Betriebsverfassungsrecht

Betriebsverfassungsrecht

erstmalig veröffentlicht: 28.07.2007, letzte Fassung: 23.01.2024
beiRechtsanwalt Anwalt für Arbeitsrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht

Betriebsverfassungsrecht regelt – das Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zugrunde gelegt – das Verhältnis vom jeweiligen Arbeitgeber zur Interessenvertretung der Arbeitnehmer (dem Betriebsrat). 

Wichtige Grundsätze bei der Zusammenarbeit beider Parteien sind:

-    der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit 

-    die Friedenspflicht 

-    das Verbot der Beeinträchtigung von Arbeitsablauf oder Betriebsfrieden 

I. Wahl des Betriebsrats

Der Betriebsrat wird gem. § 1 BetrVG grundsätzlich dann gewählt, wenn mindestens fünf ständige und wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb tätig sind.

Die Anzahl der Betriebsräte in einem Betrieb hängt von dessen Arbeitnehmerstärke ab. 

Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer Anzahl der Mitglieder des Betriebsrats
5-20 1
21-50 3
51-100 5
101-200 7
201-400 9
401-700 11
701-1000 13
1001-1500 15
1501-2000 17
[usw. in 500er Schritten...] [jeweils 2 mehr bis...]
4501-5000 29
5001-6000 31
6001-7000 33
7001-9000 35
[ab hier in 3000er Schritten...] [jeweils 2 mehr]

 

II. Aufgaben und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats 

Mitwirkungsrechte hat der Betriebsrat sowohl in sozialen, personellen als auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Der Betriebsrat hat sowohl Informations- und Beratungsrechte, als auch Widerspruchs-, Zustimmungsverweigerungs- und (echte) Mitbestimmungsrechte, sodass er wichtige Entscheidungen mitgestalten kann.  

1. Informationsrechte

Der Betriebsrat kann insbesondere folgende Informationen anfordern: 

-    Arbeitnehmerdaten

-    Belange des Arbeits-/Unfall- und Umweltschutzes

-    (geplante) Arbeitsplatzgestaltung, bauliche Veränderungen, technische Anlagen

-    Arbeitsverfahren und -abläufe 

-    Behandlung von Beschwerden der Arbeitnehmer 

-    Berufsbildungsbedarf 

-    Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

-    Betriebsänderungen (bspw. Einschränkung oder Stilllegung des Betriebs)

-    Bruttolohn- und Gehaltslisten

-    beabsichtigte Einstellungen und (tariflichen/ betrieblichen) Eingruppierungen

-    (geplante) Kündigungen und Versetzungen

-    Übernahme von Leiharbeitnehmern

-    Personalplanung

-    Soziale Angelegenheiten

-    Subunternehmer, Honorarkräfte, Werkunternehmer, freie Mitarbeiter

-    vorläufige personelle Maßnahmen (bspw. vorläufige Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen, Versetzungen etc.) 

2. Beratungsrechte

Auch außerhalb seiner Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat ggf. das Recht dem Arbeitgeber beratend zur Seite zu stehen. Der Arbeitgeber muss der Stimme des Betriebsrates dann zwar keine Entscheidungskraft beimessen, dieser hat aber dennoch ein Recht darauf „gehört“ zu werden. 

Das BetrVG sieht ein solches Recht in folgenden Fällen vor:

-    Planung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten, von Fabrikations-, Verwaltungs- und sonstigen betrieblichen Räumen, § 90 Abs. 2 BetrVG

-    Planung von technischen Anlagen, § 90 Abs. 2 BetrVG

-    Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen, § 90 Abs. 2 BetrVG

-    Planung der Arbeitsplätze, § 90 Abs. 2 BetrVG

-    Personalplanung, § 92 Abs. 1 Satz 2 BetrVG

-    Beschäftigungsförderung und Beschäftigungssicherung, § 92a Abs. 2 Satz 1 BetrVG

-    Berufsbildung der Arbeitnehmer, § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG

-    Betriebliche Einrichtungen der Berufsbildung, Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen, Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen, § 97 Abs. 1 BetrVG

-    Betriebsänderungen, § 111 Satz 1 BetrVG

3. Widerspruchsrechte

Der Betriebsrat kann zwar eine Kündigung nicht unmittelbar verhindern. Der Arbeitgeber muss diesen jedoch über eine geplante Kündigung informieren (s.o.), woraufhin der Betriebsrat der (ordentlichen) Kündigung gem. § 102 Abs. 3 BetrVG widersprechen kann. Der Widerspruch hat zur Folge, dass der gekündigte Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens verlangen kann, bis zum Ende des Verfahrens weiterbeschäftigt zu werden. 

Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dies nicht vorgesehen. 

4. Zustimmungsverweigerungsrechte

Bei personellen Einzelmaßnahmen (z.B. Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen oder Versetzungen) hat der Betriebsrat gem. § 99 Abs. 2 BetrVG ein Zustimmungsverweigerungsrecht („Veto-Recht“). Mit diesem kann er eine Entscheidung des Arbeitgebers blockieren und den Arbeitgeber so daran hindern die Maßnahme durchzuführen. 

5. (Echte) Mitbestimmungsrechte

Bei echten Mitbestimmungsrechten handelt es sich um Rechte des Betriebsrates, die eine tatsächliche Mitgestaltungsmöglichkeit beinhalten. Diese Mitbestimmungsrechte bestehen insbesondere in sozialen Angelegenheiten und sind in § 87 BetrVG geregelt.

1.   Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;

2.   Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage; 

3.   vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;

4.   Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;

5.   Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;

6.   Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;

7.   Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;

8.   Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;

9.   Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;

10.   Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;

11.   Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;

12.   Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;

13.   Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt.

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