Üble Nachrede

Üble Nachrede

erstmalig veröffentlicht: 07.12.2011, letzte Fassung: 11.03.2022
beiRechtsanwalt Dirk Streifler - Partner
Durch eine üble Nachrede (§ 186 StGB) wird die persönliche Ehre auf besondere Weise angegriffen. Im Zusammenhang mit Dritten wird dem Opfer eine ehrenrührige Tatsache zugeschrieben. Es handelt sich somit um eine Dreiecksform des Verletzungsgeschehens. Das selbe gilt auch für die Verleumdung im Sinne von § 187 StGB. Das wesentliche Unrecht der üblen Nachrede ergibt sich aus der Ermöglichung der Missachtung eines Dritten. Aus diesem Grund ist die Bejahung des Unrecht bereits dann  ausgeschlossen, wenn es sich bei der verbreiteten bzw. behaupteten Tatsache um die Wahrheit handelt. Ist die Tatsache also erweislich wahr, wird der Täter nicht bestraft. Da die Dreiecksstruktur eine sachliche Anforderung der Norm ist, ist es nicht relevant, ob das Opfer zur Tatzeit anwesend ist.

I.    Tatsachen

Was sind Tatsachen?


Nach üblicher Bestimmung sind Tatsachen Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. Auch innere Vorgänge und Zustände können Tatsachen sein, wenn sie zu äußeren Geschehnissen in Beziehung gesetzt werden können, durch die sie in das Gebiet der wahrnehmbaren äußeren Welt getreten sind. Der Begriff der Tatsache im Zusammenhang mit dem § 186 StGB ist allerdings vielmehr aus dem umschriebenen Unrecht heraus zu bestimmen. Entscheidend ist dann nicht die in der üblichen Definition stark hervorgehobene Äußerlichkeit des Behaupteten, sondern, dass mit einer Person ein Geschehnis oder ein Zustand so verbunden wird, dass für den Empfänger der Äußerung die Grundlage für eine selbständige Stellungnahme zur Ehre des Opfers geschaffen wird. Eine Äußerung ist also dann eine Tatsachenbehauptung, wenn durch sie das Opfer so gekennzeichnet wird, dass Dritten unabhängig von der Person des Äußernden eine selbständige Überprüfung des Geäußerten möglich ist; dies kann dann auch zum Gegenstand des Wahrheitsbeweises gemacht werden.

II.    Vollendung der Tat

Die üble Nachrede im Sinne von § 186 StGB ist mit der Kundgabe einer ehrverletzenden Tatsache gegenüber einem Drittem, die zu einer Missachtung oder Herabwürdigung geeignet ist, vollendet, wenn der Dritte sie zur Kenntnis genommen hat. Anders als bei der Beleidigung im Sinne von § 185 StGB ist es nicht erforderlich, dass der Dritte den ehreverletzenden Inhalt verstanden hat. Die üble Nachrede setzt demnach nicht voraus, dass sich der Dritte tatsächlich eine Missachtungsurteil über das Opfer bildet.

III.    Rechtswidrigkeit

Eine vorherige Zustimmung zur Behauptung/Verbreitung (etwa eines Prominenten gegenüber einem Journalisten, um auf sich aufmerksam zu machen) ist ein tatbestandsausschließendes Einverständnis. Ferner kann die Rechtswidrigkeit auch durch den § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) ausgeschlossen sein, wobei hier jedoch besonders hohe Anforderungen zu stellen sind.

IV.    Wahrheitsbeweis

Beruht die geäußerte Tatsache auf der Wahrheit und lässt sich die Wahrheit auch beweisen, so ist eine Bestrafung nach § 186 StGB ausgeschlossen. Die Beweislast trägt das Gericht gemäß §§ 155 Abs.2, 244 Abs. 2 StPO. Nach herrschender Meinung treffen den Angeklagten jedoch die Folgen, wenn das Gericht keine Überzeugung von der Wahrheit gewinnen kann. Der Satz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) soll hier nicht gelten.

V.    Qualifikation der üblen Nachrede

Wurde die Tat „öffentlich“ oder durch „verbreiten von Schriften“ begangen handelt es sich um eine qualifizierte Modifikation des Grundtatbestands. Das gesteigerte Unrecht dieser Begehungsweisen liegt darin, dass das Opfer in einer nicht mehr kontrollierbaren Weise der Gefahr fremder Missachtung ausgesetzt wird. Dies wird auch dadurch deutlich, dass ein Widerruf der Äußerung nicht mehr persönlich an bestimmte Adressaten gerichtet werden kann. Die Qualifikation gewinnt insbesondere wegen der technischen Möglichkeiten des Internet zunehmend an Bedeutung (LG Augsburg vom 07.08.2009 – 4 Ns 101 Js 125786/08).

1. Die Tat erfolgt öffentlich, wenn die Äußerung von unbestimmt vielen, individuell nicht feststehenden Personen wahrgenommen werden kann. Der Ort der Äußerung ist hierbei nicht entscheidend. Weder ist die Qualifikation allein deshalb verwirklicht, weil die Tat auf einem öffentlichen Platz oder in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung o.ä. geschah, noch ist sie deshalb ausgeschlossen, weil sie aus einer Privatwohnung heraus erfolgt. Auch die Form der Äußerung ist unerheblich. Bei schriftlichen Äußerungen ist allerdings zu bedenken, dass ihre Zugänglichkeit kontrolliert werden kann. Erforderlich ist daher die Feststellung, dass fremde Kenntnisnahme mit dem Willen des Berechtigten geschehen ist (Beispiel: Autoaufkleber, Plakate, Parolen auf einer Hauswand etc.)

2. Verbreiten einer Schrift bedeutet, dass die gegenständlich fixierte Änderung so in fremde Hände gelangen muss, dass der Täter nicht mehr kontrollieren kann, wer die Äußerung wahrnimmt (Beispiel: Abgabe von Flugblättern an Passanten). Die Übergabe der Schrift an eine Person in ihrer Substanz (nicht entscheidend ist der Inhalt) genügt nur, wenn sie mit der Absicht erfolgt, dass sie dadurch noch weiteren Personen zugänglich gemacht wird. Zusätzlich ist es erforderlich, dass weitere Einzelpersonen dadurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhalten. Ist dies nicht der Fall, befindet sich die Tat noch im straflosen Versuchsstadium (OLG Bremen vom 03. 12. 1986 - Ws 156/86).
 
 

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