Der am 23. August 1984 in Mashad (Iran) geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und tadschikischer Volkszugehöriger muslimisch-schiitischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben im Dezember 2010 über Griechenland, Italien und Frankreich per Bahn ins Bundesgebiet ein. Am 19. Januar 2011 stellte er Asylantrag.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 23. Februar 2011 gab er Folgendes an: Er habe ursprünglich mit seiner Familie in Iran gelebt. Dort sei er sieben Jahre lang zur Schule gegangen. Im Jahr 1986 sei seine Familie wieder nach Afghanistan gegangen und habe fortan in der Stadt Herat gelebt. Dort habe er als gut beschäftigter Berufsfotograf gearbeitet. Er sei im Frühjahr 2010 geflohen, weil ihm ein Clanchef einen Racheakt angedroht habe. Er sei im Mai/Juni 2010 in der Provinz/Stadt Ghor drei Tage lang als Hochzeitsfotograf tätig gewesen. Dieser Ort sei ca. 20 Autostunden von Herat entfernt. Dort habe der Sohn eines Großgrundbesitzers (Clanchef Khan) mit zahlreichen Gästen in einer großen Villa seine Hochzeit gefeiert. Die Feier sei teuer und prächtig gewesen. Hierbei habe er hochrangige und berühmte Leute fotografiert und gefilmt. Die Personenaufnahmen hätten auch in den vielen Obstplantagen (Äpfel und Orangen) um die Villa herum stattgefunden. Hierbei habe er zufällig den Opiumanbau hinter den Obstplantagen gefilmt und fotografiert. Nach Hause zurückgekehrt habe er drei Tage nach der Hochzeit einen Freund seines Vaters, welcher der Leiter der Drogenbekämpfungsbehörde der Provinz Herat und anderer Provinzen sei, angetroffen und ihm erzählt, dass er auf der Plantage des Clanchefs Opiumanbau beobachtet habe. Außerdem habe er ihm die entsprechenden Fotos gezeigt. Eine Woche nach der Hochzeit habe der Clanchef das Film- und Fotomaterial in Herat abholen lassen. Danach habe der Behördenleiter auf dem Anwesen des Clanchefs eine polizeiliche Kontrolle vornehmen lassen. Der Clanchef sei aber von dem Kommandeur dieses Gebiets gedeckt worden. Anschließend sei der Leiter der Drogenbekämpfungsbehörde selbst zu dem Anwesen des Clanchefs gefahren, um sich eigene Erkenntnisse zu verschaffen. Danach hätten die Leute des Clanchefs nach ihm als Fotografen im Geschäft sowie im Elternhaus gesucht, mit dem Vorwurf, er habe den Clan bei der Polizei angezeigt. Sie hätten gedroht, ihn deshalb zu bestrafen und zu vernichten. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt bei einem Freund in der Stadt Jebrail aufgehalten. Sein Vater habe ihn rechtzeitig gewarnt. Danach sei er mit dessen Unterstützung geflüchtet. Die Dateien der verdächtigen Fotos habe er gelöscht.
Mit Bescheid vom 8. März 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (1.), stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (2.) und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (3.) und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an (4.).
Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht München beantragte der Kläger die Anerkennung als Asylberechtigter und darüber hinaus die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. In der schriftlichen Klagebegründung (Schriftsatz v. 22.4.2013) machte der Kläger geltend, dass der im Hintergrund einzelner Personenfotos zu erkennende Opiumanbau zufällig ins Bild geraten sei. Aus heutiger Sicht halte er es für einen Fehler, den Freund seines Vaters informiert zu haben. Im Jahr 2012 hätten die Leute des Clanchefs sein Elternhaus in Herat aufgesucht und damit gedroht, seinen jüngeren Bruder als Geisel zu nehmen, um dadurch seinen eigenen Aufenthaltsort zu erfahren. Außerdem sei sein Vater körperlich attackiert worden. Daraufhin habe seine Familie Afghanistan verlassen und lebe seitdem illegal in der Nähe von Mashad. Er habe zu seinen Angehörigen in Iran noch telefonischen Kontakt. In der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2013 führte der Kläger ergänzend Folgendes aus: Er sei in Herat ein bekannter Fotograf. Der Bräutigam, der ihn als Fotograf eingeladen habe, sei ein Bekannter von ihm. Einige Gäste hätten ihn damals gebeten, sie auch vor den Mohnfeldern zu fotografieren. Hierdurch seien die ca. 200 m von den Gästen entfernt gelegenen Mohnfelder ins Bild gekommen. Der Leiter der Antidrogenbehörde habe sich drei der belastenden Fotos auf eine DVD gebrannt und diese mitgenommen. Er habe danach alle Fotodateien gelöscht. Diese seien so umfangreich gewesen, dass die Festplatte für deren Speicherung nicht ausgereicht habe. Nach seiner Ausreise hätten die Leute des Clanchefs noch weiter im Elternhaus nach ihm gesucht, obwohl sein Vater ihnen gesagt habe, er sei im Ausland. Schließlich hätten sie mit der Entführung seines Bruders gedroht. Seine Angehörigen in Iran seien dort mittlerweile als Flüchtlinge anerkannt.
Mit Urteil vom 10. September 2013, dem Kläger zugestellt am 19. September 2013, wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Soweit es um die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 AufenthG gehe, sei die Klage wegen Verfristung unzulässig. Im Übrigen sei sie unbegründet.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung durch Beschluss vom 3. April 2014 (13a ZB 13.30324) hinsichtlich des Begehrens nach Zuerkennung subsidiären Schutzes und Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO zugelassen.
In der nach Fristverlängerung durch Schriftsatz vom 13. Juni 2013 abgegebenen Berufungsbegründung macht der Kläger geltend, mit dem von ihm damals verwendeten Zoomobjektiv sei es ohne weiteres möglich gewesen, auf 200 m Entfernung Pflanzen detailgetreu zu erkennen. Die vom Verwaltungsgericht gehegten Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Bedrohungsgeschichte seien in keiner Weise nachvollziehbare Mutmaßungen, die darauf beruhten, dass der Sachverhalt nicht richtig aufgeklärt worden sei. Im Fall der Abschiebung würde ihm eine extreme Gefahrenlage drohen, weil er in Herat der Rache des Clanchefs ausgesetzt wäre und losgelöst vom Familienverband keine Existenzmöglichkeit hätte. Eine inländische Fluchtalternative wie z. B. Kabul scheide wegen fehlender Lebensgrundlage aus.
Er beantragt,
die Beklagte unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 10. September 2013 zu verpflichten festzustellen, dass ihm der subsidiäre Schutz zuerkannt wird, hilfsweise dass die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den vom Kläger geschilderten Hergang der Aufnahme des Mohnfelds fototechnisch nicht für plausibel und wendet ein, dass das fragliche Mohnfeld weder versteckt noch bekannt gewesen sein dürfte, so dass die Antidrogenbehörde hiervon auch ohne den Hinweis des Klägers hätte Kenntnis erlangen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO).
Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) nicht verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger subsidiärer Schutz besteht oder ein national begründetes Abschiebungsverbot vorliegt.
Die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylVfG sind nicht gegeben. Es ist nicht anzunehmen, dass dem Kläger in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden im Sinn dieser Vorschrift droht.
Dafür, dass dem Kläger in Afghanistan die strafprozessuale Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG drohen würde, gibt es keinen Anhaltspunkt.
Die Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht nicht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG). Die Befürchtung des Klägers, Opfer eines Racheakts eines in der Provinz Ghor ansässigen Clanchefs zu werden, ist abstrakt geeignet, die genannten Tatbestandsmerkmale zu erfüllen. Nach § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c Nr. 3 AsylVfG sind derartige Handlungen nicht nur relevant, wenn sie vom Staat ausgehen, sondern auch dann, wenn sie von nichtstaatlichen Akteuren vorgenommen werden
Der Senat hält die Bedrohungsgeschichte allerdings nicht für glaubwürdig, weil sie Ungereimtheiten und Widersprüche enthält, die sich nicht plausibel auflösen lassen. Es ist schon wenig wahrscheinlich, dass der Kläger als Berufsfotograf ohne Not und Anlass den Auftraggeber eines dreitägigen, bezahlten Hochzeitsfoto-Einsatzes wegen eines Mohnfeldes am Rande von dessen großer Farm bei der Drogenpolizei in einer anderen Provinz anzeigte (Ghor bzw. Herat), zumal Indiskretionen im Zusammenhang mit einem Auftrag durchaus geschäftsschädigend sein können. Gänzlich unverständlich ist dieses Vorbringen des Klägers, weil der Auftrag von dem Bräutigam (Sohn des Clanchefs) erteilt worden war, der nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ein Bekannter von ihm war (s. Bl. 60 d. VG-Akte). Insofern ist es auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger vor dem Verwaltungsgerichtshof angab, er wisse nicht, wie der Ort der Hochzeit heißt und wo er liegt. Dieser Vortrag steht außerdem im Widerspruch zu den Angaben vor dem Bundesamt, wo der Kläger erklärte, dass der Ort des Foto-Auftrags die Stadt Ghor war (s. S. 37 d. BAMF-Akte). Auch die Umstände, wie die Aufnahmen von dem fraglichen Mohnfeld zustande kamen, sind nicht plausibel. Vor dem Bundesamt hatte der Kläger angegeben, er habe den Opiumanbau zufällig gefilmt und fotografiert (s. S. 34 d. BAMF-Akte), wohingegen er vor dem Verwaltungsgericht erklärte, die Gäste hätten ihn gebeten, sie auch vor den Mohnfeldern zu fotografieren (s. Bl. 62 der VG-Akte). Letzteres steht allerdings im Widerspruch dazu, dass die Mohnfelder ca. 200 m von den Personen entfernt gewesen seien sollen. Wie auch einem Fotoamateur bekannt ist, wird ein so weit entfernter Hintergrund bei Fokussierung auf die Personen im Vordergrund nur sehr klein und unscharf abgebildet. Außerdem werden die Personen üblicherweise direkt vor einer Blumenwiese platziert. Die ergänzende Behauptung, mit dem von ihm verwendeten Zoomobjektiv könne man Pflanzen in 200 m Entfernung detailgetreu abbilden, geht in zweierlei Hinsicht fehl. Abgesehen davon, dass ein versierter Fotograf bei Porträt- und Gruppenaufnahmen auf den Vordergrund, aber nicht auf „unendlich“ fokussiert, wäre es mit einer maximalen Brennweite von 105 mm (s. Niederschrift vom 20.11.2014, S. 3) ohnehin unmöglich gewesen, das geltend gemachte Ergebnis einer detailgetreuen Abbildung so weit entfernter Blumen zu erzielen. Die Angaben des Klägers widersprechen den einfachen Abbildungsgesetzen, wobei hierfür unterstellt werden kann, dass dieser früher im Besitz einer Kamera vom Typ EOS 5D war.
Zudem erscheint dem Senat eine aus dem geschilderten Vorfall resultierende ernsthafte Bedrohung nicht realistisch. Zunächst hätte ein etwaiges Foto mit einem unscharf abgebildeten farbigen Streifen im Bildhintergrund kaum mehr Beweiswert als die mündliche Mitteilung, dass sich am Rand der Plantage Mohnfelder befänden. Im Übrigen ist auch nicht zu erkennen, warum der Clanchef gerade den Kläger verdächtigt haben sollte, der Drogenpolizei einen Tipp gegeben zu haben. Bei der Vielzahl der Gäste und deren ausgedehnten Spaziergängen wäre die Existenz von Mohnfeldern ohnehin kein Geheimnis gewesen, so dass viele Personen als Informanten in Betracht gekommen wären. Dass die Drogenpolizei ohne zwingenden Anlass den Namen ihres Informanten preisgegeben hätte, ist unüblich und unwahrscheinlich, zumal der Fahndungsleiter ein guter Freund des Vaters des Klägers gewesen sein soll. Gegen eine konkrete Bedrohung spricht weiter die Behauptung des Klägers, die Leute des Clanchefs hätten alsbald nach der angeblichen Razzia und dann noch weitere zwei Jahre nach ihm in Herat, das nach Aussage des Klägers ca. 20 Autostunden entfernt liegt, gesucht (2010/2012) und erst dann mit Repressalien gegen seinen jüngeren Bruder gedroht, weil für das Zuwarten kein Grund ersichtlich ist. Im Übrigen war der Clanchef nach den Angaben des Klägers keiner Konsequenz ausgesetzt, für die er Rache nehmen könnte, zumal dieser vom zuständigen Kommandeur gedeckt werde.
Aufgrund der genannten Umstände ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach der von ihm geschilderten Verfolgungsgeschichte nicht der Gefahr eines Racheakts ausgesetzt wäre. Dass die Familie des Klägers (Vater, Mutter, Bruder, Schwestern) mittlerweile in Mashad/Iran lebt, wo sie sich nach Angaben des Klägers schon von 1984 bis 2000 aufhielt, lässt die Bedrohung nicht in einem anderen Licht erscheinen, zumal es vielfältige Gründe gibt, Afghanistan zu verlassen. Diese können auch in der schlechten wirtschaftlichen Lage begründet sein. Für die frühere Behauptung, seine Eltern seien in Iran als Flüchtlinge anerkannt worden, hat der Kläger keinen Nachweis erbracht, sondern lediglich vorläufige Aufenthaltsausweise vorgelegt, die bis 20. Juni 2014 befristet waren (s. Bl. 60, 63 der VG-Akte).
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG sind ebenfalls nicht gegeben. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ist nicht zu befürchten.
In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu der genannten Vorschrift (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F.) ist geklärt, dass für Afghanistan im Ganzen und für die zur Westregion gehörende Heimatprovinz des Klägers, Herat, derzeit nicht davon auszugehen ist, dass praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militanter Gewalt ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, U. v. 15.3.2013 - 13a B 12.30292 - juris; B. v. 26.11.2014 - 13a ZB 14.30366 - juris). Die Gefährdungswahrscheinlichkeit ist dort im unteren Promillebereich. Die Gefahr, Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, lag für 2012 bei 0,05% pro Person und Jahr. Unterstellt, auch in Herat läge entsprechend der landesweiten Tendenz seither eine Verschärfung vor, bliebe die Größenordnung des Risikos unverändert (siehe auch BayVGH, B. v. 23.4.2014 - 13a ZB 14.30095 - juris). Eine Gefahrendichte von weniger als 1:1.000 liegt weit unter der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 Rn. 23).
Auch die Voraussetzungen eines national begründeten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht erfüllt. Hierbei handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, weshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen sind (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17).
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig (EMRK) ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG(U. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse). Dabei sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 unter Verweis auf EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Besondere individuelle Umstände, aufgrund derer der Kläger einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen wäre, liegen nicht vor.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.
Eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt bei dem Kläger, der nach der Überzeugung des Senats nicht persönlich bedroht war, nicht vor.
Die schlechte Sicherheitslage - eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG - kann auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind, vorrangig zurückzuführen sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, für welche ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, B. v. 23.8.2006 - 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).
Im Hinblick auf die unzureichende Versorgungslage hat sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären (seit U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris). Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Der Senat hat sich dabei im Urteil vom 30. Januar 2014 (a. a. O.) u. a. auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: 4.6.2013) gestützt sowie auf die Stellungnahmen von Dr. Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren 6 A 11048/10.OVG) und von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012. Nach den dortigen Erkenntnissen geht der Senat davon aus, dass trotz großer Schwierigkeiten grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bestehen und jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten sind.
Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Im Übrigen greift der Lagebericht 2014 mit Ausnahme der medizinischen Versorgung keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung - wie schon bisher - für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung sei und dies für Rückkehrer verstärkt gelte. Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Die medizinische Versorgung habe sich in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle allerdings im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend.
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. 8.2013, S. 9 [UNHCR-Richtlinien] und Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 vom August 2014 [UNHCR-2014]) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in Iran sieben Jahre lang die Schule besuchte, eine abgeschlossene Berufsausbildung und Berufserfahrung hat und Computerkenntnisse besitzt. Da sich der Kläger mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen von der Masse der Arbeit suchenden Analphabeten abhebt, ist davon auszugehen, dass er selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in Herat oder notfalls auch in Kabul, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht komme (UNHCR-2014). In diese Beurteilung ist nicht mit eingeflossen, dass die Tante des Klägers in Herat ein Haus bewohnt, in dem dieser möglicherweise Obhut finden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.