Amtsgericht München Endurteil, 05. Feb. 2018 - 154 C 19092/17

bei uns veröffentlicht am05.02.2018

Gericht

Amtsgericht München

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 45,77 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.10.2017 zu zahlen sowie den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten ... in Höhe von 83,54 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 85 % und die Beklagte 15 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung des jeweils anderen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der andere vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 705,50 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Minderung und Schadensersatz wegen der Änderung des Abflugortes und Änderung der Abflugzeiten.

Die Beklagte ist Reiseveranstalterin. Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Frau und seine Kinder eine Pauschalreise in die Türkei für den Zeitraum 03.06.2017 bis 11.06.2017 zum Gesamtpreis von 2.746,- €. Es wurden folgende Flugdaten vereinbart:

Hinflug: 03.06.2017, 15:30 Uhr ab Flughafen Berlin Schönefeld, 19:40 Uhr an Flughafen Antalya

Rückflug: 11.06.2017, 09:45 Uhr ab Flughafen Antalya, 12:10 Uhr an Flughafen Berlin Schönefeld

Die Fluginformationen waren in der Buchungsbestätigung der Beklagten mit folgendem Hinweis versehen: „Details & Flugzeiten unverbindlich“.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Buchungsbestätigung wird auf die Anlage K1 verwiesen.

Im Mai 2017 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass sich die Flugdaten wie folgt geändert hätten:

Hinflug: 03.06.2017, 14:45 Uhr ab Flughafen Leipzig, 19:00 Uhr an Flughafen Antalya

Rückflug: 11.06.2017, 10:45 Uhr ab Flughafen Antalya, 13:10 Uhr an Flughafen Berlin Schönefeld

Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 02.06.2017 mit, dass er mit den geänderten Flugdaten nicht einverstanden sei, und unterbreitete der Beklagten ein Vergleichsangebot hinsichtlich einer Entschädigung, das die Beklagte ablehnte.

Der Kläger und seine Familie führten sodann die Reise mit den geänderten Flugdaten durch.

Der Kläger hat einen Hund, für den er vom 03.06.2017 bis 11.06.2017 einen Platz in einer Hundepension in der Nähe des Flughafens Berlin-Schönefeld gebucht hatte. Nach der Änderung der Abflugdaten musste der Kläger den Hund bereits am 02.06.2017 in der Hundepension abgeben, da die Tiere dort nur zwischen 09:00 Uhr und 10:00 Uhr sowie 18:00 Uhr und 19:00 Uhr abgegeben werden können, und der Kläger am 03.06.2017 um 09:30 Uhr bereits die Anreise zum Flughafen Leipzig antreten musste. Hierdurch sind dem Kläger zusätzliche Kosten in Höhe von 19,- € entstanden.

Mit Schreiben vom 10.07.2017 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 705,50 € sowie zur Freistellung von den Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 147,56 € unter Fristsetzung bis zum 24.07.2017 auf.

Mit E-Mail vom 14.07.2017 wies die Beklagte die Ansprüche des Klägers zurück.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 15.01.2018 angegeben, dass er die Reise nie gebucht hätte, wenn die geänderten Flugdaten von Anfang so festgestanden hätten. Hätte er die Reise ab Leipzig gebucht, wäre die Reise 500,- € günstiger gewesen. Er hätte die Reise auch nach Änderung der Flugdaten storniert, wenn es nicht so kurzfristig gewesen wäre. Aufgrund des unterschiedlichen Abflugs- und Ankunftsort habe er sich darum kümmern müssen, dass ihn und seine Familie jemand abhole.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Änderung des Abflugflughafens und der Flugzeiten einen Mangel darstelle, der eine Minderung in Höhe von 100 % des Reisepreises für den ersten und den letzten Reisetag rechtfertige. Zudem stünde dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 19,- € für die zusätzlichen Hundepensionskosten zu.

Der Kläger beantragt,

  • 1.die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 705,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  • 2.die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr i.H.v. 147,56 Euro freizusteller.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 15.01.2018 bestritten, dass die Reise ab Leipzig 500,- € billiger gewesen wäre.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei unschlüssig und unbegründet. Außerdem sei der Tagesreisepreis falsch berechnet.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2018 (Bl. 18/21 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Minderungsanspruch des Reisepreises in Höhe von 45,77 €. Der Anspruch ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Pauschalreisevertrag i.V.m. §§ 651 d Abs. 1, 651 c Abs. 1, 638 Abs. 3, Abs. 4 BGB. Der bereits gezahlte Reisepreis ist in dieser Höhe zurück zu zahlen.

a. Ein Reisemangel lag nach Ansicht des Gerichts vor, da die Beklagte den Abflugort von Berlin Schöneberg auf Leipzig geändert und gleichzeitig die Abflugzeit um 45 Minuten vorverlegt hat.

Die Beklagte hatte kein Recht, einseitig den Abflugort zu verändern. Der in der Buchungsbestätigung der Beklagten (Anlage K1) enthaltene Zusatz „Fluginformation (Details & Flugzeiten unverbindlich)“ ist unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2013, Az. X ZR 24/13, NJW 2014, 1168).

Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Verlegung des Abflugortes einen Reisemangel darstellt (so auch LG Kleve, Urteil vom 03.09.1997, Az. 4 S 128/97, gefunden über juris; für die Änderung des Ankunftsortes als Mangel: AG Hamburg, Urteil vom 04.03.2004, RRa 2004, 122; AG Gifhorn, Urteil vom 28.09.2004, RRa 2005, 69; AG Düsseldorf, Urteil vom 31.07.1997, Az. 53 C 7069/97, gefunden über juris). Das OLG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 21.07.1994, Az. 18 U 17/94, VuR 1995, 216, die Ansicht vertreten, bei der Verlegung des Abflugortes nach Frankfurt statt Düsseldorf handele es sich nur um eine bloße Unannehmlichkeit und nicht um einen Mangel der Reiseleistung. Auch wenn die Entfernung zwischen den Abflugorten Berlin und Leipzig zur Entfernung zwischen Düsseldorf und Frankfurt vergleichbar ist, sieht das entscheidende Gericht hierin nicht eine bloße Unannehmlichkeit. Reisende wählen zum einen bewusst einen Abflugort aus, der für sie günstig ist. Zum anderen stellen sie sich im Rahmen ihrer Planung auf den vereinbarten Abflugort ein, planen die Anreise, informieren sich über die örtlichen Begebenheiten wie beispielsweise Parkmöglichkeiten. Es handelt sich um einen wesentlichen Bestandteil der Reise.

b. Für den Reisemangel hält das Gericht eine Minderung in Höhe von 15 % eines Tagesreisepreises für angemessen.

Bei der Bemessung der Minderung war zu berücksichtigen, dass lediglich ein Reisetag, nämlich der 03.06.2017, durch die Änderung des Abflug-Flughafens betroffen war, und es sich bei diesem Tag ohnehin um einen Reisetag handelte. Der Zielflughafen wurde durch die ebenfalls leicht veränderte Flugzeit 40 Minuten früher erreicht. Ferner war zu berücksichtigen, dass der in Berlin wohnhafte Kläger - auch wegen der zusätzlichen Vorverlegung des Abfluges um 45 Minuten - eine um wenige Stunden verlängerte Anreise zum Abflugort hatte. Weitere Unannehmlichkeiten ergaben sich dadurch, dass der Abreiseort nicht dem Ankunftsort entsprach. Zusätzliche Kosten für die Anreise sind dem Kläger nicht entstanden, da die streitgegenständliche Reise ein „Rail&Fly“-Ticket beinhaltete, also die kostenlose Anreise mit der Deutschen Bahn. Die Nachtruhe des Klägers wurde durch die Änderung des Abflugortes nicht gestört.

Der Tagesreisepreis beträgt 305,11 € (2.746,- € : 9 Tage). 15 % hiervon betragen 45,77 €.

2. Der Kläger hat Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € gemäß §§ 651 f Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB.

Die Rechtsanwaltskosten stellen einen adäquat kausalen Schaden aus der Schlechterfüllung des Reisevertrages dar. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts war hier erforderlich und angemessen, da die Beklagte sich auf das Schreiben des Klägers vom 02.06.2017 hin, nicht bereit erklärte, die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche zu erfüllen.

Der Erstattungsanspruch besteht jedoch nur hinsichtlich eines Streitwerts, der dem tatsächlich bestehenden Anspruch des Klägers in Höhe von 45,77 € entspricht. Die Rechtsanwaltskosten betragen danach 83,54 € (1,3 Gechäftsgebühr gemäß VV Nr. 2300 RVG: 58,50 €, Auslagenpauschale gemäß VV Nr. 7002 RVG: 11,70 €, 19 % Mehrwertsteuer).

3. Der Kläger hat außerdem Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

II. Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger einen über 45,77 € hinausgehenden Betrag geltend gemacht hat.

1. Der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch auf Minderung wegen der Änderung der Flugzeiten.

Eine Verschiebung der Flugzeit generell stellt bei rechtzeitigem Hinweis keinen Reisemangel dar, da davon auszugehen ist, dass der erste bzw. der letzte Tag für die An- und Abreise eingesetzt werden (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 651 c, Rn. 91, m.w.N.). Die überwiegende Rechtsprechung geht außerdem davon aus, dass erst ab einer Flugverspätung von über 4 Stunden ein Mangel besteht und kürzere Verspätungen als reine Unannehmlichkeit hinzunehmen sei (Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., m.w.N.). In der Vorverlegung der Flugzeit wird überwiegend kein Mangel gesehen soweit die Nachtruhe nicht gestört ist und kein Reisetag verloren geht (Münchener Kommentar, a.a.O., Rn. 93).

Die Vorverlegung des Hinfluges von 15:30 Uhr auf 14:45 Uhr stellt für sich genommen somit keinen Reisemangel dar. Auch die Verlegung des Rückfluges von 09:45 Uhr auf 10:45 Uhr stellt keinen Reisemangel dar, zumal dem Kläger hiermit ein längeres Verweilen am Urlaubsort ermöglicht wurde.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 19,- € für die zusätzlichen Kosten der Hundepension.

Die Unterbringung des Hundes des Klägers während der Reisezeit war nicht Vertragsgegenstand der streitgegenständlichen Reise und fällt nicht in den Schutzbereich des Reisevertragsrechts.

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten über einen Betrag von 83,54 € hinaus (s. o. unter I.2.).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Verfahrenskosten waren verhältnismäßig nach dem Obsiegen der Parteien zu teilen.

IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1, S. 2, 709 S. 2 ZPO.

V. Der Streitwert wurde gemäß §§ 63 Abs. 2 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Amtsgericht München Endurteil, 05. Feb. 2018 - 154 C 19092/17

Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht München Endurteil, 05. Feb. 2018 - 154 C 19092/17

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh
Amtsgericht München Endurteil, 05. Feb. 2018 - 154 C 19092/17 zitiert 9 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2013 - X ZR 24/13

bei uns veröffentlicht am 10.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 24/13 Verkündet am: 10. Dezember 2013 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 24/13 Verkündet am:
10. Dezember 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB-InfoV § 6 Abs. 2

a) Die Luftbeförderung gehört bei einer Flugreise zu der vom Reiseveranstalter
zu erbringenden Hauptleistung. Der Reisevertrag muss die Frage
regeln, wann sie erbracht werden soll.

b) Der Zeitpunkt der Abreise kann im Reisevertrag nicht nur als nach Tag
und Uhrzeit bezeichneter Zeitpunkt vereinbart, sondern auch zum Gegenstand
eines Leistungsbestimmungsrechts des Reiseveranstalters
gemacht werden, das es diesem erlaubt, die genaue Leistungszeit innerhalb
eines vereinbarten Rahmens festzulegen. Ein solches Bestimmungsrecht
kann auch durch die Vereinbarung einer als voraussichtlich
bezeichneten Abreisezeit eingeräumt werden.

c) Liegt dem Reisevertrag eine vom Reiseveranstalter genannte voraussichtliche
Abreisezeit (hier: Abflugzeit) zugrunde, ist diese jedenfalls
annähernd einzuhalten.

d) Die Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters
"Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter
mit den Reiseunterlagen."
und
"Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."
benachteiligen den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen und sind unwirksam.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - X ZR 24/13 - OLG Celle
LG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher, Hoffmann und die
Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 7. Februar 2013 verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer; er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen.
2
Die Beklagte bietet Pauschalreiseverträge an. Sie verwendet "Ausführliche Reisebedingungen", die in Abschnitt 3.3 in Absatz 1 Satz 2 und 3 folgende Regelungen enthalten: "Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen. Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich."
3
Der Kläger hält diese Bedingungen für unwirksam. Er erstrebt mit der Klage ein Verbot, diese oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Pauschalreiseverträ- ge mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen und die Erstattung der Kosten der erfolglosen Abmahnung der Beklagten.
4
Das Landgericht hat die Beklagte hinsichtlich der ersten Klausel antragsgemäß verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers auch hinsichtlich der zweiten Klausel antragsgemäß erkannt. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, der der Kläger entgegentritt.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat keinen Erfolg.
6
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, beide Klauseln beinhalteten Nebenabreden, die entweder die vertragliche Änderung der Leistung der Beklagten oder die einseitige Leistungsbestimmung durch die Beklagte ermöglichen sollten. Es handle sich deshalb um Vertragsbedingungen im Sinne von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (nachfolgend: AGB), die der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterlägen.
7
Die erste Klausel ("Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen.") verstoße sowohl gegen § 308 Nr. 4 BGB als auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
8
Die Klausel umfasse dem Wortlaut nach auch Fälle, in denen von der Beklagten bei Vertragsschluss bereits eine feste Abflug- und Ankunftszeit genannt werde. Die Änderung einer solchen Vereinbarung stelle eine Vertragsänderung im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB dar. Ein wirksamer Änderungsvorbehalt inAGB setze voraus, dass die Interessen des Vertragspartners gewahrt würden, die Änderung diesem insbesondere zumutbar sei. Die möglichen triftigen Änderungsgründe müssten konkret benannt werden. Daran fehle es bei der angegriffenen Klausel.
9
In denjenigen Fällen, in denen von der Beklagten keine (verbindlichen) Angaben zu Flugzeiten gemacht worden seien, verstoße die Klausel gegen das Transparenzgebot. Die nachträgliche Benennung einer Vertragsleistung stelle eine einseitige Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB dar. Eine solche sei in AGB nur zulässig, wenn es hierfür ein berechtigtes Interesse des Verwenders gebe und dieses in der Klausel auch genannt werde, damit der Vertragsinhalt für den Vertragspartner kalkulierbar sei. Ein etwaiges berechtigtes Interesse der Beklagten an einer nachträglichen einseitigen Leistungsbestimmung sei weder in der Klausel erwähnt noch sei ersichtlich, auf welche Weise in einem solchen Fall die Interessen des Reisenden beachtet würden.
10
Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass der Reisende nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (nachfolgend: Informationsverordnung oder BGB-InfoV) nur über die voraussichtliche Zeit der Abreise und der Rückkehr zu informieren sei. Regelungsinhalt der Informationsverordnung sei nicht die Festlegung des Vertragsinhalts des Pauschalreisevertrags, sondern die Benennung der Informationspflichten des Reiseveranstalters. Die Verbindlichkeit der angegebenen Zeiten ergebe sich aus dem jeweiligen Vertrag. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Unterabs. i der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158 vom 23. Juni 1990, S. 59 bis 64, nachfolgend: Richtlinie), wonach dem Verbraucher nur Tag und Zeit der Abreise und Rückkehr mitgeteilt werden müssten, führe zu keiner anderen Beurteilung. Die Richtlinie stelle nur eine Mindestharmonisierung der nationalen Rechte dar.
11
Die zweite Klausel ("Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich.") verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es handle sich nicht nur um eine die Vollmacht eines Reisevermittlers beschränkende Klausel. Durch die Regelung werde bei dem Reisenden vielmehr der Eindruck erweckt, sämtliche Angaben der Reisebüromitarbeiter, die sich auf Flugzeiten bezögen, seien unverbindlich. Dies betreffe auch die von den Reisebüromitarbeitern lediglich weitergegebenen Fluginformationen der Beklagten. An den von ihr selbst genannten Informationen müsse sich die Beklagte jedoch in jedem Fall festhalten lassen.
12
Die Unterlassungsverpflichtung beziehe sich auf den gesamten Zeitraum ab dem 1. April 1977. Zu diesem Zeitpunkt sei das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) in Kraft getreten, dessen Vorschriften, soweit in diesem Rechtsstreit von Bedeutung, mit §§ 307, 308 BGB übereinstimmten. Die Beklagte dürfe inhaltsgleiche Klauseln in keinem der Verträge seit dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes verwenden. Auf den Zeitpunkt der Einführung der konkret beanstandeten Reisebedingungen der Beklagten komme es nicht an, da alle inhaltsgleichen Klauseln von dem Verwendungsverbot erfasst seien.
13
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger kann nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG von der Beklagten verlangen , die Verwendung der genannten Klauseln zu unterlassen; die Beklagte hat deshalb auch die Kosten der Abmahnung zu tragen.
14
1. Bei den angegriffenen Bestimmungen handelt es sich, wie das Berufungsgericht von der Revision unbeanstandet festgestellt hat, um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Beklagte ihren Vertragspartnern bei Abschluss eines Vertrags stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
15
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die streitigen Bestimmungen nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle unterliegen.
16
a) Gegenstand der Inhaltskontrolle sind nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB solche Bestimmungen in AGB, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Unter Rechtsvorschriften sind dabei nicht nur Gesetzesvorschriften im materiellen Sinn zu verstehen. Möglich ist auch eine Kontrolle von AGB-Klauseln, die vertragsnatürliche wesentliche Rechte und Pflichten zum Nachteil des Vertragspartners einschränken oder sonst gegen allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze verstoßen (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 1983 - VIII ZR 195/82, BGHZ 89, 206, 211; vom 6. Februar 1985 - VIII ZR 61/84, BGHZ 93, 358, 362; vom 10. Dezember 1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 18 und vom 8. Oktober 2013 - XI ZR 401/12, WM 2013, 2166). Hierzu gehören auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten. Nicht unter die Inhaltskontrolle fallen vertragliche Vereinbarungen betreffend Leistung und Gegenleistung , die von den Vertragsparteien nach den Grundsätzen der Privatautonomie frei bestimmt werden können oder deklaratorische Klauseln, die lediglich den Inhalt gesetzlicher Vorschriften wiedergeben. Kontrollfähig sind dagegen Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen modifizieren, einschränken oder aushöhlen (BGH, Urteile vom 19. November 1991 - X ZR 63/90, BGHZ 116, 119; vom 16. November 1999 - KZR 12/97, BGHZ 143, 128, 138; vom 18. April 2002 - III ZR 199/01, NJW 2002, 2386; vom 22. November 2012 - VII ZR 222/12, NJW 2012, 159 Rn. 16; vgl. auch Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, AGB-Recht, 11. Aufl., § 307 BGB Rn. 38, 40 mwN).
17
Ob eine Klausel danach kontrollfähig ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (BGH WM 2013, 2166 mwN). Maßgeblich ist, wie der Wortlaut der Klausel von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise nach dem objektiven Inhalt und dem typischen Sinn der Klausel verstanden wird (BGH, Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298).
18
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegen die angegriffenen Klauseln nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle, weil durch sie von Rechtsvorschriften abweichende Regelungen vereinbart werden.
19
(1) Nach § 651a Abs. 1 BGB wird der Reiseveranstalter durch den Reisevertrag verpflichtet, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen, z.B. den Flug zu dem gewünschten Urlaubsort und die Zurverfügungstellung eines Hotelzimmers, zu erbringen. Die Luftbeförderung gehört bei einer Flugreise damit zu der vom Reiseveranstalter zu erbringenden Hauptleistung. Sie ist zeitgebunden, und schon weil sie nur erbracht werden kann, wenn der Reisende an ihr mitwirkt, indem er sich rechtzeitig am Flughafen und am Ausgang einfindet , muss der Reisevertrag regeln, wann sie erbracht werden soll. Dies schreibt im Übrigen auch Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dem nationalen Recht vor.
20
(a) Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass Reiseveranstalter und Reisender bereits bei Vertragsschluss eine bestimmte Uhrzeit für Hin- und Rückflug vereinbaren. Eine solche Vereinbarung liegt umso näher, desto kürzer der zeitliche Abstand zwischen Vertragsschluss und vereinbartem Abreisetag ist.
21
Insbesondere bei Reiseverträgen, die lange vor der vorgesehenen Reisezeit geschlossen werden, kann sich der Reiseveranstalter zum anderen jedoch auch ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB ausbedingen, das es ihm erlaubt, bei Vertragsschluss bestehenden Unwägbarkeiten hinsichtlich der zum Reisezeitpunkt möglichen Flugzeiten dadurch Rechnung zu tragen, dass er den Zeitpunkt der Abreise und der Rückreise erst zu einem späteren Zeitpunkt festlegt. In diesem Fall muss der Reisevertrag jedoch bestimmen, in welchem Rahmen das Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt werden darf, d.h. ob der Reiseveranstalter sogar befugt sein soll, den Tag festzulegen, und ob ihm bei festgelegtem Tag der gesamte Zeitraum von 0.00 bis 23.59 Uhr zur Bestimmung der Abflugzeit zur Verfügung stehen soll oder ob er bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts jedenfalls auf eine bestimmte Tageszeit oder ein bestimmtes Zeitfenster (etwa: zwischen 9.00 und 12.00 Uhr) festgelegt sein soll.
22
(b) Ein solches beschränktes Leistungsbestimmungsrecht kann auch dadurch vereinbart werden, dass im Reisevertrag eine "voraussichtliche" oder vorläufige Abflugzeit festgelegt wird. Mit der Qualifikation der Abflugzeit als voraussichtlich wird zum Ausdruck gebracht, dass der Reiseveranstalter dazu berechtigt sein soll, die vertragliche Abflugzeit erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig zu fixieren und hierbei in gewissem Umfang von der vorläufigen Angabe abzuweichen.
23
Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer näheren Bestimmung des reisevertragsrechtlich zulässigen Umfangs dieser Abweichung. Jedoch darf sie jedenfalls nicht soweit gehen, dass eine bei Vertragsschluss vereinbarte voraussichtliche Flugzeit die Funktion nicht mehr erfüllt, die geschuldete Leistungszeit zumindest annähernd anzugeben. Im Übrigen wird zu bedenken sein, dass der Reiseveranstalter, der einen vergleichsweise großen Spielraum zu benötigen meint, nicht auf die Angabe einer konkreten, wenngleich als voraussichtlich gekennzeichneten Uhrzeit angewiesen ist, sondern sich diesen Spielraum durch die Vereinbarung eines entsprechend groß bemessenen Zeitfensters verschaffen kann.
24
(c) Damit wird auch dem Schutzzweck des § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV Rechnung getragen, nach dem nicht nur der Tag, sondern auch die voraussichtliche Zeit der Abreise und der Rückkehr in der Reisebestätigung genannt sein müssen. Die Reisebestätigung ist nach § 6 Abs. 1 BGB-InfoV die dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss auszuhändigende Urkunde über den Reisevertrag. Die in ihr enthaltenen Angaben über den Reisepreis , die Merkmale der Reise nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 und 7 und nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 BGB-InfoV beschreiben den Gegenstand der vertraglichen Leistung des Reiseveranstalters und sollen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in Art. 238 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB und der Richtlinie sicherstellen, dass der Reiseveranstalter dem Reisenden die notwendigen Informationen über den Inhalt des Reisevertrages erteilt.
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Diesem Zweck entsprechend schreibt § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV weder vor, dass im Reisevertrag eine voraussichtliche Abflugzeit zu nennen ist, noch bestimmt die Vorschrift sonst, in welcher Form und mit welcher Genauigkeit im Reisevertrag die Zeit der Abreise und die Zeit der Rückkehr festzulegen sind. Sie bestimmt lediglich, dass der Reisende darüber zu informieren ist, was sich hinsichtlich der Abreisezeit und der Zeit der Rückkehr aus dem Reisevertrag ergibt. Wenn der Verordnungsgeber insoweit davon ausgeht, dass die Reisebestätigung eine voraussichtliche Abflugzeit enthalten kann, wird damit der verbreiteten Praxis im Reisevertragsrecht Rechnung getragen, die genaue Abreisezeit erst zu einem späteren Zeitpunkt zu fixieren. Es soll daher, wie sich aus der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Pauschalreiserichtlinie zu § 3, jetzt § 6 BGB-InfoV (BT-Drucks. 12/5354 S. 18 re. Sp.) ergibt, nicht nur der Fall erfasst werden, dass eine bestimmte , als voraussichtlich gekennzeichnete Uhrzeit angegeben wird, sondern gleichermaßen eine sonstige, noch der Konkretisierung bedürftige Angabe der Tageszeit (wie etwa "vormittags" oder "abends").
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Entscheidend ist in jedem Fall, dass die Reisebestätigung die Funktion erfüllt , den Reisenden zuverlässig zu informieren. Eine vorläufige Angabe über die Abreisezeit ist deshalb ebenso wie die übrigen Angaben verbindlich und keinesfalls als reines Werbemittel anzusehen, mit dem der Reiseveranstalter an bestimmten Flugzeiten interessierte Kunden zum Abschluss eines Reisevertrags bewegen kann, ohne zur Einhaltung der vertraglich versprochenen Flugzeit verpflichtet zu sein. Auch dies spricht dafür, dass bei Vereinbarung einer bestimmten Uhrzeit als Abflugzeit auch deren Qualifikation als voraussichtlich oder vorläufig Abweichungen hiervon nur in einem verhältnismäßig engen Rahmen gestattet.
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(2) Soweit die erste Klausel der Beklagten das Recht gibt, mit den Reiseunterlagen endgültige Flugzeiten festzulegen, liegt hiernach eine Modifizierung des Hauptleistungsversprechens vor.
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(a) Die Klausel eröffnet die Möglichkeit, mit der Festlegung des endgültigen Inhalts der Hauptleistungsverpflichtung von einem bisherigen, vorläufig gültigen Vertragsinhalt betreffend die Flugzeiten abzuweichen. Denn jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung bestimmt die Klausel, dass eine vertraglich vereinbarte bestimmte Flugzeit nur vorläufigen Charakter trägt, die endgültige Flugzeit hingegen erst mit Übersendung der Reiseunterlagen von der Beklagten bestimmt wird.
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(b) Aber auch für den - praktisch im Vordergrund stehenden - Fall, dass dem Vertragsschluss lediglich Angaben der Beklagten zu voraussichtlichen Hinund Rückreisezeiten zugrunde liegen, modifiziert die Klausel die Hauptleistungsverpflichtung.
30
Nennt ein Reiseveranstalter in seinem Reisekatalog oder sonstigen Unterlagen , mit denen er die von ihm veranstalteten Flugreisen bewirbt, oder bei der Bestätigung einer Buchung voraussichtliche Flugzeiten, hat dies - entgegen der Annahme der Revision - regelmäßig zur Folge, dass bei Abschluss des Reisevertrags auch eine Vereinbarung über entsprechende Flugzeiten getroffen wird. Denn der Reisende darf solche Angaben als Beschreibung der Leistung verstehen , die der Reiseveranstalter ihm gegenüber zu erbringen bereit ist. Die Charakterisierung der Abflugzeit als voraussichtlich bringt dabei, wie ausgeführt, lediglich zum Ausdruck, dass die endgültige Abflugzeit in gewissem Umfang von der zunächst genannten abweichen kann.
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Die beanstandete Klausel stellt sich daher auch in dieser Konstellation als Änderungsvorbehalt dar. Die Bestimmung in den AGB erlaubt es dem Reiseveranstalter jedenfalls bei kundenfeindlicher Auslegung, die Abreisezeit unabhängig von der in der Reisebestätigung genannten voraussichtlichen Reisezeit mit der Übersendung der Reiseunterlagen neu und gleichzeitig endgültig festzulegen.
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(3) Auch die Klausel "Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich" enthält einen Vorbehalt des Reiseveranstalters, die versprochene Leistung - die Durchführung des Flugs - abweichend von Rechtsvorschriften festzulegen.
33
Die Klausel berührt die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Reiseveranstalter und dem Reisebüro, das i.d.R. als Reisevermittler auftritt. Es ist - falls es nicht selbst Reiseveranstalter ist - Vertragspartei eines Reisevermittlungsvertrags mit dem Kunden und wirkt gleichzeitig - gegebenenfalls als Abschlussbevollmächtigter (BGH, Urteil vom 19. November 1981 - VII ZR 238/80, BGHZ 82, 219, 223) des Veranstalters - am Zustandekommen des Vertrags zwischen dem Veranstalter und dem Reisenden sowie gegebenenfalls der Vertragsabwicklung mit (vgl. auch A. Staudinger in Staudinger, BGB, 11. Aufl., § 651a Rn. 63, der das Reisebüro jedenfalls als Boten ansieht). Reiseveranstalter und Reisevermittler stehen sonach regelmäßig in einer rechtlichen Beziehung, die den Vermittler berechtigt, Informationen des Veranstalters, die die Reise betref- fen, an den Kunden weiter zu geben; gegebenenfalls wird gegenüber dem Kunden zumindest der Anschein einer solchen Berechtigung erweckt.
34
Durch die Klausel soll, wie die Revision geltend macht, verhindert werden, dass Angaben des Reisebüros unberechtigterweise dem Veranstalter zugerechnet werden. Nach ihrem Wortlaut erfasst sie aber auch Angaben, die sich der Reiseveranstalter - kraft Vollmacht, Anscheinsvollmacht oder Duldungsvollmacht oder aus anderen Gründen - zurechnen lassen muss. Die beanstandete Bestimmung enthält damit ebenfalls eine Einschränkung der vertraglichen Rechte des Reisenden.
35
3. Der danach eröffneten Inhaltskontrolle halten die beanstandeten Regelungen nicht stand.
36
a) Die erste angegriffene Klausel verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB.
37
(1) § 308 Nr. 4 BGB betrifft diejenigen Klauseln, in denen sich der Verwender das Recht vorbehält, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen. Dies trifft, wie dargelegt, für die erste Klausel zu.
38
(2) Die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung durch die angegriffene Klausel ist unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den Vertragspartner nicht zumutbar (§ 308 Nr. 4 BGB).
39
Ob eine Änderungsvereinbarung für den Reisenden zumutbar ist, ist aufgrund einer Abwägung der Interessen der Vertragsparteien zu beurteilen. Dieser Abwägung ist wegen der Geltung der AGB für eine Vielzahl von Fällen eine für derartige Verträge typische Betrachtungsweise zugrunde zu legen; sie richtet sich nicht nach den Umständen eines konkreten Einzelfalls (vgl MünchKomm. /Wurmnest, BGB, 6. Aufl., § 308 Rn. 7 mwN).
40
Der Reiseveranstalter mag, insbesondere bei frühzeitig geschlossenen Verträgen, typischerweise darauf angewiesen sein, eine gewisse Flexibilität bei der Planung und Festlegung der Flugzeiten zu behalten. Dadurch kann z. B. ein für einen bestimmten Charterflug gebuchtes Kontingent so weit wie möglich ausgeschöpft und auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Veranstalter, wie die Revision geltend macht, in seiner Planung von der Angabe der Flugzeiten und deren möglicher Änderung durch die Fluggesellschaften abhängig ist. Um eine weitgehende Flexibilität zu behalten, benötigt der Reiseveranstalter jedoch keinen in Reisebedingungen formulierten Änderungsvorbehalt. Er kann und muss, wie ausgeführt, mit dem Reisenden vielmehr bei Vertragsschluss diejenigen Vereinbarungen hinsichtlich der voraussichtlichen Flugzeiten treffen, die ihm eine spätere Konkretisierung innerhalb des vertraglich vorgesehenen Rahmens erlauben. Hingegen ist es dem Reisenden nicht zumutbar, voraussetzungslos Abweichungen von dem vertraglich vereinbarten Zeitrahmen hinnehmen zu müssen. Reisende entscheiden sich regelmäßig bewusst für einen Flug zu einer bestimmten Tageszeit, da sie unter Umständen die Anreise zum und die Rückkehr vom Flughafen mit einer weiteren Übernachtung einplanen und wissen müssen, ob hierfür ein weiterer Urlaubstag aufzuwenden ist. Die Abreise und die Rückkehr sind in zeitlicher und auch finanzieller Hinsicht nicht mehr sicher kalkulierbar, wenn der Reisende, der etwa von einer Abflugzeit am Nachmittag ausgehen durfte, kurzfristig auf einen in die frühen Morgenstunden vorverlegten Flug verwiesen werden darf.
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b) Die Klausel "Informationen über Flugzeiten durch Reisebüros sind unverbindlich" verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies trifft für die beanstandete Klausel zu.
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Sie betrifft, wie ausgeführt, unter anderem den Fall, dass sich der Reiseveranstalter zur Übermittlung vertragsbezogener Informationen zu Abflugzeiten eines Reisebüros bedient und diesem Vollmacht erteilt oder dem Kunden gegenüber den Anschein einer bestehenden Vollmacht erweckt hat. Die Freizeichnung von der dadurch bewirkten Bindung des Reiseveranstalters benachteiligt den Reisenden unangemessen.
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4. Die Revision bleibt auch ohne Erfolg, soweit der Beklagten untersagt worden ist, sich auf die angegriffenen Bestimmungen bei der Abwicklung nach dem 1. April 1977 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGB-Gesetzes) geschlossener Verträge zu berufen.
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Mit dem Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG soll der Rechtsverkehr von sachlich unangemessenen Vertragsbedingungen freigehalten und dafür gesorgt werden, dass die Kunden nicht von nach den §§ 307 ff. BGB unwirksamen Klauseln betroffen und davon abgehalten werden, ihre Rechte hinreichend wahrzunehmen (vgl. MünchKomm./Micklitz, ZPO, 4. Aufl., § 1 UKlaG Rn. 5). Der Anspruch auf Unterlassung einer künftigen Verwendung erschöpft sich nicht in der Forderung nach bloßer Untätigkeit. Die Unterlassung der Verwendung kann bei bereits getroffenen und fortwirkenden störenden Vorkehrungen auch ein Handeln zur Beseitigung der aus den unangemessenen Vertragsbedingungen resultierenden Umstände gebieten (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 1 UKlaG Rn. 12). Der Anspruchsverpflichtete darf die unwirksamen AGB nicht mehr verwenden, d.h. er darf nicht mehr erklären, dass diese für künftige Verträge gelten sollen, und er darf sich bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge nicht mehr auf diese berufen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 13. Juli 1994 - IV ZR 107/93, BGHZ 107, 93; Urteil vom 18. April 2002 - III ZR 199/01, NJW 2002, 2386 Rn. 11; Urteil vom 23. Januar 2003 - II ZR 54/02, NJW 2003, 1237 Rn. 9; Urteil vom 4. Februar 2009 - VIII ZR 32/08, NJW 2009, 1337 Rn. 24).
46
Soweit die Revision beanstandet, dass das Berufungsgericht das Unterlassungsgebot auf sämtliche seit dem 1. April 1977 geschlossenen Verträge erstreckt habe, ist diese Rüge ebenfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat hiermit - angesichts der seither verstrichenen Zeit von mehr als dreißig Jahren nicht zwingend notwendig - lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sich die Verurteilung der Beklagten nicht auf Verträge erstreckt, die vor dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes, dessen Regelungen inhaltlich mit den §§ 307 bis 309 BGB und § 1 UKlaG übereinstimmen, geschlossen worden sind; die Beklagte wird hierdurch nicht beschwert.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 13.03.2012 - 18 O 79/11 -
OLG Celle, Entscheidung vom 07.02.2013 - 11 U 82/12 -

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.