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Recht

Was ist Recht?

Inhalt 
I. Was ist Recht?
II. Das Rechtssystem in Deutschland
III. Rechtswissenschaft und Rechtsquellen
IV. Funktionen des Rechts
V. Die verschiedenen Rechtsgebiete
VI. Was bedeutet Recht für ra.de?
 
Recht ist die Gesamtheit aller Verhaltensnormen die unsere Gesellschaft ausmachen, um das Zusammenleben der einzelnen Menschen zu regeln, zu ordnen, zu organisieren und Konflikte zu lösen. Erfahren Sie im folgenden Beitrag, aus welches Teilbereichen sich die Rechtswissenschaft zusammensetzt, wie diese untereinander verknüpft sind und was Recht für uns als Rechtswissenschaftler und Praktiker bedeutet.
 
I. Was ist Recht?
 
Das Wichtigste vorab: Recht und Gesetz sind keine Synonyme. Recht entwickelt sich vielmehr aus verschiedenen Quellen, aus dem sogenannte Gewohnheitsrecht und dem positiven Recht.
 
Als Gewohnheitsrecht bezeichnet man all diejenigen Regeln und Normen, die sich durch stetige Übung entwickelt haben und von der Gesellschaft (mit der Zeit) allgemein akzeptiert wurden. Ein Beispiel hierfür sind die Handelsbräuche der Kaufmänner, die sogar von § 346 HGB ausdrücklich als geltendes Recht angesehen werden, ohne dass sie irgendwo niedergeschrieben zu finden sind.
 
Positives Recht hingegen bezeichnet diejenigen Regeln, die von einem gesetzgebenden Organ (positiv) niedergeschrieben wurden und von staatlichen Stellen ihrem Vorbild nach um- und durchgesetzt werden.
 
Die Bedeutung des Begriffs Recht formt sich daher aus einem Zusammenspiel von gesellschaftlicher Akzeptanz und den vom Staat vorgegebenen Regeln. In welchem Verhältnis diese beiden Quellen zueinanderstehen, unterscheidet sich von Staat zu Staat.
 
II. Das Rechtssystem in Deutschland
 
In der Bundesrepublik Deutschland herrscht eine – zu großen Teilen – positiv niedergeschriebene Rechtsordnung. Dennoch erschöpft sich auch das „Recht“ in der BRD nicht in den unzähligen Gesetzestexten (z.B. Bürgerliches Gesetzbuch, Strafgesetzbuch, Verwaltungsverfahrensgesetz). Vielmehr ist sogar im Grundgesetz (unserer Verfassung) in Art. 20 Abs. 3 GG niedergeschrieben, dass die vollziehende Gewalt (Exekutive, insb. Verwaltung) und die Rechtsprechung an „Gesetz und Recht gebunden“ sind. Unsere Verfassung gibt insoweit also Raum für Interpretation. So ist mit „Gesetz“ wohl die niedergeschriebene – also positive – Rechtsordnung gemeint. Die zusätzliche Aufzählung des Begriffs „Recht“ statuiert jedoch, dass Recht auch außerhalb unserer Gesetzestexte existiert und beachtet werden muss. So zum Beispiel allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Fairness des Verfahrens (fair-trial-Grundsatz), die Unschuldsvermutung im Strafrecht und das Recht auf gerichtliches Gehör. Diese Grundsätze sind von staatlichen Stellen bei der Umsetzung und Durchsetzung von Gesetzen zu beachten und werden zum Teil in die allgemeinen Verfassungsgrundsätze (insbesondere das sogenannte Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG) hineingelesen.
 
Das Grundgesetz als unsere Verfassung prägt insbesondere der Gedanke, einen Gegenentwurf zum Nationalsozialismus darzustellen. Während zu dieser Zeit mittels niedergeschriebenen Rechts sogar Massenmorde „gerechtfertigt“ wurden, soll dies unter dem herrschenden Grundgesetz nie wieder möglich sein. Das besagt die den Rechtspositivismus teilweise einschränkende oder korrigierende rechtsethische Lehre von der Radbruchschen Formel. Eine „unerträglich ungerechte“ Regelung kann also nicht deshalb als „geltendes Recht“ betrachtet werden, weil sie vom Gesetzgeber niedergeschrieben wurde. Über der niedergeschriebenen Rechtsordnung „schwebt“ somit immer der Gedanke der Menschlichkeit, insbesondere in Form des sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der sich ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt hat und in der Form der schon zu Beginn des Grundgesetzes statuierten Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG).
So darf ein geschriebenes Gesetz nur insoweit durchgesetzt werden, als dass es einem legitimen Zweck verfolgt und dieser Zweck zur Erreichung ebenfalls geeignet, erforderlich und auch angemessen ist. Wird also erkennbar unverhältnismäßig gegen die Grundregeln des Zusammenlebens oder gar gegen die Menschlichkeit durch die Rechtsordnung verstoßen, so kann weder die vollziehende Gewalt noch die Rechtsprechung verpflichtet sein, dieses „Recht“ um- oder durchzusetzen.
 
Die in den Art. 1 GG und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze sind dank der sogenannten Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG an sich ebenfalls unantastbar und können nicht durch eine Änderung des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt werden. So soll durch unser Grundgesetz garantiert werden, dass eine Pervertierung des Rechts wie zur Zeit des Dritten Reichs nicht mehr eintreten kann.

Das deutsche Rechtssystem baut nichtsdestotrotz zum großen Teil auf den geschriebenen Regeln auf. So wie die meisten anderen kontinentaleuropäischen Länder herrscht bei uns das sogenannte „Civil Law“-System. In unserem Rechtskreis spielt daher das geschriebene Recht die größte und das Recht, welches durch die Auslegung der Vorschriften durch die Gerichte weitergebildet wird (Richterrecht), (offiziell) eine eher untergeordnete Rolle.
 
Den Gegensatz zum Civil Law (in diesem Sinne) bildet das sogenannte Common-Law-System, welches vor allem in den englischsprachigen Ländern vorherrscht. Dieses System, welches sich maßgeblich an richterlichen Urteilen aus der Vergangenheit orientiert und vor allem mit Analogiebildung zu diesen vergangenen Entscheidungen arbeitet, baut maßgeblich auf dem sogenannten „Case Law“ (Fallrecht) auf und nur in eher wenigen Fällen auch auf geschriebenen Normen oder Regeln.
 
III. Rechtswissenschaft und Rechtsquellen
 
Die Rechtswissenschaft setzt sich aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Die klassische Lehre bezeichnet man als die Rechtsdogmatik. Diese orientiert sich streng an dem Zusammenspiel von Gesetz und Staat. Daneben gehören jedoch auch die Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie als feste Bestandteile der juristischen Ausbildung in den Bereich der Rechtswissenschaft. Die Quellen, aus denen wir unser Recht entnehmen, sind wie oben bereits beschrieben in der Bundesrepublik Deutschland vor allem geschriebene Regelwerke. Hierzu zählen insbesondere die einfachen Gesetzestexte (BGB, HGB, StGB, VwGO, VwVfG usw.).

Als einfaches Recht gelten gemäß Art. 25 GG auch die völkerrechtlichen Verträge (z.B. die EMRK). Über diesen Regelwerken steht jedoch unsere Verfassung – das Grundgesetz. Integriert in unsere Verfassungsordnung wird durch Art. 23 GG das (teilweise als supranational angesehene) Europarecht durch seine Verträge unter den Mitgliedsstaaten (EUV, AEUV, Grundrechtecharta der EU). Dieses geht der Verfassung laut dem Bundesverfassungsgericht jedoch nur insoweit in seiner Anwendung vor, wie unseren Werteentscheidungen durch das entscheidende Gericht (den Europäischen Gerichtshof) ausreichend Rechnung getragen wird und nur so weit, wie der EU durch die Verträge die entsprechende Hoheitsmacht übertragen wurde. Zu den Quellen des Europarechts zählen auch die vom Europäischen Parlament und dem Rat verabschiedeten Richtlinien und Verordnungen.
 
Abgesehen von diesen geschriebenen Quellen spielen auch – wie oben bereits beschrieben – die allgemeinen Rechtsgrundsätze und das Gewohnheitsrecht eine wichtige Rolle.  
 
IV. Funktionen des Rechts
 
Rechtswissenschaftlich betrachtet soll unser Recht verschiedene Funktionen erfüllen. Darunter sind folgende anerkannt:
 
Ordnungsfunktion – Diese erfüllt das Recht insbesondere damit, dass bestimmte Situationen durch die Gesetze „abstrakt“ geregelt werden und damit möglichst vorhersehbar für den Einzelnen ist, wie beispielsweise Konflikte vor Gericht gelöst werden.

Wertfunktion – Diese Funktion ist nicht unumstritten. Es heißt, das Recht solle auch der Aufrechterhaltung der Werte unserer Gesellschaft dienen. Diese befinden sich jedoch im permanenten Wandel, sodass womöglich eher von einer Wechselwirkung gesprochen werden sollte.

Freiheitsfunktion – Das Recht ist auch insbesondere dafür da, um dem Individuum seinen rechtmäßigen Freiraum zu erhalten, indem es den Einzelnen vor Ein- und Übergriffen Dritter oder durch den Staat schützen soll. 

Friedensfunktion (oder auch Konfliktbereinigungs- bzw. Befriedigungsfunktion) – Das Recht wird dieser Funktion dadurch gerecht, dass zum einen (möglichst) gerechte Lösungen für Konflikte vorgegeben werden und zum anderen durch bindende Entscheidungen der Gerichte zwischen den streitenden Parteien ab einem bestimmten Punkt ein Rechtsfrieden hergestellt wird.

Kontrollfunktion – Das Recht ist ebenfalls dafür da, sich selbst und das eigene System permanent zu kontrollieren – insbesondere durch obere Instanzen (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht etc.) oder auch das Bundesverfassungsgericht, welches das einfache Gesetzesrecht an den niedergeschriebenen und ungeschriebenen Regeln und Werten unserer Verfassung misst.

Legitimationsfunktion – Legitimation durch Recht erfährt insbesondere die politische Herrschaft. Daher wird diese Funktion auch als „Herrschaftsfunktion“ (insbesondere von Rechtshistoriker Uwe Wesel) bezeichnet. Legitimiert wird zum einen die Herrschaft als solches als auch einzelne Entscheidungen (zum Beispiel durch Gerichte oder den Gesetzgeber).

Integrationsfunktion – Diese Funktion wird dadurch erfüllt, dass gemeinsame Rechtsgrundlagen in verschiedenen Ländern oder Bundesländern eine einheitliche Grundordnung formen, die sinnbildlich für die übereinstimmende Rechtsüberzeugung und gemeinsame Werteordnung steht und damit verbindet. 

Steuerungs- und Gestaltungsfunktion – Das Recht hat auch die entscheidende Funktion gesellschaftliche Prozesse zu steuern und (mit) zu gestalten. So soll es insbesondere positive wie negative Anreize setzen, um ein bestimmtes Verhalten entweder zu fördern oder zu unterbinden (insbesondere durch Sanktionsandrohung).
 
V. Die verschiedenen Rechtsgebiete
 
Sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft und Lehre wird das Recht in unterschiedliche Rechtsbiete eingeteilt. Die Hauptrechtsgebiete bezeichnet man zunächst als Zivilrecht, Strafrecht und das Öffentliche Recht.
 
Das Öffentliche Recht regelt die Beziehungen zwischen dem Staat (repräsentiert durch seine Hoheitsträger) und seinen Bürger*innen. Es ist gekennzeichnet durch ein natürliches Ober-/Unterordnungsverhältnis oder Machtgefälle im Falle einer Streitigkeit. Untergebiete hiervon sind insbesondere das Verwaltungs- und Polizeirecht, Verfassungsrecht, Europarecht oder auch das (internationale) Völkerrecht.
 
Das Strafrecht gehört in dogmatischer Sicht ebenfalls zum Öffentlichen Recht, verfolgt aber noch einmal speziellen Regeln und wird daher hiervon separat gelehrt und praktiziert.
 
Das Zivilrecht (auch Bürgerliches Recht oder Privatrecht genannt) bezeichnet diejenigen Regelungen, die zur Lösung von Streitigkeiten unter Privatpersonen vorgegeben werden. Diese gelten nicht nur für einzelne Individuen, sondern insbesondere auch für andere rechtliche „Personen“ wie zum Beispiel für Gesellschaften (juristische Personen wie ein Verein, eine GmbH oder Aktiengesellschaft und Personengesellschaften wie die GbR, OHG oder Kommanditgesellschaft). Der Bereich des Zivilrechts lässt sich in unzählige teilweise sehr spezielle Untergebiete aufteilen (z.B. Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Steuerrecht, Immaterialgüterrecht, Persönlichkeitsrecht usw.). Diese Aufteilung nehmen insbesondere Praktiker der Einfachheit vor, um ihren Mandanten einen Einblick in mögliche Aspekte zu geben, in denen sie weiterhelfen können.
 
Es handelt sich hierbei jedoch nur auch um eine künstliche Aufspaltung von Bereichen, die alle miteinander vernetzt sind. So kann Gesellschaftsrecht nicht vollständig von Insolvenzrecht oder auch Steuerrecht getrennt werden. Um eine Gesellschaft vollumfänglich juristisch beraten zu können, müssen immer auch insolvenz- und steuerrechtliche Aspekte mit einbezogen werden. An dieser Stelle kommt auch das Strafrecht mit zum Tragen. Werden beispielsweise bestimmte Anforderungen an die Liquidität einer Gesellschaft (über eine gewisse Zeit) nicht erfüllt, so kann sich der Geschäftsführer einer GmbH sogar strafbar machen.

Die Aufteilung in verschiedene Untergebiete des Privatrechts, aber auch die Aufteilung in die drei Hauptgebiete (Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht), sollten also nicht als feste Unterteilungen betrachtet werden, sondern vielmehr als eine Art „Landkarte“, die zwar der Orientierung dient, in der aber verschiedene „Landschaftsarten“ (Rechtsgebiete) fließend ineinander übergehen.
 
VI. Was bedeutet Recht für ra.de?
 
Unsere Philosophie ist simpel: Wir wollen Recht zugänglich machen! Transparenz ist der erste Schritt, um das zu erreichen. Indem wir nicht nur Rechtsquellen (wie Gesetzestexte und Urteile), sondern auch die Namen der zuständigen Rechtsprechungsorgane, Anwälte und Staatsanwälte veröffentlichen und durch Artikel verschiedene Themengebiete inhaltlich verknüpfen, wollen wir das System des Rechts als eines darstellen, welches offen für Kommunikation in sich und zur Außenwelt ist.

Recht soll nicht nur den Rechtskundigen, sondern allen Interessierten zugänglich gemacht werden. Hierzu wollen wir den „Code“ des Rechts entschlüsseln und übersetzen, sodass eine Kommunikation zwischen den sonst isolierten Systemen der einzelnen Fachgebiete möglich wird.

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