Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 21. Okt. 2015 - VII-Verg 35/15
Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird dem Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster vom 22. Mai 2015 (VK 2-14/15) im Vergabeverfahren „Neubau des Autobahnknotens Löhne der BAB 30, vierter Bauabschnitt der Nordumgehung Bad Oeynhausen“ (Bekanntmachungsnummer im EU-Amtsblatt: 2014/S 220-388177) ein Zuschlag untersagt.
Die Kosten des Verfahrens der Vergabekammer sind gesamtschuldnerisch vom Antragsgegner und der Beigeladenen zu tragen, wobei sich der Haftungsanteil der Beigeladenen im Außenverhältnis auf ½ ermäßigt.
Die Aufwendungen der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer haben der Antragsgegner und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist für die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig gewesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner. Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden je zur Hälfte dem Antragsgegner und der Beigeladenen auferlegt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 750.000 Euro
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G r ü n d e :
2I. Die Vergabestelle schrieb Bauleistungen beim Autobahnneubau im Raum Bad Oeynhausen im offenen Verfahren aus (Bekanntmachungsnummer im EU-Amtsblatt: 2014/S 220-388177). Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Die Antragstellerin gab das preisgünstigste Angebot ab. Den Zuschlag soll dennoch die Beigeladene als zweitbeste Bieterin erhalten, weil die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin wegen widersprüchlicher Erklärungen von der Angebotswertung ausgeschlossen hat.
3Den Ausschluss hat die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erfolglos bekämpft. Auf die Gründe der Entscheidung der Vergabekammer wird verwiesen (Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster, Beschluss vom 22. Mai2015 - VK 2-14/15).
4Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und präzisiert.
5Die Antragstellerin beantragt,
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1. den angefochtenen Beschluss aufzuheben und
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2. dem Antragsgegner aufzugeben, die Entscheidung über den Ausschluss ihres, der Antragstellerin, Angebots zurückzunehmen und das Angebot bei der Wertung zu berücksichtigen.
Der Antragsgegner beantragt,
11die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
12Der Antragsgegner verteidigt den Beschluss der Vergabekammer.
13Die Beigeladene hat sich schriftsätzlich gegen einen Erfolg des Antrags auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels ausgesprochen, am Beschwerdeverfahren aber nicht teilgenommen.
14Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.
15II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
16Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Dies führt dazu, dass die Vergabestelle ohne Einbeziehen des Angebots der Antragstellerin in die Angebotswertung einen Zuschlag nicht erteilen darf.
171. Der Entscheidung ist als außer Streit stehend zugrundezulegen:
18Bei der Ausführung des Auftrags sind nach mehreren Positionen des Leistungsverzeichnisses (LV) Traggerüste zu planen und herzustellen. Im Angebot erklärte die Antragstellerin sinngemäß im beigefügten Verzeichnis der Leistungen anderer Unternehmer (Nachunternehmerleistungsverzeichnis):
19- Planungsleistungen (Statikerleistungen) zu Ordnungsziffern 2.7.1 und 3.7.1 (PLAN genannt): durch Nachunternehmer;
20- Ausführungsleistungen zu Ordnungsziffern 2.7.1 (TRG genannt): durch Nachunternehmer.
21Im Übrigen wollte die Antragstellerin unter den vorgenannten Positionen Eigenleistungen erbringen. Firmen oder Namen der Nachunternehmer waren mit dem Angebot nicht bekanntzugeben.
22Nach Eröffnung der Angebote forderte die Vergabestelle die Antragstellerin dazu auf, Nachunternehmer zu benennen und entsprechende Verpflichtungserklärungen vorzulegen.
23Die Antragstellerin kam dem nach, erklärte jedoch bei
24- Planungsleistungen zu Ordnungsziffern 2.7.1 und 3.7.1 des LV (PLAN genannt): Eigenleistung, keine NU-Leistung.
25Die Angabe widersprach den Erklärungen im Angebot, denn danach sollten Planungsleistungen unter den vorgenanten Ordnungsziffern durch ein (inzwischen tatsächlich bekanntes) externes Ingenieurbüro erbracht werden.
26Darauf schloss die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin wegen Widersprüchlichkeit der zur Planung gemachten Nachunternehmerangaben von der Wertung aus. Die Antragstellerin dürfe Angaben zu Nachunternehmerleistungen im Angebot durch spätere Erklärungen im Vergabeverfahren nicht zulässig ändern. Den Zuschlag soll infolgedessen die Beigeladene bekommen.
27Fünf Tage danach rügte die Antragstellerin den Ausschluss vom Vergabeverfahren. Weitere zwei Tage danach ließ sie eine anwaltliche Rüge anbringen, wobei sie die Widersprüchlichkeit bei den Planerangaben mit einem Büroversehen erklärte.
282. Dazu ist in rechtlicher Hinsicht auszuführen:
29a) Der Nachprüfungsantrag erweckt keine Bedenken hinsichtlich Antragsbefugnis der Antragstellerin sowie Wahrung der Rügeobliegenheit und der Frist nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB. Dies hat die Vergabekammer hinlänglich begründet, so dass auf ihre Ausführungen zu verweisen ist.
30b) aa) In der Sache wirft der vorliegende Fall nicht die Problematik einer Nachforderung von Erklärungen und Nachweisen nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG auf. Allerdings sind auch die von Bietern im Vergabeverfahren vorzunehmenden Angaben zu Nachunternehmerleistungen sowie zu Nachunternehmerfirmen Erklärungen im Sinn dieser Norm. Der Begriff der Erklärungen oder Nachweise in § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG (genauso in § 13 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A-EG sowie der Begriff der Angaben, Nachweise und Erklärungen in § 16 Abs. 3, § 19 Abs. 2 VOL/A-EG) ist - gleichviel, ob er auftragsbezogene oder unternehmensbezogene Angaben, Willenserklärungen oder Wissensmitteilungen betrifft - nach dem Zweck der Norm denkbar weit zu verstehen (ebenso: Dittmann in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, 2. Aufl., § 13 VOB/A-EG, Rn. 67 bis 69 m.w.N.).
31§ 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG bezieht den Anwendungsbereich der Nachforderung jedoch ausschließlich auf solche Erklärungen oder Nachweise, die von Bietern bereits mit dem Angebot vorzulegen sind. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift („Fehlen geforderte Erklärungen oder Nachweise und wird das Angebot nicht … ausgeschlossen, …“), aber auch aus deren Sinn. Das ist nach § 19 Abs. 2 VOL/A-EG nicht anders zu beurteilen (obschon darin klarer ausgedrückt: „Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, …“). Immerhin wird aus dem Wortlautzusammenhang des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG deutlich, dass sich das Fehlen von Erklärungen oder Nachweisen auf das Angebot beziehen muss, mit anderen Worten, dass Erklärungen oder Nachweise aufforderungsgemäß mit dem Angebot vorgelegt worden sein sollen. Bis zur Vergaberechtsreform 2009 sind Angebote von Auftraggebern und Vergabenachprüfungsstellen zum Teil wegen „fehlender“ geringfügiger Angaben, die von Bieterunternehmen in oder mit Angeboten vorzunehmen gewesen, aber unterlassen worden sind, von der Wertung ausgeschlossen worden. Die Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG soll ergebnisorientiert begrenzen, dass wirtschaftliche und preisgünstige Angebote allein deswegen aus der Wertung ausscheiden, weil vorgegebene Formalitäten bei ihnen nicht eingehalten worden sind.
32Bei der Aufforderung, Erklärungen oder Nachweise bereits mit dem Angebot einzureichen, befinden sich Bieterunternehmen aber in einer ganz anderen Lage als in der Situation, die im Streitfall gegeben ist. Die Vorbereitung der Angebote setzt Bieterunternehmen erfahrungsgemäß einem hohen Zeitdruck aus und erzeugt bei den anzutreffenden Marktgegebenheiten darüber hinaus einen starken Angebotsdruck, dies zu einer Zeit, in der das Hauptaugenmerk potentieller Bieter erfahrungsgemäß darauf gerichtet ist, ein möglichst wirtschaftliches oder preisgünstiges Angebot auszuarbeiten und zu diesem Zweck vor allem bei Bauvergaben, wie hier, unter Umständen auch mit in Frage kommenden Nachunternehmern zu verhandeln. Wird mit dem Einreichen eines Angebots zugleich die Vorlage zahlreicher Erklärungen oder Nachweise verlangt, stehen Bieterunternehmen deswegen typischerweise in der Gefahr, die eine oder andere Erklärung oder die Vorlage eines Nachweises zu versäumen, ohne dass ihnen dies (trotz weitreichender Rechtsfolge) zum Vorwurf einer im Allgemeinen mehr als geringgradigen Fahrlässigkeit gemacht werden kann.
33Anders verhält es sich in einem Fall wie dem vorliegenden: Stellt der Auftraggeber nach Angebotseinreichung gesondert das Verlangen (zum Beispiel an die in die engere Wahl gekommenen Bieter), bestimmte Unterlagen einzureichen, sind Bieterunternehmen in einer anderen Situation. Sie können sich jetzt unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt auf die Bearbeitung des gesonderten Verlangens einstellen und konzentrieren, weil erfahrungsgemäß nurmehr überschaubar viele Unterlagen ergänzend vorzulegen sind (im Streitfall: Bekanntgabe der Firmen der Nachunternehmer und Verpflichtungserklärungen). Das rechtfertigt, den Fall einer gesonderten Aufforderung des Auftraggebers zur Einreichung von Unterlagen bei Nichtvorlage nicht der Nachforderungspflicht des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG zu unterstellen. Eine analoge Anwendung der Norm auf diesen Fall scheidet der nicht vergleichbaren Sachlage wegen aus.
34Diese Sicht der Dinge wird vom OLG Naumburg (Beschluss vom 23. Februar 2012 - 2 Verg 15/11) sowie vom OLG Koblenz (Beschluss vom 19. Januar 2015 - Verg 6/14) geteilt. Anderer Ansicht sind allerdings das OLG Celle (Beschluss vom 16. Juni 2011 - 13 Verg 3/11) und das OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 28. Februar 2012 - 11 Verg 11/11). Danach sollen im Anwendungsbereich der VOB/A-EG auch auf gesondertes Verlangen des Auftraggebers nicht vorgelegte Unterlagen der Nachforderungspflicht nach VOB/A-EG unterfallen.
35Eine Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB ist nicht geboten. Das OLG Celle hat seine Ansicht nicht begründet. Das OLG Frankfurt am Main hat es dem gleichgetan und ausgeführt, die vom OLG Celle vertretene Sachbehandlung sei in der Rechtsprechung inzwischen anerkannt. Die Rechtsprechung erweist tatsächlich Gegenteiliges. Unabhängig davon sind die Ansichten der OLG Celle und Frankfurt am Main für die getroffenen Entscheidungen jeweils nicht tragend gewesen, so dass sie im Rechtssinn keine Vorlagepflicht erzeugen.
36Ungeachtet dessen hat für die Vergabestelle im Streitfall keine Nachforderungspflicht bestanden, weil im Sinn des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG eine geforderte Erklärung nicht gefehlt hat. Die Antragstellerin hat zur Nachunternehmerschaft eine Erklärung abgegeben, die (wegen Widerspruchs zu einer früheren Erklärung) nur inhaltlich zu beanstanden gewesen ist. Derartige Fallgestaltungen unterfallen nicht der Nachforderungspflicht, für die grundsätzlich darauf abzustellen ist, ob eine geforderte Erklärung oder ein Nachweis tatsächlich überhaupt nicht eingereicht worden ist, mithin in einem physisch zu verstehenden Sinn fehlt (so u.a. auch OLG Koblenz 30.3.2012 - 1 Verg 1/12 und Rechtsprechung des Senats).
37bb) Die Vergabestelle hätte das Angebot der Antragstellerin indes nicht ohne vorherige Aufklärung über dessen Inhalt, was den Einsatz von Nachunternehmern bei Planungsleistungen unter den das Traggerüst betreffenden Leistungspositionen 2.7.1 und 3.7.1. betrifft, von der Wertung ausschließen dürfen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EG darf sich der Auftraggeber bis zur Auftragserteilung bei einem Bieterunternehmen jederzeit Aufklärung über die Eignung, insbesondere die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst sowie über die geplante Art der Durchführung verschaffen. Freilich sind in offenen und nicht offenen Verfahren Verhandlungen über das Angebot unstatthaft (wegen des sog. Nachverhandlungsverbots, § 15 Abs. 3 VOB/A-EG) - womit das innerhalb der Angebotsabgabefrist eingereichte Angebot gemeint ist, das nicht abgeändert werden darf.
38Gemäß der Intention der VOB/A-EG (ebenso der VOL/A-EG), Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, darf der öffentliche Auftraggeber Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls im Sinn von § 13 Abs. 1 Nr. 4, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich „ausschlusswürdig“ sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne das von einem Ausschluss bedrohte Bieterunternehmen zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen.
39Im Streitfall hat sich die Aufklärung auf den Widerspruch hinsichtlich Nachunternehmer- oder Eigenleistung bei der Planung des Traggerüsts, folglich auf die Schlüssigkeit des Angebots beziehen müssen, die Bestandteil der formalen Angebotsprüfung ist. Die Vergabestelle hat insoweit von sich aus jedoch keine Aufklärung betrieben, sondern hat das Angebot der Antragstellerin rechtsfehlerhaft sogleich ausgeschlossen. Deswegen kann sie sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, die Antragstellerin habe im Vergabeverfahren ihrerseits nicht von sich aus über den Widerspruch aufgeklärt. Der öffentliche Auftraggeber kann die ihn selbst treffende Aufklärungsverpflichtung nicht in der Weise auf Bieterunternehmen überwälzen, indem er ihnen - mit mehr oder weniger zufälligen Ergebnissen - die Aufklärung überlässt. Ist der öffentliche Auftraggeber, weil er wegen eines Widerspruchs einen Angebotsausschluss nicht sofort vornehmen darf, praktisch zu einer Aufklärung verpflichtet, hat er von sich aus, und zwar für Bieterunternehmen klar und eindeutig erkennbar, das Verfahren nach § 15 VOB/A-EG einzuleiten. Dies folgt nicht nur aus dem Gebot der Transparenz, sondern auch daraus, dass der Auftraggeber Bietern zudem die Rechtsfolge einer unterbleibenden Mitwirkung, nämlich einen drohenden Angebotsausschluss nach § 15 Abs. 2 VOB/A-EG, nachhaltig vor Augen zu führen hat, um sie zu der gebotenen Mitwirkung anzuhalten.
40Die von der Antragstellerin vorprozessual sowie im Prozess zur Aufklärung des Widerspruchs bei Nachunternehmerangaben angebrachten Erklärungen haben ergeben:
41Mit der anwaltlichen Rüge hat die Antragstellerin den Widerspruch durch ein bloßes Büroversehen (allein mit einem Versehen der Kanzlei) erklärt. Dies ist freilich wenig wahrscheinlich, weil die Ursache der Divergenz eher bei dem Sachbearbeiter, der die inkriminierte Erklärung über die Namen der Nachunternehmer vorbereitet hat, zu suchen ist. Dazu hat die Antragstellerin im Senatstermin angegeben, in ihrem Bauunternehmen würden Statikerleistungen für gewöhnlich nicht selbst erbracht, sondern extern beauftragt, sofern die Ausführungsleistungen im eigenen Betrieb erfolgten. Werde die Ausführung untervergeben, werde die Statik in der Regel vom Unterauftragnehmer miterbracht. Diese Praxis ist bei Bauunternehmen verbreitet und dem Senat aufgrund tatsächlicher Erfahrung bekannt. Die Praxis ist gemäß dem mit dem Angebot eingereichten Nachunternehmerleistungsverzeichnis im Streitfall jedoch nicht einheitlich durchgeführt worden (die Ausführung unter OZ 2.7.1 sollte durch einen Nachunternehmer erfolgen, unter OZ 3.7.1 hingegen in Eigenleistung; die Planungsleistungen sollten unter beiden OZ dagegen fremdvergeben werden). Diese Verschiedenbehandlung hat für die spätere Nachunternehmernamenserklärung objektiv Fehlerpotential mit sich gebracht. Der zuständige Sachbearbeiter, so die Antragstellerin, habe die Angaben in der Nachunternehmernamenerklärung versehentlich nicht mit dem zuerst eingereichten Nachunternehmerverzeichnis abgeglichen, wodurch es zu den widersprüchlichen Angaben gekommen sei. Dazu kann beigetragen haben, dass die Planungsleistungen lediglich einen geringen Wert im Angebot der Antragstellerin ausgemacht haben. Die Sitzungsvertreterin der Antragsgegnerin hat im Senatstermin darauf erwidert, dass derartige Erklärungen, wären sie im Vergabeverfahren geleistet worden, geeignet gewesen wären, den Widerspruch auszuräumen.
42Insoweit ist mithin zusammenzufassen: Die gebotene Aufklärung ist im Prozess von der Antragstellerin geleistet worden. Das Vergabeverfahren muss infolgedessen von der Vergabestelle nicht zum Zweck des Nachholens einer Aufklärung zurückversetzt werden, sondern es kann aufgrund der Angaben der Antragstellerin im Prozess darüber entschieden werden, ob der Widerspruch beseitigt ist. Die Entscheidung ergeht durch den Senat dahin, dass über den Widerspruch hinreichend aufgeklärt worden ist, mit der Folge, dass das mit dem Angebot eingereichte Nachunternehmerverzeichnis gilt, Planungsleistungen also durch einen Nachunternehmer erbracht werden sollten. Nach dem Inhalt der glaubhaften Aufklärung durch die Antragstellerin soll als Nachunternehmer dabei das Ingenieurbüro B tätig werden. Dies hat die Vergabestelle im Senatstermin nicht in Zweifel gestellt. Aufgrund dessen ist nunmehr, unter Einbeziehen des Angebots der Antragstellerin, lediglich noch die Angebotswertung zu wiederholen und sind die Bieterunternehmen über die getroffene Vergabeentscheidung zu unterrichten (§ 101a GWB).
43Einer Anfechtung der zunächst abgegebenen Nachunternehmernamenserklärung durch die Antragstellerin hat es insoweit nicht bedurft. Die bieterseitige Bekanntgabe der Namen von Nachunternehmern ist im Rechtssinn keine der Anfechtung zugängliche Willenserklärung, sondern eine sog. Wissenserklärung. Als Wissenserklärung oder - besser - Wissensmitteilung wird im Gegensatz zur Willenserklärung eine Erklärung bezeichnet, die keine rechtlichen Folgen hervorbringen, sondern dem Erklärungsempfänger hinsichtlich der genannten Tatsachen lediglich ein bestimmtes Wissen vermitteln soll (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - VIII ZR 287/09; Urteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05). Die rechtliche Bindung wird in Fällen der vorliegenden Art durch das dem Angebot beigefügte Nachunternehmerleistungsverzeichnis und die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer bewirkt.
44Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3, Abs. 4, § 78, § 120 Abs. 2 GWB. Die angeordnete Beschränkung der Außenhaftung der Beigeladenen bei den Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer ergibt sich aus der Kostenfreiheit des Antragsgegners (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2009 - VII-Verg 20/09). Im Übrigen ist die Beigeladene lediglich zu den Kosten des Eilverfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB heranzuziehen, weil sie sich nur an jenem Verfahren, nicht jedoch am Beschwerdeverfahren selbst beteiligt hat.
45Soweit nicht zuerkannt, bestehen keine Erstattungsansprüche hinsichtlich Aufwendungen und Kosten.
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Annotations
(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.
(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
- 1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
- 1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn
- 1.
das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat, - 2.
das Unternehmen zahlungsunfähig ist, über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden ist, die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, sich das Unternehmen im Verfahren der Liquidation befindet oder seine Tätigkeit eingestellt hat, - 3.
das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird; § 123 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden, - 4.
der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, - 5.
ein Interessenkonflikt bei der Durchführung des Vergabeverfahrens besteht, der die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit einer für den öffentlichen Auftraggeber tätigen Person bei der Durchführung des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte und der durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden kann, - 6.
eine Wettbewerbsverzerrung daraus resultiert, dass das Unternehmen bereits in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einbezogen war, und diese Wettbewerbsverzerrung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann, - 7.
das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat, - 8.
das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten hat oder nicht in der Lage ist, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln, oder - 9.
das Unternehmen - a)
versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen, - b)
versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die es unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte, oder - c)
fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.
(2) § 21 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, § 98c des Aufenthaltsgesetzes, § 19 des Mindestlohngesetzes, § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 22 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2959) bleiben unberührt.
(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.
(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.
(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.
(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.
(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.
(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.
(1) Ein dynamisches Beschaffungssystem ist ein zeitlich befristetes, ausschließlich elektronisches Verfahren zur Beschaffung marktüblicher Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen.
(2) Eine elektronische Auktion ist ein sich schrittweise wiederholendes elektronisches Verfahren zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots. Jeder elektronischen Auktion geht eine vollständige erste Bewertung aller Angebote voraus.
(3) Ein elektronischer Katalog ist ein auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung erstelltes Verzeichnis der zu beschaffenden Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in einem elektronischen Format. Er kann insbesondere beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen eingesetzt werden und Abbildungen, Preisinformationen und Produktbeschreibungen umfassen.
(4) Eine zentrale Beschaffungsstelle ist ein öffentlicher Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt (zentrale Beschaffungstätigkeit). Öffentliche Auftraggeber können Liefer- und Dienstleistungen von zentralen Beschaffungsstellen erwerben oder Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge mittels zentraler Beschaffungsstellen vergeben. Öffentliche Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten können an eine zentrale Beschaffungsstelle vergeben werden, ohne ein Vergabeverfahren nach den Vorschriften dieses Teils durchzuführen. Derartige Dienstleistungsaufträge können auch Beratungs- und Unterstützungsleistungen bei der Vorbereitung oder Durchführung von Vergabeverfahren umfassen. Die Teile 1 bis 3 bleiben unberührt.
(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.
(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.
