Scalping

erstmalig veröffentlicht: 23.06.2010, letzte Fassung: 06.03.2024
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1. Begriff des Scalpings:

Unter Scalping versteht man den Erwerb von Insiderpapieren in der Absicht, sie anderen zum Erwerb zu empfehlen, um sie nach einem (infolge der Empfehlung) steigenden Kurs mit Gewinn wieder abzustoßen. Zwar ist es gleichgültig, wer die Empfehlung ausspricht, doch typischerweise handelt es sich bei den Scalpern meist um Wirtschaftsjournalisten, Wertpapieranalysten oder selbsternannte Börsengurus.

Das Scalping läuft in drei Schritten ab: Zunächst geht der Scalper Positionen hinsichtlich bestimmter Vermögenswerte ein, kauft z.B. Wertpapiere. Dann gibt der Scalper eine Empfehlung bezüglich dieser Vermögenswerte ab, empfiehlt z.B. die Wertpapiere zum Erwerb, und zwar ohne offen zu legen, dass er selbst Positionen bezüglich der Vermögenswerte innehat. Führt dies dann dazu, dass der Kurs oder Marktpreis beeinflusst wird, steigt der Kurs der zum Erwerb empfohlenen Wertpapiere, weil sich viele Marktteilnehmer an der Empfehlung ausrichten. Letztlich nutzt also der Scalper die Kursbeeinflussung aus, indem er seine Positionen realisiert, z.B. in dem er die Wertpapiere mit Gewinn abstößt.

Insbesondere in den letzten Jahren befand sich das Scalping intensiv im rechtlichen Diskurs. Der Gesetzgeber hatte sich, insbesondere bei der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben zur Bekämpfung der Manipulation an der Börse, mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Besondere Prägung erfuhr die Thematik infolgedessen durch eine höchstrichterliche Entscheidung im Jahr 2003, sowie durch mehrere Änderungen des WpHG.

2. Strafrechtliche Einordnung von Scalping:

In Betracht kommt zunächst, dass das Scalping als verbotenes Insidergeschäft nach §
38 I Nr. 1
i.V.m. § 14 I Nr. 1 WpHG strafbar ist.

a) Bisheriger Meinungsstand:

Die früher herrschende Meinung im Schrifttum bejaht die Subsumtion der Empfehlungsabsicht unter den Begriff der Insidertatsache. Diese Ansicht orientierte sich ursprünglich am strengen Gesetzeswortlaut und ist davon ausgegangen, dass dem § 13 I WpHG kein anderer Tatsachenbegriff zugrunde läge als der der §§ 186, 263 StGB.  Dieser umfasste auch Absichten als innere Tatsachen. Zudem habe man auch dann Kenntnis von einer Insidertatsache, wenn man selbst der Urheber sei. Dieser Ansicht hatte sich auch die frühere Rechtsprechung angeschlossen. Mit Einführung des Begriffs der Insiderinformation ging man nunmehr davon aus, dass eine Insiderinformation nicht zwingend einen Drittbezug aufweisen müsse.

b) Auffassung des Bundesgerichtshofs:

Mit dem Urteil vom 06.11.2003 hat sich der 1. Strafsenat des BGH gegen eine Strafbarkeit
wegen verbotenem Insidergeschäft nach §§ 38 I Nr.1, 14 I Nr. 1 WpHG entschieden. Die Strafbarkeit des Insiderhandels wurde zur Umsetzung der EG-Insiderrichtlinie vom 13.11.1989 eingeführt, sodass eine richtlinienkonforme Auslegung stattfinden müsse. In der Richtlinie wird der Begriff der „konkreten Information“ verwendet. Man müsse also auch bei der Auslegung des § 14 I Nr. 1 WpHG diesen Begriff zugrunde legen. Konkrete Informationen könnten regelmäßig nur solche sein, die einen Drittbezug aufweisen. Das Scalping ist jedoch gerade dadurch gekennzeichnet, dass der Empfehlende und derjenige, der am Markt Dispositionen trifft personenidentisch sind und ein Drittbezug damit nicht gegeben ist. Selbst geschaffene Tatsachen seien daher nicht vom Begriff der Insiderinformation umfasst. Die Verwendung des Begriffes der konkreten Information in der Weise, dass sich jemand über einen selbst geschaffenen Gedanken informiert sei dem Sprachgebrauch fremd. Eine Absicht könne nur dann eine konkrete Information darstellen, wenn über das Vorliegen einer Absicht eine Aussage formuliert wird. Der Begriff der Insiderinformation fand sodann auch mit Inkrafttreten des AnSVG Eingang in den Wortlaut des WpHG.

Außerdem kommt in Betracht, dass sich ein Scalper wegen verbotener Marktmanipulation gem.§§ 38 II, 20a I S.1 Nr. 1 WpHG strafbar macht.

Nach dem neuen Gesetzeswortlaut ist es nunmehr verboten, sonstige Täuschungshandlungen
vorzunehmen, die geeignet sind, auf den Preis eines Finanzinstruments einzuwirken (vgl. § 20a I Nr. 3 WpHG). Durch die Neufassung des § 20a I WpHG kam es zu einem geänderten Verhältnis der Ordnungsnummern zueinander. Dieser stellt nunmehr einen Auffangtatbestand zu §§ 20a I Nr.1, Nr. 2 WpHG dar. Bei der Regelung des Tatbestandes wählte der Gesetzgeber die Form einer Blankettnorm mit zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen. Außerdem ist der Begriff der sonstigen Täuschungshandlung über die  Verordnungsermächtigung des § 20a V 1 Nr. 3 WpHG in § 4 MaKonV näher definiert. Dies soll Leitlinien bereitstellen, die verdeutlichen, welche Handlungen oder Unterlassungen als Kurs- oder Marktpreismanipulation iSd § 20 a Abs. 1 WpHG einzustufen sind und welche in keinem Fall einen solchen Verstoß darstellen. Die Formulierung des § 20a WpHG als Blankettnorm und die Verordnungsermächtigung in Absatz 5 sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass es nicht möglich ist, die Vielzahl von möglichen Manipulationstechniken umfassend auch für die Zukunft gesetzlich zu regeln.
Der potentielle Scalper müsste also eine sonstige Täuschungshandlung vorgenommen haben.

Der Begriff der sonstigen Täuschungshandlung wird in § 4 I MaKonV legaldefiniert. Absatz
3 der Norm zählt Regelbeispiele für das Vorliegen einer sonstigen Täuschungshandlung
Auf.  Nach der Definition des § 4 I MaKonV sind sonstige Täuschungshandlungen i.S.d. §
20a I Nr. 3 WpHG
solche Handlungen oder Unterlassungen, die geeignet sind, einen verständigen Anleger über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere Angebot und Nachfrage in Bezug auf ein Finanzinstrument, an einer Börse oder einem Markt in die Irre zu führen. Dies stellt klar, dass die sonstigen Täuschungshandlungen keinen kommunikativen Erklärungswert aufweisen müssen. Auf einen tatsächlichen Täuschungserfolg bei den Marktteilnehmern kommt es hierbei ebenfalls nicht an. Außerdem ist es auch nicht erforderlich, dass Angaben über Umstände und Tatsachen gemacht oder verschwiegen werden. Jedoch ist im Bezug auf das Merkmal der „Vornahme“ zumindest irgendein positives Tun zu verlangen. Da § 20a I Nr. 3 WpHG nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch lediglich den Auffangtatbestand zu den § 20a I Nr.1, Nr.2 WpHG darstellt, ist die Definition in § 4 I MaKonV zu weit gefasst. Sie erfasst nämlich alle Handlungen und Unterlassungen die einen Irrtum hervorrufen können, also auch solche, die den § 20a I Nr. 1, Nr.2 WpHG unterfallen. Einschränkend ist § 4 I MaKonV also dahingehend auszulegen, dass nur solche Täuschungshandlungen erfasst werden sollen, die nicht schon durch den in § 20a I Nr. 1, Nr. 2 WpHG beschriebenen Verhaltensweisen unterfallen. Ansonsten würde diese Legaldefinition den Tatbestand des § 20a I Nr. 3 WpHG nicht wie vorgesehen konkretisieren, sondern erweitern. Der Täter muss also auf andere Weise ein nicht mit der Realität übereinstimmendes Bild erzeugen, welches zudem geeignet ist, die Marktteilnehmer in die Irre zu führen. Die MaKonV ist somit nur insoweit zu beachten, wie sie die Voraussetzungen des § 20a I WpHG wirklich nur erläutert und konkretisiert.

Beim Scalping kommt als Täuschungshandlung die Kaufempfehlung in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich problematisch, in der Abgabe eines Werturteils eine Täuschungshandlung zu sehen, jedoch wird zumindest im Hinblick auf die Strafbarkeit wegen Betruges vertreten, dass ein Werturteil als Tatsache anzusehen ist, wenn dem Erklärenden eine hohe Fachkompetenz beigemessen wird oder er diese vortäuscht und der Erklärungsempfänger keine Möglichkeit zur Überprüfung hat. Diesem Grundgedanken folgend liegt es also durchaus nahe, dass die Empfehlung des Scalpers eine sonstige  Täuschungshandlung darstellen kann. Indem er ein Wertpapier empfiehlt, ohne dabei offen zu legen, dass er selbst Dispositionen über das empfohlene Wertpapier getroffen hat, könnte darin eine Täuschung zu sehen sein, dass der Scalper konkludent erklärt, die Empfehlung sei nicht mit dem sachfremden Ziel der Kursbeeinflussung bemakelt. Sollte man der Empfehlung einen solchen Erklärungswert nicht beimessen wollen, so kommt immer noch die in der Empfehlung zum Ausdruck gebrachte Überzeugung von der Richtigkeit der Empfehlung in Betracht. Ein weiterer Anhaltspunkt für das Vorliegen einer sonstigen Täuschungshandlung stellt das Regelbeispiel des § 4 III Nr. 2 MaKonV dar. Hiernach liegt eine sonstige Täuschungshandlung dann vor, wenn ein gelegentlicher oder regelmäßiger Zugang zu traditionellen oder elektronischen Medien genutzt wird, um eine Stellungnahme oder Gerüchte zu einem Finanzinstrument oder dessen Emittenten bekannt zu geben, nachdem Positionen über dieses Finanzinstrument eingegangen worden sind, ohne dass dieser Interessenkonflikt zugleich mit der Kundgabe in angemessener und wirksamer Weise offenbart wird. Dieses Regelbeispiel beschreibt gerade die Fallkonstellation des Scalping und soll nach dem Willen des Verordnungsgebers auch gerade diese Fallkonstellationen erfassen. Festzuhalten ist also, dass die Empfehlung des Scalpers zumindest dann eine Täuschungshandlung darstellt, wenn er selbst nicht von der Richtigkeit seiner Empfehlung überzeugt ist. Zweifelhaft ist, ob dies auch angenommen werden kann, wenn der Scalper die gleiche Empfehlung auch dann ausgesprochen hätte, wenn er keine eigennützigen Ziele verfolgt hätte, seine Empfehlung also sachlich gerechtfertigt ist. Der BGH stellt in seinem Scalping-Urteil auf die Interessenkollision zwischen dem Eigeninteresse des Empfehlenden und Interesse des potentiellen Anlegers ab. Hiernach stellt bereits das Verschweigen des Eigeninteresses eine Täuschungshandlung dar, sodass es nicht mehr auf die Überzeugung des Scalpers von der Richtigkeit oder die sachliche Rechtfertigung seiner Empfehlung ankommt. Auch in Anlehnung an dem § 34 b I S. 2 Nr. 2 WpHG erweckt eine Empfehlung, die gegen diese Vorschrift verstößt grundsätzlich den unrichtigen Eindruck, dass eine Interessenkollision nicht besteht. Damit stellt die Empfehlung des Scalper – auch wenn diese sachlich gerechtfertigt ist – eine sonstige Täuschungshandlung i.S.d. § 20a I Nr. 3 WpHG dar.
Diese sonstige Täuschungshandlung müsste aber auch objektiv geeignet sein, den Marktpreis eines Finanzinstruments hoch- oder herunterzutreiben oder beizubehalten. Dies ist dann der Fall, wenn das Verhalten des Scalpers bei Würdigung aller Umstände, insbesondere den gemachten Angaben, sowie der Marktlage, generell zur Preisbeeinflussung geeignet ist. Es muss also Kausalität zwischen der  Täuschungshandlung und einer möglichen Preisbeeinflussung bestehen. Hierbei wird vorherrschend auf einen durchschnittlich verständigen Anleger abgestellt. Die Kausalität wäre beim Scalping dann nicht mehr gegeben, wenn der durchschnittliche Anleger das empfohlene Wertpapier auch bei Bekanntwerden der Täuschung gekauft hätte. Hier ließe sich vielleicht anführen, dass die Empfehlung noch an Überzeugungskraft gewinnen würde, wenn bekannt werden würde, dass der Empfehlende die Aktie bereits selbst gekauft hat und die Anleger ihm deshalb noch eher folgen werden.

Jedoch kann dies wohl kaum für das Bekanntwerden des Eigeninteresses des Scalpers und noch weniger für das Bekanntwerden einer fehlenden Überzeugung von der Richtigkeit der Empfehlung gelten. Wird dem Anleger das Eigeninteresse des Empfehlenden an einem Kursanstieg bekannt, so wird er wohl eher vom Kauf absehen, da hiermit an der sachlichen Rechtfertigung der Empfehlung gezweifelt werden kann. Kaum ein Anleger würde ein Wertpapier immer noch kaufen, wenn er wüsste, dass der  Empfehlende selbst nicht von einem vielversprechenden Kauf ausgeht. Folglich ist die Empfehlung des Scalpers auch zur Preisbeeinflussung geeignet.

Bezüglich aller Tatbestandsmerkmale ist zumindest bedingter Vorsatz zu fordern. Der
Scalper muss hierbei zumindest in laienhafter Parallelwertung den Täuschungswert seiner
Handlung erkennen. Auch hinsichtlich der Preiseinwirkung ist zumindest bedingter Vorsatz
zu verlangen. Regelmäßig wird der Vorsatz beim Scalper vorliegen, wenngleich er in
der Praxis nur schwer bewiesen werden kann.

3. Ergebnis:

Das  Scalping ist im Ergebnis demnach als verbotene Kurs- und Marktmanipulation gem. §§ 38 II, 39 I Nr. 2 i.V.m. § 20a I Nr. 3 WpHG strafbar. Die Täuschungshandlung ist in der mit der Empfehlung zum Ausdruck gebrachten konkludente Erklärung, dass keine Interessenkonflikte bestehen, als auch in der darin zum Ausdruck gebrachte Überzeugung von der Richtigkeit der Empfehlung zu sehen. Auf die sachliche Rechtfertigung der Kaufempfehlung kommt es nicht an. Die Empfehlung ist auch zur Preisbeeinflussung geeignet. Kommt es zu keiner tatsächlichen Kursbeeinflussung so handelt der Scalper zumindest ordnungswidrig nach § 39 I Nr. 3 WpHG.

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