Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 29. Jan. 2014 - II-8 UF 180/13
Tenor
I.Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts– Familiengericht – Ratingen vom 07.05.2013 wird zurückgewiesen.
II.Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Ratingen vom 07.05.2013 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsteller wird unter Zurückweisung des weitergehenden Unterhaltsantrags verpflichtet, beginnend am 01.07.2012 und befristet bis zum 31.12.2017 an die Antragsgegnerin einen monatlichen nachehelichen Unterhalt
- für die Zeit von Juli 2012 bis einschließlich Dezember 2012 in Höhe von 1.123,00 €
- für die Zeit von Januar 2013 bis einschließlich Februar 2014 in Höhe von 1.167,49 €, davon 80,49 € Krankenvorsorgeunterhalt
und
- für die Zeit von März 2014 bis einschließlich Dezember 2017 in Höhe von 825,49 €, davon 80,49 € Krankenvorsorgeunterhalt
jeweils bis zum dritten Werktag eines jeden Monats zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
III.Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
IV.Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
V.Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 31.582,17 € festgesetzt. Hiervon entfallen 11.371,68 € auf die Beschwerde des Antragstellers und 20.210,49 € auf die Beschwerde der Antragsgegnerin.
1
Gründe:
2I.
3Der am 02.11.1963 geborene Antragsteller und die am 17.04.1965 geborene Antragsgegnerin haben am 11.06.1993 die Ehe miteinander geschlossen, leben seit dem 01.06.2008 voneinander getrennt und sind durch Beschluss des Amtsgerichts Ratingen am 17.01.2012 rechtskräftig geschieden worden. Die Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin bis einschließlich Juni 2012 haben die Beteiligten im Verfahren II-1 UF 92/11 durch Vergleich geregelt.
4Die Beteiligten sind die Eltern der Kinder L., geboren am 14.01.1996, T., geboren am 27.06.1997, und J., geboren am 20.06.2001. Die Kinder leben im Haushalt der Antragsgegnerin. Die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers gegenüber den gemeinsamen Söhnen ist durch Beschluss des Amtsgerichts Ratingen vom 08.03.2011 (5 F 320/10) mit monatlich je 590 € für L. und T. und 488 € für J. tituliert.
5Der Antragsteller ist selbständiger Facharzt für Orthopädie und Orthopädie- und Unfallchirurgie.
6Die Antragsgegnerin hat Medizin studiert und ist approbierte Ärztin. Vor der Aufnahme des Medizinstudiums überbrückte sie die Wartezeit mit der Aufnahme einer Ausbildung zur Orthoptistin (Fachkraft für Augenheilkunde). Weil sie den Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie anstrebte, nahm sie noch während des Medizinstudiums auch das Studium der Zahnmedizin auf. Während der Semesterferien absolvierte sie die Zeiten als Ärztin im Praktikum. Nach der Geburt des ersten Sohnes führte sie das Zahnmedizinstudium bis zum 7. Semester fort. Wegen der Schwangerschaft mit dem zweiten Sohn durfte sie dann an den Behandlungskursen (Gefahren durch Instrumente, Blut etc.) nicht mehr teilnehmen und wurde später zwangsexmatrikuliert. Nach der Geburt des zweiten Sohnes versorgte sie die Kinder und den Haushalt, während der Antragsteller seine Facharztausbildung fortsetzte.
7Die Antragsgegnerin arbeitete von Januar 2003 bis Januar 2011 in der Praxis des Antragstellers auf 400 € - Basis. Ursprünglich beabsichtigten die Beteiligten, diese Tätigkeit mit der größer werdenden Selbständigkeit der Kinder schrittweise auszubauen und der Antragsgegnerin einen eigenen Aufgabenbereich innerhalb der Praxis zu übertragen (sog. IGel-Leistungen; Vorsorge- und Servicemedizin). Die Antragsgegnerin besuchte entsprechend Fortbildungen und erwarb während der Zeit der Beschäftigung beim Antragsteller ein Diplom in Traditioneller Chinesischer Medizin. Ende Juni 2010, als sich abzeichnete, dass eine Fortsetzung der Tätigkeit beim Antragsteller wegen der persönlichen Differenzen der Beteiligten nicht möglich sein würde, begann die Antragsgegnerin, sich um eine Stelle als Weiterbildungsassistentin für Augenheilkunde zu bemühen, mit dem Ziel, den entsprechenden Facharzt zu erwerben. Im März 2011 nahm sie eine Halbtagsbeschäftigung in einer Augenarztpraxis als Weiterbildungsassistentin auf und absolviert seitdem die Ausbildung zur Fachärztin für Augenheilkunde. Eine zeitliche Ausweitung des Beschäftigungsverhältnisses ist der Antragsgegnerin für das Jahr 2014 in Aussicht gestellt worden.
8Das Amtsgericht hat den Antragsteller befristet bis zum 31.03.2016 zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt für die Zeit von Juli bis Dezember 2012 in Höhe von monatlich 1.123,00 €, für die Zeit von Januar 2013 bis Februar 2014 in Höhe von monatlich 1.202,49 €, davon 80,49 € als Krankenvorsorgeunterhalt und ab März 2014 in Höhe von monatlich 380,00 €, davon 80,49 € Krankenvorsorgeunterhalt, verpflichtet.
9Diese Entscheidung greifen beide Beteiligte mit der Beschwerde an.
10Die Antragsgegnerin rügt, dass das Amtsgericht das Einkommen des Antragstellers zu gering bemessen habe. Der Aufwand für Lebensversicherungen, die zur Deckung von Praxisdarlehen abgetreten worden seien, diene der Vermögensbildung des Antragstellers und dürfe nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden. Der Antragsteller habe weder belegt, dass er Prämien bediene, noch, dass diese für Praxiskredite eingesetzt würden. Das Nettoeinkommen des Antragstellers belaufe sich auf mindestens 10.000 € monatlich, so dass er in der Lage sei, ihren konkreten Bedarf, den sie mit 3.800 bis 4.000 € bemisst, zu decken.
11Ihr selber könne nur ihr tatsächliches aus einer Halbtagstätigkeit erzieltes Einkommen zugerechnet werden, da sie wegen der Betreuung des jüngsten Sohnes zur Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage sei. J. benötige wegen einer Lernschwäche in besonderem Umfang persönliche Betreuung. Außerdem sei eine zeitliche Aufstockung ihrer Beschäftigung bisher arbeitgeberseitig nicht möglich gewesen.
12Darüber hinaus wendet sich die Antragsgegnerin gegen die vom Amtsgericht vorgenommene Befristung des Unterhaltsanspruchs. Sie ist der Auffassung, dass sie durch den ehebedingten Abbruch des Zahnmedizinstudiums, die entgangene Möglichkeit der ursprünglich angestrebten Facharztausbildung und die Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit Nachteile erlitten habe, die sie in ihrem weiteren Berufsleben nicht mehr ausgleichen könne. Ohne die ehebedingte Erwerbspause könne sie heute als Oberärztin oder niedergelassene Ärztin ein Nettoeinkommen von 4.000 € erzielen.
13Die Antragsgegnerin beantragt,
14den Beschluss des Familiengerichts vom 07.05.2013 zu ändern und den Antragsteller zu verpflichten, an sie ab 01.07.2012 einen monatlichen Geschiedenenunterhalt von 2.800,00 € sowie ab 01.12.2012 Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von monatlich 80,49 € zu zahlen.
15Der Antragsteller beantragt,
16den Beschluss des Amtsgerichts vom 07.05.2013 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen, soweit ihm aufgegeben wurde, an die Antragsgegnerin ab dem 01.07.2012 bis zum 31.05.2013 einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt zu zahlen, soweit ihm aufgegeben wurde, ab dem 01.06.2013 bis zum 28.02.2014 einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt in Höhe von mehr als 430,21 EUR inklusive darauf entfallenden Krankenvorsorgeunterhaltes von 80,49 EUR zu zahlen, und soweit ihm aufgegeben wurde, ab dem 01.03.2014 bis zum 31.03.2016 einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt nebst Krankenvorsorgeunterhalt zu zahlen.
17Beide Beteiligten beantragen zudem, die Beschwerde der Gegenseite zurückzuweisen.
18Der Antragsteller ist der Auffassung, dass der Antragsgegnerin bereits dem Grunde nach kein nachehelicher Unterhalt zustehe, weil sie als Medizinerin auch ohne Facharztausbildung eine angemessene Tätigkeit ausüben könne. Ehebedingte Nachteile seien nicht eingetreten, die Antragsgegnerin habe ihre Ausbildung zuvor nicht zielstrebig genug verfolgt. Mit einer vollschichtigen Tätigkeit als Assistenzärztin, zu deren Ausübung eine Erwerbsobliegenheit bestehe, und dem Versehen von Notdiensten könne sie ein bedarfsdeckendes Einkommen erzielen. Der Zeitpunkt für eine Befristung etwaiger Unterhaltsansprüche sei zu spät gewählt; ein Anspruch müsse spätestens im Juni 2014 enden, wenn die beiden älteren Söhne die Abiturprüfung ablegen werden. Im Übrigen habe das Amtsgericht sein Einkommen zu hoch bemessen. Es müsse berücksichtigt werden, dass wegen struktureller Probleme im Gesundheitswesen ab 2013 mit erheblichen und dauerhaften Umsatzrückgängen zu rechnen sei.
19II.
20Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, weil das Amtsgericht ihren Unterhaltsanspruch für die Zeit ab März 2014 zu niedrig und den Befristungszeitraum zu kurz bemessen hat.
211.
22Der Antragsgegnerin steht gegenüber dem Antragsteller ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gemäß § 1575 Abs. 2, Abs. 1 BGB und sich später anschließenden Auf-stockungsunterhalt gem. § 1573 BGB zu.
23Die Antragsgegnerin hat in ihrem beruflichen Fortkommen mit Rücksicht auf die Ehe und die Geburt der gemeinsamen Kinder Nachteile auf sich genommen, die sie durch die – unmittelbar nach der Kündigung ihrer Beschäftigung durch den Antragsteller noch vor der Scheidung und damit sobald wie möglich – aufgenommene Facharztausbildung ausgleicht. So wie sich ihr beruflicher Werdegang bis zur Eheschließung und Geburt der Kinder darstellt, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin ohne die Ehe nicht einfache Ärztin geblieben wäre. Die Antragsgegnerin hat unmittelbar nach dem Examen mit dem konkreten Berufsziel Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie das Zweitstudium der Zahnmedizin aufgenommen, das sie neben ihrer Tätigkeit als Ärztin im Praktikum betrieb und erst im zeitlichen Zusammenhang mit der Geburt des zweiten Sohnes aufgab. Mit Rücksicht auf die Familie hat sie die Fortsetzung der beabsichtigten Facharztausbildung unterlassen.
24Die hierdurch entstandenen Nachteile hat die Antragsgegnerin durch die später während der Ehe absolvierten Zusatzausbildungen in den Bereichen Traditionelle Chinesische Medizin etc. nicht ausgleichen können. Hierbei handelt es sich nicht um Qualifikationen, die mit einer abgeschlossenen Facharztausbildung vergleichbar sind und auch nur annähernd die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten eröffnen, die die Antragsgegnerin als Fachärztin hätte.
25Die Weiterbildung zur Fachärztin ist notwendig, damit die Antragsgegnerin eine angemessene Erwerbstätigkeit erlangt, die den Unterhalt nachhaltig sichert. Obwohl die Antragsgegnerin ohne die Weiterbildung auch eine angemessene Erwerbstätigkeit i. S.d. § 1574 Abs. 2 BGB als Assistenzärztin finden könnte, entfällt der Unterhaltsanspruch nach § 1575 BGB nicht, denn mit der Facharztausbildung strebt sie eine ohne die Ehe schon früher erreichbare Verbesserung ihrer beruflichen Stellung an (vgl. BGH NJW 1985, 1695 = FamRZ 1985, 782, 785; NJW 1987, 2233 = FamRZ 1987, 795, 796; auch OLG Saarbrücken NJW-RR 2007, 1452 = FamRZ 2008, 411, 412).
26Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des Ehegatten sowie den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht, wobei die Ehedauer und die Dauer der Erziehung gemeinschaftlicher Kinder zu berücksichtigten sind. Gemessen daran ist die Facharzttätigkeit die angemessene Erwerbstätigkeit für die Antragsgegnerin. Beide Ehegatten strebten nach Abschluss ihres Studiums die Facharztlaufbahn an, die Eignung der Antragsgegnerin hierzu steht nicht in Zweifel. Die ehelichen Lebensverhältnisse wurden durch das Einkommen des Antragstellers als selbständiger Facharzt geprägt. Um den Standard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu erreichen, benötigt die Antragsgegnerin das Einkommen als Fachärztin. Eine bloße Tätigkeit als Ärztin erlaubt ihr keine angemessene Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse.
27Es ist auch zu erwarten, dass die Qualifikation als Fachärztin den Unterhalt nachhaltig sichert. Dauerhaft kann die Antragsgegnerin so ein höheres Einkommen erzielen. Es kann auch erwartet werden, dass die Antragsgegnerin eine entsprechende Stelle findet, denn sie verfügt über weitere Zusatzqualifikationen und wird zum Zeitpunkt des voraussichtlichen Abschlusses der Ausbildung mit 52 Jahren noch kein Alter erreicht haben, das ihre Erwerbschancen nachhaltig beeinträchtigt. Außerdem hat sie in der Praxis B. bereits gut Fuß gefasst, so dass sie Möglichkeiten haben dürfte, ihre weitere Laufbahn dort fortzusetzen. Entsprechend sind ihr bereits eine vollzeitige Beschäftigung für 2014 und die Einbindung in das neu zu eröffnende Behandlungszentrum in Aussicht gestellt worden.
28Dass die Antragsgegnerin von ihrem ursprünglichen Plan, Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zu werden, Abstand genommen hat und den Facharzt für Augenheilkunde macht, ist aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Denn die Fortsetzung des vor mehr als 16 Jahren abgebrochenen Zahnmedizinstudiums und die anschließende Facharztausbildung würde länger dauern als der jetzt gewählte Weg der sofortigen Aufnahme einer Facharztweiterbildung im Bereich Augenheilkunde. Durch den Wechsel der Fachrichtung tritt daher keine zeitliche Verzögerung ein, sondern der Antragsteller wird sogar gegenüber der Weiterführung der ursprünglich beabsichtigten Ausbildung entlastet. Der gewählte Fachbereich entspricht den Fähigkeiten und Neigungen der Antragsgegnerin, die vor dem Studium eine Ausbildung zur Orthoptistin begonnen hatte.
29Ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung innerhalb der normalen Weiterbildungszeit steht – unter Berücksichtigung einer ehebedingten und damit zu akzeptierenden Verzögerung – ebenfalls zu erwarten. Nach der Auskunft der Ärztekammer Nordrhein vom 08.11.2013, Bl. 993 GA hat die Antragsgegnerin im Weiterbildungszeitraum vom 01.03.2011 bis zum 17.10.2013 15,75 Monate der ambulanten Weiterbildungszeit absolviert. Für den erfolgreichen Abschluss der Facharztausbildung benötigt sie noch weitere 44,25 Monate ganztägige Facharztweiterbildungszeit für Augenheilkunde. Diese Verlängerung der Ausbildungszeit ist vom Antragsteller hinzunehmen.
30Im Hinblick auf die Rollenverteilung innerhalb der Ehe war die Antragsgegnerin berechtigt, die Weiterbildung zunächst im Rahmen einer halbschichtigen Tätigkeit aufzunehmen. Ein abrupter Wechsel von der Betreuung des Kindes zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit wird mit dem neuen Unterhaltsrecht nicht verlangt (BGH FamRZ 2012, 1040 ff). Die Antragsgegnerin hat nach der Geburt des zweiten Kindes ihre Berufstätigkeit erheblich eingeschränkt und sich der Kinderbetreuung und Haushaltsführung gewidmet. Im Zeitpunkt der Trennung war sie seitdem nur auf 400 € - Basis beim Antragsteller beschäftigt. Der jüngste Sohn war zum Trennungszeitpunkt 9 Jahre alt und bedurfte auch nach seinem Wechsel aufs Gymnasium noch außerhalb der Schule wegen der bei ihm festgestellten und von beiden Beteiligten als behandlungsbedürftig angesehen Lese-/Rechtschreibschwäche (Bl. 773 f BA TU) der Betreuung. Zudem betreiben alle drei Kinder nach wie vor intensiv den Golfsport, was ein erhebliches zeitliches Engagement des betreuenden Elternteils an drei Nachmittagen in der Woche, unter anderem durch Fahrdienste zu den meist schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden Golfplätzen, bedingt. Dass dieser Sport in der Familie der Beteiligten einen hohen Stellenwert einnahm und einnimmt, kommt in den Akten an verschiedenen Stellen zum Ausdruck und ist deswegen bei der Bemessung des Umfangs der Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin zu berücksichtigen.
312.
32Der eheangemessene Elementarbedarf der Antragsgegnerin ist nicht konkret durch die Feststellung der Kosten zu ermitteln, die die Antragsgegnerin zur Erhaltung ihres Lebensstandards für erforderlich hält. Zwar beziffert und berechnet sie ihren konkreten Bedarf zuletzt mit 3.800 bis 4.000 €. Aufgrund der Einkommenssituation des Antragstellers ist aber nicht ersichtlich, dass ausreichende Einkünfte für die Deckung dieses Bedarfs zur Verfügung standen. Der Antragsteller hat die Arztpraxis übernommen, ohne auf eigenes Kapital zurückgreifen zu können. Im Jahr 2004 erfolgte ein Umzug in neue Praxisräumlichkeiten. Der Antragsgegner hat seine Arztpraxis über eine Reihe von Darlehen der Apotheker- und Ärztebank finanziert. Die Finanzierung ist umfänglich belegt und bis zum Jahr 2012 dokumentiert, vgl. Bl. 246 ff BA TU, Bl. 452, 519, 1106 ff GA. Aus den lückenlos vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass die Darlehen bei der A.-Bank während des Bestehens der Ehe aufgenommen wurden und fortlaufend zur Gegenfinanzierung von kontinuierlich getätigten, den Gewinn übersteigenden Privatentnahmen notwendig waren. Der Praxisgewinn, von dem der Lebensbedarf der fünfköpfigen Familie zu decken war, reichte also nicht aus, um einen überdurchschnittlichen Lebensstandard zu finanzieren. Dass die Beteiligten während der Ehe über ihre Verhältnisse gelebt haben, kann nach ihrer Scheidung nicht zu einem Unterhaltsanspruch führen, auf den in dieser Höhe rechnerisch kein Anspruch besteht. Anspruch besteht nur auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten.
33Das – tatsächlich erwirtschaftete – durchschnittliche unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Antragstellers lag in den Jahren 2009 bis 2012 bei 5.300 €.
34Der Senat hält es vorliegend – wie regelmäßig bei der Ermittlung des Einkommens von Selbständigen wegen der üblicherweise jährlich der Höhe nach schwankenden Einnahmen – für angemessen, einen zeitnahen Mehrjahresdurchschnitt zu bilden und der Einkommensermittlung die Gewinne aus den Jahren 2009 bis 2012 zugrunde zu legen. Der Vierjahreszeitraum wird der Tatsache gerecht, dass das Jahr 2009 ein umsatzstarkes und das Jahr 2010 ein vergleichsweise umsatzschwaches Jahr war. Die Jahre 2011 und 2012 zeigen sich demgegenüber stabil.
35Entgegen der Ansicht des Antragstellers können die vorläufigen Zahlen für das Jahr 2013 zur Einkommensermittlung nicht herangezogen werden. Zwar sind dauerhaft zu erwartende, strukturell bedingte Einschnitte grundsätzlich berücksichtigungsfähig; diese müssen aber konkret fassbar gemacht werden. Hierzu reicht es nicht aus, die vorläufige Einkommen- und Steuerermittlung für 2013 mit dem Buchungsstand 30.09.2013 vorzulegen und pauschal auf Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen hinzuweisen. Ein Umsatzrückgang und noch weniger eine Tendenz auch für die Folgejahre kann auf dieser Grundlage nicht sicher angenommen werden.
36In Abzug zu bringen sind die Zahlungen für tilgungsersetzende Lebensversicherungen, die der Antragsteller nachgewiesen hat (Bl. 246 ff BA Trennungsunterhalt; Bl. 452, 619,1105 HA). Auf diese Weise wird dem oben bereits dargelegten Umstand Rechnung getragen, dass der Antragsteller seine Arztpraxis über eine Reihe von Darlehen der A.-bank finanziert hat. Die hierfür eingesetzten Beträge standen den Beteiligten bereits während intakter Ehe nicht zur Verfügung. Der Einwand der Antragsgegnerin, die Lebensversicherungen dienten der Vermögungsbildung, greift nicht durch. Zwar verringern sich später durch die Auszahlung der Versicherungen die Verbindlichkeiten des Antragstellers. Der Ertragswert seiner Praxis steigt dadurch aber nicht. Dem Antragsteller entstehen keine Vermögenswerte. Ein erheblicher Anstieg der Verschuldung nach der Trennung ist nicht zu verzeichnen. Die Aufwendungen für die Tilgungssurrogate haben sich nicht wesentlich erhöht. Der Antragsteller hat bis einschließlich 2012 nachgewiesen, dass die Verbindlichkeiten bestanden und bedient wurden. Eine vollständige Ablösung der Kredite für das Jahr 2013 bei gleichzeitiger Fortführung der Lebensversicherungen zum Zweck der Vermögensbildung ist weder ersichtlich noch vor dem Hintergrund der Ertragslage der Praxis plausibel.
37Die weiteren Abzugsposten, insbesondere Kranken- und Rentenversicherung, ergeben sich jeweils aus den Anlagen zur Einnahmenüberschussrechnung.
38Danach stellt sich das Einkommen des Antragsgegners wie folgt dar:
392009Bl. 452, 897 |
2010Bl. 452, 670 |
2011Bl. 519, 901 |
2012Bl. 1105, 1099 |
|
Gesamteinkünfte |
226.229,00 |
157.732,00 |
171.753,00 |
171.093,39 |
Steuer |
- 77.596,12 |
- 46.090,85 |
- 51.601,11 |
-51.000,00 Schätzung nach Vorjahr |
Krankenversicherung (Familie) |
- 12.817,44 |
- 13.081,61 |
- 11.463,38 |
- 11.664,84 |
Tilgungssurrogate Lebensversicherung |
- 22.352,36 |
- 23.352,36 |
- 23.100,72 |
- 24.319,56 |
Annuität (Bl. 116-120 BA 320/10) |
- 5.316,00 |
- 5.316,00 |
- 5.316,00 |
- 5.316,00 |
Versorgungswerk |
- 18.987,20 |
- 17.467,00 |
- 16.993,00 |
-15.084,00 |
Rentenversicherung |
- 3.775,00 |
- 2.831,40 |
- 3.775,20 |
- 3.775,20 |
85.384,68 |
49.592,78 |
59.503,59 |
59.933,79 |
Vierjahresschnitt = 63.603,71 € / 12 = (gerundet) 5.300,00 €
41Nach Abzug der – titulierten – Kindesunterhaltsverpflichtung in Höhe von insgesamt 1.668 € verbleibt ein Einkommen, das mit 3.632 € nicht die 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle übersteigt und keinen Raum für eine konkrete Ermittlung des eheangemessenen Bedarfs der Antragsgegnerin eröffnet.
423.
43Ihren eheangemessen Bedarf kann die Antragsgegnerin durch das aus der Beschäftigung als Weiterbildungsassistentin erzielte bzw. erzielbare Einkommen teilweise decken.
44Für die Zeit bis einschließlich Februar 2014 ist das tatsächlich aus der halbschichtigen Tätigkeit erzielte Einkommen zugrunde zu legen. Für die Zeit ab dem 01.03.2014 muss sich die Antragsgegnerin fiktiv die Einkünfte anrechnen lassen, die sie im Rahmen einer Vollzeitstelle als Weiterbildungsassistentin erzielen könnte. Wie oben ausgeführt war die Antragsgegnerin zwar zunächst berechtigt, die Ausbildung mit der Hälfte ihrer Arbeitskraft aufzunehmen. Die oben unter 1. dargestellten Umstände führen aber nur dazu, dass der Antragsgegnerin eine Übergangsfrist zuzubilligen ist, nach deren Ablauf sie entsprechend ihrer Obliegenheit, die Ausbildung zielstrebig und fleißig zu betreiben, verpflichtet ist, die Ausbildung in Vollzeit fortzusetzen. Diese Übergangsfrist erachtet der Senat unter Berücksichtigung der Dauer der ehebedingten Erwerbspause, des Alters der zu betreuenden Kinder sowie der bereits absolvierten Ausbildungszeit unter Abwägung der beiderseitigen Interessen mit drei Jahren für angemessen. Danach, also ab dem 01.03.2014, ist die Antragsgegnerin gehalten, die Weiterbildung ganztätig zu absolvieren.
45Tatsächliche Umstände, die auch dann noch die Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit erforderlich machen, sind nicht dargelegt und nicht ersichtlich.
46Nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs ist der Betreuungsbedarf des Kindes, der für den betreuenden Elternteil die Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit erforderlich macht, konkret darzulegen. Gemessen an diesen Anforderungen hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend dargelegt, dass ihr die ganztätige Ausbildung neben der Betreuung des dann 12 Jahre und 9 Monate alten jüngsten Sohnes nicht möglich wäre. Inwieweit für diesen neben der bestehenden Ganztags- und therapeutischen Betreuung sowie ernsthaft angebotenen Betreuungsmöglichkeiten beim Antragsteller noch ein die Vollerwerbstätigkeit hindernder persönlicher Betreuungsbedarf durch die Antragsgegnerin fortbesteht, ist nicht erkennbar (vgl. insoweit auch BGH, NJW 2011, 2430; NJW 2010, 3369 zum Betreuungsuntehalt). Ihr kann zugemutet werden, dem Sohn auch neben der Vollzeit-Ausbildung die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen.
47Auch ausreichende Bemühungen um eine entsprechende zeitliche Erweiterung ihrer Ausbildung hat die Antragsgegnerin nicht in ausreichendem Maße dargetan. Bisher liegt nur eine - zeitlich überholte - Bescheinigung ihres Arbeitsgebers vom 16.04.2013 vor, nach der eine Ausweitung der Tätigkeit nicht möglich gewesen ist, Bl. 917 GA. Die weiteren Angaben der Antragsgegnerin zu den sich jetzt und in Zukunft eröffnenden Möglichkeiten bleiben zu unbestimmt, um den Anforderungen an ihre diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast zu genügen. Es kann daher nicht zu ihren Gunsten angenommen werden, dass eine Ausweitung der Tätigkeit ab März 2014 ausgeschlossen ist.
48Eine über die Verpflichtung zur vollzeitigen Ausbildung hinaus gehende Verpflichtung zur Übernahme von Notdiensten o.ä. besteht vorliegend nicht, denn die Belastung der Antragsgegnerin mit Nebentätigkeiten würde das Ausbildungsziel und die angemessene Versorgung des jüngsten Sohnes gefährden. Der zum Empfang von Ausbildungsunterhalt Berechtigte ist nur verpflichtet, seine Ausbildung zielstrebig und fleißig zu verfolgen und zeitnah zum Abschluss zum bringen.
49Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ermittelt sich danach wie nachstehend aufgeführt:
50Für die Zeit bis einschließlich Februar 2014 ist für die Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin das tatsächliche Einkommen zugrunde zu legen.
51Aus der Dezemberabrechnung 2012 ergibt sich ein durchschnittlicher Wert von 1.165 €. Das Einkommen ist um berufsbedingte Aufwendungen mit pauschal 150 € zu bereinigen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Antragstellerin bis Oktober 2013 Stellplatzkosten in Höhe von 110 € aufwenden musste, die sich seit November 2013 noch auf 65 € belaufen, wobei die Möglichkeit einer privaten Nutzung des Stellplatzes besteht, und dass sie seit Oktober 2013 Fahrgeld in Höhe von 114 € bezieht. Es ergibt sich ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.015 €.
52Der Unterhaltsanspruch beträgt dann nach der Differenzmethode
535.300 € – 1.668 Kindesunterhalt – 1.015 € Eigeneinkommen = 2.617 € x 3/7 = (ger.) 1.122 €.
54Gem. § 1578 Abs. 2 BGB gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Krankenversicherung. Die Antragsgegnerin, die nicht mehr über den Antragsteller privat krankenversichert ist, hat für die Zeit ab Januar 2013 Kosten für eine private Zusatzkrankenversicherung in Höhe von monatlich 80,49 € nachgewiesen, Bl. 732 GA. Diese Kosten kann sie zur Aufrechterhaltung des während der Ehe bestehenden Krankenvorsorgeniveaus als Krankenvorsorgeunterhalt verlangen (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 4 Rdnr. 900 ff; vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 2008, 789).
55Insgesamt kann die Antragsgegnerin daher für die Zeit von Juli bis Dezember 2012 wie vom Amtsgericht berechnet monatlich 1.123 € beanspruchen.
56Die geringfügige, auf einer Rundungsdifferenz beruhende Abweichung der oben stehenden im Vergleich zur amtsgerichtlichen Berechnung rechtfertigt keine Abänderung dieser Entscheidung für den Zeitraum Juli bis Dezember 2012.
57Für die Zeit von Januar 2013 bis einschließlich Februar 2014 errechnet sich unter Berücksichtigung des Krankenvorsorgeunterhalts von 80,49 € der folgende Unterhaltsanspruch:
585.300 € – 1.668 Kindesunterhalt – 80,49 € Krankenvorsorgeunterhalt - 1.015 € Eigeneinkommen = 2.536,51 € x 3/7 = (ger.) 1.087,00 €.
59Ab März 2014 wird der Antragsgegnerin das Einkommen einer Weiterbildungsassistentin in Vollzeit zugerechnet. Ausgehend von ihrem derzeitigen Bruttoeinkommen in Teilzeit ergibt sich ein mindestens zu erwartendes Bruttoeinkommen bei Vollzeit von 3.000 €. Ein höheres, nach dem für Ärzte in kommunalen Krankenhäusern geltenden Tarif bemessenes Einkommen kann derzeit nicht fiktiv zur Anrechnung gelangen, denn der Antragsgegnerin ist es unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen, dass sie ihre Ausbildungsstelle nicht wechselt. Dass die Anzahl der Weiterbildungsstellen im Bereich der Augenheilkunde besonders gering ist, haben die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen. Die Chancen für einen Wechsel der Ausbildungsstelle sind daher nicht als besonders aussichtsreich zu beurteilen. Außerdem würde die Antragsgegnerin damit ihre prognostisch guten Aussichten auf eine Übernahme in die Ausbildungspraxis nach Ablegung ihrer Facharztprüfung aufgeben müssen. Das erscheint für den Preis einer allenfalls kurzfristigen und geringfügigen Einkommenssteigerung während der weiteren Ausbildungszeit unzumutbar und auch für den Antragsteller im Hinblick auf einen sich später unter diesen Umständen möglicherweise anschließenden Aufstockungsunterhalt, weil die Antragsgegnerin keine Stelle findet, nicht erstrebenswert.
60Aus dem Bruttoeinkommen von 3.000 € ergibt sich netto
61Monatstabelle
62Steuerjahr 2013
63Bruttolohn: . . . . . . . . . . . 3.000,00 Euro
64LSt-Klasse 2
65Kinderfreibeträge 1,5
66Lohnsteuer: . . . . . . . . . . . -432,25 Euro
67Solidaritätszuschlag . . . . . . . . . . -10,03 Euro
68Rentenversicherung (18,9 % / 2) . . . . . . -283,50 Euro
69Arbeitslosenversicherung (3,0 % / 2) . . . . . -45,00 Euro
70Krankenversicherung: (14,6 % /2 + 0,9 %) . . . -246,00 Euro
71Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,025 %) . . . . -30,75 Euro
72––––––––––––––––––
73Nettolohn: . . . . . . . . . . . 1.952,47 Euro
74Bereinigt um berufsbedingte Aufwendungen von 65 € Stellplatz- und 187 € Fahrtkosten und zuzüglich vom Arbeitgeber gezahlten Fahrgeldes von 114 € ergeben sich rund 1.814 €.
75Der Unterhaltsanspruch beträgt dann nach der Differenzmethode
765.300 € – 1.668 Kindesunterhalt – 80,49 Krankenvorsorgeunterhalt - 1.814 € Eigeneinkommen = 1.737,51 € x 3/7 = (ger.) 745,00 €.
77Ab März 2014 stehen der Antragsgegnerin damit monatlich 745 € nachehelicher Unterhalt zu.
784.
79Die Vornahme einer Befristung erscheint dem Senat vorliegend angemessen und im Hinblick auf die unbestimmte Fortdauer der Weiterbildung auch veranlasst. Die vom Amtsgericht angesetzte Frist ist allerdings bis März 2016 zu kurz bemessen. Nach der vorzunehmenden umfassenden Billigkeitsabwägung hält der Senat vorliegend eine Befristung bis Dezember 2017 für gerechtfertigt.
80Grundsätzlich ist der Ausbildungsunterhaltsanspruch bereits durch den Zeitraum begrenzt, den die Ausbildung in Anspruch nimmt, so dass ein Bedürfnis für eine Befristung nicht besteht. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass die Leistungszeit wegen der derzeitigen Halbtagsweiterbildung ungewiss ist und sich außerdem ein Aufstockungsunterhaltsanspruch anschließen könnte. Daher besteht bereits jetzt ein Bedürfnis dafür, einen Endzeitpunkt für die Unterhaltsverpflichtung festzulegen.
81Ein Unterhaltsanspruch ist gem. § 1578b Abs. 2 BGB zu befristen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung sind unter anderem die Lebensleistung der Berechtigten, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten sowie Dauer und Höhe des bereits gezahlten Unterhalts zu berücksichtigen (BGH, NJW 2012, 74; NJW 2011, 1285). Dabei kommt es insbesondere auch auf die Frage an, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen (BGH, NJW 2012, 3434, 3437).
82Bei bestehenden ehebedingten Nachteilen ist eine Befristung des nachehelichen Unterhalts zwar regelmäßig nicht auszusprechen. Eine Befristung trotz fortbestehender ehebedingter Nachteile kommt jedoch unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht (Senatsbeschluss vom 27.06.2012, NJW 2012, 3382, im Anschluss an BGH, Urteil vom 02.02.2011 - XII ZR 11/09, NJW 2011, 2969).
83Zwar hat die Rollenverteilung in der als lang zu bewertenden Ehe bei der Antragsgegnerin zu beruflichen Nachteilen geführt, die auch über den Befristungszeitraum hinaus fortwirken können. Die Antragsgegnerin, die ihr Studium zielstrebig betrieben hat und konkrete, realistische Facharztpläne verfolgte, hätte ohne die Eheschließung die Facharztlaufbahn erfolgreich durchlaufen; denkbar ist sogar eine Karriere als Oberärztin. Dann würde sie heute zwischen 3.470 € und 4.000 € netto verdienen. Ein solches Einkommen wird die Antragsgegnerin auch nach erfolgreichem Abschluss der Facharztausbildung und Antritt einer entsprechenden Anstellung voraussichtlich nicht mehr erreichen können. Altersbedingt kann sie die höchste Entgeltstufe der Fach- bzw. Oberärzte nicht mehr erreichen, was zum Ausgleich ihres ehebedingten Nachteils aber erforderlich wäre.
84Die Befristung entspricht gleichwohl der Billigkeit, weil vorliegend außergewöhnliche Umstände gegeben sind.
85Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Antragsteller nach aller Voraussicht allein mit den Kosten des Unterhalts und der Ausbildung der gemeinsamen Söhne, von denen zwei eine akademische Laufbahn anstreben, belastet bleiben wird. Die Antragsgegnerin wird auf absehbare Zeit allenfalls geringe Beiträge hierzu leisten können. Auch der Antragsteller hat daher ehebedingte finanzielle Einbußen hinzunehmen. Vor ihrer Trennung hatten die Beteiligten geplant, die Antragsgegnerin mit der größer werdenden Selbständigkeit der Kinder in den Praxisbetrieb des Antragstellers immer stärker einzubinden und mit einem eigenen Aufgabenbereich auszustatten. Die Finanzlage der Familie wäre durch die hiermit verbundene Steigerung des Praxisumsatzes und die größere wirtschaftliche Unabhängigkeit der Antragsgegnerin gestärkt worden. Mit dem Scheitern der Ehe konnte dieser Plan nicht mehr verwirklicht werden.
86Bei dieser Sachlage kann und muss der Antragsgegnerin zugemutet werden, teilweise auf den Ausgleich ihrer ehebedingten beruflichen Nachteile zu verzichten, weil so die aus der fehlgeschlagenen gemeinsamen Lebensplanung wechselseitig resultierenden finanziellen Nachteile angemessen ausgeglichen werden. Bei der Billigkeitsabwägung war nach dem Maßstab der nachehelichen Solidarität auch zu berücksichtigten, dass der Antragsteller schon während der mehr als drei Jahre andauernden Trennungszeit durch erhebliche Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Antragsgegnerin bereits stark belastet worden ist.
87Bei der Wahl des Befristungszeitpunkts hat der Senat die Zeit berücksichtigt, die die Antragsgegnerin bis zum Abschluss der Facharztausbildung zuzüglich einer angemessenen Zeit für die Aufnahme einer entsprechenden Beschäftigung noch benötigen würde, wenn sie ab März 2014 die Weiterbildung in Vollzeit absolviert. Weil die Antragsgegnerin die ersten drei Jahre der Ausbildung halbschichtig zu absolvieren berechtigt war, verlängert sich ihre Ausbildungszeit entsprechend, so dass mit einem Abschluss der Ausbildung nicht vor Juli 2017 zu rechnen ist. Mit üblichen Wartezeiten auf einen Prüfungstermin und unter Berücksichtigung einer für Anpassungen in der Augenarztpraxis B. oder für Bewerbungen an anderer Stelle notwendigen Übergangsphase bis zur Aufnahme der Facharzttätigkeit ist ein Zeitraum bis einschließlich Dezember 2017 zu kalkulieren.
88Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und der oben genannten Umstände hat der Senat mit der mit knapp sechs Jahren bemessenen Befristungsdauer einen angemessenen Ausgleich gefunden.
89Ein hierüber hinausgehender Unterhaltsanspruch wäre unbillig im Sinne des § 1578 b BGB. Denn die Antragsgegnerin ist aufgrund der nachehelichen Solidarität verpflichtet, die Ausbildung zielstrebig zu betreiben und diese innerhalb des o.g. Zeitraums abzuschließen. Genauso ist aber auch die vom Antragsteller angestrebte zeitnähere Befristung nicht geboten. Sie würde das Ausbildungsziel gefährden und deshalb seiner Verpflichtung zur nachehelichen Solidarität zuwider laufen.
90Der im Senatsbeschluss vom 02.12.2013 zu Vergleichszwecken vorgeschlagene kürzere Befristungszeitraum ergab sich aus der Anregung, die Antragsgegnerin von Unterhaltsansprüchen der Kinder insgesamt freizustellen. Ohne die Freistellung kommt eine Verkürzung der Frist nicht in Betracht.
915.
92Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er eine Herabsetzung der erstinstanzlich festgesetzten Unterhaltsbeträge und eine Verkürzung der Befristung anstrebt, hat aus den vorstehenden Gründen keinen Erfolg.
936.Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 150, 243, 116 Abs. 3 FamFG.
94Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Eine Rechtsmittelbelehrung ist deshalb nicht zu erteilen.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 29. Jan. 2014 - II-8 UF 180/13
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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 29. Jan. 2014 - II-8 UF 180/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Der Anspruch besteht längstens für die Zeit, in der eine solche Ausbildung im Allgemeinen abgeschlossen wird; dabei sind ehebedingte Verzögerungen der Ausbildung zu berücksichtigen.
(2) Entsprechendes gilt, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind.
(3) Verlangt der geschiedene Ehegatte nach Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung Unterhalt nach § 1573, so bleibt bei der Bestimmung der ihm angemessenen Erwerbstätigkeit (§ 1574 Abs. 2) der erreichte höhere Ausbildungsstand außer Betracht.
(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.
(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.
(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.
(5) (weggefallen)
(1) Dem geschiedenen Ehegatten obliegt es, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben.
(2) Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes zu berücksichtigen.
(3) Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist.
(1) Ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. Der Anspruch besteht längstens für die Zeit, in der eine solche Ausbildung im Allgemeinen abgeschlossen wird; dabei sind ehebedingte Verzögerungen der Ausbildung zu berücksichtigen.
(2) Entsprechendes gilt, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind.
(3) Verlangt der geschiedene Ehegatte nach Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung Unterhalt nach § 1573, so bleibt bei der Bestimmung der ihm angemessenen Erwerbstätigkeit (§ 1574 Abs. 2) der erreichte höhere Ausbildungsstand außer Betracht.
(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.
(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.
(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.
(1) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile im Sinne des Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben.
(2) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs können miteinander verbunden werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
- 2
- Der 1966 geborene Antragsteller und die 1965 geborene Antragsgegnerin , die beide deutsche Staatsangehörige sind, heirateten am 20. Mai 1994. Aus der Ehe sind drei Kinder, geboren am 2. September 1996, 1. Mai 1998 und 14. Januar 2002, hervorgegangen, die bei der Mutter leben. Am 19. Mai 1994 hatten die Parteien einen Ehevertrag geschlossen, durch den sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten, den Versorgungsausgleich ausschlossen und für den Fall der Scheidung wechselseitig auf Unterhalt verzichteten. Für den Scheidungsfall verpflichtete sich der Antragsteller, der Antragsgegnerin das Eigentum an einem Mehrfamilienhaus in H.-O. zu übertragen, das er von seiner Großmutter erhalten hatte. Die Pflicht zur Übertragung sollte jedoch nur dann bestehen, wenn die Ehe mindestens vier Kalenderjahre gedauert hatte oder gemeinsame Kinder vorhanden sind. Für den Fall einer früheren Scheidung verpflichtete sich der Antragsteller zur Zahlung eines Betrages von 60.000 DM.
- 3
- Der Antragsteller befand sich zur Zeit der Eheschließung noch in der juristischen Referendarausbildung, während die Antragsgegnerin ihr Studium mit dem Abschluss als Diplom-Volkswirtin bereits beendet und zusätzlich einen Magisterabschluss für Europastudien erworben hatte. Seit dem 1. August 1993 war sie im Außendienst für eine Versicherung tätig. Die Beschäftigung unterbrach sie wegen der bevorstehenden Geburt des ersten Kindes. Der Antragsteller arbeitete nach dem zweiten Staatsexamen zunächst für verschiedene Rechtsanwaltskanzleien und nahm zum 1. Oktober 1998 eine Stelle als Justiziar in der Schweiz an. Im April 1999 zog die Antragsgegnerin mit den beiden älteren Kindern ebenfalls in die Schweiz, wo die Parteien nach wie vor leben.
- 4
- Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien geschieden, die Anträge auf Kindes- und Ehegattenunterhalt abgewiesen und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. Auf die Berufung der Antragsgegnerin, mit der sie nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 8.967,70 SFr verlangt hat, hat das Kammergericht das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und den Antragsteller zur Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 650 € verurteilt. Bezüglich des Scheidungsausspruchs sowie des Versorgungsausgleichs blieb die Berufung dagegen ohne Erfolg. Gegen die Entscheidung zum Unterhalt haben beide Parteien die zugelassene Revision eingelegt. Die Antragsgegnerin verfolgt ihr zweitinstanzliches Begehren weiter, während der Antragsteller nur noch eine Befristung des Unterhalts bis zum 31. Januar 2012 erstrebt.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision des Antragstellers ist begründet, während die Revision der Antragsgegnerin ohne Erfolg bleibt.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat den Ehevertrag für wirksam gehalten, im Wege der Ausübungskontrolle aber auf Zahlung nachehelichen Unterhalts erkannt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragsgegnerin habe bei Abschluss des Ehevertrages eine im Grundsatz jedenfalls gleichwertige Verhandlungsposition im Verhältnis zum Antragsteller gehabt. Sie habe bereits über eine fundierte Ausbildung verfügt und im Erwerbsleben gestanden. Demgegenüber sei der Antragsteller darauf angewiesen gewesen, dass ihm seine Großmutter das Mehrfamilienhaus, durch das die Antragstellerin im Scheidungsfall habe abgesichert werden sollen, überlässt. Es sei nicht dargelegt, dass bereits bei Abschluss des Ehevertrages der spätere berufliche Erfolg des Antragstellers absehbar gewesen sei. Der Ehevertrag enthalte auch keine evident einseitigen Regelungen. Dies gelte mit Rücksicht auf die vorgesehene Kompensationsregelung auch hinsichtlich des Verzichts auf Betreuungsunterhalt. Die vorgesehene Regelung sei zum Ausgleich seinerzeit absehbarer ehebedingter Nachteile der Antragsgegnerin ausreichend gewesen, da sie mit den ausdrücklich als Vertragsgrundlage angegebenen monatlichen Mieteinkünften von ca. 3.800 DM den Lebensstandard, den sie aus eigenen Mitteln habe finanzieren können, weitgehend hätte absichern können. Ihre eigenen Bruttoeinkünfte seien kaum höher gewesen. Die Mieteinnahmen hätten ihr überdies bis ins Alter ein beträchtliches Sockeleinkommen gesichert. Dass die Antragsgegnerin durch den Ehevertrag von einer über die Scheidung hinausreichenden Teilhabe an den später auf Seiten des Antragstellers eingetretenen Verbesserungen der ehelichen Lebensverhältnisse ausgeschlossen worden sei, begründe keine Sittenwidrigkeit.
- 7
- Allerdings erscheine im Rahmen der Ausübungskontrolle eine Vertragsanpassung geboten, weil nachteilige und insgesamt wesentliche Abweichungen von der vorgestellten Entwicklung vorlägen. Mit der ehebedingten Übersiedlung in die Schweiz, die im Interesse der Kinder vorerst nicht rückgängig gemacht werden könne, hätten sich die Chancen auf einen beruflichen Wiedereinstieg der Antragsgegnerin verschlechtert; sie könne ihre volkswirtschaftlichen und versicherungsrechtlichen Kenntnisse dort nur eingeschränkt verwerten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass das Wohnen in der Schweiz mit höheren Lebenshaltungskosten verbunden sei. Als weiterer bei Abschluss des Ehevertrages nicht vorhersehbarer Umstand sei in die Prüfung einzubeziehen , dass sich die Ertragskraft des Mehrfamilienhauses, das zur Kompensation ehebedingter Nachteile zu übertragen sei, nachhaltig verschlechtert habe. Inzwischen würde durch die Mieterträge weder der frühere Verdienst der Antragsgegnerin vollständig ausgeglichen noch seien die Erträge annähernd geeignet , ihre weiteren ehebedingten Nachteile zu kompensieren. Jedenfalls in ihrer Summierung begründeten die aufgezeigten Umstände eine ungleiche Verteilung der ehebedingten Lasten, die von der Antragsgegnerin nicht hingenommen werden müsse.
- 8
- Die Höhe der auszugleichenden ehebedingten Nachteile sei nach der Differenz des Einkommens zu bemessen, das die Antragsgegnerin aus einer ihrer Ausbildung entsprechenden, kontinuierlich ausgeübten Berufstätigkeit erzielen könnte, und dem Verdienst, den sie aus einer vollen Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften in der Lage sei. Ausgangspunkt für die Vertragsanpassung müsse daher das zu schätzende Nettoeinkommen der Antragsgegnerin sein, das sie realistischerweise bei normaler Entwicklung und zu erwartenden beruflichen Aufstiegen erzielen würde, wenn sie ohne Kinder und sonstige ehebedingten Nachteile in ihrem vorehelich angelegten Berufsfeld geblieben wäre. Soweit die Antragsgegnerin ein unter diesen Bedingungen erreichbares Nettoeinkommen von 5.000 € behauptet habe, sei ihr Vortrag unsubstantiiert, da sie die Gehaltsentwicklung in der Versicherungsbranche, etwa durch Vergleich mit der beruflichen Entwicklung von Arbeits- oder Studienkollegen, nicht dargelegt habe. Eine Vervierfachung ihres damaligen Einkommens, das nach den zum Versorgungsausgleich eingeholten Einkünften im Jahr 1994 bei insgesamt 45.618 DM brutto bzw. monatlich 2.400 DM netto gelegen habe, könne nicht ohne weiteren substantiierten Vortrag als eine normale Weiterentwicklung festgestellt werden. Bei der gebotenen Schätzung der Erwerbsnachteile sei zu berücksichtigen, dass nach dem WSI-Tarifarchiv der Hans-Boeckler-Stiftung die tarifliche Obergrenze des Bruttoeinkommens in der obersten Gruppe für im Innendienst der Versicherungsbranche Beschäftigte im Jahr 2000 bei monatlich 3.884 € brutto gelegen habe. Dass die Antragsgegnerin, selbst wenn sie als im Außendienst eingesetzte Akademikerin mit einer außertariflichen Leistung ihres Arbeitgebers habe rechnen können, viel mehr hätte verdienen können, sei nicht anzunehmen. Die vergleichbaren Zahlen von 1996 wiesen aus, dass der Höchstbetrag für den damals allein ausgewiesenen Westteil des Bundesgebiets bei 6.291 DM brutto gelegen habe, was der aus dem Lebenshaltungskostenindex für 1994 bis 2007 ablesbaren Steigerungsrate von 121 % entspreche. Mangels weiterer substanti- ierter Darlegungen der Antragsgegnerin werde allenfalls ein an der angeführten Obergrenze orientiertes Jahresbruttoeinkommen von 46.608 €, das einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.230 € entspreche, als bei normaler Fortentwicklung ihrer vorehelich erworbenen Qualifikation erzielbar gehalten. Im Hinblick auf die höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz sei dieses Einkommen nach den Tabellen des Statistischen Bundesamts zu den Verbrauchergeldparitäten für Juni 2008 um einen Zuschlag von 10,9 % auf einen Betrag von 2.473 € aufzustocken.
- 9
- Dieser Betrag stelle - abgesehen von der zu berücksichtigenden Kompensation - aber nicht in voller Höhe einen ehebedingten Nachteil dar. Der Antragsgegnerin obliege auch unter Berücksichtigung der Kindesbetreuung die Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Sie habe jedoch bis zuletzt keinerlei nachhaltige Anstrengungen unternommen, um sich im Rahmen ihres unbestritten fortbestehenden Arbeitsvertrags als Inspektorin bei der S.-I. Versicherungsgruppe um einen alsbaldigen beruflichen Wiedereinstieg zu bemühen. Da es in der Schweiz eine im Rückversicherungsgeschäft tätige Tochter-Gesellschaft der Versicherung gebe und nach entsprechender Einarbeitung qualifizierte Tätigkeiten über Home-Offices auch von der Wohnung aus ausgeübt werden könnten, sei nicht auszuschließen, dass die Antragsgegnerin trotz der von ihr betonten hohen Kinderbetreuungsbelastung auch derzeit schon durch eigene Erwerbseinkünfte zur Abdeckung eines Fehlbetrags beitragen könne. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sie ernsthaft an der Übernahme einer in Betracht kommenden Erwerbstätigkeit hindern würden, hätten nicht festgestellt werden können. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin bei gebotener Anstrengung durch eine zumutbare Teilzeitbeschäftigung 400 € monatlich verdienen könne, so dass als ehebedingter Ausfall des Erwerbseinkommens nur ein Betrag von 2.073 € verbleibe.
- 10
- Diesem Betrag stehe eine Kompensation durch ehebedingte Vorteile infolge des Ehevertrags gegenüber, die für 2007 als dem letzten vollständig belegten Geschäftsjahr bei 1.097 € monatlich gelegen habe. Danach verbleibe ein ehebedingter Nachteil in Höhe von (2.073 € - 1.097 €) ca. 975 €. Da im Rahmen der Ausübungskontrolle aber nicht jeder Nachteil auszugleichen sei, sondern ein Ausgleich nur insoweit stattfinde, als dem Benachteiligten das Festhalten an dem Ehevertrag unzumutbar sei, sei ein Anteil von einem Drittel der Nachteile von der Antragsgegnerin hinzunehmen. Nur hinsichtlich des restlichen 2/3-Anteils, mithin in Höhe von 650 €, könne sie einen Ausgleich vom Antragsteller verlangen. Diesem Nachteil stehe auf Seiten des Antragstellers eine unbestritten ausreichende Leistungsfähigkeit gegenüber, so dass die ausgeurteilte Zahlung für ihn als durchaus hinnehmbar und insgesamt als billig erscheine. Eine Befristung der Nachteilskompensation könne nicht erfolgen, da nicht ersichtlich sei, dass die Antragsgegnerin die geringeren Erträge aus dem Mehrfamilienhaus durch eine bessere Verwertung der Immobilie ausgleichen könne.
- 11
- Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
II.
- 12
- Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers nach dem auf die Scheidung angewandten deutschen Recht beurteilt (Art. 8 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 [BGBl II 1986, 837], für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 1. April 1987 [BGBl II 1986, 225]).
III. Revision der Antragsgegnerin
- 13
- Der Antragsgegnerin steht ein weitergehender Unterhaltsanspruch nicht zu.
- 14
- 1. Die Parteien haben Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt durch den am 19. Mai 1994 abgeschlossenen Ehevertrag wirksam ausgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterliegen die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - unzumutbar erscheint (Senatsurteile BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601; vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444 und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386, 387).
- 15
- Eine solche einseitige Lastenverteilung, der die Anerkennung der Rechtsordnung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten zu versagen wäre (§ 138 Abs. 1 BGB), hat das Berufungsgericht verneint. Ebenso wenig hat es die Überzeugung gewinnen können, dass sich die Antragsgegnerin bei Vertragsschluss in einer unterlegenen Verhandlungsposition befunden habe. Diese Würdigungen sind nach den getroffenen Feststellungen rechtlich nicht zu bean- standen. Auch die Revision der Antragsgegnerin erhebt hiergegen keine Einwendungen.
- 16
- 2. Soweit ein Ehevertrag im Rahmen der Inhaltskontrolle nicht zu beanstanden und auch nicht aus sonstigen Gründen sittenwidrig ist, muss der Richter - im Rahmen einer Ausübungskontrolle - prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Hält die Berufung eines Ehegatten auf die getroffene Regelung der Ausübungskontrolle nicht stand, so führt dies weder zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt wird. Der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen , die den berechtigten Belangen beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausgewogener Weise Rechnung trägt (vgl. grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606). Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) finden auf Eheverträge Anwendung, soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen Lebensplanung, die die Ehegatten dem Ehevertrag zugrunde gelegt haben, abweicht. In diesem Fall kann eine Vertragsanpassung vorzunehmen sein (Senatsurteile vom 17. Oktober 2007 - XII ZB 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 36 und vom 25. Mai 2005 - XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444,
1448).
- 17
- Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen der angestellten Ausübungskontrolle veranlasst gesehen, die Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente anzuordnen. Das wird von der Revision der Antragsgegnerin als ihr günstig nicht angegriffen.
- 18
- 3. Sie wendet allerdings ein, das Berufungsgericht habe bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Auswirkungen der ehebedingten Nachteile allein auf das vor der Ehe erzielte Einkommen der Antragsgegnerin abgestellt, obwohl diese zum damaligen Zeitpunkt eine erheblich unter ihrer beruflichen Qualifikation liegende Stelle angenommen habe. Nach unstreitig gebliebenem Sachvortrag habe sie diese Stelle allein deshalb angenommen, weil sich zum damaligen Zeitpunkt am Ort der gemeinsamen Ehewohnung eine ihrer fachlichen Qualifikation entsprechende Arbeit nicht habe finden lassen und sie eine örtliche Trennung von ihrem Ehemann allein zu beruflichen Zwecken nicht habe in Kauf nehmen wollen. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände sei davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin bei einer Fortführung ihrer Berufstätigkeit ohne Umzug der Familie in die Schweiz mittelfristig auch an dem damaligen Wohnort eine ihrer Qualifikation entsprechende Stelle gefunden hätte. Auf der Grundlage des Sachvortrags der Antragsgegnerin zu dem hierdurch erzielbaren Einkommen von mindestens 96.000 € brutto jährlich, den das Berufungsgericht in seinem Hinweis als ausreichend erachtet habe, habe es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die ehebedingten Nachteile weit über dem angenommenen Betrag von monatlich 650 € lägen.
- 19
- Damit vermag die Revision keinen weitergehenden ehebedingten Nachteil aufzuzeigen.
- 20
- a) Dass die Antragsgegnerin nach ihrem im Jahr 1992 beendeten Studium eine Erwerbstätigkeit im Außendienst einer Versicherung aufgenommen hat, ist nicht auf die Ehe der Parteien zurückzuführen. Die Antragsgegnerin hat diese Tätigkeit bereits zum 1. August 1993 begonnen, um eine räumliche Trennung von ihrem späteren Ehemann zu vermeiden. Die Ehe haben die Parteien erst im Mai 1994 geschlossen. Die geraume Zeit vor der Ehe liegende Entwicklung war deshalb nicht durch die Ehe, sondern durch das bereits länger wäh- rende voreheliche Zusammenleben veranlasst, was vom Vertrauen in den Bestand der Ehe nicht umfasst wird und deshalb keinen ehebedingten Nachteil zu begründen vermag (vgl. Senatsurteile vom 26. Mai 2010 - XII ZR 143/08 - FamRZ 2010, 1238 Rn. 39 und vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 25).
- 21
- b) Abgesehen davon ist das Berufungsgericht aber auch der Frage nachgegangen, welches Einkommen die Antragsgegnerin hätte erzielen können , wenn sie ohne Kinder und ohne sonstige ehebedingte Einschränkungen in ihrem vorehelich angelegten Berufsfeld geblieben wäre, um die aufgrund ihrer akademischen Vorbildung mögliche Karriere zu machen. Es hat allerdings den Vortrag der Antragsgegnerin, sie hätte ein monatliches Nettoeinkommen von 5.000 € erzielen können, für unsubstantiiert gehalten. Die dagegen gerichtete Verfahrensrüge ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat in dem von der Revision in Bezug genommenen Hinweis vom 1. August 2008 nicht zu erkennen gegeben, dass der Vortrag als ausreichend erachtet werde; vielmehr hat es ausgeführt, die Antragsgegnerin habe bisher nur pauschal vorgetragen, dass sie in der Versicherungsbranche oder in der freien Wirtschaft bei ununterbrochener Karriere monatlich mindestens 5.000 € netto verdient hätte. Zu einem weiteren Hinweis bestand kein Anlass, zumal der Antragsteller im Berufungsverfahren ausdrücklich beanstandet hat, dass der Vortrag unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig sei. Dass das Berufungsgericht in Ermangelung anderweitigen substantiierten Vortrags die Verdienstmöglichkeiten in der Versicherungsbranche selbst ermittelt und seine Entscheidung darauf gestützt hat, liegt im Rahmen der tatrichterlichen Beurteilung und beschwert die Antragsgegnerin nicht.
- 22
- c) Soweit die Revision außerdem einwendet, das Berufungsurteil trage dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass ihr ehebedingter Nachteil auf den Umzug in die Schweiz und die dort für sie bestehenden Schwierigkeiten, eine Berufstätigkeit auszuüben, zurückzuführen sei, vermag sie auch damit nicht durchzudringen. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung des von der Antragsgegnerin erlittenen ehebedingten Nachteils darauf abgestellt, was sie ohne Berufspause in Deutschland hätte verdienen können und hat zusätzlich die in der Schweiz anfallenden höheren Lebenshaltungskosten berücksichtigt. Einen darüber hinausgehenden Ausgleich kann die Antragsgegnerin nicht beanspruchen.
- 23
- d) Die Revision rügt schließlich, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragstellers bei Abschluss des Ehevertrages von beiden Eheleuten lediglich zwei Kinder geplant gewesen seien. Bei einer Umsetzung dieser Vorstellungen hätte sich für die Antragsgegnerin sehr viel früher die Möglichkeit zur Rückkehr in das Berufsleben ergeben als nach der Geburt des dritten Kindes. Auch damit hat die Revision keinen Erfolg, insbesondere hat das Berufungsgericht nicht den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
- 24
- Der Antragsteller hat in dem von der Revision in Bezug genommenen Schriftsatz ausgeführt, "die Parteien hätten zwei Kinder und genau das hätten sie bereits bei Vertragsschluss vorhergesehen." Da die Parteien tatsächlich drei Kinder haben, handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler. Im Berufungsverfahren hat der Antragsteller auch ausdrücklich bestritten, dass nur zwei Kinder geplant gewesen seien.
- 25
- 4. Im Übrigen greift die Revision die Bemessung des auszugleichenden ehebedingten Nachteils, insbesondere der gegenzurechnenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nicht an. Gegen die in objektiv nachprüfbarer und nachvollziehbarer Weise dargestellte tatrichterliche Beurteilung bestehen auch insoweit keine rechtlichen Bedenken.
- 26
- 1. Der Antragsteller wendet sich gegen eine Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung über den 31. Januar 2012 hinaus. Er macht geltend: Die Bestandsgarantie , die das Berufungsgericht der Antragsgegnerin gewähre, hätte sie aufgrund der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform ohne Ehevertrag nicht erhalten. Die Ausübungskontrolle müsse aber die Regelung des § 1578 b BGB einbeziehen. Das habe das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft versäumt. Ende Januar 2012 seien die Kinder 15 ½, fast 14 und 10 Jahre alt, weshalb für die Antragsgegnerin eine weitergehende Erwerbsobliegenheit bestehe. Mit einem erzielbaren Einkommen von ca. 1.370 € könne sie aber die Differenz zwischen dem ohne die Ehe möglichen Einkommen und den Mieteinkünften decken.
- 27
- Diesem Angriff ist im Ergebnis ein Erfolg nicht zu versagen.
- 28
- 2. Wenn die Berufung eines Ehegatten auf den Ausschluss einer Scheidungsfolge der Ausübungskontrolle nicht standhält, so wird allerdings nicht notwendigerweise die vom Gesetz vorgesehene, aber vertraglich ausgeschlossene Scheidungsfolge in Vollzug gesetzt. Der Richter hat vielmehr diejenige Rechtsfolge anzuordnen, die den Belangen beider Parteien in ausgewogener Weise Rechnung trägt (Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606). Dabei darf er den durch den Ehevertrag benachteiligten Ehegatten nicht besser stellen, als dieser ohne die vertragliche Regelung stünde. Die Parteien hatten hier gegenseitig auf Unterhalt verzichtet. Da die von ihnen gewollten Rechtsfol- gen - unter Wahrung des Vertragswillens im Übrigen - nur an die veränderte tatsächliche oder rechtliche Lage angepasst werden dürfen, bilden somit die gesetzlichen Kriterien des § 1570 BGB, auf den die Antragsgegnerin ihren Unterhaltsanspruch auf Grund der Betreuung der Kinder stützt, die Obergrenze. Die im Rahmen der Ausübungskontrolle anzuordnende Rechtsfolge muss deshalb im Lichte des Unterhaltsrechts, damit aber auch der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform und deren Änderungen gesehen werden. Dagegen kommt - entgegen der Auffassung der Revision - eine Heranziehung des § 1578 b BGB jedenfalls für die Frage einer Befristung des Betreuungsunterhalts nicht in Betracht, da § 1570 BGB insoweit eine Sonderregelung für die Billigkeitsabwägung enthält. Nicht ausgeschlossen ist allerdings eine Herabsetzung des Unterhalts auf das Niveau des angemessenen eigenen Lebensbedarfs nach dem Rechtsgedanken des § 1578 b Abs. 1 BGB (vgl. Senatsurteile vom 6. Mai 2009 - XII ZR 114/08 - FamRZ 2009, 1124 Rn. 55 ff., vom 21. April 2010 - XII ZR 134/08 - FamRZ 2010, 1050 Rn. 50 und vom 15. September 2010 - XII ZR 20/09 - FamRZ 2010, 1880 Rn. 33 f.).
- 29
- Von daher steht im Vordergrund, dass der Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1569 Satz 1 BGB) gestärkt und der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines Kindes grundlegend umgestaltet worden ist. § 1570 BGB sieht nunmehr einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt vor, der aus kind- und elternbezogenen Gründen verlängert werden kann, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, ist der Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben worden. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres die Schule oder eine kindgerechte Einrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezo- gene Verlängerungsgründe berufen (Senatsurteil vom 15. September 2010 - XII ZR 20/09 - FamRZ 2010, 1880 Rn. 24 mwN).
- 30
- Ob im vorliegenden Fall kind- oder elternbezogene Gründe vorliegen, die auch nach dem 31. Januar 2012 eine weitgehende Freistellung der Antragsgegnerin von einer Erwerbstätigkeit rechtfertigen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Ebenso wenig verhält es sich zu der Frage, ob für die Antragsgegnerin eine realistische Chance besteht, bei weitergehender Erwerbsobliegenheit ein höheres Einkommen als die ihr angerechneten 400 € monatlich zu erzielen. Andererseits hat das Berufungsgericht aber auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht in der Lage sieht, den künftigen Umfang der Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin zu beurteilen. Ohne derartige Feststellungen kann die im Wege der Ausübungskontrolle angeordnete Unterhaltszahlung aber nicht über den 31. Januar 2012 hinaus Geltung beanspruchen.
V.
- 31
- Das angefochtene Urteil kann deshalb auf die Revision des Antragstellers keinen Bestand haben. Es ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil es dazu weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 16.05.2007 - 20 F 145/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 20.08.2008 - 3 UF 96/07 -
(1) Wird die Scheidung der Ehe ausgesprochen, sind die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen gegeneinander aufzuheben.
(2) Wird der Scheidungsantrag abgewiesen oder zurückgenommen, trägt der Antragsteller die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen. Werden Scheidungsanträge beider Ehegatten zurückgenommen oder abgewiesen oder ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt, sind die Kosten der Scheidungssache und der Folgesachen gegeneinander aufzuheben.
(3) Sind in einer Folgesache, die nicht nach § 140 Abs. 1 abzutrennen ist, außer den Ehegatten weitere Beteiligte vorhanden, tragen diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
(4) Erscheint in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die Kostenverteilung insbesondere im Hinblick auf eine Versöhnung der Ehegatten oder auf das Ergebnis einer als Folgesache geführten Unterhaltssache oder Güterrechtssache als unbillig, kann das Gericht die Kosten nach billigem Ermessen anderweitig verteilen. Es kann dabei auch berücksichtigen, ob ein Beteiligter einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem Informationsgespräch nach § 135 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat. Haben die Beteiligten eine Vereinbarung über die Kosten getroffen, soll das Gericht sie ganz oder teilweise der Entscheidung zugrunde legen.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 gelten auch hinsichtlich der Folgesachen, über die infolge einer Abtrennung gesondert zu entscheiden ist. Werden Folgesachen als selbständige Familiensachen fortgeführt, sind die hierfür jeweils geltenden Kostenvorschriften anzuwenden.
Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, - 2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, - 3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie - 4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.
(1) Das Gericht entscheidet in Familiensachen durch Beschluss.
(2) Endentscheidungen in Ehesachen werden mit Rechtskraft wirksam.
(3) Endentscheidungen in Familienstreitsachen werden mit Rechtskraft wirksam. Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit anordnen. Soweit die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält, soll das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen.