Künstliche Intelligenz in der Anwaltskanzlei – Zwischen Hype und Handlungsbedarf

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Der Report: Einblick in eine Branche im Wandel
Der Bericht basiert auf einer Befragung von rund 300 Jurist:innen aus Kanzleien, Rechtsabteilungen, Justiz und Legal Tech-Unternehmen. Die zentrale Erkenntnis: Über 70 % der Teilnehmenden messen KI eine hohe oder sehr hohe Bedeutung für die Zukunft des Rechtsmarkts bei. Zugleich herrscht vielerorts Unsicherheit über die konkrete Umsetzung – sowohl technisch als auch rechtlich.
Als wichtigste Anwendungsbereiche gelten:
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automatisierte Recherchen und Dokumentenanalysen
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Vertragsprüfung und -erstellung
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generative Textverarbeitung (z. B. Schriftsatzentwürfe mit GPT)
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digitale Mandatsannahme (z. B. durch Chatbots)
Insbesondere generative KI-Modelle wie ChatGPT werden derzeit am häufigsten in der juristischen Praxis erprobt – meist allerdings noch ohne strategische Einbettung.
Chancen: Effizienz, Zugang, Innovation
Richtig eingesetzt, bietet KI erhebliche Vorteile:
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Zeitersparnis bei Routineaufgaben, etwa durch automatisierte Analyse von AGB oder Due-Diligence-Unterlagen
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Qualitätsgewinn durch standardisierte Prozesse, insbesondere bei Dokumentenerstellung
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Demokratisierung von Recht durch niedrigere Zugangshürden, etwa bei Chat-basierten Erstberatungen
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Neue Geschäftsmodelle – von Legal Subscription bis Self-Service-Plattform
Die Kanzlei wird zur hybriden Organisation, in der juristische Expertise und digitale Prozesse Hand in Hand arbeiten.
Herausforderungen: Datenschutz, Qualität, Governance
Gleichzeitig macht der AI Report deutlich: Viele Kanzleien zögern aus guten Gründen. Die größten Hemmnisse:
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Datenschutz und Berufsgeheimnis (§ 203 StGB) – insbesondere bei US-basierten Cloudmodellen
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fehlende IT-Kompetenz und unklare Zuständigkeiten für KI-Projekte
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Unsicherheit über Regulierung (z. B. EU AI Act, Berufsrecht, Urheberrecht)
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Falsche Erwartungen: KI kann unterstützen – aber nicht urteilen oder „denken“.
Der Report warnt vor „blindem Tool-Einsatz“ und plädiert für klare Governance-Strukturen, Fortbildung und Pilotprojekte.
Unsere Sicht: Praxis braucht strategische Klarheit
Als praktizierender Rechtsanwalt sehe ich täglich die Reibung zwischen technologischem Fortschritt und juristischem Beharrungsvermögen. KI bietet reale Mehrwerte – etwa in der Mandatsvorprüfung, bei der Strukturierung komplexer Schriftsätze oder der Auswertung gerichtlicher Entscheidungen.
Doch der Einsatz muss kontrolliert, transparent und rechtlich vertretbar erfolgen. Die Devise lautet: Verstehen – prüfen – integrieren.
Ich halte es für dringend geboten, dass wir als Berufsträger:innen nicht nur reaktiv, sondern gestaltend auftreten – sowohl im Diskurs mit der Justiz als auch bei der Entwicklung eigener Lösungen. Die Integration von KI darf kein reines Thema der IT-Abteilung sein.
Was nun? 5 Empfehlungen für Kanzleien
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Pilotieren statt philosophieren: Wählen Sie ein konkretes Anwendungsfeld (z. B. Fristenkontrolle, Textbausteine) und testen Sie den KI-Einsatz unter kontrollierten Bedingungen.
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Rechtliche Rahmen klären: Datenschutz, Vertraulichkeit und Urheberrecht sind kein Nebenthema, sondern Fundament.
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Mitarbeitende qualifizieren: Schulungen in „Prompt Engineering“, KI-Ethik und digitaler Methodik werden zur Pflicht.
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Mandanten mitnehmen: Transparenz über den KI-Einsatz schafft Vertrauen – und Differenzierung im Markt.
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Verantwortung organisieren: Wer übernimmt in Ihrer Kanzlei strategisch das Thema KI? Wer trägt das Monitoring?
Fazit: Nicht ob, sondern wie
Der AI Report 2024 macht deutlich: Die Diskussion um KI ist vorbei. Jetzt geht es um die Umsetzung. Kanzleien, die frühzeitig Kompetenz und Strukturen aufbauen, werden ihren Vorsprung nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich und ethisch sichern.
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Annotations
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
- 1.
Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, - 2.
Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung, - 3.
Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, - 3a.
Organ oder Mitglied eines Organs einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten oder europäischen niedergelassenen Rechtsanwälten oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Patentanwälten oder niedergelassenen europäischen Patentanwälten im Zusammenhang mit der Beratung und Vertretung der Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Berufsausübungsgesellschaft im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Buchprüfung oder Hilfeleistung in Steuersachen oder ihrer rechtsanwaltlichen oder patentanwaltlichen Tätigkeit, - 4.
Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist, - 5.
Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, - 6.
staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder - 7.
Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
- 1.
Amtsträger oder Europäischer Amtsträger, - 2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, - 3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt, - 4.
Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates, - 5.
öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder - 6.
Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist,
(2a) (weggefallen)
(3) Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm bei der Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Tätigkeit als mitwirkende Person oder als bei den in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen tätiger Datenschutzbeauftragter bekannt geworden ist. Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als in den Absätzen 1 und 2 genannte Person nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind, - 2.
als im Absatz 3 genannte mitwirkende Person sich einer weiteren mitwirkenden Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, bedient und nicht dafür Sorge getragen hat, dass diese zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind, oder - 3.
nach dem Tod der nach Satz 1 oder nach den Absätzen 1 oder 2 verpflichteten Person ein fremdes Geheimnis unbefugt offenbart, das er von dem Verstorbenen erfahren oder aus dessen Nachlass erlangt hat.
(5) Die Absätze 1 bis 4 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart.
(6) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.