Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 28. März 2012 - 13 UF 1081/11
Gericht
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mayen vom 13. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.798,70 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin macht gegenüber dem Antragsgegner Ansprüche auf Zahlung von Kindesunterhalt für die Zeit ab September 2010 geltend.
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Der Antragsgegner ist der Vater der am … 1989 geborenen Antragstellerin. Diese lebte nach der Trennung ihrer Eltern im Jahre 1997 zunächst im Haushalt des Antragsgegners in den Niederlanden. Im Einvernehmen der Eltern zog sie sodann im Jahre 2003 zu ihrer Mutter nach Deutschland, wo sie an einer Realschule im Jahre 2007 die mittlere Reife erwarb. Seit dem 1. August 2010 absolviert die Antragstellerin eine Lehre als Verkäuferin.
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Der Antragsgegner hat für die Antragstellerin Kindesunterhalt bis Juli 2007 gezahlt. Hiernach stellte er die Zahlungen ein. Die Antragstellerin stellte ihren Unterhaltsbedarf in der Zeit von Juli 2007 bis Juli 2010 durch eigene Erwerbstätigkeiten sicher. Sie lebt in einer eigenen Wohnung. Ihre Mutter erzielt Einkünfte aus einer Tätigkeit als geringfügig Beschäftigte in einer Größenordnung von maximal 400,00 € monatlich. Der Antragsgegner erzielt Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, die - vor Abzug der Krankenversicherung - den Betrag von 2.500,00 € monatlich übersteigen; unter Außerachtlassung der vom Antragsgegner stets geleisteten Überstunden errechnet sich ein Nettoeinkommen - vor Abzug der Krankenversicherung - in Höhe von 1.782,50 €.
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Zwischen den Beteiligten finden schon seit einigen Jahren keinerlei Kontakte mehr statt.
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Die Antragstellerin hat erstinstanzlich vorgetragen:
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Sie habe nach Beendigung der Realschule verschiedene Praktika zur Erlangung einer Ausbildungsstelle durchlaufen. So sei sie im Mai 2007 bei der Bäckerei P. in M. und in den Monaten August und September 2007 in der Bäckerei/Metzgerei Sch. in K. beschäftigt gewesen. Im März 2009 habe sie ein Praktikum bei der Firma N. Discount in M. absolviert, wo ein Ausbildungsplatz in Aussicht gestellt worden sei; die diesbezügliche Zusage sei später jedoch nicht eingehalten worden. Vielmehr habe sie lediglich einen Minijob von April bis Juni 2009 dort erhalten. Darüber hinaus sei sie bei der Autobahnraststätte K. tätig gewesen, wo ihr ebenfalls ein Ausbildungsplatz zunächst in Aussicht, später jedoch gleichwohl nicht zur Verfügung gestellt worden sei.
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Sie Unterhaltsansprüche nicht verwirkt. Zum Antragsgegner bestehe zwar kein Kontakt mehr, es gebe aber auch keinen Streit.
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Der Antragsgegner hat vorgetragen:
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Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nicht mehr zu, da sie nach Beendigung der Realschule sich über einen Zeitraum von insgesamt 3 Jahren nicht hinreichend um den Erhalt eines Ausbildungsplatzes gekümmert habe. Er habe im Jahre 2010 mit einer Inanspruchnahme nicht mehr rechnen müssen. Außerdem sei er nicht leistungsfähig, da er seine weitere Tochter, die Mutter eines kleinen Kindes sei, unterstützen müsse. Seine Erwerbseinkünfte dürften bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs nicht berücksichtigt werden, soweit sie aus der Ableistung von Überstunden beruht.
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Da die Antragstellerin trotz ihrer beengten finanziellen Verhältnisse aus dem Haushalt ihrer Mutter ausgezogen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass sie nunmehr mit einem anderen Partner zusammenlebe. Dies mindere ihren Bedarf.
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Im Übrigen seien etwaige Unterhaltsansprüche der Antragstellerin verwirkt, da diese sich seit Jahren nicht mehr bei ihm melde.
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Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 13. Oktober 2011 den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin Kindesunterhalt In Höhe von insgesamt 2.923,42 für die Zeit von September 2010 bis einschließlich Juli 2011 sowie 218,82 € monatlich für die Zeit ab August 2011 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt noch zu, obgleich zwischen dem Realschulabschluss und der Aufnahme der Berufsausbildung ein Zeitraum von 3 Jahren liege. Insoweit sei nämlich der Umstand zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zunächst einen Ausbildungsplatz nicht gefunden habe, obgleich sie verschiedene Praktika durchlaufen habe. Während dieses Zeitraums sei der Antraggegner nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen worden und habe daher durch die verzögerte Aufnahme der Berufsausbildung auch keinerlei wirtschaftliche Nachteile erlitten.
- 13
Der Bedarf der Antragstellerin sei mit 670,00 € monatlich zu bemessen. Der Antragsgegner habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass die Antragstellerin mit einem Partner zusammenlebe und ihr Bedarf daher geringer sei. Im Übrigen brauche sich die Antragstellerin nicht auf eine Inanspruchnahme der Kindesmutter verweisen zu lassen; diese sei nicht leistungsfähig. Demgegenüber sei der Antragsgegner leistungsfähig und zwar auch dann, wenn den Berechnungen - vor Abzug der Krankenversicherung - lediglich ein Nettoeinkommen von 1.783,00 € monatlich zugrunde gelegt werde.
- 14
Die Tatsache, dass zwischen den Beteiligten keinerlei persönliche Kontakte bestehen, führen nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs.
- 15
Mit der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde erstrebt der Antragsgegner nach wie vor die vollständige Abweisung des Antrags. Er trägt vor:
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Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt bestehe nicht, weil die Antragstellerin ihre Obliegenheit, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen, verletzt habe; sie habe sich nämlich nicht intensiv um einen Ausbildungsplatz bemüht, sondern sich mit Praktika und Aushilfstätigkeiten begnügt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass jedem Kind eine gewisse Orientierungsphase zugebilligt werden müsse. Es sei auch weiterhin davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit einem Partner zusammenlebe, nachdem sie aus dem mütterlichen Haushalt ausgezogen sei. Die Antragstellerin habe sich hierzu auch während des gesamten Verfahrens nicht eindeutig erklärt.
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Etwaige Unterhaltsansprüche habe die Antragstellerin entgegen der Auffassung des Amtsgerichts verwirkt.
- 18
Seine Inanspruchnahme auf Unterhalt sei auch deshalb unbillig, weil mit der Kindesmutter eine Vereinbarung getroffen worden sei, wonach jeder Elternteil für das bei ihm lebende Kind sorgen solle.
- 19
Die Antragstellerin trägt vor:
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Für sie sei es nach dem Umzug von Holland nach Deutschland im Jahre 2003 schwer gewesen, in der Schule Fuß zu fassen. Infolge dessen sei auch das Zeugnis zur mittleren Reife schlechter ausgefallen als es hätte sein können. Daher sei es für sie auch sehr schwierig gewesen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Sie habe entsprechend den erstinstanzlichen Darlegungen mehrere Praktika absolviert mit der Aussicht einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Dies habe sich sodann jedoch zerschlagen. Vor diesem Hintergrund sei die Zahlung von Ausbildungsunterhalt dem Antragsgegner zuzumuten.
- 21
Der Antragsgegner habe seinerseits den Kontakt zu ihr abgebrochen.
- 22
Sie lebe nicht mit einem Partner zusammen; die vom Antragsgegner behauptete Elternvereinbarung zum Kindesunterhalt sei im Übrigen nicht getroffen worden.
II.
- 23
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 58 f. FamFG zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
- 24
Der Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung von Kindesunterhalt für die Zeit ab September 2010 ergibt sich dem Grunde nach aus § 1610 Abs. 2 i. V. mit 1601 f. BGB.
- 25
Ohne Erfolg macht der Antragsgegner geltend, der Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt sei erloschen, weil zwischen dem Realschulabschluss und dem Beginn der Ausbildung zur Verkäuferin ein Zeitraum von drei Jahren liegt.
- 26
Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB schulden Eltern ihren Kindern grundsätzlich eine begabungsangemessene Ausbildung. Das Ausbildungsunterhaltsverhältnis zwischen Eltern und Kindern ist allerdings von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt, weshalb das Kind seine Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit durchzuführen hat. Gewisse Ausbildungsverzögerungen sind je nach den Umständen des Einzelfalles jedoch hinzunehmen (vgl. Thüringer Oberlandesgericht Urteil vom 8. Januar 2009 Az. 1 UF 245/08, FamRZ 2009, 1075, recherchiert in Juris Rn. 43 f., OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Oktober 1999 Az. 3 WF 142/99, FamRZ 2001, 440, recherchiert in Juris Rn. 4 f., BGH Urteil vom 4. März 1998, Az. XII ZR 173/96 FamRZ 98, 671, recherchiert in Juris Rn. 9 f.; OLG Köln Urteil vom 20. April 2004 Az. 4 UF 229/03, FamRZ 2005, 301, recherchiert in Juris Rn. 6 f.; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 8. März 2010 Az. 10 UF 56/09, NJR-RR 2010, 1589, recherchiert in Juris Rn. 7 f.; BGH Urteil vom 17. Mai 2006 Az. XII ZR 54/04 FamRZ 2006, 1100, recherchiert in Juris Rn. 20 f.). Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Antragstellerin ihren Unterhaltsanspruch durch die Unterbrechung der Ausbildung in der Zeit zwischen Erreichen des Realschulabschlusses und dem Beginn der Ausbildung zur Verkäuferin noch nicht verloren hat, obwohl es sich hierbei um einen Zeitraum von drei Jahren handelt.
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Allerdings wird in der Rechtsprechung teilweise angenommen, dass der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt wegen Verletzung des dem § 1610 BGB inne wohnenden Gegenseitigkeitsverhältnisses entfällt, wenn sich der Auszubildende nach Beendigung der allgemeinen Schulausbildung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums um die Aufnahme einer seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechenden Berufsausbildung bemüht. Zwar sei jedem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer sich nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter das Kind indes bei Schulabgang sei und je eigenständiger es seine Lebensverhältnisse gestalte, umso mehr trete an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg. Selbst wenn es bisher noch keine Ausbildung erfahren habe, könne eine lange Verzögerung dazu führen, dass ein Ausbildungsanspruch entfällt und es sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabungen verdienen müsse. Den Eltern könne nämlich nicht zugemutet werden, sich gegebenenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr mit der Aufnahme einer Ausbildung rechnen mussten, einem Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen (vgl. BGH Urteil vom 4. März 1998, a. a. O. Rn. 13 sowie BGH Urteil vom 29. Juni 2011, 1560, recherchiert in juris Rn. 15 f.). In Anwendung dieser Grundsätze könnte im vorliegenden Fall der Unterhaltsanspruch zu versagen sein, weil zwischen dem Realschulabschluss im Juni 2007 und dem Beginn der Ausbildung zur Verkäuferin ein Zeitraum von drei Jahren liegt, die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Realschulabschlusses bereits volljährig war und sie ihre Lebensverhältnisse eigenständig gestaltet.
- 28
Tatsächlich kann nach Auffassung des Senats jedoch der Unterhaltsanspruch trotz einer nicht unerheblichen vom Unterhaltsberechtigten jedenfalls auch zu vertretenden Verzögerung bei der Ausbildung dann noch fortbestehen, wenn in den Fällen der Erstausbildung der Unterhaltspflichtige durch die Zuerkennung des Unterhaltsanspruchs wirtschaftlich nicht übermäßig belastet wird, die Versagung des Unterhaltsanspruchs für das Kind jedoch gravierende Folgen für dessen Lebensstellung haben würde und Verzögerungen in der Ausbildung jedenfalls auch auf vom Kind nicht zu vertretende Umstände zurückzuführen sind. Die Abwägung der beiderseitigen Interessen kann dann die Annahme rechtfertigen, dass der Unterhaltsanspruch fortbesteht. So ist es auch hier:
- 29
Die Antragstellerin begehrte Unterhalt für ihre Erstausbildung, also eine Ausbildung, auf die grundsätzlich jedes Kind einen Anspruch hat. Sie hat sich seit dem Jahre 2007 durchaus um einen Ausbildungsplatz bemüht, indem sie in den Jahren 2007 und 2009 mehrere Praktika absolviert hat mit dem Ziel, im Anschluss hieran bei den jeweiligen Firmen einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Es mag sein, dass die Antragstellerin ihre diesbezüglichen Anstrengungen noch hätte intensivieren können; so sind insbesondere für das Kalenderjahr 2008 keinerlei Bewerbungen um eine Lehrstelle vorgetragen worden. Andererseits kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Antragsteller die mittlere Reife nur mit sehr mäßigen Noten erlangen konnte - der Notendurchschnitt des zu den Akten gereichten Abschlusszeugnisses beträgt 3,6 -, wodurch die Chancen einen Ausbildungsplatz erlangen zu können, von Anfang an vermindert waren; der sehr mäßige Schulabschluss seinerseits ist unstreitig zumindest teilweise auch die auf die von der Antragstellerin nicht zu vertretene familiäre Situation zurückzuführen sein, die sich aus dem im Jahre 2003 notwendig gewordenen Umzug von den Niederlanden nach Deutschland und dem damit verbundenen Wechsel des Schulsystems ergab. Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass die Antragstellerin allein mit dem Realschulabschluss ohne jedwede Berufsausbildung erkennbar keine Erwerbstätigkeit finden könnte, die sie in die Lage versetzen würde, ein einigermaßen auskömmliches Einkommen zu erzielen. Die Versagung des Unterhaltsanspruchs hätte mithin gravierende Folgen für ihre wirtschaftliche Lebensstellung.
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Für den Antragsgegner war demgegenüber ohne weiteres erkennbar, dass die Antragstellerin ohne jegliche Berufsausbildung nur notdürftig für ihren eigenen Unterhalt sorgen konnte. Angesichts dieser Situation musste er auch noch drei Jahre nach Abschluss der allgemeinen Schulausbildung der Antragstellerin damit rechnen, von dieser auf Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden. Zu Beginn der Berufsausbildung war die Antragstellerin 21 Jahre alt, also auch noch in einem Alter, in dem Eltern regelmäßig noch damit rechnen müssen, die Erstausbildung ihres Kindes finanzieren zu müssen. Der Antragsgegner hat demgegenüber auch nicht dargelegt, dass er in wirtschaftlicher Hinsicht durch die Inanspruchnahme aus Ausbildungsunterhalt besonders belastet würde, etwa deshalb, weil er im Vertrauen darauf, keinen Kindesunterhalt mehr zahlen zu müssen, besondere finanzielle Dispositionen getroffen hat, die nunmehr auch nicht mehr rückgängig zu machen sind. Er kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass die Antragstellerin noch im mütterlichen Haushalt gelebt und sich hierdurch der von ihm zu zahlende Unterhalt reduziert hätte, wenn sie zeitnah nach dem Schulabschluss einen Ausbildung absolviert hätte. Die Vorschrift des § 1612 BGB sieht vor, dass der Unterhaltspflichtige die Art der Unterhaltsgewährung gegenüber dem volljährigen Kind nur insoweit bestimmen kann, als er ihm die Erbringung von Naturalleistungen durch Aufnahme in den eigenen Haushalt anbietet. Die Antragstellerin wäre hingegen auch dann, wenn sie ihre Ausbildung bereits in unmittelbaren Anschluss an den Realschulabschluss im Jahre 2010 aufgenommen hätte, im Verhältnis zum Antragsgegner berechtigt gewesen, nicht länger bei ihrer Mutter zu wohnen und einen eigenen Hausstand zu gründen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass sich die von der Antragstellerin gewählte und nunmehr zielstrebig betriebene Berufsausbildung lediglich über einen Zeitraum von drei Jahren erstreckt und sie während des gesamten Zeitraums noch Leistungen des Staates (Kindergeld) erhält, die ihren Bedarf teilweise decken und die Unterhaltslast des Antragsgegners mindern. Demgegenüber verbleibt dem Antragsgegner auch nach Abzug der hier geltend gemachten Unterhaltszahlungen, die zu Beginn des Unterhaltszeitraums 284 € monatlich betrugen und sich inzwischen nur noch 218,82 € monatlich belaufen, noch ein Einkommen, welches deutlich über dem angemessenen Selbstbehalt liegt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner auch seiner in den Niederlanden wohnenden weiteren Tochter gegenüber zu Unterhaltszahlungen verpflichtet ist, bestehen nicht und werden in der Beschwerdeinstanz vom Antragsgegner auch nicht mehr behauptet.
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Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte ist der Antragsgegner verpflichtet, für die Zeit ab Januar 2010 Ausbildungsunterhalt zu zahlen (vgl. zu einem ähnlichen Fall auch Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 8. März 2010, Az. 10 UF 56/09 abgedruckt in NJW-RR 2010, 1589, recherchiert in Juris Rn. 7 f.; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Oktober 1990, Az. 3 WF 142/99 FamRZ 2001, 440 recherchiert in Juris Rn. 4 f.).
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Die Antragstellerin ist in dem vom Amtsgericht festgestellten Umfang bedürftig. Ihr Gesamtbedarf ist mit 670,00 € monatlich zu bemessen. Die Antragstellerin lebt nicht mehr im Haushalt ihrer Mutter. Im Übrigen geht der Senat - unabhängig davon, ob es für die rechtliche Beurteilung hierauf überhaupt ankommt - davon aus, dass die Antragstellerin nicht mit einem Partner in häuslicher Gemeinschaft lebt. Der Antragsgegner hat insoweit nämlich lediglich ganz pauschal behauptet, von einer häuslichen Gemeinschaft der Antragstellerin mit einer dritten Person sei auszugehen, nachdem feststeht, dass die Antragstellerin trotz ihrer beschränkten finanziellen Mittel nicht mehr bei ihrer Mutter wohne. In Ermangelung konkreter Angaben zu der Person, mit der die Antragstellerin zusammenleben soll, kann diese zu dem Vorbringen des Antragsgegners auch nur darlegen, dass sie alleine lebt.
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Ohne Erfolg macht der Antragsgegner schließlich auch geltend, die Antragstellerin habe den Unterhaltsanspruch gemäß § 1611 BGB verwirkt. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich die Antragstellerin vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Antragsgegner schuldig gemacht hätte, weshalb dessen Inanspruchnahme auf Zahlung von Unterhalt grob unbillig wäre. Eine solche schwere Verfehlung kann nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Verpflichteten angenommen werden, wie dies etwa bei wiederholten groben Beteiligungen oder Bedrohungen, falschen Anschuldigungen gegenüber Behörden oder dem Arbeitgeber des Unterhaltspflichtigen der Fall ist. Ein Unterlassen reicht nur aus, wenn dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt wird. Daher ist die Ablehnung jeder persönlichen Kontaktaufnahme zum unterhaltsverpflichteten Elternteil allein kein Grund für eine Herabsetzung oder gar den Ausschluss des Unterhalts (vgl. Wendl/Klinkhammer, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., § 2 Rn. 605; BGH Urteil vom 25. Januar 1995, Az. XII ZR 240/93 FamRZ 95, 475, recherchiert in Juris). Der Antragstellerin kann mithin Kindesunterhalt nicht deshalb versagt werden, weil sie sich beim Antragsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg nicht mehr gemeldet hat; insoweit kann im Übrigen nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch der Antragsgegner es unterlassen hat, seinerseits (wieder) den Kontakt zur Antragstellerin zu suchen.
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Schließlich macht der Antragsgegner auch ohne Erfolg geltend, er habe anlässlich der Trennung und Scheidung von der Kindesmutter mit dieser vereinbart, dass jeder für das bei ihm lebende Kind sorgen solle. Eine solche Freistellungsvereinbarung würde, sofern sie denn getroffen sein sollte, den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin unberührt lassen.
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Die Beschwerde des Antragsgegners war nach alledem zurückzuweisen.
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Der Senat hat gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
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Annotations
(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).
(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.
(1) Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Der Verpflichtete kann verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen.
(2) Haben Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren, können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird. Ist das Kind minderjährig, kann ein Elternteil, dem die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, eine Bestimmung nur für die Zeit treffen, in der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen ist.
(3) Eine Geldrente ist monatlich im Voraus zu zahlen. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Laufe des Monats stirbt.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, - 2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, - 3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie - 4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und - 2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge); - 2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.
