inhalt der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.12.2010 weitgehend wörtlich wieder.

3

Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Magdeburg (SG) hat mit Urteil vom 14.3.2011 den angefochtenen Verwaltungsakt geändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab April 2010 einen GdB von 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 bei Diabetes mellitus erfüllt, wie sie in Teil B Nr 15.1 Versorgungsmedizinische Grundsätze in der Fassung vom 14.7.2010 geregelt seien, die auch für die Zeit davor gälten. Die Klägerin führe eine Insulintherapie durch, bei der sie täglich ein langwirkendes Basisinsulin und jeweils vor den Mahlzeiten ein schnell wirkendes Insulin spritze. Die Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit habe die Klägerin aber die Voraussetzungen der Verordnung sinngemäß erfüllt, denn die Vorschrift wolle gerade die Fälle erfassen, in denen - wie hier - täglich einmal Basisinsulin und vor jeder Mahlzeit, also üblicherweise dreimal, ein Mahlzeiteninsulin gespritzt werde. Die weitere Formulierung "… Menschen, die … durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" stelle kein weiteres Tatbestandsmerkmal dar, sondern eine Bewertung der Situation der Betroffenen, die den genannten Therapieaufwand betreiben müssten.

4

Im danach vom Beklagten veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Klägerin persönlich angehört sowie einen Befundbericht von Dr. K. vom 6.9.2011 eingeholt. Ferner hat es zwei vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. S. vom 30.9.2011 und Dr. W. vom 13.2.2012 zu den Akten genommen. Durch Urteil vom 21.2.2012 hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:

5

Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien § 69 Abs 1 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (Anl VersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden der Klägerin betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei der Klägerin ein GdB von 40. Demgegenüber setze ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus.

6

Diese Anforderungen erreiche die Klägerin nicht. Sie führe nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durch, wie dies die Versorgungsärztin S. unter dem 23.12.2010 überzeugend ausgeführt habe. Auch komme es nach der Einschätzung der Versorgungsärzte nach Auswertung der Unterlagen nicht zu einer "ständigen" Dosisanpassung der Insulingabe. Damit bewege sich die Klägerin bereits unterhalb des Mindestumfangs des Therapieaufwandes, den die VersMedV für die Feststellung eines GdB von 50 verlange. Neben der täglichen Injektion mit einem langwirksamen Insulin müsse die Klägerin bei hohen Morgenwerten zu jeder Mahlzeit und bei Nebenerkrankungen das kurzwirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Dosis variieren. Das sei jedoch nicht ständig der Fall, sondern offenbar von den jeweiligen Begleitumständen (Alltagsbelastung, berufliche Anforderungen, Reisetätigkeit usw) abhängig. Hinzu kämen ständige Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit und gegebenenfalls bis zu sechsmal täglich, die jedoch nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erhöhend zu berücksichtigen seien.

7

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin einen Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen und eine ständige Dosisanpassung annehmen würde, fehle es jedenfalls an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf ihre Lebensführung auswirkten, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Die Klägerin werde trotz des einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit erheblich beeinträchtigt. So gehe sie nach ihren eigenen Angaben einer Außendiensttätigkeit mit hohem und belastungsintensiven Anforderungsprofil nach und bewältige diese Anstrengungen offenbar ohne wesentliche krankheitsbedingten Einschränkungen seit vielen Jahren. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es bei der Klägerin nach Beginn der Insulintherapie noch nie gekommen. Auch seien wesentliche Folgeschäden noch nicht eingetreten.

8

Mit ihrer - vom LSG zugelassen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht hinreichend mit Gründen versehen. Das LSG habe seiner Entscheidung allein die Fassung des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl streitig auch die Höhe des GdB in der Zeit von April 2010 bis zum 21.7.2010 sei. Für diesen Zeitraum fehle es an einer Begründung für die Feststellung des GdB.

10

Das LSG habe zudem ihr Recht auf rechtliches Gehör (§ 128 Abs 2 SGG) dadurch verletzt, dass es seine Entscheidung maßgebend auf die Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom "30.12.2010" gestützt habe, ohne ihr diese Stellungnahme zuvor zugänglich gemacht zu haben. Da das LSG erstmals im Urteil auf diese im Verwaltungsverfahren erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme eingegangen sei, sei sie dadurch unzulässig überrascht worden. Aufgrund des Verlaufs des Erörterungstermins vom 21.12.2011, der von ihr danach vorgelegten Messdokumentationen von April 2010 und der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.2.2012 habe sie nicht damit rechnen müssen, dass das LSG die versorgungsärztliche Stellungnahme vom "30.12.2010" zur Urteilsbegründung heranziehen würde. Hätte man sie vorab darauf hingewiesen, hätte sie ihr Tagebuch erneut vorgelegt und anhand dessen nachgewiesen, dass sie sehr wohl - täglich - mindestens vier Insulininjektionen durchführe.

11

Soweit das LSG seine Verneinung eines GdB von 50 darauf gestützt habe, dass sie über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen lebe, habe es nicht erkennen lassen, dass es die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde besitze. Diese Unterlassung mache das Urteil ebenfalls zur einer Überraschungsentscheidung.

12

Schließlich habe das LSG auch seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Das Gericht habe Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 (nF) dahin ausgelegt, dass zusätzlich zum Therapieaufwand (von mindestens vier Insulininjektionen täglich) erhebliche Einschnitte in der Lebensführung vorliegen müssten. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze hätten zwar normähnlichen Charakter, inhaltlich seien sie jedoch antizipierte Sachverständigengutachten. Deren Inhalt gehöre zur Erforschung des Sachverhalts, sodass diesbezügliche Zweifel regelmäßig durch Nachfrage bei dem geschäftsführend tätigen Bundesministerium zu klären seien. Wenn das LSG sein Verständnis von den erheblichen Einschnitten in die Lebensführung, die für die Beurteilung der Teilhabeeinschränkungen im Fall eines insulinpflichtigen Diabetes mit einem GdB von 50 zwingend vorliegen müssten, seinem Urteil habe zugrunde legen wollen, hätte es sich nicht damit begnügen dürfen, Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV selbst auszulegen. Es hätte sich vielmehr gedrängt fühlen müssen, eine Auskunft bei dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales einzuholen, wie die erheblichen Einschnitte in die Lebensführung bei der Festsetzung des GdB zu berücksichtigen seien. Eine derart durchgeführte Klärung hätte zu dem Ergebnis führen können, dass allein der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich mit einer selbstständig vorzunehmenden Variation der Insulindosis die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertige.

13

Das LSG habe ua dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - folgen wollen. Nach dieser Entscheidung seien Sachverhaltsermittlungen dazu vorzunehmen, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt sei, ob eine Vernachlässigung der therapeutischen Maßnahmen gravierende Folgen haben könne und ob die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt sei. Dementsprechend hätte das LSG sich gedrängt fühlen müssen, entsprechende Sachverhaltsermittlungen zu den Einschnitten in die Lebensführung entsprechend dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 vorzunehmen, was es jedoch unterlassen habe. Diese fehlenden Sachverhaltsermittlungen seien auch nicht in den Stellungnahmen der Versorgungsverwaltung enthalten, auf die das Berufungsgericht seine Beweiswürdigung in sehr einseitiger Weise stütze.

14

Materiell-rechtlich habe das LSG § 69 Abs 1 und 3 SGB IX verletzt. Für den Zeitraum von der Antragstellung im April 2010 bis zum 21.7.2010 hätte das LSG die Grundsätze des Urteils des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - anwenden müssen. Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirke. Hierbei sei auch das Ergebnis der therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die erreichte Stoffwechsellage zu betrachten. Der GdB sei relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden könne. Mit in beeinträchtigender Weise wachsendem Therapieaufwand und bzw oder abnehmendem Therapieerfolg im Sinne einer instabileren Stoffwechsellage werde der GdB höher einzuschätzen sein. In einem ersten Schritt sei der Therapieaufwand festzustellen. In einem zweiten Schritt sei die Stoffwechsellage zu beurteilen und in einem dritten Schritt wären die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.

15

Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Schon der unmittelbare Therapieaufwand sei erheblich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass, würde sie nicht so diszipliniert leben, Stoffwechselentgleisungen die Folge wären. Soweit das LSG bei ihr von einer stabilen Stoffwechsellage auf einen geringeren GdB als 50 geschlossen habe, sei dieser Rückschluss in der Allgemeinheit nicht zulässig. Gerade ihre hohe Disziplin und vorausschauende Planung sowie ihre bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes bei ihr bisher gering geblieben seien. Ihr dies zum Nachteil gereichen zu lassen, würde bedeuten, dass der disziplinlose Behinderte mit einem höheren GdB "belohnt" werde und derjenige Behinderte, der sich intensiv um die Bekämpfung der Folgen der Erkrankung kümmere und einen entsprechenden Zeitaufwand dafür betreibe, mit einem geringeren GdB "bestraft" werde. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen gemessen, die mit ihrer Erkrankung nicht vergleichbar seien.

16

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtiger Weise Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Ziff 15.1, nach der der GdB 50 beträgt. Diese Variante beinhalte einerseits den Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Schon wenn, wie in ihrem Fall, die vier Insulininjektionen täglich durchgeführt werden müssten, sei der GdB mit 50 festzusetzen. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte in die Lebensführung. Der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich erfasse den in der Summe erheblichen zeitlichen Aufwand zB für regelmäßige Arztbesuche, den Einkauf von Medikamenten und Spritzutensilien, die Planung des Tagesablaufs, den Aufwand für das Spritzen selbst, die Vermeidung von rückfallgefährdenden Verhaltensweisen, das Aufsuchen von Orten für die Injektionen sowie aktive Vorkehrungen zum Ausgleich von potenziellen Gesundheitsrisiken. Da der Begriff Therapieaufwand nach der Rechtsprechung des BSG weit zu fassen sei und darunter die Gesamtheit der Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Beschwerden und der Verhinderung von Rückfällen zu verstehen sei, sei der Therapieaufwand zur Herstellung einer guten Stoffwechsellage ein geeigneter Maßstab. Das LSG verkenne diesen Begriff, wenn es den GdB primär danach beurteile, welche Einschnitte sie jenseits derjenigen, die im Zusammenhang mit den Insulinverabreichungen stünden, hinzunehmen habe. Wenn das Insulin infolge tropischer Temperaturen unbrauchbar werde, habe das mittelbar ebenfalls mit dem Therapieaufwand zu tun. Nichtbehinderte müssten sich insoweit nicht mit entsprechenden zusätzlichen Vorkehrungen gegen Hitze oder auch Diebstahl der Insulintasche belasten.

17

Nach den Bewertungsgrundsätzen in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF würden die bei der GdB-Bewertung zu berücksichtigenden Teilhabestörungen unter dem Oberbegriff "Einschnitte in die Lebensführung" zusammengefasst. Der Therapieaufwand und die damit verbundenen Einschnitte in die Lebensführung seien aber nicht die einzige Art und Weise, wie die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch den Diabetes mellitus beschränkt werde. Soweit sie ihren Ausschluss von bestimmten Sportarten geschildert habe, gehe es indes nicht um den Therapieaufwand, sondern um den Ausschluss von Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten und damit um Teilhabemöglichkeiten am Leben in der Gesellschaft. Werde Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF in dieser Weise verstanden und angewendet, sei ihr GdB mit mindestens 50 festzusetzen.

18

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. März 2011 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

20

Er trägt im Wesentlichen vor: Eine Verletzung der von der Klägerin genannten Verfahrensvorschriften liege seines Erachtens nicht vor. Insbesondere sei die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.12.2010 nahezu wörtlich im Widerspruchsbescheid wiedergegeben. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 sei der GdB mit 40 korrekt bewertet. Danach sei Voraussetzung für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft neben der täglich viermaligen Insulininjektion bei jeweiliger Anpassung der Dosis eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung. Das wäre der Fall, wenn sich die Stoffwechsellage trotz des definierten täglichen Therapieaufwandes weiterhin so unbefriedigend zeige, dass eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nachvollziehbar sei. Nicht der Fall sei dies, wenn sich die Stoffwechsellage im Ergebnis des therapeutischen Aufwandes - wie im Fall der Klägerin - überwiegend als gut eingestellt erweise. Dieses Rechtverständnis werde von der Begründung der Änderungsverordnung gestützt.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist Kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

22

Die Revision ist unbegründet.

23

Einer Sachentscheidung des Senats stehen Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens nicht entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des SG, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, den GdB der Klägerin ab April 2010 mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel, das die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11) verfolgt, erreicht sie nicht.

24

Zunächst ist die Rüge, das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht mit Gründen versehen, jedenfalls unbegründet. Es trifft zwar zu, dass das LSG auch für den Beurteilungszeitraum vor dem 22.7.2010 (ohne nähere Begründung) Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14. 7.2010 (nF) zu Grunde gelegt hat. Insoweit fehlen jedoch keine Entscheidungsgründe. Das LSG hat lediglich nicht deutlich gemacht, warum es die erst am 22.7.2010 in Kraft getretenen Bestimmungen auch für die Zeit davor als maßgeblich ansieht. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, das LSG habe insoweit einen falsche Rechtsgrundlage angewendet, betrifft ihre Rüge einen Rechtsanwendungsfehler, jedoch keinen Verfahrensmangel (zum Begriff Verfahrensmangel s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl 2012, § 144 RdNr 32 mwN).

25

Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 richtet sich nach § 69 Abs 1 und 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046, 1047) idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX gelten die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend. Durch diesen Verweis auf § 30 Abs 1 BVG stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Die weitere Bezugnahme in § 69 Abs 1 S 5 SGB IX betrifft die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und des § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die zuletzt durch die Verordnung vom 11.10.2012 (BGBl I 2122) geändert worden ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anl VersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind.

26

Die zum 1.1.2009 in Kraft getretene Anl VersMedV stellt ihrem Inhalt nach nicht nur eine Konkretisierung der Regelung des § 69 SGB IX, sondern auch ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar(stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 § 3 Nr 6 S 11 f). Sie berücksichtigt dabei den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems, auch wenn dieses Klassifikationsmodell darin bislang noch nicht überall konsequent umgesetzt worden ist (vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe im Leben in der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).

27

Dem trägt die Anl VersMedV im Grundsatz Rechnung. Dementsprechend ist deren Inhalt nicht (ausschließlich) mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden zu ermitteln; vielmehr sind diesbezügliche Zweifel vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" bzw dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales - BMAS (§ 3 VersMedV), zu klären (vgl zB dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 aaO). Darüber hinaus ist die VersMedV (nebst Anlage) an den rechtlichen Vorgaben der §§ 2, 69 SGB IX zu messen. Dazu gehört, dass sie dem aktuellen Stand der Medizin entsprechen muss (vgl dazu BSG Urteil vom 18.9.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 jeweils RdNr 14; Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 14; § 69 Abs 1 S 5 SGB IX, § 30 Abs 17 BVG iVm §§ 2, 3 Abs 1 VersMedV). Bei Verstößen dagegen sind die jeweiligen Bestimmungen nicht oder nur mit Maßgaben anzuwenden (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 19; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 30).

28

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX(s zuletzt BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.

29

Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus hat der Senat in mehreren Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen der früheren Nr 26.15 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - juris) hat er sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009 (- B 9 SB 3/08 R - juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit § 69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann(aaO RdNr 30 ff insbes 38).

30

Im vorliegenden Fall zu beurteilen ist der Zeitraum ab Antragstellung durch die Klägerin im April 2010, sodass (formal) betrachtet für die Zeit vom 1.4.2010 bis zum 21.7.2010 die am 1.1.2009 in Kraft getretene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen ist. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009 und 2.12.2010 (jeweils aaO) ist diese Vorschrift jedoch nicht zur GdB-Bewertung geeignet. Vielmehr kann auf die Neufassung der Vorschrift idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden.

31

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die vom BMAS im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF unmittelbar anzuwenden.

32

Die Vorschrift hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 Anl VersMedV):

        

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

33

Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind (Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26).

34

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern.

35

Dementsprechend kann das Erfordernis von "täglich mindestens vier Insulininjektionen" entgegen der Auffassung des Beklagten nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss. Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringen Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat.

36

Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen.

37

Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien nicht aus. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die ständige Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1 Abs 3 Anl VersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt als ein anderer, im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen.

38

Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es im letzten Teilsatz des Abs 4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissem Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert jedoch nichts an der durch § 69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB von 50 ausreichen lassen wollen.

39

Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF gewinnt der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung. Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund bleibt auch die Rüge der Klägerin, das LSG hätte den Inhalt der Vorschrift durch eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats beim BMAS klären müssen, ohne Erfolg.

40

Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

41

Nach den Feststellungen des LSG führt die Klägerin nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Injektionen durch. Auch komme es nicht zu einer "ständigen" Anpassung der Insulingabe. Trotz ihres individuellen Therapieaufwands werde die Klägerin nicht durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie erleide in ihrer gesamten Lebensführung (Beruf, Sport, Reisen) keine gravierenden krankheitsbedingten Einschränkungen. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es noch nie gekommen.

42

Soweit die Klägerin die Feststellung des LSG zur Häufigkeit ihrer täglichen Insulininjektionen mit der Begründung angreift, das LSG habe dabei ihr rechtliches Gehör verletzt, dringt sie damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190). Das gilt grundsätzlich auch für nicht rechtskundig vertretene Beteiligte, wenn es sich nicht um komplizierte tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten oder Überlegungen handelt. Bei der Zahl täglich erforderlicher Injektionen handelt es sich nicht um einen komplizierten tatsächlichen Umstand. Jeder kann ihn ohne juristischen oder anderweitigen besonderen Sachverstand erfassen.

43

Entgegen der Darstellung der Klägerin war eine Sachlage, bei der sie nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG die täglich erforderliche Zahl von Insulininjektionen anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben. Der Klägerin musste schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides sowie des Urteils des SG klar sein, dass es maßgebend auch auf die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen ankam und diese nicht als ausreichend angesehen werden könnte. Denn der Beklagte hat die vom LSG schließlich ausdrücklich genannte versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau S. vom 23.12.2010 im Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 bereits inhaltlich wiedergegeben. Zwar hat der Beklagte in seiner weiteren Begründung den Schwerpunkt auf das Fehlen einer ständigen Anpassung der Dosierung gelegt. Das SG hat jedoch ausdrücklich ausgeführt, die "Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht" habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit seien zwar die Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift ("täglich mindestens vier Insulininjektionen") nicht erfüllt. Es sei jedoch nicht sachgerecht, den GdB nach der Anzahl der Mahlzeiten festzulegen.

44

Dem ist der Beklagte mit seiner Berufung entgegengetreten und hat - unter Wiederholung der Begründung des Widerspruchsbescheides - vorgetragen, dass nach dem vorliegenden Diabetiker-Tagebuch für den Zeitraum vom 3.6. bis 7.9. (ohne Jahresangabe - 96 Tage) die Klägerin sich "zwei- bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal Basisinsulin injiziert" habe. Aus diesen Angaben ergibt sich nicht durchgängig eine Anzahl von mindestens vier Injektionen am Tag. Der weitere Verlauf des Berufungsverfahrens (Schriftsatz des Beklagten vom 4.10.2011 mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30.9.2011 und insbesondere Erörterungstermin am 21.12.2011) lässt nicht erkennen, dass der Beklagte eine tägliche Mindestzahl von vier Insulininjektionen eingeräumt oder dass sich das LSG inhaltlich so geäußert hätte.

45

Aus diesem Ablauf und Inhalt des Verfahrens konnte die Klägerin demzufolge entnehmen, dass die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen maßgebend für die Beurteilung des GdB ist und sie nach dem bisherigen Stand des Verfahrens eine Mindestzahl von vier Injektionen täglich nicht erreicht. Jedenfalls musste die Klägerin mit einer solchen Beweiswürdigung des LSG rechnen. Dementsprechend konnte es für sie objektiv keine Überraschung sein, dass das LSG im Berufungsurteil diesen Umstand aufgreift und rechtlich würdigt.

46

Des Weiteren ist unbeachtlich, dass die Vorinstanz irrtümlich eine "ständige" (anstelle einer "selbstständigen") Dosisanpassung verlangt, denn jedenfalls fehlt es nach dem berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen an einer durch erhebliche Einschnitte gravierend beeinträchtigten Lebensführung der Klägerin. Detaillierte Tatsachenfeststellungen sind insoweit nicht erforderlich gewesen, da das LSG die ausführlichen Angaben der Klägerin zugrunde gelegt hat. Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe seine Feststellung, sie - die Klägerin - habe über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen gelebt, getroffen, ohne über die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde zu verfügen, greift diese Rüge nicht durch. Denn für die Beurteilung einer im Wesentlichen "normalen Lebensführung" bedarf es keiner besonderen Sachkunde. Die entsprechende Beurteilung kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung selbst vornehmen. Überdies hat sich das LSG insoweit ersichtlich neben den eigenen Angaben der Klägerin auch auf die sozialmedizinische Beurteilung der Versorgungsärztin Dr. W. in deren in das Verfahren einbezogenen Stellungnahme vom 13.2.2012 gestützt. Dabei sind auch die von der Klägerin geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei Reisen in die Tropen, Unmöglichkeit der Ausübung des Tauchsports) berücksichtigt worden.

47

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen, dass der GdB der Klägerin gemäß Teil B Nr 15.1 Abs 5 Anl VersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von 40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei der Klägerin nicht festgestellt worden sind.

48

Schließlich geht die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, sie dürfe wegen ihres konsequenten Therapieverhaltens und ihrer vernünftigen Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht "schlechter" behandelt werden als ein behinderter Mensch, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen ein höherer GdB als ihr zuerkannt werde. Die Klägerin übersieht, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei der Klägerin haben würde.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.