Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2019 - 10 ZB 19.613

bei uns veröffentlicht am31.05.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 24 K 18.5145, 21.02.2019

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2018 weiter, mit dem der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundegebiet festgestellt sowie der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte und einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, der Kläger zum Verlassen des Bundesgebiets bis zum 5. November 2018 verpflichtet und seine Abschiebung nach Indien angedroht wurde.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.). Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachte Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO noch die weiter zumindest der Sache nach angeführten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bzw. eines Verfahrensmangels im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 VwGO.

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung erweist sich als zulässig. Die Antragsbegründung vom 10. April 2019 erfüllt (noch) die formellen Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 und 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Zwar hat der Kläger in seiner Begründungsschrift (nur) ausgeführt, dass das angegriffene Urteil eine „Überraschungsentscheidung“ darstelle, „unrichtig“ bzw. „zu Unrecht“ ergangen sei, „im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts“ stehe, „Rechtsmängel zum Nachteil des Klägers“ aufweise bzw. „von der obergerichtlichen Rechtsprechung“ abweiche, ohne immer deutlich zu machen, auf welchen Zulassungsgrund sich seine jeweiligen Ausführungen beziehen. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 24.8.2010 - 1 BvR 2309/09 - juris Rn. 12; B.v. 8.5.2019 - 2 BvR 657/19 - juris Rn. 33 m.w.N.) für eine den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe nicht notwendig, dass der Kläger ausdrücklich eine der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Ziffern oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es unschädlich, wenn der Kläger sein Vorbringen dem falschen Berufungszulassungsgrund zuordnet oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Es reicht vielmehr aus, wenn das Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags zumindest der Sache nach eindeutig einem oder mehreren Zulassungsgründen zuzuordnen ist. Die abschließende Aufzählung von Zulassungsgründen in § 124 Abs. 2 VwGO legt es nahe, dies als Mindestvoraussetzung für eine den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechende Darlegung zu verlangen.

Diese Mindestvoraussetzungen werden durch die Zulassungsbegründung in Bezug auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 VwGO (noch) erfüllt. Denn in angemessener Würdigung des klägerischen Vortrags kann dieser dahingehend ausgelegt werden, dass der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, Divergenz und Verfahrensmängel geltend gemacht werden. Dies legen zumindest die von der Klägerbevollmächtigten gewählten, o.g. Formulierungen nahe.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist aber unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch liegen die Zulassungsgründe der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (2.) oder eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (3.) vor bzw. sind hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - juris Rn. 17; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 - 2 BvR 657/19 - juris Rn. 33). Dies ist hier in Bezug auf die gegenüber dem Kläger erfolgte Verlustfeststellung des Freizügigkeitsrechts und der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht der Fall.

a) Soweit der Kläger einwendet, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts „unrichtig“ sei, dass die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei, da es im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an einer ladungsfähigen Anschrift gefehlt habe (zur Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift: BayVGH, B.v. 9.8.2016 - 10 CE 16.1145, 10 C 1610 C 16.1146 - juris Rn. 15; B.v. 26.1.2016 - 10 CE 15.2640 - juris Rn. 20), kann dies vorliegend letztlich offen bleiben, weil die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt wird, nachdem die Klage „darüber hinaus … auch“ als unbegründet erachtet wurde. Zu dieser selbständig tragenden Begründung liegen aber die Zulassungsvoraussetzungen (s.u.) nicht vor (zu diesem Erfordernis: vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2016 - 3 B 38.16 u.a. - juris Rn. 3; B.v. 9.12.1994 - 11 PKH 28.94 - juris -Ls-).

b) Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass im streitbefangenen Urteil „zu Unrecht“ die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids mangels ordnungsgemäßer Anhörung bejaht worden sei und damit der Sache nach insofern (auch) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend macht, dringt er damit ebenfalls nicht durch. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter dem Aspekt der Pflicht zur Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG keine Rechtsfehler festgestellt. Art. 28 BayVwVfG regelt den Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren. Absatz 1 verpflichtet die Behörde, den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte des Betroffenen eingreift. Dies umfasst - über die eigentliche Stellungnahmemöglichkeit hinaus - die vorherige Unterrichtung des Beteiligten über den beabsichtigten Verwaltungsakt sowie im Nachgang die Pflicht, das Vorgebrachte zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft zu berücksichtigen (Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 34). Allerdings übersieht der Kläger, dass der Anwendungsbereich der Norm hinsichtlich der Versagung der begehrten Aufenthaltserlaubnis schon nicht eröffnet ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.10.1982 - 3 C 46.81 - juris Rn. 35; OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.6.2011 - OVG 10 B 1.11 - juris Rn. 45; OVG MV, B.v. 23.6.2014 - 3 M 58/14 - juris Rn. 6). Denn eine Verletzung der Anhörungspflicht liegt in den Fällen nicht vor, in denen der Erlass eines Verwaltungsakts abgelehnt wird, der erst eine Rechtsposition begründen soll. Im Übrigen hat der Kläger im Rahmen der von der Beklagten als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgelegten Stellungnahme vom 23. Juli 2018 die Gelegenheit wahrgenommen, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen, hier insbesondere zur Dauer der Ehe und damit zur Frage eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach dem Aufenthaltsgesetz, vorzutragen. Da eine Anhörung im Hinblick auf die auch im Bescheid ausgesprochene Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht erforderlich war bzw. diese ordnungsgemäß erfolgte, kommt es auf die vom Kläger weiter thematisierte Problematik der Heilung einer fehlerhaften Anhörung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG nicht weiter an (zu den Voraussetzungen hierfür vgl. etwa BVerwG, U.v. 17.12.2015 - 7 C 5.14 - juris Rn. 17 m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.10.2018 - 10 CS 18.102 - juris Rn. 20 f.; B.v. 13.11.2017 - 15 ZB 16.1885 - juris Rn. 8 bis 10).

c) Schließlich begründet auch der Einwand des Klägers, dass die Auffassung des Erstgerichts, wonach er nach § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU kein eigenständiges Aufenthaltsrecht erlangt habe, weil er mit seiner rumänischen Ehefrau zum Zeitpunkt ihres Fortzugs und auch weiterhin verheiratet sei sowie mit ihr über ein Jahr im Bundesgebiet zusammengelebt habe, „im Gesetz keine Stütze“ finde, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. § 3 FreizügG/EU regelt die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Familienangehörigen von Unionsbürgern, die sich in Ausübung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten in der Bundesrepublik aufhalten. Gemäß § 3 Abs. 1 FreizügG/EU genießen drittstaatsangehörige Familienangehörige ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht, wenn sie dem Unionsbürger nachziehen oder ihn begleiten. In den Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift sind Konstellationen geregelt, in denen die Familienangehörigen ihr Aufenthaltsrecht beibehalten, auch wenn der Unionsbürger verstirbt, wegzieht oder die familiären Bindungen durch Scheidung oder Aufhebung der Ehe beendet werden. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass nach dem Wegzug der Ehefrau des Klägers am 22. Januar 2017 nach Rumänien als eigenständiges Freizügigkeitsrecht allenfalls ein solches aus § 3 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU wegen Fortbestands des Aufenthaltsrechts von drittstaatsangehörigen Ehegatten nach Scheidung von Unionsbürgen in den Blick genommen werden könnte, allerdings die Vorschrift ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nur im Falle einer Scheidung oder Aufhebung der Ehe vermittle (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 3 Rn. 96; Tewocht in BeckOK Kluth/Heusch, Ausländerrecht, Stand 1.2.2019, § 3 Rn. 30; Oberhäuser in NK-Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 38). Verlässt der Unionsbürger, von dem der Drittausländer sein Aufenthaltsrecht ableitet, vor Einreichung der Scheidung das Bundesgebiet, so besteht kein Raum mehr für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, da das akzessorische Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten bereits mit dem Wegzug erloschen ist (vgl. EuGH, U.v. 16.7.2015 - C-218/14 - juris Rn. 62). Da die Ehe unstreitig fortbesteht, scheidet ein Freizügigkeitsrecht aus § 3 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU schon deswegen aus, ohne dass es auf das zusätzliche Vorliegen einer der in § 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4 FreizügG/EU genannten Varianten ankommt.

2. Der weiter benannte Zulassungsgrund Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist schon nicht hinreichend im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt. Hierzu hätte der Kläger neben der genauen Benennung des Gerichts und der zweifelsfreien Angabe seiner Divergenzentscheidung aufzeigen müssen, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze hätte er so einander gegenüberstellen müssen, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2019 - 10 ZB 18.2598 - juris Rn. 18; B.v. 18.4.2019 - 10 ZB 18.2660 - juris Rn. 9 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 73).

Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung nicht gerecht (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Der Kläger legt nicht dar, welchen tragenden abstrakten Rechtssatz das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, der einem Rechtssatz der von ihm angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.6.2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 37; U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11) widersprechen würde. Vielmehr führt der Kläger die seiner Auffassung nach für seine Rechtsansicht sprechenden Urteile an, ohne diesen einen oder mehrere tragende Rechtssätze des Verwaltungsgerichts gegenüberzustellen und legt dar, weshalb das Verwaltungsgericht bei Beachtung der angeführten tragenden Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts - seiner Ansicht nach - zu einer anderen rechtlichen Bewertung hätte gelangen müssen. Er macht demzufolge der Sache nach ernstliche Richtigkeitszweifel geltend, die aber - wie oben dargelegt (s. II.1 b)) - im Hinblick auf die hier inmitten stehende Frage der Heilungsmöglichkeit einer unterbliebenen Anhörung schon nicht entscheidungserheblich waren.

3. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.

Der Kläger rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das Verwaltungsgericht die Klage wegen Fehlens einer ladungsfähigen Anschrift als unzulässig abgelehnt habe, ohne dass ihm die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, zu dem dieser Annahme des Gerichts zugrunde liegenden Sachverhalt Stellung nehmen zu können. Es handle sich insofern um eine Überraschungsentscheidung.

Zunächst kann sich der Kläger auf den geltend gemachten Verfahrensmangel schon deswegen nicht mit Erfolg berufen, weil die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt wurde - neben der Unzulässigkeit der Klage „darüber hinaus … auch“ auf ihre Unbegründetheit - und zu dieser selbständig tragenden Begründung die Zulassungsvoraussetzungen, wie oben dargelegt, nicht vorliegen.

Unabhängig davon greift die Rüge einer Überraschungsentscheidung auch in der Sache nicht. Denn eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 1.8.2017 - 2 BvR 3068/14 - juris Rn. 51; BVerwG, B.v. 7.6.2017 - 5 C 5.17 D - juris Rn. 8 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.11.2018 - 10 ZB 18.1906 - juris Rn. 4). Von einer unzulässigen Überraschungsentscheidung kann aber nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligen entspricht oder von ihm für unrichtig gehalten wird. Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche oder rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt.

Vorliegend hat das Gericht ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 21. Februar 2019 (s. S. 3) ausdrücklich auf den Aspekt der Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift und den Umstand, dass eine Kostenrechnung an den Kläger nicht habe zugestellt werden können, hingewiesen. Zu der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2019 sind aber weder der Kläger noch seine Bevollmächtigte erschienen. Der am gleichen Tag gestellte Antrag auf Terminsverlegung wurde abgelehnt. Hat ein Rechtsmittelführer tatsächlich nicht an der mündlichen Verhandlung in erster Instanz teilnehmen können - so wie es der Kläger aufgrund seines ärztlichen Attests wegen „akuter Erkrankung“ geltend macht -‚ muss auch dargelegt werden‚ dass das Erstgericht einen Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kommt nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Verlegung i.S.v. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2006 - 10 B 9.06 - juris Rn. 9). Hier ist demgegenüber nicht substantiiert vorgetragen‚ dass der Antrag auf Terminsverlegung vom Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben abgelehnt worden wäre. Die Möglichkeit der Teilnahme eines am verwaltungsgerichtlichen Verfahren Beteiligten an der mündlichen Verhandlung trägt dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung. Hat der Beteiligte einen Prozessbevollmächtigten‚ der ihn im Termin vertreten kann‚ ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig genügt‚ wenn dieser an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann‚ VwGO‚ 15. Aufl. 2019, § 102 Rn. 6). Insbesondere verlangt Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht‚ dem Beteiligten neben seinem Anwalt die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen zu geben (BayVGH, B.v. 8.2.2017 - 11 ZB 17.30041 - juris Rn. 17 m.w.N.). Gründe, aus denen die Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht an der mündlichen Verhandlung hätte teilnehmen können, wurden weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.

Das Verwaltungsgericht hatte das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet (§ 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und der Kläger hat dem Gericht auch nicht (substantiiert) mitgeteilt, was für die Notwendigkeit seiner Anwesenheit gesprochen hätte. Nachdem es ihm obliegt, Gebrauch von den verfahrensrechtlich gebotenen Möglichkeiten zu machen, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, bleibt seiner Rüge bereits deshalb ohne Erfolg (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.1982 - 9 C 912.80 - juris Rn. 11 f. m.w.N.; B.v. 18.4.1983 - 9 B 2337.80 - juris Rn. 1; B.v. 22.5.2006 - 10 B 9.06 - juris Rn. 9).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

19

aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

20

bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

25

cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die für sofortig vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung des Antragsgegners, durch die dem Antragsteller die Umgestaltung eines Bootshauses untersagt wird.

2

Der Antragsteller reichte am 05.12.2013 einen Bauantrag im vereinfachten Verfahren gemäß § 63 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern – LBauO M-V – ein. Gegen-stand des Bauantrages soll die Erneuerung eines bestehenden Bootshauses sein. Mit Schreiben vom 11.03.2014 teilte der Antragsgegner mit, die beantragte Baumaßnahme bedürfe einer Genehmigung nach § 63 LBauO M-V. Das Vorhaben sei als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich nicht zulässig. Außerdem könne die notwendige naturschutzrechtliche Genehmigung für eine Ausnahme von der Landschaftsschutzgebietverordnung „Mecklenburger Großseenlandschaft“ und eine Genehmigung des mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft nicht in Aussicht gestellt werden. Schließlich verstoße das Vorhaben gegen § 61 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG – i.V.m. § 29 Naturschutzausführungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern - NatSchAG M-V -, wonach an Gewässern erster Ordnung bauliche Anlagen in einem Abstand von 50 m land- und gewässerseits von der Mittelwasserlinie angerechnet nicht errichtet oder wesentlich geändert werden dürften. Am 14.03.2014 ordnete der Antragsgegner mündlich einen Baustopp für die begonnenen Bauarbeiten an, der durch Bescheid vom 18.03.2014 schriftlich bestätigt wurde. Zugleich wurde die sofortige Vollziehung dieser Anordnung ausgesprochen.

3

Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Greifswald durch Beschluss vom 07.05.2014 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die zuvor unterbliebene Anhörung sei durch die Widerspruchsbegründung geheilt worden. Der Antragsteller sei nicht in Besitz einer durch Zeitablauf entstandenen Baugenehmigung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V, da das Vorhaben nicht unter die in Abs. 1 der Vorschrift genannten falle. Die Baueinstellungsverfügung sei bereits deswegen gerechtfertigt, weil das Vorhaben wegen der fehlenden Baugenehmigung formell baurechtswidrig sei. Wegen der im Verwaltungsverfahren aufgezeigten rechtlichen Bedenken sei es auch nicht offensichtlich materiell genehmigungsfähig. Die Zwangsgeldandrohung begegne keinen Bedenken, ebenso wenig die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses für die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

II.

4

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers, die allein nach deren Vorbringen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beurteilen ist, hat keinen Erfolg.

5

Der Antragsteller macht zunächst geltend, der Antragsgegner habe vergleichbare Vorhaben in der Vergangenheit und Gegenwart als Bauantragsverfahren im vereinfachten Verfahren nach § 63 LBauO M-V behandelt. Er sei zuvor dazu anzuhören gewesen, dass der Antragsgegner das Verfahren nicht als vereinfachtes, sondern als Baugenehmigungsverfahren nach § 64 LBauO M-V behandeln wolle. Überdies sei die Fiktionswirkung der Baugenehmigung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO eingetreten.

6

Dieses Vorbringen vermag den angefochtenen Beschluss nicht in Frage zu stellen. Für die Anwendung des § 63 LBauO M-V kommt es allein darauf an, ob hier die objektiven Voraussetzungen dieser Vorschrift gem. § 63 Abs. 1 LBauO vorliegen. Danach ist das vereinfachte Genehmigungsverfahren nur dann möglich und vorgeschrieben, wenn es sich um ein Wohngebäude handelt, eine sonstige bauliche Anlage, die kein Gebäude ist oder ein Nebengebäude oder eine Nebenanlage zu Bauvorhaben der eben genannten Art. Der Antragsteller trägt selbst nicht vor, dass der Bootsschuppen zukünftig ein Wohngebäude im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 2 LBauO M-V sein soll (dazu OVG Greifswald, B. v. 15.07.2009 - 3 L 182/08 - juris) oder dass die Anlage kein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO darstellt. Es kommt nicht darauf an - und zwar auch nicht für den Eintritt der Fiktionswirkung nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V – ob der Antragsteller sein Vorhaben so beurteilt, dass das vereinfachte Genehmigungsverfahren aus seiner Sicht in Betracht kommt (so bereits OVG Greifswald, B. v. 09.03.2004 - 3 M 253/03 - juris). Anderenfalls könnte er nämlich die Fiktionswirkung und die eingeschränkte baurechtliche Überprüfung in Hinblick auf bauordnungsrechtliche Fragen gem. § 63 Abs. 1 Nr. 2 LBauO M-V allein dadurch herbeiführen, dass er einen derartigen Antrag stellt. Dies ist nicht Sinn und Zweck der verschieden ausgestalteten Genehmigungsverfahren der Landesbauordnung. Vielmehr ist es Sache der Baugenehmigungsbehörden objektiv zu beurteilen, ob und nach welchen Verfahrensvorschriften das jeweilige Vorhaben verfahrensrechtlich zu beurteilen ist. Eine andere Auslegung der Vorschriften im Sinne des Antragstellers würde im Ergebnis zu einer Wahlfreiheit der Genehmigungsverfahren unabhängig von den normierten Voraussetzungen führen. Eine solche Wahlfreiheit hat – anders als teilweise die Bauordnungen anderer Bundesländer – der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern den Bauherrn nicht eingeräumt. Daraus folgt zugleich, dass der Antragsgegner nicht gehalten war, den Antragsteller zuvor darauf hinzuweisen, dass sein Vorhaben nach § 64 LBauO M-V zu beurteilen ist. Überdies ist eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Mecklenburg-Vorpommern – VwVfG M-V – nur bei Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes vorgesehen. Die Versagung eines begünstigenden Verwaltungsaktes fällt hierunter nach überwiegender Ansicht nicht. Selbst wenn dies nicht in dem Fall gelten sollte, in dem von einer früheren Verwaltungspraxis abgewichen werden soll (so OVG Münster, U. v. 01.07.1983 - 4 A 248/82, NVwZ 1983, 746), rechtfertigte dies nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, weil die Anhörung im Widerspruchverfahren nachgeholt wird (§ 45 Abs. 2 VwVfG M-V). Gleiches gilt im übrigen, wenn sich der Einwand des Antragstellers auf den Erlass der Baueinstellungsanordnung beziehen sollte. Schließlich kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, dass in anderen – aus seiner Sicht vergleichbaren – Fällen der Antragsgegner das Genehmigungsverfahren nach § 63 LBauO M-V durchgeführt hat. Auf die Weiterführung eines solchen rechtwidrigen Verwaltungshandelns hätte der Antragsteller keinen Anspruch.

7

Der Antragsteller macht in seiner Beschwerdeschrift weiter geltend, die Erwägungen des Antragsgegners zur vermeintlichen Vorbildwirkung würden das Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs nicht rechtfertigen. Ihm sei nicht bekannt, dass vergleichbare bauliche Anlagen im Landkreis durch den Antragsgegner nicht genehmigt würden oder gegen eben jene Anlagen offensichtlich eingeschritten werden müsse. Mit diesem Einwand verkennt der Antragsteller die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes. Es hat in dem angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 17.11.2010 – 3 M 210/10 – ausgeführt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen der Vorbildwirkung des rechtswidrigen Vorhabens für andere Personen regelmäßig im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Dieser Gesichtspunkt weist erkennbar auf zukünftiges Verhalten und wird nicht dadurch widerlegt, dass – wie der Antragsteller behauptet – in der Vergangenheit nicht in vergleichbaren Fällen unter Anordnung des Sofortvollzugs eingeschritten worden sei.

8

Soweit der Antragsteller schließlich geltend macht, das Vorhaben sei materiell genehmigungsfähig, weil es als Außenbereichsvorhaben sich an den bereits errichteten Bootshäusern orientiere, die Wasserfläche ohnehin zulässigerweise als Liegefläche für ein Boot genutzt werde, er Ausgleichsflächen zu schaffen angeboten habe und schließlich eine Vorbildwirkung nicht bestehe, vermag das der Erwägung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen. Danach wird aus den Gründen, die der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung seines Bauantrages aufgezeigt habe, deutlich, dass eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht besteht. Insoweit geht der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift, unabhängig davon, ob die geltend gemachten Einwendungen in der Sache zutreffen, jedenfalls nicht darauf ein, dass das Vorhaben einer Befreiung von der Landschaftsschutzgebietverordnung „Mecklenburger Großseenlandschaft“ und einer Befreiung von der Vorschrift über den Gewässerschutzstreifen nach § 61 BNatSchG i.V.m. § 29 NatSchAG M-V bedarf.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

10

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 47, 53 Abs. 2 und 52 Abs. 2 GKG.

11

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 5 und § 66 Abs. 3 S. 3 GKG unanfechtbar.

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 31. Oktober 2017 (RO 4 K 17.1895) im Zusammenhang mit der Haltung eines im Februar 2017 geborenen Hundes der Rasse „American Staffordshire Terrier“ (namens Cash).

Die Antragstellerin hält den Hund Cash seit dem 17. April 2017 und hat unter dem gleichen Datum bei der Antragsgegnerin eine Erlaubnis nach Art. 37 LStVG beantragt. Zuvor hatte sie am 6. März 2017 ein Schreiben der Antragsgegnerin mit folgendem Inhalt erhalten: „Hiermit bestätigen wir Ihnen, dass für einen Kampfhund der Kategorie I eine Genehmigung, verbunden mit Auflagen, von Seiten der Gemeinde F. erteilt wird“. Eine entsprechende mündliche Auskunft hatte die Antragstellerin von der Antragsgegnerin bereits im Februar 2017 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache erhalten. Die Antragstellerin wurde zur Darlegung eines berechtigten Interesses an der Haltung aufgefordert und machte hierzu Ausführungen. Daraufhin versagte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. August 2017 - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - die Erlaubnis zur Haltung des Hundes, untersagte der Antragstellerin unter Androhung eines Zwangsgeldes dessen Haltung und gab ihr auf, den Hund abzugeben. Mit Beschluss vom 27. September 2017 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag der Antragstellerin vom 29. August 2017 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der gegen den angefochtenen Bescheid und noch anhängigen Klage (RO 4 K 17.1498) wiederhergestellt bzw. angeordnet. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 6. März 2017 stelle eine einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Haltung des Hundes bildende Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG dar. Gegen den Beschluss vom 27. September 2017 hat die Antragsgegnerin Beschwerde (10 CS 17.2053) eingelegt.

Mit weiterem Bescheid vom 26. Oktober 2017 nahm die Antragsgegnerin ohne vorherige Anhörung der Antragstellerin das Bestätigungsschreiben vom 6. März 2017 mit Wirkung auf diesen Zeitpunkt zurück und ordnete den Sofortvollzug der Rücknahme an. Die Rücknahme der Zusage einer Erlaubnis beruhe auf Art. 38 Abs. 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 1, 3 BayVwVfG; die Erlaubnis sei rechtswidrig zugesagt worden, da sie im Hinblick auf das gesetzlich erforderliche - hier jedoch nicht vorliegende - berechtigte Interesse an der Hundehaltung nicht erteilt werden dürfe. Auf Seiten der Antragstellerin sei zwar der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen; wegen der von einem Kampfhund ausgehenden Gefahren überwögen jedoch bei Abwägung der gegenläufigen Interessen im Ergebnis die öffentlichen Interessen. Da die Allgemeinheit nicht der von einem Kampfhund ausgehenden Gefährlichkeit ausgesetzt werden dürfe und zudem generalpräventiv das Entstehen von Bezugnahmen verhindert werden müsse, könne mit der Vollziehung des Bescheides nicht bis zu seiner Unanfechtbarkeit zugewartet werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2017 Klage (RO 4 K 17.1895) und stellte am 5. November 2017 den vorliegend streitgegenständlichen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 (RO 4 S 17.1906) den Antrag nach Art. 80 Abs. 5 VwGO ab. Die Rücknahme des Schreibens der Antragsgegnerin vom 6. März 2017, das nach summarischer Prüfung als rechtswidrige Zusicherung zu qualifizieren sei, stelle sich als rechtmäßig dar, denn die Voraussetzungen nach Art. 48 Abs. 1 bis 4 BayVwVfG lägen vor. Das Vertrauen der Antragstellerin in den Fortbestand sei nicht schutzwürdig. Zwar spreche einiges für eine formelle Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 26. Oktober 2017, weil die Antragsgegnerin zuvor nicht die erforderliche Anhörung durchgeführt habe, allerdings könne im Hinblick auf die nach Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG bestehende Heilungsmöglichkeit die aufschiebende Wirkung der Klage nicht schon wegen des möglichen Anhörungsmangels wiederhergestellt werden. Die Zusicherung sei rechtswidrig im Sinn von Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG gewesen, weil die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung eines Kampfhundes der Kategorie I nach Art. 37 Abs. 1, 2 LStVG gehabt habe, denn sie könne das erforderliche berechtigte Interesse hieran nicht nachweisen. Ihr Vorbringen erfülle im Hinblick auf die von einem Kampfhund für die Allgemeinheit ausgehenden erheblichen Gefahren, die nach der vorliegenden Rechtsprechung eine restriktive Auslegung der Vorschrift erforderlich machten, nicht die Voraussetzungen eines berechtigten Interesses im Einzelfall. Im Ergebnis gehe die Argumentation der Antragstellerin nicht über die Geltendmachung eines Liebhaberinteresses hinaus. Die Rücknahme sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt, insbesondere habe die Antragsgegnerin das Vertrauen der Antragstellerin in den Fortbestand der Zusicherung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme analog Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG abgewogen und das öffentliche Interesse an der Herstellung des nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften gebotenen Rechtszustands als überwiegend angesehen. Damit sei der Bescheid der Antragsgegnerin nach Aktenlage materiell rechtmäßig

Die Antragstellerin begründet ihre Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. Dezember 2017 zunächst unter Hinweis auf die formelle Rechtswidrigkeit des Bescheids infolge der unterbliebenen Anhörung, in deren Rahmen die Gründe für die Bejahung von Vertrauensschutz vorgetragen hätten werden können. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für die Rücknahme der Zusicherung nicht vor, denn es bestehe nach wie vor ein berechtigtes Interesse an der Haltung von Cash. Die Antragstellerin und ihr Ehemann seien seit frühester Kindheit mit Hunden aufgewachsen, besäßen seit fast neun Jahren zwei eigene, inzwischen behandlungsbedürftige Hunde, hätten immer wieder Pflegehunde aus Tierschutzheimen aufgenommen und mit einem von ihnen sogar einen OP-Termin wahrgenommen, kümmerten sich ehrenamtlich in Tierheimen gerade um Kampfhunde und leisteten für diverse Tierschutzorganisationen immer wieder Futter- und Geldspenden. Schließlich betrieben die Antragstellerin und ihr Ehemann einen auf Hundebedarf spezialisierten Onlinehandel und einen Fachhandel mit Ladengeschäft, in dessen Rahmen sogar eine Futterberatung für Kunden stattfinde. Damit seien weit überdurchschnittliche Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Hundehaltung nachgewiesen. Weiter sei zu beachten, dass bei der Prüfung eines berechtigten Interesses auch die Belange des Tierschutzes (Art. 141 Abs. 1 Satz 2 BV) zu berücksichtigen seien. Gemäß der Vollzugsbekanntmachung (Nr. 37.4.1) des Bayerischen Staatsministeriums des Innern könne auch die „tierschützerische Aufnahme“ eines nicht wegen seiner Gefährlichkeit dem vorherigen Halter weggenommenen Kampfhundes durch eine besonders geeignete Person ein solch berechtigtes Interesse darstellen. Mit der Abgabe von Cash wäre das Wohlbefinden des Tieres erheblich beeinträchtigt, zumal letztlich nur die Aufnahme durch ein Tierheim infrage komme. Das Staatsziel Tierschutz könne durch geeignete Nebenbestimmungen zur Erlaubnis mit dem Belangen der Gefahrenabwehr in Übereinstimmung gebracht werden. Das „vorläufige Gutachten“ eines Hundesachverständigen vom 4. Juli 2017 komme zu einer positiven Einschätzung, zumal die Antragstellerin und ihr Mann viermal wöchentlich mit Cash eine sachkundige Hundetrainerin in einer Hundeschule besuchten. Außerdem werde Cash in einem Schäferhundeverein auf seine Begleithundeprüfung vorbereitet. Damit gehe die Anschaffung des Hundes weit über das vermeintlich reine Liebhaberinteresse hinaus. Durch die Abgabe an ein Tierheim entstünde ein höchst unerwünschter Zustand, dessen Auflösung eindeutig im öffentlichen Interesse liege. Eine Auslegung des Art. 37 Absatz 2 LStVG als de facto-Verbotsvorschrift sei verfassungswidrig. Letztlich führe auch das Argument, man müsse sich nur einen Kampfhund unerlaubt anschaffen, eine Zeit lang halten und dann auf Tierschutzgründe berufen, um eine Erlaubnis zu erhalten, gerade im vorliegenden Fall nicht weiter, weil der Hund aufgrund einer behördlichen Zusicherung, auf die vertraut habe werden dürfen, angeschafft worden sei. Im Vertrauen auf diese Zusicherung hätten die Eheleute bereits erhebliche Dispositionen getroffen, wie zum Beispiel Besuche beim Züchter, Stornierung eines gebuchten Urlaubs, Kauf eines größeren Fahrzeugs und anderes mehr. Das Verwaltungsgericht habe vor diesem Hintergrund verkannt, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, insbesondere der Verweis auf den Ausgleich des Vermögensnachteils nach Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG nicht geeignet sei, den vorliegend nicht nur in Geld bemessenen Nachteil aufzuwiegen, sondern unmittelbar in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Hund-Halter-Beziehung einzugreifen. Die Verpflichtung, ein liebgewonnenes Tier ohne Not weggeben zu müssen, stelle eine außerordentliche emotionale Belastung für die Antragstellerin da, zumal sie ihre Hunde anstelle von Kindern führe. Angesichts ihrer Fähigkeiten im Umgang mit Hunden, die vielfach nachgewiesen seien, und mangels Anhaltspunkten, dass Cash gefährlich sein könne, gehe es gerade nicht um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben. Die Antragstellerin sei sogar mit einem Leinen- und Maulkorbzwang einverstanden, solange sie die Hundehaltung nicht beenden müsse.

Mit weiterem Beschluss vom 11. Januar 2018 (RO 4 S 18.42) lehnte das Verwaltungsgericht unter Abänderung seines Beschlusses vom 27. September 2017 gemäß

§ 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 16. August 2017 hinsichtlich seiner Nummern 2 bis 5 wiederherzustellen und hinsichtlich Nr. 7 anzuordnen, ab. Der abgeänderte Beschluss vom 27. September 2017 sei allein deshalb erfolgt, weil zum damaligen Zeitpunkt noch die Zusicherung der Antragsgegnerin vom 6. März 2017 Bestand gehabt habe; erst nach ihrer mit Sofortvollzug versehenen Rücknahme könne die Antragstellerin voraussichtlich nicht mehr mit der Erteilung einer Erlaubnis zur Hundehaltung rechnen, da sie bereits kein berechtigtes Interesse hieran nachgewiesen habe. Hinsichtlich dieser Einschätzung werde in vollem Umfang auf den Inhalt des Beschlusses vom 14. Dezember 2017 (RO 4 S 17.1906) Bezug genommen. Auch gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde (10 CS 18.280) erhoben und eine im Wesentlichen mit der Begründung im vorliegenden Beschwerdeverfahren identische Begründung vorgetragen.

In ihrer Antragserwiderung im vorliegenden Verfahren äußert die Antragsgegnerin nach wie vor Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach in dem Schreiben vom 6. März 2017 eine Zusicherung im Rechtssinne gesehen werden könne. Jedenfalls sei die Zusicherung rechtswidrig und habe zurückgenommen werden können. Aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2017 ergebe sich eindeutig, warum die Antragstellerin nicht mit einer Erlaubnis zur Haltung ihres Kampfhundes habe rechnen können, ohne dass dem mit ihren Ausführungen im Beschwerdeverfahren etwas Tragfähiges entgegengesetzt werde. Auch soweit die Trennung von Cash unter emotionalen Gesichtspunkten als schwierig für die kinderlose Antragstellerin bezeichnet werde, könne dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Das gegen den ersten Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2017 (RO 4 S 17.1545) von der Antragsgegnerin angestrengte Beschwerdeverfahren (10 CS 17.2053) wurde nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Beschluss vom 27. Februar 2018 eingestellt, auf dessen Gründe Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 1. März 2018 leitete die Antragsgegnerin die Nachholung des Anhörungsverfahrens ein. In den daraufhin abgegebenen ausführlichen Stellungnahmen der Antragstellerin (vom 21. März und 29. Mai 2018, vgl. Bl. 76 f./92 f.), mit denen sie erstmals ein Interesse an der Haltung des Hundes zur Erhöhung der Sicherheit in ihrem Haus und Geschäft geltend gemacht hat, setzte sich die Antragsgegnerin in den Schreiben vom 22. Mai und 12. Juni 2018 auseinander, ohne an der Entscheidung der Sache etwas zu ändern. Ein am 12. Juli 2018 vor dem Berichterstatter abgehaltener Erörterungstermin zu den beiden Beschwerdeverfahren blieb ohne Ergebnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Behördenakte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten der genannten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Abänderung des mit der Beschwerde angegriffenen erstinstanzlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2017. Aus den in der Beschwerde zur formellen und materiellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids dargelegten Gründen ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der nachgeholten Anhörung nicht, dass die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung zu einem anderen Ergebnis führen müsste.

Nach der im Eilverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin mit der schriftlichen Bestätigung vom 6. März 2017 eine Zusicherung im Sinn von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG (1.) abgegeben hat, mit der grundsätzlich ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis für die Haltung eines Kampfhundes der Kategorie I einhergeht; diese Zusicherung ist rechtswidrig erteilt worden. Die auf der Grundlage von Art. 38 Abs. 2, Art. 48 Abs. 1 bis 4 BayVwVfG erfolgte Rücknahme durch den streitgegenständlichen Bescheid ist voraussichtlich formell und materiell rechtmäßig (2.) erfolgt; die unterbliebene vorherige Anhörung der Antragstellerin wurde nachgeholt und der Verfahrensfehler damit geheilt (2.1). Der Bescheid ist aller Voraussicht nach auch materiell rechtmäßig ergangen (2.2).

1. Die Antragsgegnerin hat mit der Bestätigung vom 6. März 2017 eine wirksame Zusicherung (1.1) gegenüber der Antragstellerin abgegeben, die sich jedoch als rechtswidrig erweist (1.2).

1.1 Soweit die Antragsgegnerin nach wie vor davon ausgeht, mit der schriftlichen Bestätigung vom 6. März 2017 keine Zusicherung abgegeben zu haben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zunächst nimmt er Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 27. September 2017 (RO 4 S 17.1545, BA S. 4, 5), auf die es seinerseits im hier streitgegenständlichen Beschluss vom 14. Dezember 2017 in vollem Umfang verweist, und macht sie sich zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren zu dieser Problematik keine neuen Ausführungen gemacht, sondern den von ihr vertretenen gegensätzlichen Rechtstandpunkt vertieft.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass es der in Fragen der Hundehaltung grundsätzlich versierten Antragstellerin bei ihrer Bitte um Ausstellung einer entsprechenden „Bestätigung“ - aus Sicht der tätig gewordenen Mitarbeiterin der Antragsgegnerin erkennbar - gerade darum ging, vor Anschaffung eines Kampfhundes, der nach der Rechtslage nur mit einer entsprechenden Erlaubnis gehalten werden darf, die nachfolgende Erteilung dieser Erlaubnis „abzusichern“, um nicht eine rechtliche und tatsächliche Situation herbeizuführen, die der nunmehr nach Rücknahme der Zusicherung eingetretenen entspricht. Die Antragstellerin ist nach entsprechender mündlicher Bestätigung durch die Antragsgegnerin im Februar 2017 offenbar in Kontakt zu einem bestimmten außerbayerischen Züchter von Hunden der Rasse „American Staffordshire Terrier“ getreten, hat den Hund dann aber erst am 16. April 2017 und damit nach Erhalt der Bestätigung vom 6. März 2017, in der die Erteilung einer Genehmigung für einen Kampfhund der Kategorie I „bestätigt“ wird, gekauft, um am darauffolgenden Tag (17. April 2017) bei der Antragsgegnerin die Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 1 LStVG zu beantragen. Dieser Ablauf bestätigt den Vortrag der Antragstellerin, ohne die vorherige schriftliche Bestätigung hätte sie den Hund nicht erworben (vgl. auch Bescheid v. 26.10.17, S. 4). Die Antragstellerin durfte aus ihrer (objektivierten Empfänger-)Sicht das Schreiben als eine mit Bindungswillen abgegebene „Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen“, und damit als Zusicherung im Sinn von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG (vgl. zu Rechtsnatur und Begriff der Zusicherung: Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, VwVfG § 38 Rn. 5-7) auffassen. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob allein nach dem Wortlaut des Schreibens noch andere Auslegungsmöglichkeiten zulässig sind, wie dies die Antragsgegnerin erstmals im gerichtlichen Verfahren (RO 4 S 17.1545) vor dem Verwaltungsgericht geltend macht; dagegen geht sie noch im angefochtenen Bescheid vom 26. Oktober 2017 zumindest in den Gründen (vgl. dort: 2.1 bis 2.4) vom Vorliegen einer Zusicherung aus.

1.2 Die Zusicherung vom 6. März 2017 war als ein die Antragstellerin begünstigender Verwaltungsakt im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Abgabe (vgl. Kastner in Fehling/Kastner/Störmer, a.a.O., § 48 Rn. 28; J. Müller in BeckOK, VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.1.2018, § 48 Rn. 31-32) rechtswidrig im Sinn von Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Mit der Zusicherung hat die Antragsgegnerin entgegen der maßgeblichen materiellen Vorschrift des Art. 37 Abs. 2 LStVG einen von jeglichen Voraussetzungen - insbesondere vom Erfordernis des berechtigten Interesses - unabhängigen Anspruch auf Erlaubnis zur Haltung eines (damals noch nicht konkret bestimmten) Kampfhundes der Kategorie I eingeräumt. Wird aber ein bestimmtes Verwaltungshandeln unter Außerachtlassung der Verpflichtung des Bürgers zugesagt, die gesetzlich vorgeschriebenen tatbestandlichen Voraussetzungen zu erfüllen, ergibt sich bereits hieraus die Rechtswidrigkeit der Zusicherung. Damit ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob das zu fordernde berechtigte Interesse an der Haltung des nun bestimmten Hundes (Cash) möglicherweise im weiteren Verlauf nachgewiesen und die Erlaubnis dann unabhängig von der Zusicherung unmittelbar aus Art. 37 StVG heraus erteilt werden könnte.

2. Die Rücknahmeentscheidung ist weder in formeller (2.1) noch in materieller (2.2) Hinsicht zu beanstanden.

2.1 Zwar hätte der Antragstellerin vor Erlass des streitgegenständlichen Rücknahmebescheids, der einen in ihre Rechte eingreifenden Verwaltungsakt darstellt, nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben werden müssen. Hiervon konnte - anders als im Bescheid vom 26. Oktober 2017 (S. 5) dargestellt - auch nicht nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG abgesehen werden, weil keiner der dort aufgeführten Ausnahmefälle vorlag. Es kann hier offenbleiben, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO habe „nicht schon bereits aufgrund dieses Verfahrensmangels“ stattgegeben werden müssen.

Denn jedenfalls hat die Antragsgegnerin den vom Verwaltungsgericht zu Recht festgestellten, zur formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führenden Verfahrensmangel gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG im Verlaufe des Verfahrens geheilt; damit ist die (ursprünglich) formelle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt seines Erlasses (ex tunc) entfallen (vgl. Schemmer in BeckOK, VwVfG, Stand 1.7.2018, § 45 Rn. 6; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 45 Rn. 4 m.w.N.).

Die Heilung ist dadurch bewirkt worden, dass die Antragstellerin das erforderliche Anhörungsverfahren nachträglich mit Schreiben vom 1. März 2018 eingeleitet und sich mit den daraufhin abgegebenen Stellungnahmen der Antragstellerin (vom 21. März und 29. Mai 2018, vgl. Bl. 76 f./92 f.) in einer Weise auseinandergesetzt hat, die der zentralen Bedeutung des Anhörungsverfahrens im Rahmen des Erlasses eines belastenden Verwaltungsakts nach Ermessen gerecht wird (vgl. Schr. d. Antragsgegnerin v. 22.5./12.6.2018). Die Antragsgegnerin hat sich nicht darauf beschränkt, ihre ursprüngliche Entscheidung ohne Eingehen auf das weitere Vorbringen der Antragstellerin zu verteidigen, sondern hat dieses zum Anlass genommen, ihre Ermessensausübung zu überdenken und zu ergänzen (zu diesem Erfordernis vgl. etwa BVerwG, U.v. 17.12.2015 - 7 C 5.14 - juris Rn. 17 m.w.N.; BayVGH, B.v. 13.11.2017 - 15 ZB 16.1885 - juris Rn. 8 bis 10). Inhaltlich hat sie sich insbesondere mit dem nunmehr erstmals geltend gemachten „Bewachungsinteresse“ vor dem Hintergrund der Vollzugsbekanntmachung vom 4. Dezember 2014 (AllMBl. S. 621, Nr. 37.4.1, 2. Abs.) auseinandergesetzt. Dass der angefochtene Verwaltungsakt gleichwohl in der Sache unverändert aufrechterhalten wurde, ist für die Frage der Behebung des formellen Mangels ohne Bedeutung.

2.2 Zu Recht hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen (Art. 38 Abs. 2, Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG) für die Rücknahme der Zusicherung bejaht und die Ermessensausübung im angefochtenen Bescheid als fehlerfrei angesehen (s. Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO).

Soweit die Beschwerde ein „berechtigtes Interesse“ der Antragstellerin an der Haltung von Cash mit ihrer nachgewiesenen überdurchschnittlichen Erfahrung im Umgang mit Hunden, ihren zahlreichen Engagements für diverse Tierschutzorganisationen, dem Betrieb eines Fachhandels mit Ladengeschäft für Heimtier-, insbesondere Hundebedarf (Beschwerdebegründung v. 22.1.2018, S. 3) und letztlich mit dem mit Schreiben vom 21. März 2018 näher ausgeführten „Bewachungsinteresse“ geltend macht, vermag sie damit - unabhängig von einer Bewertung gemäß Art. 37 Abs. 2 LStVG - nicht die Rechtmäßigkeit der Zusicherung und die Unanwendbarkeit von Art. 48 BayVwVfG zu begründen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen (1.2) zur Rechtswidrigkeit der Zusage im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Abgabe verwiesen werden. Ausgehend hiervon liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG vor.

Hiernach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die zu treffende Ermessenentscheidung umfasst das „Ob“ der Rücknahme wie auch deren Umfang; inhaltlich maßgebend für die Ermessensausübung ist in erster Linie der Zweck der Ermächtigung im jeweils einschlägigen Fachgesetz (Art. 40 BayVwVfG). Weiter hat sich die Ermessensausübung an den widerstreitenden Belangen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einerseits und dem Gedanken der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG analog) andererseits zu orientieren. In Auseinandersetzung mit dem zu beurteilenden Einzelfall hat die Behörde insbesondere die Zumutbarkeit der durch die beabsichtigte Rücknahme für den Betroffenen eintretenden Situation sowie seit Erlass des Verwaltungsaktes unter Umständen eingetretene Änderungen der Sach- oder Rechtslage zu würdigen und die widerstreitenden Interessen mit Blick auf die Auswirkungen der Rücknahme im zur Entscheidung anstehenden Einzelfall gegeneinander abzuwägen (vgl. J. Müller in BeckOK, VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.1.2018 § 48 Rn. 38-39). Vor diesem Hintergrund hat der angefochtene Beschluss die Ausübung des Rücknahmeermessens durch die Antragsgegnerin zu Recht nicht beanstandet.

Soweit man die Ausführungen der Beschwerde zu einem (aktuell bestehenden) berechtigten Interesse im Sinn von Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG als Rüge einer insoweit fehlerhaften Ermessensausübung betrachten wollte, vermag der Senat eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Rücknahmeermessens ebensowenig zu erkennen wie eine dem Zweck der Ermächtigung widersprechende Ermessensausübung (§ 114 Satz 1 VwGO).

Ungeachtet der Frage, welchen Einfluss eine Bejahung des berechtigten Interesses an der Hundehaltung auf die Ausübung des (Rücknahme-)Ermessens hätte, ist es der Antragstellerin nicht gelungen, das gemäß Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG für eine Erlaubnis zur Haltung von Cash, dessen Eigenschaft als Kampfhund (vgl. § 1 Abs. 1 Kampfhundeverordnung) stets vermutet wird, erforderliche berechtigte Interesse nachzuweisen. Im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel, die Haltung von Kampfhunden wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren „auf wenige Ausnahmetatbestände“ zu beschränken (vgl. Nr. 37.4.1 VollzBek), ist grundsätzlich eine restriktive Auslegung der Vorschrift geboten (stRspr des Senats, BayVGH, B.v. 2.6.2014 - 10 ZB 12.2320 - juris Rn. 6). Dieser fachgesetzlichen Vorschrift kommt im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens maßgebliche Bedeutung zu.

2.2.1 Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer engen Auslegung des Begriffs des berechtigten Interesses ergibt sich ohne weiteres, dass hierfür allein die - im Übrigen durch verschiedene Nachweise belegten, auch von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogenen - „weit überdurchschnittlichen Erfahrungen und Kenntnisse“ der Antragstellerin mit Hunden verschiedenster Rassen im Hinblick auf beruflichen, ehrenamtlichen und privaten Umgang nicht ausreichten. Diesen persönlichen Fähigkeiten der Antragstellerin käme erst bei dem zweiten Tatbestandsmerkmal des Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG („gegen seine Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen“) Bedeutung zu, würde allerdings das Vorliegen des ersten Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses voraussetzen. Entsprechendes gilt für den Verweis der Beschwerde auf den positiven Wesenstest, den nachgewiesenen regelmäßigen Besuch einer Hundeschule und darauf basierende gutachterliche Aussagen über die positive Entwicklung von Cash; diese Umstände begründen kein berechtigtes Interesse an der Hundehaltung, sondern wären allenfalls geeignet, mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit dritter Personen durch die Hundehaltung auszuschließen oder zu minimieren.

2.2.2. Ein berechtigtes Interesse wird auch nicht mit dem Hinweis auf eine „tierschützerische Aufnahme“ (VollzBek. v. 4.12.2014, Nr. 37.4.1) nachgewiesen. Die Antragstellerin macht insoweit mit Blick auf Art. 20a GG geltend, das Staatsziel „Tierschutz“ müsse bestmöglich verwirklicht werden, was nur dann der Fall sei, wenn ein Hund nicht dauerhaft in einem Tierheim verbleibe, obwohl er bei ihr als geeignete und in der Hundehaltung erfahrene Person artgerecht gehalten werde und zur Gefahrenabwehr auch Nebenbestimmungen in Betracht kämen.

Mit diesem Vorbringen wird kein berechtigtes Interesse an der Haltung des Kampfhundes aufgezeigt, sondern letztlich nur ein allgemeines tierschützerisches Interesse geltend gemacht. Die Berufung auf den „Tierschutz“ zielt hier letztlich auf die Geltendmachung eines Liebhaberinteresses ab, das als solches nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 15.1.2004 - 24 ZB 03.2116 - juris Rn. 7, 8; vgl. auch Nr. 37.4.1, Abs. 3 Satz 2 VollzBek. v. 4.12.2014) nicht ausreichend ist, um ein berechtigtes Interesse an der Haltung eines Kampfhundes der Rasse American Staffordshire Terrier zu begründen. Auf die individuelle Situation des Hundes bezogene gewichtige Gesichtspunkte des Tierschutzes, auf Grund derer die öffentliche Sicherheit hinter das „Tierschutzinteresse“ zurücktreten müsste, sind jedenfalls nicht ersichtlich und können nicht allein mit dem Vorbringen begründet werden, eine Beendigung der Haltung des Hundes durch die Antragstellerin schade ihm.

2.2.3 Der Senat vermag auch dem vorgelegten ärztlichen Attest vom 4. Januar 2018, wonach die Antragstellerin „ihre Hunde an Kinder statt“ führe, kein berechtigtes Interesse gerade an der Haltung eines Kampfhundes der Kategorie I zu entnehmen. Zu diesem Zwecke käme eine Vielzahl von Hunderassen in Betracht, für deren Haltung keine Erlaubnis benötigt würde. Das weitere Argument, eine Trennung von Cash würde „eine außerordentliche emotionale Belastung für sie darstellen“, führt im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Rücknahme der Zusicherung und nicht die Abgabe des Hundes geht, nicht weiter.

2.2.4 Schließlich verhilft der Beschwerde auch nicht die Berufung auf Art. 37 Abs. 2 Satz 1, 2. HS. LStVG zum Erfolg; nach dieser Vorschrift kann ein berechtigtes Interesse insbesondere dann vorliegen, wenn die Hundehaltung „der Bewachung eines gefährdeten Besitztums dient“. Die Antragstellerin hat hierzu umfänglich im Rahmen der nachgeholten Anhörung mit Schreiben vom 21. März 2018 (S. 5 f.) und nochmals mit Schreiben vom 29. Mai 2018, auf die Bezug genommen wird, vorgetragen.

Der Senat hat erhebliche Zweifel daran, dass das kürzlich in N. eröffnete Tierbedarfsgeschäft der Antragstellerin als „gefährdetes Besitztum“ anzusehen ist, auch wenn der dort befindliche Warenwert etwa 25.000 € betragen soll und hierzu noch der jeweilige Geldbestand der Kasse kommt. Es ist nicht erkennbar, dass das innerstädtisch gelegene Geschäft der Antragstellerin einer Gefährdung etwa wegen einer besonders exponierten Lage oder aus einem anderen wichtigen Grund ausgesetzt ist (vgl. Nr. 37.4.1 Abs. 2 VollzBek). Der Hinweis auf die (angeblich) in den letzten Jahren im ostbayerischen Raum erheblich angestiegene Einbruchs- und Raubkriminalität hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter. Entsprechendes gilt auch für das Wohnhaus der Antragstellerin, in dem nach ihren Angaben die Einnahmen mehrerer Tage verwahrt werden, bevor sie zur Bank verbracht werden; insoweit kann von der Antragstellerin erwartet werden, eine andere Lösung anzustreben, mit der eine wirkliche Sicherung der Tageseinnahmen erreicht wird. Soweit Cash zum Schutz des Transports der Tageseinnahmen in Höhe von täglich bis zu 1.000 Euro vom Ladengeschäft in das Wohnhaus eingesetzt werden soll, fehlt es bereits an der Bewachung eines „gefährdeten Besitztums“ im Sinne einer Immobilie.

Die Antragstellerin trägt im Übrigen selbst vor, dass der Hund die ihm zugedachte Bewachungsfunktion nur mittels der von ihm ausgehenden „optischen Abschreckung“, nicht jedoch infolge entsprechender Ausbildung auch tatsächlich werde erfüllen können. Damit liegt aber die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Fähigkeit des Kampfhundes der Kategorie I zur Bewachung eines gefährdeten Besitztums nicht vor. Eine „optische Abschreckung“ kann im Übrigen auch unter Verwendung von Hunden erlaubnisfreier Rassen mit entsprechendem Äußerem erzielt werden. Angesichts dieses Befundes kann dahinstehen, ob die Antragstellerin letztendlich nicht darauf zu verweisen ist, sich eines ausgebildeten Wachhundes einer erlaubnisfreien Rasse statt eines Kampfhundes der Kategorie I zu bedienen.

2.3 Auch die geltend gemachten Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes führen nicht zur Rechtswidrigkeit der Rücknahme und rechtfertigen daher keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Im Rahmen ihrer Ermessensausübung hat die Antragsgegnerin das Vertrauen der Antragstellerin auf den Fortbestand der Zusicherung umfassend ermittelt und mit dem ihm zukommenden Gewicht in der Ermessensausübung eingestellt; in der anschließend nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 analog BayVwVfG vorgenommenen Gesamtabwägung ist die Antragsgegnerin gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt, dass die Durchsetzung der mit Art. 37 Abs. 1, 2 LStVG verfolgten gesetzlichen Ziele als vorrangig gegenüber den für die Antragstellerin mit der Versagung der Erlaubnis verbundenen Nachteilen anzusehen ist.

Die Antragsgegnerin hat insbesondere nicht übersehen, dass die Antragstellerin den Hund erst nach Vorliegen der Zusage und damit auch im Vertrauen auf deren Fortbestand angeschafft hat; es liegt auch keiner der Ausschlusstatbestände des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG analog (vgl. zur Anwendung auf Verwaltungsakte, die nicht auf eine Geld- oder Sachleistung bezogen sind: Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 48 Rn. 42-43) vor. Gleichwohl kann auch ohne ihr Vorliegen das öffentliche Interesse an der Rücknahme einer Zusicherung den ausgelösten Vertrauensschutz bei Berücksichtigung des Gewichts der jeweiligen Interessen überwiegen. Hiervon geht die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid in nicht zu beanstandender Weise aus, wenn sie ausführt, dass „mit Blick auf die von einem Kampfhund…ausgehenden Gefahren für die bedeutsamen Schutzgüter der Unversehrtheit und des Lebens“ die von der Antragstellerin auch vor dem Hintergrund des Vertrauensschutzes konkret geltend gemachten Interessen am Fortbestand der Zusicherung gegenüber den mit dem restriktiven Erlaubnisvorbehalt verfolgten hochrangigen Zielen der Gefahrenabwehr zurücktreten müssten. Mit dieser Begründung hat die Antragsgegnerin das ihr eingeräumte Rücknahmeermessen - auch mit Blick auf die in Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG getroffene Wertung des Gesetzgebers für einen Vermögenschutz - entsprechend dem Zweck von Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 37 Abs. 1, 2 LStVG ausgeübt, ohne die damit vorgegebenen gesetzlichen Grenzen zu überschreiten (Art. 40 BayVwVfG).

Die von der Antragstellerin im Vertrauen auf den Fortbestand der Zusicherung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Hundes bereits getätigten finanziellen Dispositionen (vgl. zum Umfang: Schreiben v. 22.1.2018, S. 8) sind im Hinblick auf die Ermessensausübung ohne ausschlaggebende Bedeutung. Insoweit ist sie auf die Möglichkeit zu verweisen, einen Ausgleich für den infolge der Rücknahme der Zusicherung erlittenen Vermögensnachteil zu beantragen (Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG). Soweit die Antragstellerin vorträgt, es würden ihr weit darüberhinausgehende, nicht in Geld zu bemessende Nachteile entstehen, ist dies im Hinblick auf die damit angesprochene emotionale Einbuße nachvollziehbar; allerdings werden sie im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu Recht als nachrangig gegenüber dem mit der Rücknahme der Zusicherung verfolgten Zweck angesehen. Im Übrigen wird in rechtlicher Hinsicht mit der Rücknahme zunächst nur der (rechtswidrig) eingeräumte Anspruch auf eine Haltungserlaubnis aufgehoben, ohne dass damit automatisch eine Entscheidung über die Beendigung der tatsächlichen Hundehaltung (vgl. hierzu: Beschluss des Senats v. 9.10.2018 - 10 CS 18.280) verbunden oder vorweggenommen ist; hierfür bedarf es einer eigenständigen Ermessensausübung im Hinblick auf die dort maßgebliche Eingriffsnorm. Schließlich vermag auch das Angebot der Antragstellerin, sich weitgehenden Anordnungen zur Hundehaltung (etwa: Leinen- und Maulkorbzwang) zum Schutz der Allgemeinheit zu unterwerfen, das Gewicht des durch die Rücknahme „enttäuschten“ Vertrauens nicht entscheidend zu erhöhen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahren fallen der mit ihrem Rechtsmittel unterlegenen Antragstellerin zu Last (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten vom 5. November 2014, mit dem er unter Zwangsgeldandrohung verpflichtet wurde, eine auf dem im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gelegenen, ca. 3 ha großen Grundstück FlNr. … der Gemarkung D … vormals als Wildschutzzaun errichtete Einfriedung zu beseitigen.

Bereits mit Schreiben des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) L. a.d. I. vom 20. März 2012 war der Kläger über die Einschätzung der Fachbehörde informiert worden, dass der Zaun zum Schutz der Forstkulturen nicht mehr notwendig sei und deshalb entfernt werden müsse. Mit weiterem Schreiben vom 4. April 2013 wiederholte das AELF den Hinweis und bat den Kläger, den Zaun unter Nutzung näher beschriebener Entsorgungsmaßnahmen bis spätestens 30. April 2014 abzubauen. Das Landratsamt D.-L. erließ sodann gegenüber dem Kläger, ohne diesen vorher selbst förmlich anzuhören, den o.g. Beseitigungsbescheid vom 5. November 2014.

Die hiergegen vom Kläger erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 26. Juli 2016 ab. Die Beseitigungsandrohung sei formell und materiell rechtmäßig. Soweit mit den Schreiben des AELF vom 20. März 2012 und 4. April 2013 keine hinreichende Anhörung erfolgt sei, sei eine solche jedenfalls während des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt worden. Die Tatbestandvoraussetzungen der Befugnisnorm des Art. 76 Satz 1 BayBO für eine Beseitigungsanordnung lägen vor. Die Einzäunung sei nunmehr gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig und deshalb formell rechtswidrig geworden; die Voraussetzungen für ein verfahrensfreies Bauvorhaben gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b BayBO seien nicht mehr gegeben. Zudem sei die Herstellung rechtmäßiger Zustände auf andere Weise als durch die Beseitigung nicht möglich, da die nicht privilegierte Einfriedung am Maßstab von § 35 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Die vom Landratsamt getroffenen Ermessenserwägungen entsprächen pflichtgemäßer Ermessensausübung und seien rechtlich nicht zu beanstanden.

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

1. Aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO folgt die Obliegenheit des Rechtsmittelführers, zweifelsfrei kundzutun, aus welchen der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Gründe er die Zulassung der Berufung begehrt. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, das Vorbringen des Rechtsmittelführers daraufhin zu überprüfen, ob und ggf. inwieweit es einem Zulassungsgrund oder möglicherweise auch mehreren in Betracht kommenden Zulassungsgründen zugeordnet werden kann. Bezogen auf den jeweiligen Zulassungsgrund ist zudem substanziiert zu erläutern, warum die Zulassung der Berufung geboten ist. In dem innerhalb der genannten Zwei-Monats-Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 fehlt demgegenüber die Bezeichnung eines Grundes i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO, aus dem die Berufung zugelassen werden soll. Die Zulassungsbegründung vom 12. Oktober 2016 ist eher im Stil einer Berufungsbegründung gehalten, sodass Bedenken bestehen, ob den Darlegungsanforderungen an die (rechtzeitige) Geltendmachung eines Berufungszulassungsgrundes schon in formaler Hinsicht Genüge getan worden ist (vgl. z.B. OVG NRW, B.v. 29.9.2017 – OVG 5 N 40.16 – juris Rn. 2; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 22.2.2017 – 3 L 21/17 – juris Rn. 2). Die fehlende Bezeichnung eines Zulassungsgrundes ist allerdings unschädlich, wenn sich das Vorbringen des Zulassungsantragstellers im Wege der Auslegung hinreichend sicher einem der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe zuordnen lässt (vgl. BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl 2011, 338 = juris Rn. 12 ff.). Ob dies hier der Fall ist, kann dahingestellt bleiben. Unterstellt man, dass sich der Kläger – wie er mit späterem Schriftsatz vom 25. Januar 2017 (nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist) erklärt – bereits mit dem Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 in der Sache auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) berufen hat, hätte sein Zulassungsantrag dennoch keinen Erfolg.

2. Die Richtigkeit des Urteils vom 26. Juli 2016 ist nicht deshalb ernstlich zweifelhaft, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Anhörung zur Beseitigung zwischenzeitlich ordnungsgemäß nachgeholt wurde.

Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies ist hier im Vorhinein wohl nicht geschehen. Die Anschreiben des AELF vom 20. März 2012 und vom 4. April 2013 dürften nicht als hinreichende Anhörung angesehen werden können, weil das AELF nicht im Namen des gem. Art. 53 Abs. 1 BayBO als untere Bauaufsichtsbehörde für die Entscheidung gem. Art. 76 Satz 1 BayBO zuständigen Landratsamts handelte und weil in diesem Schreiben dem Kläger keine Gelegenheit gegeben wurde, sich gegenüber dem zuständigen Landratsamt hinsichtlich einer beabsichtigten Beseitigungsanordnung zu äußern. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Ausnahmetatbestand gemäß Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG einschlägig ist, nach dem die Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten und insofern entbehrlich war.

Ein Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG im Verwaltungsverfahren kann aber gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG durch Nachholung der Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, tritt die Heilung aber nur dann ein, wenn die Anhörung in der Sache nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Diese Funktion besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt vielmehr ein, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Dementsprechend sind Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten in gerichtlichen Verfahren allein zur Heilung einer zunächst unterbliebenen Anhörung nicht ausreichend. Eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung setzt vielmehr voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern dass sie das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 7 C 5.14 – NVwZ-RR 2016, 449 = juris Rn. 17 m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.9.2016 – 20 ZB 16.587 – juris Rn. 5 ff.; U.v. 1.6.2017 – 20 B 16.2241 – juris Rn. 31).

Das Verwaltungsgericht hat sich in Umsetzung dieser Maßstäbe zu Recht auf den Standpunkt gestellt, der formelle Fehler einer im Verwaltungsverfahren (wohl) unterbliebenen Anhörung sei nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt, weil aufgrund der Geschehnisse während des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens (erneute Beschäftigung des Landratsamts mit dem dargelegten Konzept des Klägers unter Beteiligung des AELF als Fachbehörde) davon ausgegangen werden könne, dass die Behörde ihre Entscheidung im Licht der vorgetragenen Einwendungen in eigener Zuständigkeit nochmals überprüft habe und dass insoweit dem dem Anhörungsverfahren zugrundeliegenden Rechtsgedanken ausreichend Rechnung getragen worden sei.

Der Kläger kann mit seinen im Zulassungsverfahren hiergegen erhobenen Einwendungen, das Verwaltungsgericht sei zu großzügig mit der Möglichkeit der Nachholung der Anhörung umgegangen und habe nicht ausgeführt, in welcher tatsächlichen Handlung während des gerichtlichen Verfahrens bis zur letzten Tatsacheninstanz eine solche Anhörung gesehen werde, nicht durchdringen. Sein Vorbringen, dass sich der Beklagte nach dem Augenscheintermin und der Beteiligung der Fachstelle tatsächlich keine neuen Gedanken gemacht habe und dass der Beklagte das Vorbringen des Klägers nicht erkennbar zum Anlass genommen habe, seine Entscheidung kritisch zu überdenken, sodass Sinn und Zweck der Anhörung auch im gerichtlichen Verfahren nicht erreicht worden sei, bleibt gegenüber der insofern anderweitigen Sachverhaltsbewertung des Verwaltungsgerichts unsubstanziierte Behauptung. Das Gegenteil wird durch den Ablauf des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens, auf den auch das Verwaltungsgericht rekurriert hat, belegt:

Der Beklagte hat die Ausführungen der Klagebegründung (erstinstanzlicher Schriftsatz vom 5. Dezember 2014) in seiner Klageerwiderung vom 3. Februar 2015 zur Kenntnis genommen und diese – unter Thematisierung des Art. 76 Satz 1 BayBO als Befugnisnorm, unter der Beurteilung, dass die Verfahrensfreiheit gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b BayBO sowie eine Privilegierung gem. § 35 Abs. 1 BauGB wegen Wegfalls des Schutzzwecks des Zaunes nicht mehr gegeben sei – umfangreich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewürdigt. Hinsichtlich des vertretenen Ergebnisses zum Wegfall des Schutzzwecks des Zauns hat der Beklagte in der Klageerwiderung sich zudem durch Verweis ergänzend die Ausführungen einer forstfachlichen Stellungnahme des AELF L. a.d. I. vom 13. Januar 2015 zu eigen gemacht. In dieser fachlichen Stellungnahme wird ausgeführt:

„1. Der errichtete Zaun erfüllt nicht mehr den Zweck, den aufwachsenden Baumbestand vor Schäden durch Wild zu schützen.

Begründung:

– Der durchschnittliche Durchmesser auf Brusthöhe beträgt 15 cm und die Höhe der Bäume beträgt geschätzt im Schnitt mehr als 12 m. Der Bestand befindet sich demnach in einem Alter, in dem er gesichert zu einem Altbestand herangewachsen wird und nicht mehr den Schutz vor Wild durch einen Zaun benötigt.

– Die Lärchen haben in diesem Alter eine ausreichend dicke Borke, so dass Schäden durch das Verfegen durch Rehwild nicht entstehen.

– Die Bestockung der Fläche, d.h. die Anzahl der Stämme je Hektar ist mehr als ausreichend, teilweise sogar überbestockt, so dass eine Pflege des Bestandes durch Entnahme von Bäumen notwendig ist. Eine Nachpflanzung ist aus forstfachlicher Sicht nicht nötig.

– Der Zaun ist an mindestens fünf Stellen niedergedrückt und stellt kein Hindernis für Wild, insbesondere Rehwild dar. Ein Schutz vor Verbiss durch Hasen hat aufgrund der großen Maschen, aus denen das Geflecht besteht, nie bestanden.

2. Die Entsorgung beziehungsweise die Beseitigung des Zaunes aus dem Wald, ist aus forstlicher, naturschutzfachlicher und tierschützerischer Sicht von hohem Interesse.

Begründung:

– Bei Inaugenscheinnahme der Fläche sind Bäume aufgefallen, die direkten Kontakt mit dem Zaun haben. Teilweise ist das Zaungeflecht in diese bereits eingewachsen.

– Das Betretungsrecht (…) ist eingeschränkt, denn diesem Zaun fehlt der legale Schutzzweck. Die Eisenkonstruktion am Zugangs Weg auf die oben genannte Fläche erweckt den Eindruck, dass die Betretung bewusst verhindert werden soll.

– Der Zaun ist im momentanen Zustand eine Gefahr für Rehwild, das sich beim Überqueren des im Boden liegenden Zaunes in selbigem verfangen und verletzen (…) kann. Ein qualvolles Verenden der Wildtiere ist in der Regel die Folge.

– Dem Wild würde durch den intakten Zaun Lebensraum entzogen werden, wodurch der Verbissdruck auf die verbleibenden Flächen steigt. Deshalb achtet das AELF darauf, dass Zaunbauten nur so lange bestehen, wie aus Sicht der Verjüngungssicherung unbedingt Notwendigkeit besteht.“

Im Anschluss an den erstinstanzlichen Augenscheintermin vom 13. Mai 2015, in dem der Kläger erklärte, der Zaun sei nach seinen Bewirtschaftungsplänen noch für einen weiteren Zeitraum von 3 – 5 Jahren erforderlich, sowie im Anschluss an die im Augenscheintermin angekündigte und unter dem Datum des 15. Juni 2015 erfolgte schriftsätzliche Vorlage eines Bewirtschaftungskonzepts des Klägers hat das Landratsamt mit Schriftsatz vom 8. September 2015 dem Verwaltungsgericht eine Stellungnahme des AELF vom 25. August 2015 mit der Erklärung vorgelegt, sich der dortigen Bewertung einer mangelnden Notwendigkeit des Wildschutzzauns anzuschließen. In der fachlichen Stellungnahme, die sich detailliert mit dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15. Juni 2015 auseinandersetzt, heißt es u.a.:

„Dass auf der eingezäunten Fläche hauptsächlich ‚Tannenbäume und Laubbäume im Alter von 2 – 10 Jahren’ gepflanzt seien, ist nicht der Fall, das ist auch visuell gut erkennbar. Hauptsächlich bestockt ist der Bestand mit Bäumen im geschätzten Alter von 15 bis 50 Jahren, teilweise sogar wesentlich älter. Nur sehr vereinzelt ist er mit ‚jüngeren Tannenbäumen und Laubbäumen’ bepflanzt. Für den bei weitem größten Teil der gezäunten Fläche ist eine Gefährdung durch Rehwild keinesfalls gegeben, da diese Bäume dem Äser längst entwachsen und die allermeisten Bäume zu dick für das Verfegen durch den Rehbock sind (…).

Die vereinzelt (…) angesprochenen Fegeschäden sind selbstverständlich auch uns nicht entgangen. Allerdings ist es nicht zwingend, auf höhere Wildschäden zu schließen für den Fall, dass die Fläche nicht mehr gezäunt ist. Vielmehr ist gegenteilig davon auszugehen, dass durch vorübergehendes ‚Einsperren’ des Rehwildes sogar Wildschäden provoziert werden. Denn das Rehwild befindet sich länger innerhalb des Zaunes bis zum Wiederauffinden des ‚Ausgangs’ als es bei ungezäunten Einständen der Fall ist. Es lebt also in einer Art zeitweiligem ‚Zwangshabitat’, in dem es artgemäß seinem Äsungs-(Verbiss-) und Revierverhalten (Fegeschäden) nachgeht, allerdings auf einer den Ansprüchen des Rehwildes nicht gerechten, limitierten Fläche. Bei einer weiteren Besichtigung am 29.07.2015 ist ein solches Reh innerhalb des Zaunes gesichtet worden.

Ebenfalls nicht richtig ist, dass das Wild lediglich über einen kurzen Zeitraum in die gezäunten Flächen gelangen konnte. Unsere Fotos von 2015 und 2014 beweisen, dass der Zaun seit längerer Zeit (mehrere Jahre) nicht mehr wilddicht war und im Übrigen immer noch nicht ist (…).

Ebenfalls konnten sog. Verbissschutzmanschetten an einzelnen Jungtannen gefunden werden, die vom Waldbesitzer wirkungsvoll angebracht wurden. Aufgrund der Position an verschiedenen Jungpflanzen konnte festgestellt werden, dass diese teilweise mindestens schon im letzten Jahr angebracht wurden. Auch dies bestätigt also, dass der Kläger zumindest bereits im letzten Jahr gewusst haben muss, dass sich Rehwild regelmäßig innerhalb der Zaunfläche befindet.

Das Vorhaben des Klägers, auf einen Mischwald zu setzen, entspricht den Anforderungen, die den Wäldern der Zukunft durch den Klimawandel gestellt werden wird. Ein Ersetzen einer Laubbaumart durch eine weitere Nadelart tut dies nicht. Das geäußerte Vorhaben, auf Teilflächen eine bereits etablierte Bestockung von Birke zu entnehmen und durch Tanne zu ersetzen, entspricht nicht der guten fachlichen Praxis. Es ist auch nicht plausibel hinsichtlich des vom Kläger angesprochenen wirtschaftlichen Standpunkts, da 15 Jahre Investition in Holzwachstum wieder auf Null zurückgesetzt werden.

Wir sehen darin vielmehr den Versuch, eine waldbauliche Situation zu konstruieren, die als Vorwand dient, eine nicht den Gesetzesnormen entsprechende Zaunfläche für weitere 7 Jahre aufrecht zu erhalten. Maximal wäre hier ein Zaun zum Schutz von Forstkulturen (…) auf Teilflächen gerechtfertigt. Wirtschaftlich sinnvoller wäre Einzelschutz, noch sinnvoller, es bei dem jetzt Vorhandenen zu belassen.

Die vom Kläger mehrfach angesprochenen Monokulturen (7x erwähnt) aus Fichte oder sonstigen Baumarten stehen in der Streitsache ohnehin nicht zur Debatte. Der vom Kläger angeführte Vergleich zu eben jenen ist nicht von Belang.(…)

Waldbaulich ist der Bestand vollbestockt, die forstwirtschaftliche Ausgangslage hervorragend, zusätzliche Pflanzungen sind aus fachlichen Gründen nicht notwendig. Das anvisierte Einbringen von 1000 Tannen und 1000 Lärchen ist auch aus Sicht eines ökologischen Waldbaus unnötig und unwirtschaftlich. Durch geschickte Pflegeeingriffe kann aus der vorhandenen Substanz ein artenreicher, gut gemischter und strukturreicher Bestand herausgebildet werden. Eine dauerhafte Einfriedung ist dazu nicht notwendig.

Wirtschaftliche Vorteile entstehen nicht durch die vollständige Umzäunung der Fläche, wie es vom Kläger angeführt wird, sondern durch konsequente Pflege und Entwicklung des bereits vorhandenen biologischen Kapitals. (…)“

Das Landratsamt legte sodann – erkennbar mit zu dem Zweck, sich dieser in inhaltlicher Auseinandersetzung mit den neuerlichen Einwendungen des Klägers (Schriftsatz vom 7. Oktober 2015) anzuschließen – im erstinstanzlichen Verfahren unter dem 28. Oktober 2015 eine weitere Stellungnahme des AELF L. a.d. I. mit u.a. folgendem Inhalt vor:

„1. Der Wald ist voll verjüngt, eine ganze Baumgeberation vollständig dem Äser des Rehwildes entwachsen, ein Zaun somit nicht mehr notwendig.

2. (…) Da eine Nachpflanzung fachlich nicht notwendig ist, besteht kein weiterer Anspruch auf ein derartiges privilegiertes Errichten bzw. Erhalten eines Zauns.

Aufgrund des freien Eigentumsrechts kann der Kläger durchaus sein Vorhaben, die schnell wachsenden Birken zu entfernen und mit Neupflanzungen wieder aufzufüllen, in die Tat umzusetzen; aber eben nicht mit dem Privileg eines Zauns, weil die umzäunte Fläche ein Vielfaches größer ist als die vorhandenen Birkengruppen, die er ersetzen möchte.

Im Übrigen sei forstfachlich angemerkt, dass es sich bei Birke keinesfalls um Unkraut handelt, sondern um eine ökologisch wie waldbaulich wertvolle Baumart, die durch ihre Streu den Standort ökologisch aufwertet und als Brennholz sogar im Heizwert die Fichte und Tanne übertrifft.

3. Wie ebenfalls bereits erwähnt, würde eine privilegierte Zäunung ggf. ohnehin nur für räumlich begrenzte Forstkulturen zutreffen, keinesfalls für ganze Waldungen unterschiedlichen Alters. Dass es technisch wie wirtschaftlich nicht möglich sei, kleinflächig bzw. einzeln zu schützen, ist fachlich nicht nachvollziehbar und auch auf der Fläche nicht ersichtlich.

4. Der Zaun ist seit mehreren Jahren undicht (…).

5. Ein Zaun ist nur ein Hilfsmittel in der Verjüngung von Wäldern, nicht der Standardfall. Im Übrigen kann der Kläger auch über die Jagdgenossenschaft, in der er als Grundstückeigentümer Mitglied ist, auf Abschusshöhen und somit auch auf den Verbiss einwirken.

6. (…..)“

Schließlich legte das Landratsamt nochmals im Anschluss an einen Schriftsatz des Klägers vom 24. November 2015 eine Stellungnahme des AELF vom 25. April 2016 vor, laut der der Zaun an zahlreichen Stellen nach wie vor undicht sei. Der Kläger unternehme nichts, um die Forstpflanzen vor Wildverbiss zu schützen. Die Fläche sei voll verjüngt, der Zaun aus forstwirtschaftlicher Sicht nicht mehr nötig. Der Kläger unternehme nichts in Bezug auf Zaunabbau oder -reparatur.

Schon anhand der vorgenannten schriftsätzlichen Reaktionen des Landratsamts auf die jeweiligen klägerischen Schriftsätze unter Übernahme der fachlichen Bewertungen des AELF zeigt sich, dass der Beklagte – auch wenn er im Ergebnis am streitgegenständlichen Bescheid festgehalten hat – im Laufe des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren sich mit den Einwendungen des Klägers ausführlich auseinandergesetzt hat und dabei das gegnerische Vorbringen auch zum Anlass für ein kritisches Überdenken der Entscheidung genommen hat. Dies ergibt sich auch aus der in der Niederschrift vermerkten Erklärung der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016:

„Wir haben uns auch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens noch einmal mit der Sache beschäftigt und eine weitere Stellungnahme des Forstamts zu dem vom Kläger dargelegten Konzept eingeholt. Wir haben uns dann entschieden, am Bescheid festzuhalten.“

Damit sind aber die materiellen Anforderungen an die Nachholung einer zunächst unterbliebenen Anhörung gewahrt, wovon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist.

3. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Erstgericht sei zu Unrecht von der formellen Illegalität des Zaunes (Maßstab: Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b BayBO) und der mangelnden Genehmigungsfähigkeit (Maßstab: von § 35 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB) ausgegangen. Die diesbezüglich erhobenen Einwendungen des Klägers, auf die sich die Prüfung des Senats gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO beschränkt, sind zu unsubstanziiert bzw. vermögen inhaltlich die Richtigkeit des Urteils vom 26. Juli 2016 nicht in Zweifel zu ziehen.

Gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung einer Anlage (Art. 2 Abs. 1 BayBO) anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Hiernach genügt als tatbestandliche Voraussetzung der Befugnisnorm die bloße formelle Rechtswidrigkeit grundsätzlich nicht für eine auf Art. 76 Satz 1 BayBO gestützte Beseitigungsanordnung, vielmehr bedarf es im Falle einer formellen Illegalität darüber hinaus auch der Feststellung, dass durch eine nachträgliche Baugenehmigung ein rechtmäßiger Zustand nicht geschaffen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris Rn. 18; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 76 Rn. 5, 8, 16).

Das Verwaltungsgericht hat sein hierzu gefundenes Ergebnis in Anwendung der vorgenannten rechtlichen Maßstäbe und gestützt auf die Fachexpertisen des AELF, das die Entbehrlichkeit des Zauns wiederholt bestätigt hat (s.o. 2.), in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils wie folgt umfassend begründet: Aus dem tatbestandlichen Erfordernis des „Dienens“ folge, dass die Verfahrensfreiheit gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b BayBO nur solange angenommen werden könne, als die Einfriedung auch tatsächlich noch für den speziellen Schutzzweck erforderlich sei. So seien z.B. Forstkulturzäune nicht mehr zum Schutz von Forstkulturen insbesondere gegen Wildverbiss notwendig, wenn diese eine entsprechende Wuchshöhe erreicht hätten. Bleibe eine solche Einfriedung über diesen Zeitpunkt hinaus stehen, handele es sich baurechtlich gesehen um eine dann gem. Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4 BayBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung, weil die ursprüngliche Zweckbestimmung der Anlage entfallen sei (vgl. hierzu Lechner/Busse in Simon/ Busse, BayBO, Stand: Mai 2017, Art. 57 Rn. 240). Die nach Ablauf der verfahrensfreien Zeit erforderliche Baugenehmigung könne in aller Regel nicht erteilt werden, weil eine Einfriedung, die ihren Schutzzweck erfüllt habe, dem forstwirtschaftlichen Betrieb auch nicht mehr i.S. von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BayBO diene. Auch wenn der Zaun vormals verfahrensfrei habe errichtet werden dürfen, bestehe nunmehr wegen formeller und materieller Illegalität die Befugnis zur Beseitigung. Auf Basis der nachvollziehbaren Stellungnahmen der zuständigen Forstbehörde stehe fest, dass die Voraussetzungen für einen Erhalt der Einfriedung zum Zweck des Schutzes von Forstkulturen nicht mehr vorlägen. Die vom Kläger im Anschluss an die Errichtung des Wildschutzzauns durchgeführte Wiederaufforstung sowie Verjüngung seines Waldbestandes sei mittlerweile im ausreichenden Umfang erfolgt. Es könne ferner davon ausgegangen werden, dass eine für das Jahr 2007 dokumentierte Nachpflanzung zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses eine entsprechende Wuchshöhe erreicht habe, sodass diese Pflanzen nicht mehr den Schäden durch Wildverbiss ausgesetzt seien. Die von der Einfriedung umzäunte Fläche sei zum damaligen Zeitpunkt wie auch zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vollkommen bestockt, die Anzahl der Bäume völlig ausreichend. Ein weiterer Schutz durch das Belassen des im Übrigen teilweise beschädigten Zauns sei demnach nicht mehr erforderlich. Zudem liege nach Meinung der Fachbehörde bereits eine „Überausstattung“ an Bäumen vor. Auch wenn sich – wie vom Kläger durch Lichtbilder dokumentiert und auch vom AELF berücksichtigt worden sei – auf dem Waldgrundstück eine Reihe natürlich nachgewachsener bzw. gesetzter Jungpflanzen befänden, die noch keine ausreichende Höhe hätten und demnach noch der Gefahr von Verbissen und Fegeschäden ausgesetzt seien, könnten nach der nachvollziehbaren Erläuterung der Fachbehörde besonders gefährdete Einzelpflanzen, sofern der Kläger dies für erforderlich halte, durch wirtschaftlich zumutbare Einzelschutzmaßnahmen (z.B. Einzäunung kleinerer Teilflächen) gesichert werden. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit des die volle Grundstücksfläche umgebenden Zauns könne nicht auf den Schutz einzelner Bäume vor Pflanzenverbiss und Fegeschäden abgestellt werden, solange der Baumbestand – wie hier – wiederaufgeforstet und verjüngt worden sei und dies eine forstwirtschaftliche Bewirtschaftung erlaube. Auch im Lichte der Verfassungsbestimmung des Art. 141 Abs. 3 der Bayerischen Verfassung seien die Kriterien für die Errichtung der Erforderlichkeit eines verfahrensfreien Zaunes im Außenbereich restriktiv auszulegen und der Bestand einer solchen Einfriedung auf den unbedingt erforderlichen Zeitraum zu beschränken (zur gebotenen verfassungskonformen engen Auslegung des Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b BayBO als Ausnahmetatbestand vgl. BayVGH, U.v. 1.7.1971 – 75 II 67 – BayVBl. 1971, 472/473; U.v. 8.2.1977 – 25 XV 75 – nicht veröffentlicht; Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, Stand: Mai 2017, Art. 57 Rn. 231, 237). Die Gegenansicht des Klägers führe dazu, dass eine Waldfläche von mehr als 3 ha über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren dem freien Betreten sowie dem Wildwechsel entzogen wäre. Ein „vernünftiger Forstwirt“, an dem die Behörde ihre Entscheidung ausrichten könne, sei vielmehr gehalten, eine Maßnahme zu einem zeitlich hinnehmbaren Abschluss, der ein Entfernen des Zauns erlaube, zu bringen. Im Übrigen sei die Herstellung rechtmäßiger Zustände auf andere Weise als durch die Beseitigung nicht möglich, da die im Außenbereich gelegene Einfriedung bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Da keine Privilegierung gem. § 35 Abs. 1 BauGB vorliege, richte sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB. Das sonstige Vorhaben beeinträchtige den öffentlichen Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft sowie das Landschaftsbild (vgl. ebenso: BayVGH, U.v. 1.7.1971 a.a.O.; U.v. 4.3.1975 – 114 II 73 – nicht veröffentlicht; U.v. 28.1.1976 – 113 II 73 – nicht veröffentlicht; U.v. 8.2.1977 a.a.O.; U.v. 13.5.1993 – 26 B 90.3626 – nicht veröffentlicht; B.v. 3.2.2004 – 14 CS 03.2874 – juris Rn. 16; VG Ansbach, U.v. 1.9.2010 – AN 9 K 10.00613 – juris Rn. 40; Lechner/Busse a.a.O. Art. 57 Rn. 240).

Mit seinem Vortrag in der Zulassungsbegründung hat der Kläger den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils vom 26. Juli 2016 nicht Substanziiertes entgegenzusetzen, was die Richtigkeit der dortigen Rechtsfindung i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Frage stellen könnte. Sein Vortrag genügt inhaltlich nicht den Anforderungen an das Gebot der Darlegung eines Berufungszulassungsgrundes gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Dieses erfordert auch bei der Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine substanzielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes. Schon wegen der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe im Zulassungsverfahren einerseits und im nachfolgenden Berufungsverfahren andererseits genügt es in der Regel nicht, etwa unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen und unter schlichter Wiederholung der eigenen Ansichten die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen. Auch eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund (s.o. 1.) eine substanziierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 8 m.w.N.). Dem werden die Ausführungen des Klägers im Zulassungsverfahren nicht gerecht.

a) In seiner – rechtzeitig innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgelegten – Zulassungsbegründung vom 12. Oktober 2016 begrenzt sich der Sachvortrag des Klägers im Wesentlichen auf den Einwand, das Verwaltungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass sukzessive immer wieder Ausschlagungen und Neuanpflanzungen in nicht unerheblichem Umfang vorgenommen worden seien und dass es bei dieser Art der Waldbewirtschaftung notwendig sei, einen Schutzzaun zum Schutz der Forstkultur aufrechtzuerhalten. Jedenfalls hinsichtlich der Neuanpflanzungen aus den Jahren 2013, 2014 und 2015 könne die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass wegen Erreichens der Wuchshöhe der Bäume dem Erfordernis des „Dienens“ zum Schutze einer Erstaufforstung nicht mehr Genüge getan wäre, nicht zutreffen. Mit diesen knappen Ausführungen wiederholt der Kläger im Wesentlichen lediglich seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Argumente und setzt sich nicht detailliert mit den ausführlichen Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts, die ihrerseits auf die diversen, im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorgelegten fachlichen Stellungnahmen des AELF rekurrieren (s.o.), auseinander. Auch die Ergänzungen im Schriftsatz vom 25. Januar 2017 vermögen – unabhängig davon, dass diese ohnehin erst nach Ablauf der Begründungsfrist gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof erfolgten – das gebotene Maß an Substanziiertheit zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht herbeizuführen. Mit dem Argument, dass Nachpflanzungen noch nicht „dem Äser des Rehwildes entwachsen“ seien, hat sich das Verwaltungsgericht auch unter Verwertung der Stellungnahmen des AELF intensiv befasst. Dasselbe gilt für die vom Kläger vorgetragene Art der Waldbewirtschaftung (sukzessive Ersetzung von gewachsenem Baumbestand durch Neuanpflanzungen – stetige „Verjüngung“). Die vom Verwaltungsgericht unter Auswertung der Stellungnahmen des AELF angenommene Überbestockung des Baumbestandes im eingezäunten Bereich wird vom Kläger ohne weiteren konkreten fundierten Gegenvortrag in der Sache lediglich pauschal bestritten.

Insbesondere hat sich der Kläger im gesamten Zulassungsverfahren nur oberflächlich und ohne wirklich sachliche Auseinandersetzung mit den auf die fachlichen Stellungnahmen des AELF rekurrierenden Argumenten des Erstgerichts, mit denen es den Wegfall der funktionsbezogenen „Dienlichkeit“ als Schutzzaun begründet hat, auseinandergesetzt. Für das Vorliegen des sowohl für Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b BayBO als auch für § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB tatbestandlichen Erfordernisses des „Dienens“ ist entscheidend, ob ein „vernünftiger“ Betriebsinhaber (hier: ein vernünftiger Inhaber eines forstwirtschaftlichen Betriebs) auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (speziell für Einfriedungen vgl. BayVGH, U.v. 4.3.1975 a.a.O.; U.v. 8.2.1977 a.a.O.; VG Ansbach, U.v. 1.9.2010 a.a.O. juris Rn. 36 f.; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 57 Rn. 46; Lechner/Busse a.a.O. Art. 57 Rn. 231; Molodovsky in Molodovsky/Famers, BayBO, Stand: September 2017, Art. 57 Rn. 95; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Stand: Februar 2017, Art. 57 Rn. 149). In diesem Rahmen ist – wie seitens des Verwaltungsgerichts unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des AELF erfolgt – u.a. zu hinterfragen, ob Drahtgeflechte und andere Schutzabgrenzungen an den Einzel-/Jungpflanzen oder an Gruppen von Einzel-/Jungpflanzen genügen (vgl. BayVGH, U.v. 1.7.1971 a.a.O.; U.v. 4.3.1975 a.a.O.), zumal nach der Rechtsprechung das Vorhandensein einzelner Kulturen / Jungwuchsbestände sowie das Anpflanzen nur einzelner Waldbäume die Einfriedung ganzer Waldstücke nicht rechtfertigen (vgl. BayVGH, U.v. 1.7.1971 a.a.O.; VG Ansbach, U.v. 1.9.2010 a.a.O. juris Rn. 29; Molodovsky a.a.O. Art. 57 Rn. 95, 100; Lechner/Busse a.a.O. Art. 57 Rn. 237; Jäde a.a.O. Art. 57 Rn. 145). Der Kläger unterlässt es hingegen, sich auf diese Diskussion inhaltlich einzulassen, indem er insbesondere unter Berufung auf sein Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) pauschal darauf verweist, es spiele keine Rolle, ob seine Nachpflanzungen erforderlich seien, es sei seine persönliche Entscheidung, wie sein Wald vernünftig bewirtschaftet werde. Aus seiner Sicht stelle es eine enteignende Maßnahme dar, wenn ihm „die Forstideologie“ des AELF aufgezwungen werden könnte; insofern müsse auch das Waldbetretungsrecht in ein vernünftiges Verhältnis zum Schutz von Neuanpflanzungen gestellt werden. Der Kläger übersieht dabei, dass gesetzliche Regelungen wie Art. 76 Satz 1 BayBO sowie Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b) BayBO und § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Inhalt und Schranken des Eigentumsgrundrechts gerade im Interesse konfligierender (insbesondere: öffentlicher) Belange i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmen.

b) Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht hätte nicht ohne Weiteres den Ausführungen des AELF, das selbst „Partei“ sei, folgen dürfen, sondern hätte – wie angeregt worden sei – ein Sachverständigengutachten darüber einholen müssen, ob es bei der Waldbewirtschaftungsart des Klägers notwendig sei, einen Schutzzaun zum Schutz der Forstkultur aufrechtzuerhalten, vermag dies weder unter dem Gesichtspunkt „ernstlicher Zweifel“ i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch unter dem Gesichtspunkte eines (insofern ggf. andeutungsweise der Sache nach geltend gemachten) Zulassungsgrunds gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) die Zulassung der Berufung zu rechtfertigen.

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann grundsätzlich nicht auf die Rüge, das Erstgericht habe den entscheidungsrelevanten Sachverhalt – hier mit Blick auf die Würdigung der fachlichen Expertisen des AELF – falsch gewürdigt, gestützt werden. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d.h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt daher (nur) vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Soweit eine fehlerhafte Beweisbzw. Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO daher allenfalls dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2016 – 15 ZB 16.168 – juris Rn. 8 m.w.N.). Dass solche schwerwiegenden Fehler der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung hier vorliegen, zeigt der Kläger nicht substanziiert auf.

Insbesondere war es dem Verwaltungsgericht nicht verwehrt, sich die erforderliche Sachkunde hinsichtlich entscheidungserheblicher Tatsachen durch die Verwertung der von dem Beklagten vorgelegten fachlichen Äußerungen des AELF zu verschaffen (BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 u.a. – juris Rn. 68 m.w.N.). Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO grundsätzlich nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Der durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger hätte in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) zu Protokoll stellen können (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Das ist jedoch ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2016 nicht geschehen. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Ein schriftsätzlicher „Beweisantrag“ ist, soweit eine mündliche Verhandlung stattfindet, eine bloße Ankündigung eines Beweisantrages bzw. eine Beweisanregung, die die Folgen des § 86 Abs. 2 VwGO nicht auszulösen vermag. Aufgrund der umfangreichen fachlichen Äußerungen des AELF ist im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich, inwiefern sich dem Verwaltungsgericht mit Blick eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen sollen (vgl. BVerwG‚ B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – BRS 79 Nr. 73 (2012) = juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 14.2.2014 – 8 B 69/13 – juris Rn. 13; vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2016 – 10 BN 1.15 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 23.8.2016 – 15 ZB 15.2668 – juris Rn. 26; B.v. 29.8.2017 – 1 ZB 15.2013 – juris Rn. 10; B.v. 4.9.2017 – 6 ZB 17.1325 – juris Rn. 16), zumal der Kläger die fachlichen Aussagen des AELF nicht durch substanziiertes Aufzeigen erheblicher Fehler in Frage gestellt bzw. „erschüttert“ hat (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 u.a. – juris Rn. 68 m.w.N.).

c) Soweit der Kläger einwendet, eine Komplettbeseitigung sei – auch am Maßstab eines „vernünftigen Forstwirts“ – nicht gerechtfertigt, weil durch eine Anordnung von Teilbeseitigungen als milderes Mittel die Herstellung eines rechtmäßigen Zustands hätte erreicht werden können, wird aus der Zulassungsbegründung nicht verständlich, inwiefern – insbesondere genau wo und in welchem Umfang – das Stehenbleiben eines Teils des Zauns am Maßstab der angesprochenen Rechtsvorschriften geboten oder gerechtfertigt sein könnte. Auch insofern genügt der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht ordnungsgemäß ermittelt und nicht ordnungsgemäß unter die einschlägigen Vorschriften subsumiert, nicht den Darlegungsanforderungen des § 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Es wäre im Zulassungsverfahren Sache des Klägers gewesen, durch eindeutige Aussagen gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof (ggf. unter Vorlage entsprechender Pläne bzw. Skizzen) darzulegen, in welchen genauen Teilbereichen der Zaun stehen zu bleiben habe, weil er jedenfalls genau dort – etwa am Maßstab von Art. 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB – bauplanungsrechtlich zulässig sei. Er kann es im Zulassungsverfahren nicht dem Verwaltungsgerichtshof überlassen nachzuprüfen oder zu mutmaßen, ob aus der im Ganzen gesehen formell und materiell illegalen Zaunanlage einzelne Teile abgeschichtet werden können, die lokal begrenzt als Bestandteil einer dort womöglich zulässigen kleinräumigen Einzäunung dienen (vgl. VG Ansbach, U.v. 31.1.2001 – AN 18 S. 01.00080 – juris Rn. 30, 31; U.v. 10.7.2002 – AN 18 K 01.00544 – juris Rn. 31, 32) und ggf. dort den Privilegierungstatbeständen gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b) BayBO und § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unterfallen könnten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.). Sie folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO)

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. Oktober 2014 - 5 U 732/14 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Damit wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. November 2014 - 5 U 732/14 - gegenstandslos. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Koblenz zurückverwiesen.

2. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Arzthaftungsprozess. Der Beschwerdeführer (Augenarzt und Beklagter im Ausgangsverfahren) wendet sich gegen die abweichende Würdigung seiner in erster Instanz erfolgten Parteianhörung durch das Berufungsgericht ohne erneute Anhörung.

I.

2

1. Der Kläger im Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Koblenz (1 O 53/14) litt unter Kurzsichtigkeit. Zu deren Korrektur ließ er am 12. September 2007 durch den Beschwerdeführer beidseitig eine LASIK-Operation (Laser-in-situ-Kerato-mileusis) durchführen, wobei es sich um eine Methode innerhalb der refraktiven Chirurgie handelt.

3

Der Kläger hatte sich zum Zwecke dieser Behandlung erstmals am 14. August 2007 in der augenärztlichen Praxis des Beschwerdeführers vorgestellt. Bei diesem Termin wurden erste Untersuchungen und eine Anamnese durchgeführt. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Ausgangsprozess sei der anstehende Eingriff hier bereits ausführlich erörtert und dabei auch angesprochen worden, dass das Risiko einer nicht mehr behebbaren Sehverschlechterung und im Extremfall der Erblindung bestehe. Der Beschwerdeführer trug weiter vor, dass dem Kläger an diesem Tag zudem ein umfangreicher schriftlicher Aufklärungsbogen ausgehändigt worden sei, in welchem dieses Risiko ebenfalls aufgeführt sei.

4

Am 12. September 2007 befand sich der Kläger zur Durchführung der Operation in der Praxis des Beschwerdeführers. Unter dem 12. September 2007 unterzeichnete der Kläger auch ein Formular zur Dokumentation eines Aufklärungsgesprächs, in welchem unter anderem angekreuzt ist, dass der Kläger einen Aufklärungsbogen gelesen und verstanden habe. Der Beklagte fügte - ergänzend zu einem vorgedruckten Vermerk, dass mögliche Komplikationen und risikoerhöhende Besonderheiten des Eingriffs erörtert worden seien - handschriftlich hinzu, dass "Entzündungs-Zeichen, Relasik-Möglichkeiten" besprochen worden seien und "keine Garantie für Sehleistungen ohne Brille" gegeben werde.

5

Der Kläger hat im Verlauf des Prozesses zwar eingeräumt, dass sich auf diesem Formular seine Unterschrift befinde, aber durchgängig bestritten, dass er den Aufklärungsbogen erhalten habe.

6

Alsbald nach der LASIK-Operation kam es bei dem Kläger zu einer inneren Hornhautentzündung und in deren Folge zu einer Verminderung der Sehkraft auf etwa 50 %. In einem Ende 2008 durchgeführten Schlichtungsverfahren kam der beauftragte Gutachter zu dem Ergebnis, dass dem Beklagten kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden könne.

7

2. Der Kläger nahm den Beschwerdeführer mit Feststellungsklage vom 28. November 2013 vor dem Landgericht dem Grunde nach auf Schadensersatz für alle Schäden in Anspruch, welche durch die Operation verursacht wurden, insbesondere für die Verschlechterung der Sehkraft. Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer für diese Folgen einzustehen habe, weil die gebotene Risikoaufklärung unterblieben sei. Nach seinem Vortrag hätte er sich - jedenfalls nicht ohne die Einholung zusätzlicher Expertisen - nicht operieren lassen, wenn die Risikoaufklärung ordnungsgemäß erfolgt wäre. Seine Einwilligung in die Operation sei daher unwirksam, und der Beschwerdeführer habe ihm Schadensersatz wegen rechtswidriger Behandlung zu leisten.

8

Der Kläger führte in seiner Klagebegründung aus, dass er vor der Operation von dem Beschwerdeführer mit keinem Wort darüber aufgeklärt worden sei, dass der geplante LASIK-Eingriff auch zu einer Verschlechterung der Sehfähigkeit führen könne. Die Aufklärung habe während der vom Beschwerdeführer durchgeführten Untersuchung stattgefunden. Das Risiko des Misslingens oder einer Verschlechterung der Sehkraft habe der Beschwerdeführer nicht einmal andeutungsweise erwähnt. Dieser habe im Gegenteil geäußert, dass man durch die LASIK-Operation "jedenfalls 100 % rausholen könne", womit er im Gesprächszusammenhang zweifelsfrei habe zum Ausdruck bringen wollen, dass der Eingriff mit Gewissheit eine hundertprozentige Sehfähigkeit bewirken werde. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer ihn während der Voruntersuchung auch nicht ordnungsgemäß aufklären können. Denn es sei eine Pupillenerweiterung durchgeführt worden, die dazu führe, dass die Pupille unbeeinflussbar vergrößert und die Netzhaut überaus unangenehmen Lichtblendungen ausgesetzt werde. Unter diesen Umständen habe ein Aufklärungsgespräch nicht stattfinden dürfen.

9

3. Der Beschwerdeführer hat Klageabweisung beantragt und in seiner Klageerwiderung vorgetragen, dass er den Kläger besonders ausführlich mündlich über Chancen und Risiken aufgeklärt habe, da dieser im Anamnesebogen die Frage, ob er schon einmal über Chancen und Risiken einer refraktiven Chirurgie beraten worden sei, mit "Nein" beantwortet habe. Dabei habe er auch darauf hingewiesen, dass es selbst bei einem lege artis ausgeführten Eingriff zu einer Verschlechterung der Sehfähigkeit kommen könne. Sämtliche in dem Informationsblatt über die Laserbehandlung dargestellten Risiken und mögliche Komplikationen seien im mündlichen Aufklärungsgespräch zwischen den Parteien erörtert worden. Der Kläger habe Gelegenheit gehabt, alle noch offenen Fragen mit ihm zu erörtern. Er habe dem Kläger zudem einen Aufklärungsbogen ausgehändigt, aus dem das Risiko einer Verminderung der Sehkraft hervorgegangen sei. Zum Beweis für die vorgetragenen Tatsachen bot der Beschwerdeführer seine Parteivernehmung an.

10

4. Das Landgericht hat in Kammerbesetzung am 3. April 2014 in mündlicher Verhandlung zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung des Beschwerdeführers als Partei. Dabei äußerte sich der Beschwerdeführer wie folgt:

Ich kann mich sehr genau an den Fall des Klägers erinnern. Dies deshalb, weil Komplikationen aufgetreten sind. Es ist so, dass wir vor einem derartigen Eingriff vier Wochen zuvor eine ausführliche Voruntersuchung durchführen. Im Anschluss an diese Voruntersuchung wird dem Patienten ein Aufklärungsbogen überreicht. Diese Untersuchung dauert etwa zwei Stunden. Während dieser Zeit sehe ich den Patienten mehrfach, nämlich insgesamt drei Mal und weise ihn dabei darauf hin, ob eine Indikation zur Durchführung der LASIK-Operation besteht. Den Aufklärungsbogen hat der Kläger natürlich erhalten. Überreicht wurde der Aufklärungsbogen, der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereicht worden ist.

11

Anschließend hörte das Landgericht den Beschwerdeführer lediglich weiter als Partei an, und ausweislich des Protokolls führte dieser noch aus:

Im Rahmen des Aufklärungsgespräches bei der Voruntersuchung werden auch die Risiken des beabsichtigten Eingriffs mit dem Patienten besprochen. Es werden insbesondere die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über-Unterkorrektur und Narbenbildung, besprochen. Im Rahmen dieser Voruntersuchung erhält der Patient die schriftlichen Aufklärungsunterlagen auch bereits ausgehändigt, damit er sich zwischen den Treffen mit mir bereits damit befassen kann. Diese nimmt er auch mit nach Hause. Vor der Verabschiedung des Patienten erkundige ich mich ausdrücklich noch nach Unsicherheiten. Wenn ein Patient dann noch unsicher ist, dann wird ein weiterer Termin vereinbart.

An das Aufklärungsgespräch mit dem Kläger kann ich mich im Einzelnen nicht mehr erinnern. Weil ich in dem Anamnesebogen auf Seite 2 bei der Frage, ob bereits über Chancen beziehungsweise Risiken einer refraktiven Chirurgie beraten wurde, ein Nein unterstrichen habe, bin ich mir aber sicher, dass ich mir bei der Aufklärung besondere Mühe gegeben habe.

Den Dokumentationsbogen erhalte ich am Tag der Operation zurück. Ohne diesen zurückbekommen zu haben, operiere ich nie einen Patienten. In diesem Zusammenhang wird dann noch einmal nachgefragt, ob noch Fragen, Unsicherheiten oder Probleme sind. Die von mir angebrachten Ergänzungen auf der Dokumentation habe ich am Tag der Operation auf dieser angebracht. Dabei war der Kläger anwesend. Im Rahmen der Voruntersuchung wird die Sehschärfe bestimmt, die Refraktion, das Dunkelsehen wird bestimmt, ebenso das Pupillenspiel. Außerdem wird die Hornhauttopographie untersucht. Außerdem wird der Augapfel mit Ultraschall untersucht sowie die Netzhaut nach Pupillenerweiterung.

12

5. Das Landgericht wies sodann mit Urteil vom 22. Mai 2014 die Klage als unbegründet ab. Es kam zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer vor der LASIK-Operation keine ihm obliegenden Aufklärungspflichten verletzt habe, vielmehr den ihn treffenden entsprechenden Entlastungsbeweis habe führen können. Es sei berücksichtigt worden, dass den behandelnden Arzt die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung treffe, gleichzeitig aber keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen an diesen Nachweis gestellt werden dürften.

13

Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer den Kläger über alle maßgeblichen Risiken des Eingriffs einschließlich einer Verschlechterung der Sehkraft in Kenntnis gesetzt habe. Zunächst spreche die vom Beschwerdeführer vorgelegte und vom Kläger unterzeichnete Dokumentation für ein mündliches Aufklärungsgespräch, da auf ein solches Bezug genommen werde und der Beschwerdeführer in den Bogen handschriftliche Eintragungen vorgenommen habe und so die von ihm angesprochenen Punkte dokumentieren wollte. Im Einklang damit habe der Beschwerdeführer in seiner Anhörung erläutert, dass er im Rahmen des Aufklärungsgespräches auch die Risiken des beabsichtigten Eingriffs mit dem Kläger besprochen habe. Er habe dabei insbesondere die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über- oder Unterkorrektur und Narbenbildung besprochen.

14

Aus der schriftlichen Dokumentation sowie den Angaben des Beschwerdeführers, die er im Rahmen seiner Anhörung gemacht habe und die die Kammer im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO verwerten könne, folge, dass der Beschwerdeführer den Kläger umfangreich und intensiv über den bevorstehenden Eingriff aufgeklärt habe und dem Kläger damit bewusst gewesen sei, dass der Eingriff mit Risiken behaftet gewesen sei.

15

Dem sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Denn er habe in seiner Anhörung durchaus glaubhaft geschildert, dass er sich nicht daran erinnern könne, ob von Risiken die Rede gewesen sei und er dies auch verdrängt habe. Er habe auch die Frage aufgeworfen, weshalb er sich angesichts der optimistischen Prognose des Beschwerdeführers zum Erfolg des Eingriffs noch über Risiken habe Gedanken machen sollen. Diese Angaben stünden einer ordnungsgemäßen und umfangreichen Aufklärung somit nicht entgegen, weil sie nicht ausschließen würden, dass der Beschwerdeführer die geschuldete Risikoaufklärung erbracht habe.

16

Auch verfange der weitere Einwand des Klägers nicht, dass der Beschwerdeführer ihn im Rahmen der Voruntersuchung nicht ordnungsgemäß habe aufklären können, weil eine Pupillenerweiterung vorgenommen worden sei, die ihn in seiner Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt habe. Die Kammer gehe davon aus, dass es trotz der bei dieser Untersuchung entstehenden vorübergehenden Beeinträchtigungen für das Sehvermögen dem Kläger möglich gewesen sei, den Schilderungen eines Arztes im Hinblick auf den geplanten Eingriff zu folgen und die in einem Gespräch geschilderten Informationen zu verstehen.

17

Die Umstände sprächen daher dafür, dass der Beschwerdeführer den Kläger umfassend und wirksam aufgeklärt habe. Dies gelte auch für das Risiko der bedauerlicherweise eingetretenen Verminderung der Sehkraft. Dem stehe nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Anhörung dieses Risiko nicht explizit genannt habe. Denn die im Rahmen seiner Anhörung angeführten Risiken habe er ersichtlich nur exemplarisch und nicht abschließend aufgezählt. Wenn der Beschwerdeführer aber - wie von ihm ausgeführt - den Kläger auch allgemein über Risiken des beabsichtigten Eingriffs aufgeklärt und sich dabei - wie von ihm nachvollziehbar angegeben - auch besondere Mühe gegeben habe, weil der Kläger bisher noch nicht über die Chancen und Risiken einer refraktiven Chirurgie beraten worden sei, dann spreche dies dafür, dass der Beschwerdeführer den Kläger auch über das Risiko einer Verminderung der Sehkraft aufgeklärt habe, weil nicht ersichtlich sei, weshalb er dieses Risiko hätte außen vor lassen sollen. Selbst wenn man jedoch davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer den Kläger über dieses Risiko nicht mündlich aufgeklärt habe, weil er es im Rahmen seiner Anhörung nicht explizit aufgeführt habe, es nicht in der Dokumentation zum Aufklärungsgespräch ausdrücklich handschriftlich vermerkt sei und der Kläger angegeben habe, dass er bei Kenntnis dieses Risikos den Eingriff nicht hätte vornehmen lassen, folge daraus kein anderes Ergebnis. Denn die Kammer sei auch davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer dem Kläger einen Aufklärungsbogen zu der geplanten Operation übergeben habe, in dem dieses Risiko aufgeführt gewesen sei. Dies sei vorliegend schon allein ausreichend, um von einer ordnungsgemäßen Aufklärung durch den Arzt auszugehen.

18

6. Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt und die Beweiswürdigung des Landgerichts gerügt. Die von ihm als wenig glaubhaft eingestuften Bekundungen des Beschwerdeführers, aufgrund derer das Landgericht eine Aufklärung bejaht habe, seien in diesem Punkt unergiebig gewesen. Dasselbe gelte für dessen Eintragungen auf dem Formblatt zur Aufklärung. Unabhängig davon habe das Landgericht seine Kritik, für eine Aufklärung nicht aufnahmefähig gewesen zu sein, zu Unrecht abgetan. Schriftliche Informationen, über deren Inhalt das Landgericht letztlich nur spekuliert habe, seien ihm nicht überlassen worden. Seine abweichende Angabe auf dem Formblatt zur Aufklärung beruhe auf einem Versehen. Außerdem könne eine schriftliche Unterrichtung das gebotene Aufklärungsgespräch nicht ersetzen.

19

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufungserwiderung die erstinstanzliche Entscheidung verteidigt. Der Kläger sei aufgrund des einschlägigen Aufklärungsbogens, dessen Aushändigung hinlänglich belegt sei, und der ihm mündlich erteilten Informationen genügend über das Risiko einer irreversiblen Verschlechterung der Sehfähigkeit informiert gewesen. Er habe dem Aufklärungsgespräch auch uneingeschränkt folgen können. Andernfalls müsse ihm vorgeworfen werden, keine Anzeige gemacht zu haben.

20

7. Mit Beschluss vom 25. September 2014 regte das Oberlandesgericht gegenüber den Parteien an, im Hinblick auf den bevorstehenden Eintritt des Senatsvorsitzenden in den Ruhestand und einer sich deshalb schwierig gestaltenden Terminslage, den Rechtsstreit im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (§ 128 Abs. 2 ZPO). Für den Fall beiderseitigen Einverständnisses wurde eine Schriftsatzfrist bis 17. Oktober 2014 gewährt und Verkündungstermin auf den 29. Oktober 2014 anberaumt.

21

8. Nachdem beide Parteien der Fortführung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren zugestimmt hatten, verkündete das Oberlandesgericht am 29. Oktober 2014 sein angegriffenes Berufungsurteil, mit dem auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts vom 22. Mai 2014 aufgehoben und festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für die Durchführung der LASIK-Operationen beider Augen sowie für alle Schäden, welche durch diese Operationen verursacht oder mitverursacht wurden, insbesondere für die Verschlechterung der Sehkraft. Der Streitwert wurde auf 10.000 € festgesetzt; die Revision gegen das Berufungsurteil wurde nicht zugelassen.

22

a) Das Oberlandesgericht stützt die Verurteilung des Beschwerdeführers sowohl auf die vertragliche Schadensersatzregelung des § 280 Abs. 1 BGB als auch auf die deliktische Rechtsgrundlage in § 823 Abs. 1 BGB. Der Beklagte habe durch die LASIK-Operation unter Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts des Klägers einen körperlichen Eingriff vorgenommen, der nicht von der erforderlichen Patienteneinwilligung getragen worden sei. Zwar sei die Operation mit der Zustimmung des Klägers erfolgt. Aber es sei nicht zu erkennen, dass diese Zustimmung auf der Grundlage einer genügenden Aufklärung erteilt worden sei, damit sei sie rechtlich unverbindlich.

23

Die durchgeführte LASIK-Operation sei von vornherein mit dem Risiko behaftet gewesen, dass sie eine bleibende Verschlechterung des Visus bis hin zu einem Sehverlust nach sich ziehen konnte. Diese Gefahr sei in dem einschlägigen Aufklärungsbogen, den der Beschwerdeführer in zwei Versionen (Stand Oktober 2005 und Stand November 2008) vorgelegt habe, ausdrücklich erwähnt und von keiner der Parteien in Abrede gestellt worden. Da der insoweit drohende Schaden - auch wenn er sich nur selten realisierte - fundamental gewesen sei, hätte darüber aufgeklärt werden müssen.

24

b) Das Oberlandesgericht stellt zunächst - richtigerweise - klar, dass eine schriftliche Aufklärung - entgegen der hilfsweisen Erwägungen des Landgerichts - vorliegend nicht ausreichend gewesen sei. Es sei anerkannt, dass die Risiken eines medizinischen Eingriffs in einem Gespräch mit dem Patienten erörtert werden müssten. Etwas anderes gelte allenfalls bei Routinemaßnahmen mit Massencharakter, wie etwa bei Impfungen.

25

c) Weiter führt das Oberlandesgericht aus, dass aber eine ausreichende mündliche Aufklärung nicht erfolgt sei. Dies ergebe sich in Würdigung der erstinstanzlichen Bekundungen der Parteien. Dabei bestehe keine Veranlassung, deren Glaubwürdigkeit oder die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben anders als das Landgericht zu beurteilen. Insofern sei eine Wiederholung der durchgeführten Beweisaufnahme nicht erforderlich (unter Hinweis auf BGH NJW 1998, S. 384).

26

Eine mündliche Unterrichtung, auf die es entscheidend ankomme, habe der Kläger geleugnet und im Gegenteil geäußert, dass der Beschwerdeführer die Dinge lediglich positiv dargestellt habe. Demgegenüber habe dieser im Rahmen seiner Vernehmung mitgeteilt, Risiken zur Sprache gebracht zu haben. Das beruhe zwar nicht auf einer konkreten Erinnerung, habe aber an eine allgemeine Praxis anknüpfen können, die eine erhebliche indizielle Bedeutung habe (unter Hinweis auf BGH NJW 1994, S. 3009; BGH VersR 2014, S. 588).

27

Indessen gehe die Aussage des Beschwerdeführers dabei lediglich dahin, dass er regelmäßig "die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über- oder Unterkorrektur und Narbenbildung" bespreche. Das erlaube keinen - zumal verlässlichen - Schluss auf einen Hinweis auf die Gefahr einer gravierenden und unumkehrbaren Beeinträchtigung der Sehstärke. Die Einschätzung des Landgerichts, der Beschwerdeführer sei im Hinblick auf den - a priori geringen - Informationsstand des Klägers sorgfältig verfahren, möge zwar zutreffen. Aber damit stehe noch nicht fest, dass er das Risiko verdeutlichte, es könne zu wesentlichen und anhaltenden Einbußen im Visus kommen. Zweifel daran seien auch deshalb angebracht, weil davon in dem Dokumentationsblatt über die Aufklärung keine Rede sei. Die - durchaus detaillierte - Aufzählung von Gesprächspunkten, die es enthalte, lasse die Möglichkeit einer erheblichen Schwächung der Sehkraft unerwähnt.

28

Nach alledem sei der dem Beschwerdeführer obliegende Beweis einer hinreichenden Aufklärung des Klägers und damit einer wirksamen Patienteneinwilligung in die LASIK-Operation nicht geführt. Eine hypothetische Einwilligung sei nicht ersichtlich. Das nicht näher substantiierte und überdies bestrittene Vorbringen des Beschwerdeführers, der Eingriff sei medizinisch indiziert gewesen, sei insoweit unbehelflich. Im Übrigen habe der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er sich bei einer genügenden Aufklärung der Operation nicht in gleicher Weise unterzogen hätte.

29

9. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 14. November 2014 Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO erhoben.

30

Er rügt, dass sich die Entscheidung für den Beschwerdeführer als Überraschungsentscheidung darstelle. Ein Berufungsgericht müsse eine von der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichende Rechtsmeinung der betroffenen Partei mitteilen und ihr anschließend Gelegenheit geben, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung dieses Hinweises zu ergänzen. Eines solchen Hinweises hätte es hier besonders deswegen bedurft, weil die Parteien auf die Empfehlung des Senats hin einer Entscheidung des Rechtsstreits im schriftlichen Verfahren zugestimmt hätten. Damit sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen worden, deutlich zu machen, dass er bereits in der Klageerwiderung in Bezug auf seine mündliche Aufklärung vorgetragen hatte, dass er den Kläger darauf hingewiesen habe, dass es selbst bei einem lege artis ausgeführten Eingriff zu einer Verschlechterung der Sehfähigkeit kommen könne. Hierfür sei Beweis angeboten worden durch Parteivernehmung des Beschwerdeführers oder dessen Anhörung durch das Gericht.

31

Der Beschwerdeführer sei vom Landgericht nicht danach gefragt worden, ob er den Kläger auch darüber aufgeklärt habe, dass der Eingriff zu einer Sehkraftminderung führen könne. Deswegen habe es dazu kommen können, dass der Beschwerdeführer bei seiner Anhörung insoweit nur beispielhaft geantwortet habe, dass im Rahmen des Aufklärungsgespräches bei der Voruntersuchung auch die Risiken des beabsichtigten Eingriffs mit dem Patienten, insbesondere die am häufigsten vorkommenden Komplikationen wie Entzündungen, Über- oder Unterkorrektur und Narbenbildung besprochen werden. Da der Senat seine von dem Urteil des Landgerichts abweichende Entscheidung damit begründet habe, der Beschwerdeführer habe nicht deutlich gemacht, dass er auch auf das Risiko einer Sehkraftverminderung hingewiesen habe, hätte der Senat dem angeführten Beweisangebot nachgehen müssen. Zu der Absicht, ohne ergänzende Beweisaufnahme zu entscheiden, hätte der Beschwerdeführer gehört werden müssen.

32

10. Das Oberlandesgericht hat mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 21. November 2014 die Gehörsrüge des Beschwerdeführers als unbegründet zurückgewiesen.

33

Der Beschwerdeführer beanstande, dass der Senat ohne vorherigen Hinweis von der Fallbeurteilung durch das Landgericht abgewichen sei und ihm zuvor hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen Sachvortrag zu ergänzen und entsprechend Beweis durch die Anhörung seiner Person anzubieten. Das betreffe die Rechtsverteidigung, der Kläger sei vor der LASIK-Operation vom 10. Dezember 2007 im Rahmen eines mündlichen Aufklärungsgesprächs auf das eingriffsimmanente Risiko einer irreversiblen Sehverschlechterung aufmerksam gemacht worden.

34

Eine entsprechende Behauptung des Beschwerdeführers habe der Senat indessen seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Im Tatbestand des Urteils vom 29. Oktober 2014 sei sie für beide Instanzen vermerkt; ein weiter gehendes Vorbringen stehe auch jetzt nicht im Raum.

35

Die mündliche Aufklärung des Klägers durch den Beschwerdeführer sei ebenfalls Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen. Insofern sei es einerseits zu einer Anhörung des Klägers und andererseits zu einer Parteivernehmung des Beschwerdeführers durch das Landgericht gekommen, der im Berufungsurteil Rechnung getragen worden sei. Für eine nochmalige, zweitinstanzliche Befragung des Beschwerdeführers habe die Rechtsgrundlage gefehlt. Einer dahingehenden Anregung durch gleich welche Seite wäre gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu folgen gewesen. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es den Parteien verwehrt worden wäre, den Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung sachdienlich über die von ihnen angesprochenen Streitpunkte zu befragen.

II.

36

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer ausschließlich eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

37

Ein Berufungsgericht müsse eine von der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichende Rechtsmeinung der betroffenen Partei mitteilen und ihr anschließend Gelegenheit geben, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung dieses Hinweises zu ergänzen. Eines solchen Hinweises hätte es vorliegend bedurft. Hätte nämlich der Beschwerdeführer von dem Senat den Hinweis erhalten, dass dieser beabsichtige, das Urteil erster Instanz wegen nicht hinreichender mündlicher Aufklärung des Klägers aufzuheben, hätte der Beschwerdeführer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, im schriftlichen Verfahren innerhalb der von dem Senat gesetzten Schriftsatzfrist zu der mündlichen Aufklärung insoweit ergänzend, vertiefend und auch wiederholend vorzutragen. Wiederholend deswegen, weil bereits in erster Instanz unter Beweisanerbieten vorgetragen worden sei, dass der Beschwerdeführer den Kläger mündlich darüber aufgeklärt habe, dass es auch bei einer lege artis ausgeführten Operation zu einer Sehkraftverminderung kommen könne.

38

Es wäre auch für den Beschwerdeführer unterstrichen worden, dass für diesen Teil der mündlichen Aufklärung Beweis angeboten worden sei durch Vernehmung des Beschwerdeführers, dass dieser allerdings hierzu vom Landgericht nicht befragt worden sei. Der Beschwerdeführer hätte innerhalb der Schriftsatzfrist in zweiter Instanz dargelegt, dass und warum er erneut unter Berücksichtigung der abweichenden Rechtsauffassung des Senats anzuhören gewesen wäre.

39

Die Auffassung des Senats im Beschluss vom 21. November 2014, dass es für eine nochmalige, zweitinstanzliche Befragung keine Grundlage gegeben habe, werde nicht geteilt. Grundlage einer Vernehmung des Beschwerdeführers sei sein Vorbringen in erster Instanz, für das es ein noch nicht erledigtes Beweisangebot gegeben habe. Soweit der Senat dem Beschwerdeführer vorhalte, sich in seiner Vernehmung nicht ausreichend erklärt zu haben, werde übersehen, dass die Parteien zwar den Prozessstoff beizubringen und Beweise anzubieten hätten, dass es aber zum Pflichtenkreis des Gerichts gehöre, die in vorbereitenden Schriftsätzen angebotenen Beweise zu erheben. Das sei hier nicht geschehen. Zwar sei der Beschwerdeführer zu einer Reihe von anderen streitigen Tatsachen gehört worden. Die streitige Tatsache, ob er über die Möglichkeit einer durch den Eingriff bedingten Sehkraftverminderung aufgeklärt habe, sei aber nicht Gegenstand der Beweisaufnahme geworden. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil das Berufungsurteil des Senats die angeblich fehlende Aufklärung insoweit zur einzigen und zentralen Begründung gemacht habe.

40

Hätten das Landgericht oder das Oberlandesgericht in Verfolgung des Vortrags des Beschwerdeführers und des entsprechenden Beweisangebotes ihn zu dieser streitigen Frage vernommen, hätte er darlegen können, dass er in dem konkreten Einzelfall als auch üblicherweise mündlich darüber aufgeklärt habe, dass der Eingriff auch zu einer Sehkraftverminderung führen könne. So sei schließlich das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers in unzulässiger Weise grundrechtswidrig verkürzt worden.

III.

41

Das Ministerium für Justiz und für Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz und der Kläger des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Ministerium hat davon keinen Gebrauch gemacht. Der angehörte Kläger, der durch das Berufungsurteil begünstigt ist, hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet. Für eine Entscheidung des Rechtsstreits habe es einer erneuten Anhörung/Vernehmung des Beschwerdeführers nicht bedurft. Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.

IV.

42

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen.

43

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig; insbesondere genügt sie trotz ihrer Knappheit den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG. Diese Regelungen erfordern eine hinreichend deutliche und damit substantiierte und schlüssige Darlegung der behaupteten Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts innerhalb der Frist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 6, 132 <134>; 8, 1 <9>; 11, 192 <198>; 89, 155 <171>; 108, 370 <386 f.>; stRspr). Wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es daher in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit den konkreten Entscheidungen und deren konkreter Begründung dahingehend (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>), dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt (vgl. BVerfGE 9, 109 <114 f.>; 81, 208 <214>; 84, 366 <369>; 99, 84 <87>; 113, 29 <44>) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidungen gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte verfassungsbeschwerdefähige Recht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 <19 f.>; 65, 227 <232 f.>; 67, 90 <94>; 89, 155 <171>; BVerfGK 9, 174 <184 f.>).

44

Die Verfassungsbeschwerde führt zwar fehlerhaft aus, dass das Unterliegen des Beschwerdeführers in der Berufungsinstanz auf eine von der Rechtsauffassung des Gerichts erster Instanz abweichende Rechtsmeinung des Berufungsgerichts zurückzuführen sei. Dies trifft nicht den Kern der Angelegenheit, denn das Oberlandesgericht hat in Ansehung des landgerichtlichen Urteils keine andere Rechtsmeinung vertreten, sondern eine andere - Tatsachen betreffende - Beweiswürdigung vorgenommen. Gleichwohl ist die Verfassungsbeschwerde hinreichend begründet, denn der Beschwerdeführer legt seiner Argumentation im Ergebnis dennoch die richtigen, von Art. 103 Abs. 1 GG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung von Hinweispflichten und Obliegenheiten im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Durchführung einer neuerlichen Beweisaufnahme/Parteianhörung zugrunde und setzt sich zudem adäquat mit beiden gerichtlichen Entscheidungen auseinander. Auch die Frage, ob das Urteil auf dem geltend gemachten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beruht, wird ausreichend thematisiert.

45

Ohnehin sind, wenn die Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts und der Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und deren Begründung - wie vorliegend - auf der Hand liegt, im Hinblick auf die Darlegung des Verfassungsverstoßes geringere Anforderungen zu stellen, sodass die Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts nicht im Einzelnen anhand der einschlägigen Maßstäbe dargelegt werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Dezember 2007 - 1 BvR 2697/07 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 1584/10 -, juris, Rn. 3; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2013 - 1 BvR 1083/09 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2016 - 2 BvR 1997/15 -, juris, Rn. 13).

46

2. Das angegriffene Urteil verletzt Art. 103 Abs. 1 GG.

47

a) Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie und der Justizgewährungspflicht des Staates (vgl. BVerfGE 81, 123 <129>). Der "Mehrwert" dieser Verbürgung besteht darin, einen angemessenen Ablauf des Verfahrens zu sichern (vgl. BVerfGE 119, 292 <296>). Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144  ff.>). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt allen an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten einen Anspruch darauf, sich zu dem in Rede stehenden Sachverhalt sowie zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 19, 32 <36>; 49, 325 <328>; 55, 1 <6>; 60, 175 <210>; 64, 135 <143 f.>) sowie Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen (vgl. BVerfGE 6, 19 <20>; 15, 303 <307>; 36, 85 <87>). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 60, 1 <5>; 65, 227 <234>; 84, 188 <190>; 86, 133 <144 ff.>).

48

Insbesondere gebietet das Recht auf rechtliches Gehör in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt daher gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfGE 50, 32 <35 f.>; 60, 247 <249>; 69, 141 <143 f.>; 105, 279 <311>).

49

b) Das Äußerungsrecht ist zudem eng verknüpft mit dem Recht auf Information. Die genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Den Gerichten obliegt in diesem Zusammenhang die Pflicht, von sich aus den Beteiligten alles für das Verfahren Wesentliche mitzuteilen (BVerfGE 36, 85 <88>; 72, 84 <88>); es bedarf keines Antrags, und es besteht in der Regel keine Erkundigungspflicht des Grundrechtsträgers (BVerfGE 17, 194 <197>; 50, 381 <385>; 67, 154 <155>).

50

Art. 103 Abs. 1 GG normiert andererseits aber auch keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts, insbesondere nicht im Blick auf dessen Rechtsansichten (BVerfGE 67, 90<96>; 74, 1 <5>; 86, 133 <145>). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen bleiben muss (BVerfGE 60, 1 <5>; 67, 208 <211>) und nicht schon jeder Verstoß gegen die einfach-gesetzlichen Hinweispflichten (z.B. § 139 ZPO) eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darstellt (vgl. z.B. BVerfGK 1, 211 <213>). Verfassungsfest ist an den Hinweispflichten der Verfahrensordnungen vielmehr nur ein engerer Kern. Nur sofern gegen ihn verstoßen wird, liegt eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG vor (vgl. BVerfGE 36, 85 <88>; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 76. EL Dezember 2015, Art. 103 Rn. 77).

51

c) Ein solcher Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt bei einer verbotenen Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht einen Sachverhalt oder ein Vorbringen in einer Weise würdigt, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem vorherigen Verfahrensverlauf nicht rechnen konnte (BVerfGE 84, 188<190>; 86, 133 <144 f.>; 98, 218 <263>; BVerfGK 19, 377 <381>). Dann verstößt das Zivilgericht elementar gegen seine aus § 139 Abs. 1 ZPO folgende Pflicht, darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen können.

52

Aus diesem Grund darf konkret ein Berufungsbeklagter grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihm das Berufungsgericht, wenn es in der Beweiswürdigung dem Erstrichter nicht folgen will, einen Hinweis gemäß § 139 ZPO erteilt, und zwar so rechtzeitig, dass darauf noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung oder auch - wie vorliegend - vor dem Ablauf einer Schriftsatzfrist im schriftlichen Verfahren reagiert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Januar 1991 - 1 BvR 1635/89 -, juris, Rn. 11 mit weiteren Nachweisen; BVerfGK 1, 211 <213>; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - VII ZR 202/07 -, juris, Rn. 8, Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, 2. Aufl. 2014, Rn. 862).

53

Bereits gegen diese verfassungsrechtlich fundierte Hinweispflicht hat das Oberlandesgericht vorliegend verstoßen, indem es nach Zustimmung der Parteien zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren lediglich eine Schriftsatzfrist bestimmt und einen Verkündungstermin anberaumt hat. Ein Hinweis des Oberlandesgerichts, dass es beabsichtige, von der Beweiswürdigung des Landgerichts abzuweichen, ist den beigezogenen Akten in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen.

54

d) Die angegriffene Entscheidung genügt aber auch im Übrigen den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG (s. oben a) nicht. Indem das Oberlandesgericht auf die beantragte nochmalige Vernehmung/Anhörung des Beschwerdeführers verzichtet hat, hat es die Bedeutung des Äußerungsrechts im Zivilprozess und insbesondere die berufungsrechtlichen Vorschriften zur Tatsachenfeststellung grundlegend verkannt.

55

aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO muss das Berufungsgericht seiner Entscheidung grundsätzlich die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen zugrunde legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Soweit die Wiederholung einer erstinstanzlich bereits durchgeführten Beweisaufnahme im Ermessen des Berufungsgerichts steht, ist dieses im Rahmen der Fehlerbehebung in der Regel auf Null reduziert (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2015 - XI ZR 326/14 -, juris, Rn. 11; Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 529 Rn. 16). Im Fall des Zeugenbeweises setzt eine neue Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht zumindest in aller Regel eine erneute Vernehmung voraus. Insbesondere muss es einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen, wenn es dessen Aussage "anders würdigen" beziehungsweise "anders verstehen oder werten" will als die Vorinstanz (BVerfGK 18, 58 <61 f.>; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - IV ZR 130/05 -, juris, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09 -, juris, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09 -, juris, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09 -, juris, Rn. 6; BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZR 18/11 -, juris, Rn. 6; BGH, Urteil vom 30. September 2014 - VI ZR 443/13 -, juris, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 5. Mai 2015 - XI ZR 326/14 -, juris, Rn. 11; BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - I ZR 217/14 -, juris, Rn. 9; vgl. bei abweichender Glaubwürdigkeitsbeurteilung auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 -, juris, Rn. 11 mit weiteren Nachweisen, sowie BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 -, juris, Rn. 13).

56

Eine von der erstinstanzlichen abweichende Würdigung eines Zeugenbeweises ohne vorherige Wiederholung der Vernehmung ist dem Berufungsgericht regelmäßig verwehrt, gerade auch weil in die Beweiswürdigung Umstände eingeflossen sein können, die sich aus der Vernehmungsniederschrift nicht ergeben (Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 529 Rn. 16, mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Wulf, in: BeckOK-ZPO, 22. Edition 2016, § 529 Rn. 12; sowie Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 529 Rn. 4 ff.). Welchen Sinn die Aussage eines Zeugen hat, kann verlässlich nur der Richter beurteilen, der den Zeugen gehört hat und daher die Möglichkeit hatte, durch Vorhalte und Rückfragen Unklarheiten und Zweifel zu beheben. Seine Würdigung kann gerade auf solchen Rückfragen und so weiter beruhen, die indes erfahrungsgemäß nicht immer in die Niederschrift aufgenommen worden sind (so schon BGH, Urteil vom 13. März 1968 - VIII ZR 217/65 -, NJW 1968, S. 1138 <1139>). Deckt aus der Sicht des Berufungsgerichts die Zeugenaussage die Urteilsgründe nicht, ergeben sich Zweifel an der Vollständigkeit der Tatsachengrundlage, die zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme - jedenfalls hinsichtlich der wichtigen Aussageinhalte - verpflichten (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 529 Rn. 7).

57

Eine erneute Vernehmung kann allenfalls dann unterbleiben, wenn das Berufungsgericht seine abweichende Würdigung auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BVerfGK 18, 58 <61 f.>; vgl. auch BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - IV ZR 130/05 -, juris, Rn. 23; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09 -, juris, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09 -, juris, Rn. 9; BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - XI ZR 394/12 -, juris, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen; BGH, Beschluss vom 5. Mai 2015 - XI ZR 326/14 -, juris, Rn. 12; BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - I ZR 217/14 -, juris, Rn. 9).

58

Diese Grundsätze sind nach § 451 ZPO für die Parteivernehmung entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - XI ZR 394/12 -, juris, Rn. 10; Wulf, in: BeckOK-ZPO, 22. Edition 2016, § 529 Rn. 12), und auch für die (formlose) Parteianhörung kann nichts anderes gelten. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) eine Überzeugung des Gerichts auch (allein) auf die Würdigung von Parteierklärungen gestützt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 -, juris, Rn. 21; BGH, Beschluss vom 25. September 2003 - III ZR 384/02 -, juris, Rn. 3; BGH, Beschluss vom 10. November 2010 - IV ZR 122/09 -, juris, Rn. 10; BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 - VI ZR 143/13 -, juris, Rn. 13; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 286 Rn. 14; Laumen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl. 2016, § 286 Rn. 2). Das Gericht kann oder muss gegebenenfalls zwecks (informeller) Anhörung einer Partei auch das persönliche Erscheinen der Partei anordnen (§ 141 ZPO, § 137 Abs. 4 ZPO), wenn eine Partei einen von ihr zu führenden Beweis oder Gegenbeweis nur mit ihrer eigenen Aussage - wie zum Beispiel hinsichtlich eines Vier-Augen-Gesprächs - erbringen könnte, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Parteivernehmung (u.a. § 448 ZPO) aber nicht vorliegen (vgl. BVerfGK 13, 348 <351>; BVerfG, Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 -, juris, Rn. 11 ff.; BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 -, juris, Rn. 21; vgl. zudem Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 141 Rn. 3a). Auch von der Würdigung der Aussage einer Partei darf das Rechtsmittelgericht daher nicht abweichen, ohne die Partei erneut vernommen oder zumindest angehört zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2013 - XI ZR 394/12 -, juris, Rn. 10, mit weiteren Nachweisen; BGH, Urteil vom 30. September 2014 - VI ZR 443/13 -, juris, Rn. 21 ff.).

59

bb) Gerade gegen diese Pflicht zur neuerlichen Anhörung/Vernehmung der Partei hat das Oberlandesgericht hier verstoßen. Denn es misst der Aussage des Beschwerdeführers vor dem Landgericht in prozessual unzulässiger Weise einen anderen Sinngehalt bei als die erste Instanz.

60

(1) Das Landgericht hat explizit ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die im Rahmen der Anhörung angeführten Risiken lediglich exemplarisch und nicht abschließend aufgezählt habe. Unter Berücksichtigung der weiteren Angaben des Beschwerdeführers kam es dann zu dem Ergebnis, dass dieser den Nachweis der pflichtgemäßen Aufklärung erbracht habe. Lediglich hilfsweise führt das Landgericht - allerdings rechtlich fehlerhaft - aus, dass bereits auch allein die - nach seiner Überzeugung ebenfalls erfolgte - Aushändigung des Aufklärungsbogens für eine ordnungsgemäße Aufklärung genügt habe.

61

Demgegenüber geht das Oberlandesgericht in seiner auf das Protokoll des Landgerichts gestützten Beweiswürdigung davon aus, dass aus den Angaben des Beschwerdeführers nicht der Schluss auf einen Hinweis auf die Gefahr einer gravierenden und unumkehrbaren Beeinträchtigung der Sehstärke möglich sei, gerade weil dieses Risiko vom Beschwerdeführer in seiner Anhörung nicht ausdrücklich genannt worden sei. Diese Folgerung des Berufungsgerichts ist aber unter Ansehung der Ausführungen des Landgerichts nicht ohne nochmalige Anhörung des Beschwerdeführers möglich. Denn insoweit kann sicher allenfalls von einer Unvollständigkeit der Angaben des Beschwerdeführers oder einer unvollständigen Protokollierung ausgegangen werden.

62

Wenn das Landgericht ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass der Beschwerdeführer die im Protokoll genannten Risiken lediglich exemplarisch aufgezählt habe, und das Berufungsgericht in der Würdigung der Angaben davon abweichen will, bedarf es einer Nachfrage durch das Berufungsgericht bei dem Beschwerdeführer, ob seine Angaben abschließend oder exemplarisch zu verstehen waren. Diesem durfte nicht die Möglichkeit genommen werden, seine Angaben in einer Berufungsverhandlung oder schriftlich zu präzisieren, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass er bereits in seiner Klageerwiderung unmissverständlich vorgetragen hatte, konkret über das Risiko der Verminderung der Sehkraft aufgeklärt zu haben. Auch erscheint es möglich, dass der Beschwerdeführer davon ausging, dass seine Angaben zum Hinweis auf das Risiko von "Entzündungen" - gerade dieses hat sich beim Kläger realisiert - vom Gericht so verstanden werden, dass damit der Hinweis auf die daraus möglicherweise resultierende Folge - Verminderung der Sehkraft - umfasst war.

63

Auch hinsichtlich der Bewertung des vom Beschwerdeführer erstellten Dokumentationsblatts zur mündlichen Aufklärung verkürzt das Oberlandesgericht zu Lasten des Beschwerdeführers dessen Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es diesbezüglich einen fehlenden Hinweis auf die Gefahr der Sehkraftverminderung beanstandet. Diesbezüglich hätte das Berufungsgericht auch den Inhalt des - zur Überzeugung des Landgerichts ausgehändigten - Aufklärungsbogens in seine Überlegungen mit einbeziehen und den Beschwerdeführer gegebenenfalls dazu befragen müssen, wie seine weitere (handschriftliche) Dokumentation dazu im Verhältnis steht.

64

(2) Die Bezugnahme des Oberlandesgerichts auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. September 1997 - II ZR 55/96 - (NJW 1998, S. 384 f.), den es zur Rechtfertigung der unterlassenen Wiederholung der Parteianhörung anführt, geht fehl. Denn im dortigen Fall ging es um die Auslegung einer - von einem Zeugen bekundeten - Willenserklärung (konkret: Aufsichtsratsbeschluss) nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB). Bei dieser Auslegung, bei der es sich um einen Akt rechtlicher Würdigung handelt, ist das Berufungsgericht grundsätzlich nicht an die Ansicht des Erstrichters gebunden, jedenfalls solange es bei der der Auslegung vorausgehenden Feststellung des Erklärungstatbestandes von demselben Beweisergebnis wie der Erstrichter ausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1997 - II ZR 55/96 -, juris, Rn. 7). Diese Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall, in welchem es originär um die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung geht, aber nicht übertragbar.

65

(3) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. November 2014 ist auch hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes für die Notwendigkeit einer neuerlichen Beweisaufnahme/Parteianhörung evident rechtsfehlerhaft.

66

Das Oberlandesgericht führt dort aus, dass für eine nochmalige, zweitinstanzliche Befragung des Beschwerdeführers die Grundlage fehle und einer dahingehenden Anregung durch gleich welche Seite gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu folgen gewesen wäre. Dabei verkennt das Oberlandesgericht jedoch, dass dem Vortrag und Beweiserbieten des Beschwerdeführers kein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zugrunde lag.

67

"Neu" im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel (z.B. tatsächliche und rechtliche Behauptungen, Einwendungen, Bestreiten, Einreden und Beweisanträge) nur dann, wenn sie nicht schon in erster Instanz vorgebracht wurden, sondern erstmals in zweiter Instanz geltend gemacht werden (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 531 Rn. 21; zum systematischen Zusammenhang zwischen § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 531 Abs. 2 ZPO vgl. Rimmelspacher, NJW 2002, S. 1897 <1903 ff.> und Schellhammer, Zivilprozess, 15. Aufl. 2016, Rn. 1040 f.).

68

Vorliegend hatte der Beschwerdeführer schon in seiner Klageerwiderung vorgetragen, dass er explizit mündlich über das Risiko einer Verschlechterung der Sehfähigkeit aufgeklärt habe und sich zum Beweis auf seine Parteivernehmung oder seine Parteianhörung berufen (Seite 2 der Klageerwiderung). Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Oberlandesgerichts, dass es den Parteien nicht verwehrt worden sei, den Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung sachdienlich über die von ihnen angesprochenen Streitpunkte zu befragen. Zu Recht beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass den Parteien allein die Darlegungs- und Beweislast obliegt, allerdings das Gericht den für entscheidungserheblich gehaltenen und unter Beweis gestellten streitigen Tatsachenvortrag mit den angebotenen Beweismitteln, möglicherweise einer Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO, und gegebenenfalls - wenn die Voraussetzungen für eine förmliche Parteivernehmung nicht vorliegen - auch mit einer Anordnung des persönlichen Erscheinens zwecks formloser Parteianhörung aufklären muss (§ 137 Abs. 4, § 141 ZPO; vgl. dazu Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 141 Rn. 3a). Sofern das Gericht im Rahmen einer Vernehmung/Anhörung einen für die Aufklärung streitiger Tatsachen relevanten Aussageinhalt vermisst, muss es seinerseits nachfragen.

69

3. Das angefochtene Urteil beruht auf dem Gehörsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre, wenn es ihn erneut angehört hätte.

70

4. Die angegriffene Entscheidung wird nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Feststellung des Fortbestehens seiner Niederlassungserlaubnis weiterverfolgt, ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die - ohne ausdrückliche Bezeichnung dieses Zulassungsgrundes - in der Sache geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 2.), noch ist die Berufung wegen eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; 1.), zuzulassen.

1. Die Berufung ist nicht wegen der vom Kläger gerügten Verletzung des rechtlichen Gehörs zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO).

Hierzu bringt er vor, das Verwaltungsgericht habe in der angefochtenen Entscheidung bezüglich seiner Niederlassungserlaubnis neben § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG auch den Erlöschenstatbestand gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG geprüft und als erfüllt angesehen, obwohl ausweislich des Akteninhalts von der Beklagten nur auf § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG abgestellt worden sei. Nachdem diesbezüglich auch kein richterlicher Hinweis in der mündlichen Verhandlung erfolgt sei, liege eine Überraschungsentscheidung vor.

Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 1.8.2017 - 2 BvR 3068/14 - juris Rn. 51; BVerwG, B.v. 7.6.2017 - 5 C 5.17 D - juris Rn. 8 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 22.11.2018 - 10 ZB 18.32976 - Rn. 9). Von einer unzulässigen Überraschungsentscheidung kann aber nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligen entspricht oder von ihm für unrichtig gehalten wird. Nach ständiger Rechtsprechung besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die mögliche Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen, weil sich die tatsächliche oder rechtliche Einschätzung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Entscheidungsfindung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergibt.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze greift die Rüge einer Überraschungsentscheidung nicht durch. Zum einen wurde der Kläger ausweislich des darüber gefertigten Vermerks vom 6. April 2017 (Bl. 7 der VG-Akte M 12 K 17.1760) bereits bei einer Vorsprache bei der Ausländerbehörde der Beklagten darüber belehrt, dass in seinem Fall der Sechs-Monats-Zeitraum (s. § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG) durch die verspätete Wiedereinreise am 16. Juli 2011 überschritten sei. Zum anderen hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung vom 8. Mai 2017 ausdrücklich auf das Vorliegen auch dieses Erlöschenstatbestands unter Angabe des Ausreise- und Wiedereinreisezeitpunkts hingewiesen (Bl. 16/17 der VG-Akte). Bereits damit war diese Rechtsfrage im erstinstanzlichen Verfahren hinreichend thematisiert. Im Übrigen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ein Attest des Universitätskrankenhauses in Port Harcourt vom 3. Juli 2011 übergeben, das gerade belegen soll, dass der Kläger krankheitsbedingt an einer rechtzeitigen Wiedereinreise in die Bundesrepublik gehindert war.

2. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit seiner Gehörsrüge (hilfsweise) geltend macht, er hätte aufgrund eines durch Attest belegten Krankenhausaufenthalts in Nigeria nicht rechtzeitig innerhalb von sechs Monaten nach Deutschland zurückkehren und vom Krankenhaus aus auch keine Verlängerung der Wiedereinreisefrist durch die Ausländerbehörde bzw. über die deutsche Botschaft in Lagos erreichen können, wird kein zur Zulassung der Berufung führender Grund dargelegt.

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien insbesondere das Recht, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 = NJW 1982, 1636). Das Verwaltungsgericht hat diesem Anspruch genügt und sich mit diesem Vorbringen des Klägers eingehend auseinandergesetzt. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass er auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Erkrankung nicht aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen an einer fristgerechten Rückkehr oder an der Stellung eines fristgerechten Antrags auf Verlängerung der Wiedereinreisefrist gehindert gewesen sei. Es sei nicht erkennbar, warum er nicht in der Lage gewesen sein sollte, erforderlichenfalls auch über eine Vertrauensperson Kontakt mit der Ausländerbehörde oder wenigstens mit der deutschen Auslandsvertretung in Nigeria aufzunehmen und einen Verlängerungsantrag zu stellen.

Wenn der Kläger diesbezüglich rügt, das Verwaltungsgericht habe sich bei seiner Einschätzung nicht genügend mit den Verhältnissen in nigerianischen Krankenhäusern auseinandergesetzt und sei demgemäß zu einer unrichtigen Bewertung gelangt, macht er letztlich Richtigkeitszweifel am Urteil des Verwaltungsgerichts geltend.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden jedoch nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546). Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn der Kläger ist den vom Verwaltungsgericht in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise dargelegten Möglichkeiten, zumindest über eine Vertrauensperson rechtzeitig Kontakt mit der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde aufzunehmen und auf eine krankheitsbedingte Verlängerung der Wiedereinreisefrist (s. § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG) hinzuwirken (zu den Voraussetzungen und möglichen Ausnahmen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben in außergewöhnlichen Situationen vgl. Tanneberger in BecKOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.5.2018, § 51 Rn. 12 m.w.N.), lediglich mit der unsubstantiierten Behauptung entgegengetreten, das Gericht gehe von falschen tatsächlichen Verhältnissen in nigerianischen Krankenhäusern aus.

3. Greifen demnach die auf den Erlöschenstatbestand gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG bezogenen Rügen des Klägers nicht durch, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die bezüglich des vom Erstgericht daneben angenommenen Erlöschenstatbestands gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG geltend gemachten Zulassungsgründe - Gehörsrüge, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit sowie Abweichung von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 25.7.2011 - 19 B 10.2547 - juris) - für sich betrachtet vorliegen würden. Denn ist wie vorliegend das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts auf mehrere selbständig (kumulativ) tragende Gründe gestützt, so sind Zulassungsgründe wegen eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes darzulegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 61 mit Rsprnachweisen).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Kläger sind ukrainische Staatsangehörige, zuletzt wohnhaft in C …, und begehren die Anerkennung als Asylberechtigte, hilfsweise Zuerkennung von Flüchtlings- oder subsidiärem Schutz oder die Feststellung von Abschiebungshindernissen.

Die Kläger reisten am 1. Juli 2014 mit ab 30. Juni 2014 gültigen spanischen Schengen-Visa auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 3. September 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) Asylanträge.

Bei der Anhörung durch das Bundesamt am 12. Juli 2016 gaben die Kläger an, die Familie werde durch höhergestellte Personen bedroht. Der Kläger zu 1 sei im März 2014 gezwungen worden, seinen Bus für die Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. Daraufhin habe er Probleme mit den prorussischen Organisationen bekommen. Deshalb sei er abgehauen und gelte nunmehr als fahnenflüchtig. Zu Zeiten Janukowitschs habe er bei der Firma E … gearbeitet. Nach der Entmachtung Janukowitschs seien führende Persönlichkeiten dieser Firma verhaftet worden. Er habe schon im Dezember 2013 gekündigt. Ab da hätten die Schikanen begonnen. Es seien mehrmals maskierte Männer zur Wohnung der Kläger gekommen, die erzwingen wollten, dass die Kläger ihre Eigentumswohnung für Rechtsradikale zur Verfügung stellten. Am 27. April 2014 sei die Klägerin zu 3 alleine zu Hause gewesen, als die Männer gegen die Tür geschlagen hätten‚ und habe aufgrund der Vorfälle einen längeren Zeitraum nicht mehr gesprochen. Am 8. Juni 2014 sei die Familie gezwungen worden, die Wohnung zu verlassen. Die Männer hätten der Klägerin zu 2 auf den Kopf geschlagen, bis diese geblutet habe. Die Haustüre sei von den Nachbarn mit deutschen und jüdischen Hassparolen beschmiert worden und der Mercedes Sprinter des Klägers zu 1 sei am 25. oder 26. Mai 2014 in Brand gesetzt worden, während er sich darin befunden habe. Sie befürchteten, von ihren Nachbarn umgebracht zu werden. Sie hätten einen offiziellen Aufruf erhalten, sich als prorussiche Patrioten zu bekennen und die russische Staatsangehörigkeit anzunehmen. Sie erhielten sogar in Deutschland Drohbriefe. Sie hätten keine Verwandten in der Ukraine, zu denen sie ziehen könnten. Fast die ganze Familie lebe in Deutschland.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 erkannte das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zu, lehnte die Anträge auf Asylanerkennung ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Zugleich wurde die Abschiebung in die Ukraine angedroht und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Selbst bei Wahrunterstellung der geschilderten Verfolgungsmaßnahmen erwachse daraus kein Anspruch auf Flüchtlingsschutz, da die Kläger in andere Landesteile der Ukraine zurückkehren könnten.

Am 3. November 2016 erhoben die Kläger gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2016 Klage. Mit Schreiben vom 7. November 2016 wies das Verwaltungsgericht die Kläger darauf hin, dass nach § 74 Abs. 2 AsylG die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung angegeben werden müssen und verspätet vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel zurückgewiesen werden können. Mit Schreiben vom 15. November 2016 hat das Verwaltungsgericht die Kläger zur mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2016 geladen und für die Angabe weiterer Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung die Klagepartei sich beschwert fühle sowie weiterer Beweismittel, eine Frist bis 30. November 2016 gesetzt. Mit Schriftsatz vom 23. November 2016 begründeten die Kläger ihre Klage und bezogen sich dabei auf die Angaben des Klägers in seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt. Sie nannten keine weiteren Tatsachen oder Beweismittel. Mit Beschluss vom 29. November 2016 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ab, da die Rechtssache keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe.

Mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 beantragten die Kläger unter Vorlage eines ärztlichen Attests des Klinikums Nürnberg vom 30. November 2016 Terminsverlegung. Aus dem Attest ergibt sich, dass sich die Klägerin zu 2 seit 18. Oktober 2016 wegen einer Risikoschwangerschaft in stationärer Behandlung befinde. Der Entbindungstermin sei der 21. März 2017. Die Patientin dürfe lediglich zur Toilette aufstehen und könne einen Gerichtstermin nicht persönlich wahrnehmen.

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Terminsverlegung ab. Die Klägerin zu 2 habe ausreichend Gelegenheit gehabt, ihre Asylgründe umfassen darzulegen und sei seit Beginn des Asylverfahrens anwaltlich vertreten. Sollte es die Klägerin für unerlässlich halten, persönlich vor Gericht zu erscheinen, bedürfe es substantiierter Darlegung der für die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit sprechenden Gründe.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2016 beantragten die Kläger erneut Terminsverlegung. Zur Begründung gaben sie an, die Klägerin zu 2 wolle das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung davon überzeugen, dass ihr eine Rückkehr in die Ukraine nicht möglich sei. Sie halte es für unverzichtbar, dass sich das Gericht einen persönlichen Eindruck von ihr verschaffe. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 lehnte das Verwaltungsgericht den Terminsverlegungsantrag erneut ab. Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt habe die Klägerin zu 2 deckungsgleich mit dem Kläger zu 1 vorgetragen und trotz der mit der Ladung verbundenen Fristsetzung nach § 87b VwGO mit der Klagebegründung nur das bisherige Vorbringen wiederholt. Auch im Schreiben vom 11. Dezember 2016 finde sich kein Sachvortrag. Es sei damit nicht substantiiert dargelegt, weshalb die Anwesenheit der Klägerin zu 2 im Termin zur mündlichen Verhandlung notwendig sei.

Bei der Gerichtsakte befindet sich ein Aktenvermerk über einen Anruf des Prozessbevollmächtigten bei Gericht vom 12. Dezember 2016. Daraus geht hervor, der Prozessbevollmächtigte habe erwartet, dass dem Verlegungsantrag stattgegeben werde und deshalb einen anderen Termin auf den 13. Dezember 2016 gelegt. Er könne deshalb zur mündlichen Verhandlung nicht erscheinen.

Am 12. Dezember 2016 (Eingang bei Gericht per Telefax um 19:27 Uhr) stellten die Kläger erneut einen Antrag auf Terminsverlegung. Sie führten aus, die Klägerin zu 2 werde im Rahmen der mündlichen Verhandlung umfangreiche Angaben zu den Vorkommnissen mit der Nachbarschaft machen. Dieses Geschehen habe nur sie erlebt. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 lehnte das Verwaltungsgericht die Verlegung des Termins erneut ab. Der im Schriftsatz vom 12. Dezember 2016 wiedergegebene Vortrag stamme vom Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2. Die Klägerin zu 2 sei sowohl bei der Anhörung als auch im Klageverfahren nicht gehindert, sondern gehalten gewesen, über den gemeinsamen Vortrag hinausgehend schriftsätzlich vorzutragen.

Zur mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2016 ist für die Klagepartei niemand erschienen. Mit Urteil vom 13. Dezember 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes. Sie könnten auch nicht als Asylberechtigte anerkannt werden. Abschiebungshindernisse würden nicht vorliegen.

Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Sie machen geltend, ihr rechtliches Gehör sei verletzt worden, da die mündliche Verhandlung nicht verlegt worden sei. Die Klägerin zu 2 habe sich noch in stationärer Behandlung befunden und auch die übrigen Kläger hätten keine Möglichkeit gehabt, den Termin persönlich wahrzunehmen. Die Kläger hätten in der mündlichen Verhandlung die genauen Umstände und zeitlichen Geschehnisse aufklären wollen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Verfahrensmangel in Form einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht hinreichend dargelegt ist.

Die Kläger haben eine Verletzung von Verfahrensrecht im Zusammenhang mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2016 nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Die ordnungsgemäße Begründung einer Gehörsrüge im Zulassungsverfahren erfordert grundsätzlich Ausführungen dazu, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 74). Mit dem Berufungszulassungsantrag wird zum einen nur der Vortrag vor dem Bundesamt und der Klagebegründung wiederholt. Zum anderen wird entsprechend dem dritten Terminsverlegungsantrag vom 12. Dezember 2016 ausgeführt, die Klägerin zu 2 habe darauf hingewiesen, dass die Hetze und Bedrohungen nebst Beschimpfungen der Nachbarschaft gerade vor ihrer Ausreise ein unerträgliches Maß erreicht hätten und sie wegen der fehlenden Möglichkeit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung diese Geschehnisse nicht im Einzelnen habe vortragen können. Damit bleibt aber der in der mündlichen Verhandlung tatsächlich beabsichtigte, über das bisherige Vorbringen hinausgehende Vortrag weiterhin im Ungewissen und das Berufungsgericht ist somit nicht in der Lage zu überprüfen, ob das Urteil den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Hinsichtlich des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 3 ist auch nicht ersichtlich, weshalb diese an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen konnten. Verhinderungsgründe wurden für sie nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Die Behauptung, es habe keine realistische Möglichkeit zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gegeben, ist nicht nachvollziehbar.

Hat ein Rechtsmittelführer tatsächlich nicht an der mündlichen Verhandlung in erster Instanz teilnehmen können - so wie es die Klägerin zu 2 aufgrund ihrer Erkrankung geltend macht -‚ muss auch dargelegt werden‚ dass das Erstgericht einen Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kommt nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Verlegung i.S.v. § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.2006 - 10 B 9/06 - NJW 2006, 2648 = juris Rn. 9). Hier ist demgegenüber nicht substantiiert vorgetragen‚ dass der Antrag auf Terminsverlegung vom Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben abgelehnt worden wäre.

Die Möglichkeit der Teilnahme eines am verwaltungsgerichtlichen Verfahren Beteiligten an der mündlichen Verhandlung trägt dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung. Hat der Beteiligte einen Prozessbevollmächtigten‚ der ihn im Termin vertreten kann‚ ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig genügt‚ wenn dieser an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann (vgl. Geiger in Eyermann‚ VwGO‚ § 102 Rn. 6). Insbesondere verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht‚ dem Beteiligten neben seinem Anwalt die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen zu geben (Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig‚ GG‚ Stand September 2016‚ Art. 103 Abs. 1 Rn. 109). Gründe, aus denen der Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht an der mündlichen Verhandlung hätte teilnehmen können, wurden weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Dass der Bevollmächtigte anscheinend ohne die Entscheidung über den Verlegungsantrag abzuwarten, einen anderen Termin auf den 13. Dezember 2016 gelegt und diesen dann wahrgenommen hat, kann ihn nicht entschuldigen.

Etwas anderes gilt nur dann‚ wenn gewichtige Gründe substantiiert vorgetragen werden‚ die die persönliche Anwesenheit des Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als erforderlich erscheinen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.1982 - 9 C 1/81 - DÖV 1983, 247 = juris Rn. 12). Die Klägerin zu 2 hat es aber vorliegend versäumt‚ die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens zu beantragen und dabei dem Verwaltungsgericht die für die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung sprechenden Gründe substantiiert darzulegen (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 12; BayVGH‚ B.v. 25.11.2015 - 15 ZB 15.30229 - juris Rn. 3 m.w.N.), obwohl sie mehrfach auf die Erforderlichkeit einer solchen Darlegung hingewiesen worden ist. Selbst mit dem dritten Terminsverlegungsantrag vom 12. Dezember 2016 hat sie nur vage Ausführungen dazu gemacht, dass sie umfangreiche Angaben über die Vorkommnisse mit der Nachbarschaft machen wolle. Um welche Art von Angaben und Vorkommnisse es sich genau handelt, hat sie - auch im Zulassungsverfahren - nicht weiter ausgeführt. Die seit Beginn des Asylverfahrens anwaltlich vertretenen Kläger hatten aber hinreichend Gelegenheit, ihre Asylgründe umfassend darzulegen und gegebenenfalls zu ergänzen. Es gehört zu ihren Obliegenheiten, den Sachverhalt vollständig mitzuteilen, aus dem sie für sich günstige Rechtsfolgen ableiten wollen (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.1982 a.a.O. Rn. 11). Die Ablehnung des Verlegungsantrags durch das Verwaltungsgericht ist daher nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

(1) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Für den Fall des Ausbleibens kann es Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen androhen. Bei schuldhaftem Ausbleiben setzt das Gericht durch Beschluß das angedrohte Ordnungsgeld fest. Androhung und Festsetzung des Ordnungsgelds können wiederholt werden.

(2) Ist Beteiligter eine juristische Person oder eine Vereinigung, so ist das Ordnungsgeld dem nach Gesetz oder Satzung Vertretungsberechtigten anzudrohen und gegen ihn festzusetzen.

(3) Das Gericht kann einer beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Behörde aufgeben, zur mündlichen Verhandlung einen Beamten oder Angestellten zu entsenden, der mit einem schriftlichen Nachweis über die Vertretungsbefugnis versehen und über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichtet ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.