Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. Mai 2019 - 10 BV 18.281

bei uns veröffentlicht am25.05.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, Au 6 K 17.1538, 20.12.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Dezember 2017 wird die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der am ... 1976 geborene Kläger kosovarischer Staatsangehörigkeit ist Vater eines Unionsbürgerkinds ungarischer Staatsangehörigkeit und begehrt die Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach dem FreizügG/EU.

Er reiste erstmals im Jahr 2004 in das Bundesgebiet ein und schloss nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens am 21. Oktober 2005 seine erste Ehe, woraufhin ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Nach dem Scheitern dieser Ehe schloss der Kläger am 14. Dezember 2007 eine zweite Ehe, welche ebenfalls geschieden wurde. Der Kläger verzog daraufhin am 1. Juni 2010 in den Kreis Wesel. Nach Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und erfolgloser Durchführung eines Asylfolgeverfahrens wurde der Kläger am 13. Oktober 2011 in den Kosovo abgeschoben.

Im Jahr 2013 führte der Kläger erfolglos ein Visumverfahren zum Ehegattennachzug zwecks Führung einer dritten Ehe durch.

Im Mai 2015 reiste er erneut unerlaubt in das Bundesgebiet ein und stellte einen weiteren Asylfolgeantrag. Er wurde zunächst geduldet und erhielt anschließend eine vom 15. April 2016 bis 14. April 2018 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit war darin gestattet. Als auch diese Ehe scheiterte, verließ der Kläger Mitte September 2016 die gemeinsame Ehewohnung und ist seit Mitte Dezember 2016 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet.

Der Kläger ist ausweislich der Auskunft auf dem Zentralregister wegen wiederholten Verstoßes gegen eine räumliche Beschränkung nach dem Asylverfahrensgesetzes in den Jahren 2004 und 2005 zu Geldstrafen in Höhe von 20 bzw. 40 Tagessätzen zu je 5 Euro, im Jahr 2007 wegen Betrugs in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu 90 Tagessätzen zu je 15 Euro, am 23. November 2010 wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz zu 60 Tagessätzen zu je 15 Euro und zuletzt am 27. September 2015 wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz zu 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt worden.

Bei der Anhörung zur nachträglichen Befristung seiner Aufenthaltserlaubnis teilte der Kläger dem Beklagten am 13. Februar 2017 u.a. mit, nunmehr mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die von ihm ein Kind erwarte, in deren Wohnung zusammenzuleben. Er gehe seit ca. vier Monaten einer Beschäftigung nach. Seine Lebensgefährtin lebe seit 2014 im Bundesgebiet, wo sie - mit Unterbrechungen - erwerbstätig gewesen sei. Mit Bescheid vom 22. Februar 2017 wurde die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nachträglich unter Anordnung des Sofortvollzugs bis zum 1. März 2017 verkürzt (Nr. 1.1 und 2) und sein formloser Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Nr. 1.2). Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus dringenden humanitären Gründen nach § 25 AufenthG lägen nicht vor. Den hiergegen erhobenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 1. August 2017 - Au 6 S 17.433 - ab. Nach Klagerücknahme wurde das Klageverfahren mit Beschluss vom 20. November 2017 eingestellt (Au 6 K 17.432).

Nach der Geburt seines Kindes am ... 2017 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 1. August 2017 die Ausstellung einer „Aufenthaltskarte als Familienangehöriger eines Unionsbürgerkinds analog § 3 Abs. 2, Abs. 1 FreizügG/EU“ beantragen. Er lebe mit der Mutter des gemeinsamen Kindes ungarischer Staatsangehörigkeit zusammen und sorge für deren Unterhalt. Die Eltern seien ausweislich der Sorgeerklärung gemeinsam sorgeberechtigt. Mit Blick auf den Status des Kindes des Klägers bestehe für diesen ein Aufenthaltsanspruch nach Art. 20, 21 AEUV, welcher durch die beantragte Aufenthaltskarte zu bescheinigen sei. Im Nachgang zu dem Antrag legte der Kläger u.a. noch einen Arbeitsvertrag vom 12. Juli 2017 bei einer Firma aus Nördlingen vor.

Am 2. Oktober 2017 ließ der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben zunächst auf Ausstellung bzw. Erteilung einer Aufenthaltskarte analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU sowie in der mündlichen Verhandlung erweitert um den Klageantrag nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU in Verbindung mit dem Aufenthaltsgesetz.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2017 hat das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltskarte analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU auszustellen. Klagegegenstand sei lediglich die Ausstellung einer Aufenthaltskarte analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU, nicht auch die im Wege der Klageerweiterung hilfsweise geltend gemachten Ansprüche nach dem Aufenthaltsgesetz. Die Klageerweiterung sei unzulässig, da der Beklagte ihr widersprochen habe und sie auch nicht sachdienlich sei. Sie führe zu einer wesentlichen Erweiterung des Streitstoffes, aber nicht zur endgültigen Ausräumung des Rechtsstreits, denn unter den Beteiligten seien die Voraussetzungen der vom Kläger insbesondere in den Blick genommenen § 28 und § 36 AufenthG strittig. Einen entsprechenden Antrag habe der Kläger nicht gestellt und er sei hiervon auch nicht nach dem sog. Meistbegünstigungsprinzip befreit. Schließlich stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot wegen der bestandskräftigen Ablehnung seines Asylfolgeantrags entgegen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte aus § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU, weil er weder Familienangehöriger der Kindesmutter (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) sei, noch ihm als Verwandten in gerader aufsteigender Linie des gemeinsamen Kindes von diesem Unterhalt gewährt werde (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU). Ein Anspruch analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 20 AEUV scheide aus, weil dem betroffenen Unionsbürger (hier: dem Kind des Klägers) durch eine Weigerung nicht die Gefahr drohe, des Kernbestands seiner Rechte aus der Unionsbürgerschaft verlustig zu gehen. Sowohl die Kindesmutter als auch das gemeinsame Kind seien als ungarische Staatsangehörige berechtigt, sich in ihrem Herkunftsstaat aufzuhalten, und damit nicht zum Verlassen des Unionsgebiets als Ganzes gezwungen. Allerdings habe der Kläger einen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 21 AEUV. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könnten auch Verwandte, die mangels Unterhaltsgewährung durch den Unionsbürger keine Familienangehörigen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. d RL 2004/38/EG seien, ein Aufenthaltsrecht als drittstaatsangehörige Elternteile beanspruchen, wenn sie tatsächlich für das Kind sorgten und dieses über die erforderlichen Mittel zum Lebensunterhalt im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG verfüge, weil sonst dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers jede praktische Wirksamkeit genommen werde, da der Genuss des Aufenthaltsrechts durch ein Kleinkind voraussetze, dass sich die für ihn tatsächlich sorgende Person bei ihm aufhalten dürfe und es dieser demgemäß ermöglicht werde, während dieses Aufenthalts mit dem Kind zusammen im Aufnahmemitgliedstaat zu wohnen. Die Voraussetzungen lägen vor, weil der Kläger als personensorgeberechtigter Elternteil mit seinem Kind und dessen Mutter tatsächlich zusammenlebe, für sie sorge und der EuGH auch keine weiteren Anforderungen an die Herkunft der Mittel stelle, sie also auch aus aufenthaltsrechtlich nicht erlaubter Erwerbstätigkeit stammen dürften. Auch komme es nicht weiter darauf an, dass das Unionsbürgerkind sein Freizügigkeitsrecht von seiner Mutter ableite und damit auf die Unterhaltsleistung des drittstaatsangehörigen Elternteils zur Vermittlung des Freizügigkeitsrechts nicht angewiesen sei. Andererseits führe die Berücksichtigung der Unterhaltsleistung zu einem Zirkelschluss, weil die angenommene Freizügigkeitsberechtigung des Drittstaatsangehörigen nicht der Sicherung einer bereits vorhandenen Freizügigkeit eines materiell abhängigen Unionsbürgers diene, sondern erst der Herstellung von dessen Freizügigkeit. Ohne Freizügigkeit könne aber der Kernbestand der Unionsbürgerrechte durch eine Aufenthaltsverweigerung gegenüber dem Drittstaatsangehörigen nicht berührt sein, da der Aufenthalt des Unionsbürgers in diesem Fall nicht Unionssondern allein nationalem Recht unterliege.

Eilanträge des Klägers, dem ab 11. Juli 2018 Duldungen ohne Gestattung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erteilt wurden, auf vorläufige Feststellung, dass er berechtigt sei, in Deutschland ohne vorherige Zustimmung der Ausländerbehörde eine Erwerbstätigkeit auszuüben, sowie auf Verpflichtung des Beklagten, vorläufig eine Bescheinigung analog § 4 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bzw. analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU auszustellen (VG Augsburg, B.v. 20.11.2017 - Au 6 S 17.1517, Au 6 E 17.1518; BayVGH, B.v. 15.3.2018 - 10 CS 17.2378, 10 CE 10 CE 17.2379) sowie auf (vorläufige) Gestattung einer Erwerbstätigkeit zur Duldung (VG Augsburg, B.v. 4.9.2018 - Au 6 E 18.1285; BayVGH, B.v. 30.4.2019 - 10 CE 18.1997) blieben ohne Erfolg.

Am 26. Januar 2018 hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des EuGH, wonach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG keine Anforderungen an die Herkunft der Mittel stelle, überdehnt, wenn es zum Ergebnis gelange, dass diese auch illegal, d.h. nicht rechtmäßig erworben worden sein dürften. In der Rechtsprechung des EuGH habe diese Frage bislang keine Rolle gespielt bzw. es sei darum gegangen, von wem die Mittel stammten, nicht aber aus welcher Erwerbsquelle. Diese Unterscheidung treffe auch die Generalanwältin Kokott im Schlussantrag vom 7. Mai 2015 in der Rechtssache Singh, Njume und Aly (C-218/14), wonach „es auf die Herkunft der Mittel nicht ankommt, jedenfalls solange sie rechtmäßig erworben wurden“. Die Anerkennung nicht rechtmäßig erworbener Mittel würde zum einen Sinn und Zweck des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG zuwiderlaufen und Art. 67 Abs. 1 und 3 AEUV sowie dem Erwägungsgrund 28 und Art. 35 RL 2004/38/EG, wo der Schutz gegen Rechtsmissbrauch oder Betrug erwähnt würden, widersprechen. Die jedenfalls indirekte Billigung straf-, aufenthalts-, arbeitsmarkt- oder berufsrechtlich unzulässig erworbener Mittel stünde im Widerspruch zum Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung (s. EuGH, U.v. 28.3.2017 - C-72/15 - juris Rn. 80). Die Wahrnehmung des Aufenthaltsrechts der Unionsbürger könne von der Wahrung berechtigter Interessen der Mitgliedstaaten abhängig gemacht werden, hier also dem Schutz der straf-, aufenthalts-, arbeitsmarkt- bzw. berufsrechtlichen Rechtsordnung. Schließlich dürften die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht so beschaffen sein, dass zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu eingeladen werde. Im Übrigen bestehe ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers nur, wenn es erforderlich sei, damit der Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit wirksam ausüben könne. Insofern hätte es hier aber die Kindesmutter in der Hand, das Freizügigkeitsrecht ihres minderjährigen Kindes zu sichern, z.B. durch Aufnahme einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung. Demzufolge wäre ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten des drittstaatsangehörigen Klägers nicht erforderlich, da das gemeinsame Kind sein Recht auf Freizügigkeit auch über die Kindesmutter wirksam ausüben könne.

Für den Beklagten ist beantragt,

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Dezember 2017 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Für den Kläger ist beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aufgrund der nachwirkenden Arbeitnehmereigenschaft der Kindesmutter sei das gemeinsame Kind freizügigkeitsberechtigt und habe deswegen nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur einen Anspruch auf Zusammenleben mit beiden Eltern, sondern damit verbunden auch ein Recht, dass diese eine Erwerbstätigkeit ausüben bzw. diese fortsetzen dürften, damit sie es unterhalten und sein Freizügigkeitsrecht erhalten könnten. Als Vater eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerkindes sei der Kläger nach der Rechtsprechung des EuGH mithin zum Aufenthalt bei diesem berechtigt. Dieses Recht, welches bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 21 AEUV ohne weiteres bestehe, sei dem Kläger deklaratorisch zu bescheinigen.

Auf Anfrage des Gerichts erklärte der Kläger, dass die Kindesmutter seit dem 11. April 2018 einer geringfügigen Beschäftigung nachgehe und daneben für das gemeinsame Kind Eltern-, Familien- und Kindergeld sowie für sich aufstockende Leistungen nach dem SGB II beziehe. Der Kläger beziehe seit der Versagung der Erlaubnis der Ausübung einer Erwerbstätigkeit Leistungen nach dem AsylbLG. Er sei seit dem 5. August 2017 rechtskräftig von seiner früheren Ehefrau geschieden.

Am 17. Juni 2019 erkannte der Kläger die Vaterschaft für das aus der Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin zu erwartende Kind, dessen Geburtstermin für den auf den 7. Juli 2019 bestimmt ist, an.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2019 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg hat der Klage mit Urteil vom 20. Dezember 2017 zu Unrecht stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltskarte analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU auszustellen. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Senats hierauf keinen Anspruch.

Streitgegenstand ist nach der Klarstellung des Klageantrags des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (nur) noch die Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU (analog).

§ 5 Abs. 1 FreizügG/EU normiert die den drittstaatsangehörigen Familienangehörigen auszustellende Aufenthaltskarte. Die Aufenthaltskarte ist eine Aufenthaltsbescheinigung, kein Aufenthaltstitel, welche für den Familienangehörigen die Ausübung der durch das Unionsrecht zuerkannten Freizügigkeit feststellt. Sie ist, da bereits nach dem Unionsrecht ein Aufenthaltsrecht für Familienangehörige besteht, deklaratorischer Natur (vgl. EuGH, U.v. 12.3.2014 - O. u. B., C-456/12 - juris Rn. 60; U.v. 21.6.2011 - Dias, C-325/09 - juris Rn. 49; Brinkmann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 5 FreizügG/EU Rn. 4; Geyer in NK-Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 5 FreizügG/EU Rn. 3). Die Regelung des § 5 FreizügG/EU richtet sich nach den Vorgaben der sog. Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - RL 2004/38/EG) und setzt diese in nationales Recht um. Art. 10 Abs. 1 Satz 1 RL 2004/38/EG sieht die Ausstellung einer Aufenthaltskarte vor und normiert in Absatz 2 die Dokumente, deren Vorlage die Mitgliedstaaten hierfür verlangen.

I.

Ein Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU in unmittelbarer Anwendung scheidet schon deswegen aus, weil der Kläger kein Familienangehöriger eines Unionsbürgers im Sinne des § 3 Abs. 2 FreizügG/EU bzw. Art. 3 Abs. 1 Halbs. 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 2 RL 2004/38/EG ist. Er ist weder Ehegatte der Kindesmutter (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, Art. 2 Nr. 2 Buchst. a RL 2004/38/EG) noch ein Verwandter in gerader aufsteigender Linie eines Unionsbürgers (hier: seines Kindes), dem von diesem Unterhalt gewährt wird (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU, Art. 2 Nr. 2 Buchst. d RL 2004/38/EG). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich die Eigenschaft des Familienangehörigen, dem der aufenthaltsberechtigte Unionsbürger „Unterhalt gewährt“, aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Familienangehörige vom Aufenthaltsberechtigten materiell unterstützt wird, so dass sich bei Vorliegen der umgekehrten Situation, in der - wie hier - dem aufenthaltsberechtigten Unionsbürgerkind vom Staatsangehörigen eines Drittstaats Unterhalt (hier: vom Kläger) gewährt wird bzw. bis zur Untersagung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit wurde, der Drittstaatsangehörige nicht auf die Eigenschaft als Verwandter in aufsteigender Linie, dem der Aufenthaltsberechtigte „Unterhalt gewährt“, im Sinne des Art. 2 Nr. 2 Buchst. d RL 2004/38/EG berufen kann, um in den Genuss eines Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat zu gelangen (vgl. EuGH, U.v. 8.11.2012 - Iida, C-40/11 - juris -Lsu. Rn. 55; U.v. 10.10.2013 - Alokpa, C-86/12 - juris Rn. 25).

II.

Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU analog auf der Grundlage eines aus Art. 21 (1.) oder Art. 20 AEUV (2.) hergeleiteten Rechts auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat.

1. Vorliegend ist der Anwendungsbereich von Art. 21 AEUV eröffnet, denn ein grenzüberschreitender Sachverhalt ist auch dann gegeben, wenn ein Unionsbürger von Geburt an in einem anderen Mitgliedstaat lebt (vgl. EuGH, U.v. 2.10.2003 - Garcia Avello, C-148/02 - juris Rn. 28; Magiera in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 21 Rn. 25 m.w.N.).

Nachdem - wie oben dargelegt (I.) - die Richtlinie 2004/38/EG hier kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten des drittstaatsangehörigen, sorgeberechtigten und die tatsächliche Sorge wahrnehmenden Elternteils eines Unionsbürgerkindes gewährt, ist nach der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs zu klären, ob ein solches Aufenthaltsrecht dennoch aus den Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Unionsbürgerschaft hergeleitet werden kann, insbesondere aus Art. 21 Abs. 1 AEUV, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Der Gerichtshof hat nämlich in bestimmten Fällen anerkannt, dass drittstaatsangehörigen „Familienangehörigen“ eines Unionsbürgers, die zwar aus der Richtlinie 2004/38/EG kein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit dieser Unionsbürger besitzt, herleiten können, dennoch auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 1 AEUV die Anerkennung eines Rechts erreichen können (vgl. EuGH, U.v. 12.3.2014 - O. und B., C-456/12 - juris Rn. 44 ff.; U.v. 10.5.2017 - Chavez-Vilchez u.a., C-133/15 - juris Rn. 54; U.v. 14.11.2017 - Lounes, C-165/16 - juris Rn. 45 ff.; U.v. 5.6.2018 - Coman, C-673/16 - juris Rn. 23 f.; U.v. 27.6.2018 - Altiner u. Ravn, C-230/17 - juris Rn. 27 m.w.N.). Diese Bestimmung gewährt dem drittstaatsangehörigen, für einen Unionsbürger sorgenden Elternteil aber kein eigenständiges, sondern nur ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Denn der Zweck und die Rechtfertigung eines solchen abgeleiteten Rechts beruht darauf, dass seine Nichtanerkennung den Unionsbürger (hier: das Kind des Klägers) in seiner Freizügigkeit beeinträchtigen könnte, weil ihn dies davon abhalten könnte, von seinem Recht Gebrauch zu machen, in den Aufnahmemitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. EuGH, U.v. 8.11.2012 - Iida, C-40/11 - juris Rn. 68; U.v. 8.5.2013 - Ymeraga und Ymeraga-Tafarshiku, C-87/12 - juris Rn. 35; U.v. 10.10.2013 - Alokpa, C-86/12 - juris Rn. 22; U.v. 12.3.2014 - O. und B., C-456/12 - juris Rn. 45). Damit würde dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers jede praktische Wirksamkeit genommen, da der Genuss des Aufenthaltsrechts durch ein minderjähriges Kind notwendigerweise voraussetzt, dass sich die für das Kind tatsächlich sorgende Person bei ihm aufhalten darf und dass es demgemäß dieser Person ermöglicht wird, während des Aufenthalts mit dem Kind zusammen im Aufnahmemitgliedstaat zu wohnen (vgl. EuGH, U.v. 19.10.2004 - Zhu und Chen, C-200/02 - juris Rn. 45; U.v. 10.10.2013 - Alokpa, C-86/12 - juris Rn. 28; U.v. 13.9.2016 - Rendon Marin, C-165/14 - juris Rn. 51).

Dabei dürfen, wie der Gerichtshof wiederholt hervorgehoben hat, die Voraussetzungen für die Gewährung dieses abgeleiteten Aufenthaltsrechts nicht strenger sein als diejenigen, die die Richtlinie 2004/38/EG für einen Drittstaatsangehörigen vorsieht, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Diese Richtlinie ist insofern entsprechend anzuwenden (vgl. EuGH, U.v. 12.3.2014 - O. und B., C-456/12 - juris Rn. 50 und 61; U.v. 10.5.2017 - Chavez-Vilchez u. a., C-133/15 - juris Rn. 54 f.; U.v. 14.11.2017 - Lounes, C-165/16 - juris Rn. 61; U.v. 5.6.2018 - Coman, C-673/16 - juris Rn. 25).

Vorliegend leitet das Unionsbürgerkind des Klägers, welches Referenzperson dafür ist, dass einem drittstaatsangehörigen „Familienangehörigen“ (hier: seinem Vater) ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gewährt werden kann (vgl. EuGH, U.v. 27.6.2018 - Altiner u. Ravn, C-230/17 - juris Rn. 27), sein Aufenthaltsrecht von seiner Mutter ab. Diese ist Arbeitnehmerin im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, da sie ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen seit Mai 2018 (wieder) eine Beschäftigung, d.h. eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt. Die Arbeitnehmereigenschaft ist auch bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB V mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von maximal 450 Euro gegeben (vgl. EuGH, U.v. 3.7.1986 - Lawrie-Blum, C-66/85 - juris Rn. 21; U.v. 21.2.2013 - L.N., C-46/12 - juris Rn. 39 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2019, Bd. IV, § 2 FreizügG/EU Rn. 28 m.w.N.). Ein Rechtsverlust infolge der aktuell schwangerschaftsbedingten Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit ist nicht eingetreten. Auch ansonsten ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Kindesmutter.

Das Unionsbürgerkind ist als Verwandter in gerader absteigender Linie, das das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Familienangehöriger im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 bzw. des Art. 2 Nr. 2 Buchst. c RL 2004/38/EG, welcher ein Recht auf Aufenthalt hat, weil er einen Unionsbürger, der die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 des Buchstabens a), b) oder c) erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht (s. Art. 7 Abs. 1 Buchst. d RL 2004/38/EG; § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU). Dabei ist der Begriff „begleiten oder ihm nachziehen“ dahingehend auszulegen, dass er sowohl die Familienangehörigen eines Unionsbürgers umfasst, die mit diesem in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, als auch diejenigen, die sich mit ihm dort aufhalten, ohne dass im letztgenannten Fall danach zu unterscheiden wäre, ob die Drittstaatsangehörigen vor oder nach dem Unionsbürger oder bevor oder nachdem sie dessen Familienangehörige wurden, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind (vgl. EuGH, U.v. 25.7.2008 - Metock, C-127/08 - juris -Ls-; zum Begriff des „Begleitens“ vgl. auch BVerwG, U.v. 28.3.2019 - 1 C 9.18 - juris Rn. 20 ff.). Demzufolge ist von einem „Nachziehen“ im Sinne der vorgenannten Vorschriften auch im Falle der Geburt eines Familienangehörigen in dem Aufnahmemitgliedstaat, in dem der Unionsbürger wohnt und arbeitet, auszugehen (vgl. 6. Erwägungsgrund zur „Einheit der Familie“).

Die Familienangehörigen sind - unabhängig von ausreichenden Existenzmitteln und Krankenversicherungsschutz, wie sich im Umkehrschluss zu § 3 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU ergibt - solange freizügigkeitsberechtigt, wie der abhängig beschäftigte Unionsbürger nicht aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist (vgl. OVG Saarl, B.v. 5.10.2016 - 2 D 148/16 - juris Rn. 12; Oberhäuser in NK-Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 3 FreizügG/EU Rn. 23; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2019, Bd. IV, § 3 FreizügG/EU Rn. 4 ff.). Anhaltspunkte für eine Beendigung des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses der Kindesmutter liegen - wie oben dargelegt - nicht vor und sind auch nicht vorgetragen.

Ist aber die Referenzperson, von der der Kläger als drittstaatsangehöriger und die tatsächliche Sorge ausübender Elternteil ein Aufenthaltsrecht ableiten möchte, selbst (akzessorisch) und unabhängig von ausreichenden Existenzmitteln und Krankenversicherungsschutz freizügigkeitsberechtigt, so kann es - entgegen der Auffassung des Erstgerichts - folglich weder entscheidend darauf ankommen, ob jene durch den drittstaatsangehörigen und tatsächlich sorgenden Elternteil über die erforderlichen Mittel verfügt, noch welche weiteren Anforderungen an deren „Herkunft“ gestellt werden können (siehe hierzu: EuGH, U.v. 19.10.2004 - Zhu u. Chen, C-200/02 - juris Rn. 30 f.; U.v. 16.7.2015 - Singh u.a., C-218/14 - juris Rn. 74 f. zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG). Die insofern vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs betreffen andere Sachverhaltskonstellationen, weil dort das Kind, für den ein drittstaatsangehöriger Elternteil die tatsächliche Sorge wahrnimmt, selbst keine von dem anderen Elternteil abgeleitete Freizügigkeitsberechtigung hat und demgemäß nur vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen, insbesondere der unter Art. 7 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/38/EG aufgestellten Voraussetzungen, dem drittstaatsangehörigen Elternteil ein abgeleitetes Recht aus Art. 21 AEUV vermitteln kann (vgl. EuGH, U.v. 10.10.2013 - Alokpa, C-86/12 - juris Rn. 28 ff.; U.v. 30.6.2016 - NA, C-115/15 - juris Rn. 76 - 79; U.v. 13.9.2016 - Rendon Marin, C-165/14 - juris Rn. 51 f.). In all diesen Fällen war der jeweils andere, nicht drittstaatsangehörige Elternteil unbekannten Aufenthalts (EuGH, U.v. 13.9.2016 - Rendon Marin, C-165/14 - juris Rn. 15), hatte kein Sorgerecht mehr für das Unionsbürgerkind (EuGH, U.v. 30.6.2016 - NA, C-115/15 - juris Rn. 20) bzw. nie ein gemeinsames Familienleben mit diesem geführt (EuGH, U.v. 10.10.2013 - Alokpa, C-86/12 - juris Rn. 15 und 18).

Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten des drittstaatsangehörigen „Familienangehörigen“ eines Unionsbürgers besteht zudem grundsätzlich nur dann, wenn es erforderlich ist, damit dieser Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit wirksam ausüben kann. Zu diesen Rechten gehört auch jenes, im Aufnahmemitgliedstaat ein normales Familienleben zu führen, in dem sie dort mit ihren „Familienangehörigen“ zusammenleben (vgl. EuGH, U.v. 14.11.2017 - Lounes, C-165/16 - juris Rn. 48 und 52; U.v. 5.6.2018 - Coman, C-673/16 - juris Rn. 24 und 32 jew. m.w.N.). Aus Gründen der „praktischen Wirksamkeit der Rechte des Unionsbürgers aus Art. 21 AEUV“ (hier: des Kindes) ist ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für den drittstaatsangehörigen, die tatsächliche Sorge wahrnehmenden Elternteil aber dann nicht geboten, wenn das Führen eines „normalen Familienlebens“ auch durch Gewährung eines nationalen Aufenthaltsrechts erreicht werden kann. Die Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels zugunsten des Klägers würde das Recht des Unionsbürgerkindes auf Führen eines „normalen Familienlebens im Aufnahmemitgliedstaat“ im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, mithin die praktische Wirksamkeit („effet utile“, s. hierzu: EuGH, U.v. 6.10.1970 - Grad, C-9/70 - juris; U.v. 4.12.1974 - van Duyn, C-41/74 - juris; Potacs, EuR, 2009, 465 ff.) des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgerkindes nicht beinträchtigen.

Als Aufenthaltsrecht kommt in der vorliegenden Konstellation insbesondere eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht. Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. In der Rechtsprechung wird der Begriff der „rechtlichen Unmöglichkeit“ auch für die Wertungen des in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen Schutzauftrages zugänglich gemacht, sodass bei der Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG entsprechend dem Gewicht der familiären Bindungen diese zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 29.9.2005 - 10 CE 05.2067 - juris Rn. 5; B.v. 3.7.2007 - 24 ZB 07.434 - juris Rn. 10; B.v. 20.11.2012 - 10 C 12.491 - juris Rn. 8; B.v. 6.11.2013 - 10 C 12.2355 - juris Rn. 5 ff.; U.v. 11.3.2014 - 10 B 11.978 - juris Rn. 30 ff.; B.v. 30.8.2018 - 10 C 18.1497 - juris Rn. 25 f.). Zwar hat der Kläger (derzeit) keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Auch wurde im Rahmen der nachträglichen Verkürzung der dem Kläger zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 22. Februar 2017 ein Anspruch auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltsrechts (noch) verneint. Allerdings hat sich die Sachlage mit Geburt des (ersten) Kindes grundlegend geändert. So spricht nunmehr für den Erhalt eines solchen Aufenthaltstitels zum einen schon, dass der Beklagte spätestens mit Erteilung (und Verlängerung) der Duldung für den Kläger ab dem 11. Juli 2018 die Unmöglichkeit seiner Abschiebung aus rechtlichen Gründen - wenn auch auf andere Weise - dokumentiert hat. Hieran dürfte sich schon im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Geburt eines weiteren gemeinsamen Kindes des Klägers und seiner Lebensgefährtin nichts ändern. Zum anderen hat der Beklagte die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG in der mündlichen Verhandlung in Aussicht gestellt bzw. zugesagt (s. Sitzungsprotokoll v. 24.6.2019, S. 4 und 6). Auch dürften der Erteilung eines Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG entgegenstehen. § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sieht eine Dispensierung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG von den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG nach Ermessen der Ausländerbehörde vor. Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann bzw. muss die Unmöglichkeit der Ausreise im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG Berücksichtigung finden (vgl. BayVGH, B.v. 29.8.2016 - 10 AS 16.1602 - Rn. 24; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2019, § 25 Rn. 150 m.w.N.). Insbesondere dürften die vom Kläger zwischen 2004 im 2015 begangenen Straftaten kein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG mehr begründen, weil diese im Hinblick auf die früheren ausländerrechtlichen Entscheidungen, hier die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis am 16. April 2016, (wohl) als verbraucht anzusehen sind.

Für die Gewährleistung der „praktischen Wirksamkeit“ des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgerkindes bedarf es nach Auffassung des Senats auch nicht eines, wie dies der Kläger wohl begehrte, rückwirkend erteilten nationalen Aufenthaltstitels (s. hierzu Sitzungsprotokoll v. 24.6.2019, S. 4 a.E.). Der Kläger hat bislang aber die Erteilung eines nationalen Aufenthaltsrechts nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht beantragt, weshalb er nicht das Fehlen eines Aufenthaltsrechts bzw. -titels einwenden kann.

Demzufolge führt vorliegend die Nichtanerkennung eines aus Art. 21 AEUV abgeleiteten Aufenthaltsrechts für den Kläger aufgrund der möglichen Gewährung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht dazu, dass dies den Unionsbürger (hier: das Kind des Klägers) in seiner Freizügigkeit beeinträchtigen würde, weil es ihn nicht davon abhalten würde, von seinem Recht Gebrauch zu machen, in den Aufnahmemitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Das Recht auf Führen eines „normalen Familienlebens“ im Aufnahmemitgliedstaat aus Art. 21 AEUV würde auch mit Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels sichergestellt, so dass sich mangels Vorliegens eines Kollisionsfalls die Frage des sog. Anwendungsvorrangs, der Einheit und der Wirksamkeit des Unionsrechts (siehe hierzu: EuGH, U.v. 15.7.1964 - Costa/ENEL, C-6/64 - Slg. 10, 1251/1269 f.; U.v. 26.2.2013 - Melloni, C-399/11 - juris Rn. 59 m.w.N.) hier erst gar nicht stellt (vgl. BVerfG, B.v. 13.8.2009 - 2 BvR 471/09 - juris Rn. 9).

2. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 20 AEUV.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend zum Bestehen eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts gemäß Art. 20 AEUV ausgeführt hat, verleiht diese Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt, den Status eines Unionsbürger und damit das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen und Maßnahmen zu ihrer Durchführung frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl. EuGH, U.v. 7.10.2010 - Lassal, C-162/09 - juris Rn. 29, U.v. 16.10.2012 - Ungarn/Slowakei, C-364/10 - Rn. 43; U.v. 30.6.2016 - NA, C-115/15 - juris Rn. 70 m.w.N.; U.v. 13.9.2016 - Rendon Marin, C-165/14 - juris Rn. 69 f.). Art. 20 AEUV steht nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird (EuGH, U.v. 8.3.2011 - Ruiz Zambrano, C-34/09 - juris -Lsu. Rn. 42 m.w.N.; U.v. 10.5.2017 - Chavez-Vilchez u. 8 andere, C-113/15 - juris Rn. 61). Die Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft verleihen Drittstaatsangehörigen dagegen keine eigenständigen Rechte (EuGH, U.v. 8.11.2012 - Iida, C-40/11 - juris Rn. 66; U.v. 8.5.2013 - Ymeraga und Ymeraga-Tafarshiku, C-87/12 - juris Rn. 35).

Insoweit dürfte, wie das Erstgericht zutreffend dargelegt hat, dem Kläger im Falle einer Verweigerung eines abgeleiteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat ein Recht zustehen, sein Kind und die Kindesmutter in deren Herkunftsstaat (hier: Ungarn) zu begleiten. Es ist auch im Berufungsverfahren nichts dafür vorgetragen worden oder sonst ersichtlich, weshalb dies dem Kläger unmöglich oder unzumutbar sein könnte. Jedenfalls würde die Versagung eines abgeleiteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts grundsätzlich nicht zu Folge haben, dass sein Kind, von dem er sein Aufenthaltsrecht ableiten möchte, de facto gezwungen wäre, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehöriger er ist, sondern das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. Seinem Kind würde damit auch nicht die Möglichkeit genommen, den Kernbestand der aus dem Unionsbürgerstatus folgenden Rechte tatsächlich in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH, U.v. 10.10.2013 - Alokpa, C-86/12 - juris Rn. 34 f.; U.v. 30.6.2016 - NA, C-115/15 - juris Rn. 72; U.v. 10.5.2017 - Chavez-Vilchez u. 8 andere, C-113/15 - juris Rn. 69, 78 f.), wobei vorliegend hinzukommt, dass aufgrund der Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels (s.o.) im Falle der Versagung eines abgeleiteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts weder eine Verpflichtung zum Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates noch der Union als Ganzes im Raume steht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff., § 711 ZPO.

IV.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für den drittstaatsangehörigen, die tatsächliche Sorge wahrnehmenden Elternteil eines Unionsbürgers ausscheidet, wenn die praktische Wirksamkeit des Freizügigkeits- bzw. der Kernbestand des Unionsbürgerschaftsrechts aus Art. 21 Abs. 1 bzw. 20 AEUV durch die Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels - etwa nach § 25 Abs. 5 AufenthG - gewährleistet wird.

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. Mai 2019 - 10 BV 18.281

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. Mai 2019 - 10 BV 18.281

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 25. Mai 2019 - 10 BV 18.281 zitiert 15 §§.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels


(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 36 Nachzug der Eltern und sonstiger Familienangehöriger


(1) Den Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative, eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nac

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 7 Versicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung


(1) Wer eine geringfügige Beschäftigung nach §§ 8, 8a des Vierten Buches ausübt, ist in dieser Beschäftigung versicherungsfrei; dies gilt nicht für eine Beschäftigung 1. im Rahmen betrieblicher Berufsbildung,2. nach dem Jugendfreiwilligendienstegeset

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Tenor Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

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(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Den Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative, eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt, ist abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1 und § 29 Absatz 1 Nummer 2 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält.

(2) Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Auf volljährige Familienangehörige sind § 30 Abs. 3 und § 31, auf minderjährige Familienangehörige ist § 34 entsprechend anzuwenden.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

III. In Abänderung von Nr.

III. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. September 2018 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller verfolgt mit seinen Beschwerden sein Begehren auf vorläufige Gestattung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Duldung sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren weiter.

Der Antragsteller, ein 1976 geborener kosovarischer Staatsangehöriger, erhielt nach seiner letzten Einreise Ende Mai 2015 in das Bundesgebiet und nach Stellung eines Asylfolgeantrags Anfang Juni 2015 am 15. April 2016 erstmals eine bis 14. April 2018 befristete Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 22. Februar 2017, der eine Abschiebungsandrohung enthielt, befristete der Antragsgegner im Hinblick auf die zwischenzeitlich beendete eheliche Lebensgemeinschaft die Aufenthaltserlaubnis nachträglich zum 1. März 2017. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos (VG Augsburg, B.v. 1.8.2017 - Au 6 S 17.433). Das Klageverfahren wurde nach Klagerücknahme mit Beschluss vom 20. November 2017 eingestellt (Au 6 K 17.432).

Der Antragsteller ist seit 6. Juli 2017 Vater eines im Bundesgebiet geboren Kindes ungarischer Staatsangehörigkeit, für das er mit der ebenfalls ungarischen Mutter das gemeinsame Sorgerecht ausübt; alle drei wohnen in familiärer Lebensgemeinschaft.

Am 1. August 2017 beantragte der Antragsteller die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgerkindes analog § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU. Am 2. Oktober 2017 erhob er entsprechende Klage auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstellung der Aufenthaltskarte. Mit Urteil vom 20. Dezember 2017 (Au 6 K 17.1538) verpflichtete das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg den Antragsgegner, dem Antragsteller die begehrte Aufenthaltskarte auszustellen. Gegen das Urteil hat der Antragsgegner die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt (10 BV 18.281), über die noch nicht entschieden ist. Eilanträge des Antragstellers auf vorläufige Feststellung, dass er ohne vorherige Zustimmung der Ausländerbehörde zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet berechtigt sei, sowie darauf, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig eine Bescheinigung analog § 4 Abs. 2 AufenthG oder analog § 5 Abs. 1 FreizügG/EU auszustellen, blieben erfolglos (siehe BayVGH, B.v. 15.3.2018 - 10 CS 17.2378 u.a.).

Am 11. Juli 2018 erteilte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Duldung, lehnte aber mit Bescheid vom 17. Juli 2018 die Gestattung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch Eintragung einer Nebenbestimmung „Erwerbstätigkeit gestattet“ ab.

Der vom Antragsteller daraufhin beantragte Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO, wonach der Antragsgegner vorläufig verpflichtet wird, unter Abänderung der entgegenstehenden Nebenbestimmung in die Duldung die Nebenbestimmung „Erwerbstätigkeit gestattet“ aufzunehmen, wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. September 2018 abgelehnt. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf vorläufige Gestattung einer Erwerbstätigkeit auf der Grundlage der ihm erteilten Duldung nicht glaubhaft gemacht. Er besitze keinen Aufenthaltstitel, der ihn zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtige. Da das Aufenthaltsgesetz keine günstigere Rechtsstellung vermittle als die Vorschriften des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), führe auch das Meistbegünstigungsprinzip nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU zu keinem anderen Ergebnis. Schließlich habe der Antragsteller auch nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf vorläufige Gestattung der Erwerbstätigkeit auf Grundlage eines Anspruchs auf Ausstellung bzw. Erteilung einer Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU inne zu haben, da insoweit der Ausgang des Berufungsverfahrens, in dem die Rechtsfragen inmitten stünden, welche Bedeutung der Herkunft der dem Kind vom Antragsteller bisher zur Verfügung gestellten Existenzmittel beizumessen sei und ob sein Kind darauf verwiesen werden könne, mit der Mutter und dem Antragsteller das Bundesgebiet zu verlassen und nach Ungarn überzusiedeln, noch offen seien.

Zur Begründung seiner Beschwerden trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass durch die Ablehnung der Gestattung der Erwerbstätigkeit in das Freizügigkeitsrecht des Unionsbürgerkindes des Antragstellers, für das dieser personensorgeberechtigt sei und mit dem er zusammenlebe, sowie mittelbar auch in das Freizügigkeitsrecht der Kindesmutter unzulässig eingegriffen werde. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hätten Eltern eines Unionsbürgerkindes ein Recht zum Aufenthalt mit und bei ihrem Kind. Das Freizügigkeitsrecht des Unionsbürgerkindes würde einen geringeren Schutz entfalten, wenn es den Aufnahmemitgliedstaat verlassen müsste, weil dort mangels Gestattung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit der Unterhalt nicht gesichert sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Ausländerakten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerden sind zulässig, bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Das erkennbare Rechtsschutzziel des Antragstellers (§ 88 VwGO) ist darauf gerichtet, auf Grundlage seiner Duldung einer (nachweisbar) erlaubten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet auch schon vor rechtskräftiger Feststellung der geltend gemachten, von seinem ungarischen Kind abgeleiteten Freizügigkeit nachgehen zu können, um dessen und seinen eigenen Unterhalt sichern zu können.

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht eine vorläufige Regelung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO abgelehnt. Die vom Antragsteller in seiner Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen weder die Aufhebung noch eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Insofern erscheint bereits fraglich, ob mit dem Vorbringen dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprochen wurde, weil sich die Beschwerdebegründung mit einer allgemeinen Darstellung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Aufenthaltsrecht und damit einhergehend zum Recht auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit begnügt, ohne auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene rechtliche Würdigung einzugehen. Eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung verlangt aber, dass der Beschwerdeführer unter Aufgreifen dieser Gründe aufzeigt, weshalb die Entscheidung aus seiner Sicht überprüfungsbedürftig ist (vgl. BayVGH, B.v. 14.6.2016 - 10 CS 16.638 - juris Rn. 5 m.w.N.); im vorliegenden Fall wäre daher erforderlich gewesen, konkret darzulegen, weshalb die auch im vorliegenden Verfahren inmitten stehenden Rechtsfragen im Hinblick auf das noch offene Berufungsverfahren 10 BV 18.281 mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Antragstellers zu beantworten wären.

Ungeachtet dessen hat, sofern von einer Erfüllung des Darlegungserfordernisses und damit von einer zulässigen Beschwerde ausgegangen wird, der Antragsteller keinen Anspruch auf (vorläufige) Gestattung einer Erwerbstätigkeit zur Duldung. Mithin ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis begründet, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs spricht (BVerfG, B.v. 28.9.2009 - 1 BvR 1702/09 - juris Rn. 15, 24; BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 7 CE 13.2063 - juris; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 123 Rn. 74 f. m.w.N.) und ein Anordnungsgrund gegeben ist. Voraussetzung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist daher grundsätzlich, dass hinsichtlich der Hauptsache überwiegende Erfolgsaussichten bestehen (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 123 Rn. 23 f.). Dabei muss unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Grundrechte der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass kein Anordnungsanspruch besteht, umso höher sein, je schwerwiegender die drohenden Nachteile und je weniger wahrscheinlich ihre Rückgängigmachung im Falle eines späteren Obsiegens sind (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 123 Rn. 94; BVerfG, B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - juris).

Dies zugrunde gelegt ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die begehrte Gestattung der Erwerbstätigkeit abgelehnt hat, weil der Antragsteller keinen Aufenthaltstitel besitzt, der ihn hierzu berechtigt. Der Antragsteller hat derzeit keine Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, welche ihm die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlauben würde. Die ausländerrechtliche Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit endete spätestens mit Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 1. August 2017 (Au 6 S 17.433), mit dem der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den für sofort vollziehbar erklärten Befristungsbescheid vom 22. Februar 2017 abgelehnt wurde (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

Soweit das Verwaltungsgericht die vorläufige Gestattung einer Erwerbstätigkeit auf der Grundlage eines Anspruchs auf Ausstellung bzw. Erteilung einer Aufenthaltskarte (analog § 5 Abs. 1 FreizügG/EU) abgelehnt hat, weil ein Anspruch hierauf nicht mit der nach den oben dargestellten Maßgaben notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht wurde, ist dem der Antragsteller - wie oben dargelegt - mit der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Wie der Senat bereits in den Beschwerdeverfahren betreffend u.a. das Begehren des Antragstellers auf (vorläufige) Ausstellung einer Bescheinigung analog § 5 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU entschieden hat (s. hierzu B.v. 15.3.2018 - 10 CS 17.2378, 10 CE 110 CE 17.2379 und 10 C 1710 C 17.2380 - juris Rn. 15 ff.), können die auch im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidungserheblichen Fragen, insbesondere welche Rolle die Herkunft der Existenzmittel spielt, die der Antragsteller dem Kind bisher zur Verfügung gestellt hat, und ob dessen Mutter und das gemeinsame Kind darauf verwiesen werden können, das Bundesgebiet zu verlassen und nach Ungarn überzusiedeln, nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Antragstellers beantwortet werden.

2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten (Nr. IV. des angefochtenen Beschlusses v. 4.9.2018) bleibt ebenfalls erfolglos. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den oben dargelegten Gründen schon zum für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung unter Abänderung des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG. Geduldeten Ausländern ist es im Ausgangspunkt nicht gestattet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, solange ihnen dies nicht durch einen Einzelakt der Ausländerbehörde erlaubt wird (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand April 2019, § 60a Rn. 67). Duldungsinhabern wird der Zugang zu einer Beschäftigung durch einen ausdrücklichen Zulassungsakt, der Beschäftigungserlaubnis eröffnet (vgl. § 32 BeschV). Der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren gegen die Versagung der Erlaubnis zur Beschäftigung beträgt demgemäß § 52 Abs. 2 GKG 5.000 Euro pro Person (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2018 - 10 CE 18.738 - juris Rn. 10; VGH BW, U.v. 10.7.2017 - 11 S 695/17 - juris Rn. 40; SächsOVG, B.v. 25.5.2016 - 3 E 54/16 - juris Rn. 4). Im Verfahren über den einstweiligen Rechtschutz wird in der Regel, sofern nicht von der Vorwegnahme der Hauptsache auszugehen ist, der hälftige Wert zugrunde gelegt (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Da für die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt, ist insoweit eine Streitwertfestsetzung entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Wer eine geringfügige Beschäftigung nach §§ 8, 8a des Vierten Buches ausübt, ist in dieser Beschäftigung versicherungsfrei; dies gilt nicht für eine Beschäftigung

1.
im Rahmen betrieblicher Berufsbildung,
2.
nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz,
3.
nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz.
§ 8 Abs. 2 des Vierten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß eine Zusammenrechnung mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung nur erfolgt, wenn diese Versicherungspflicht begründet.

(2) Personen, die am 30. September 2022 in einer mehr als geringfügigen Beschäftigung versicherungspflichtig waren, welche die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 oder § 8a des Vierten Buches in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches in der ab dem 1. Oktober 2022 geltenden Fassung erfüllt, bleiben in dieser Beschäftigung längstens bis zum 31. Dezember 2023 versicherungspflichtig, sofern sie nicht die Voraussetzungen für eine Versicherung nach § 10 erfüllen und solange ihr Arbeitsentgelt 450 Euro monatlich übersteigt. Sie werden auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht nach Satz 1 befreit. § 8 Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Zeitpunkts des Beginns der Versicherungspflicht der 1. Oktober 2022 tritt.

(3) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

Tenor

Den Beschwerdeführern wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. November 2012 - VG 5 K 23/11.A - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Cottbus zurückverwiesen.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2013 - OVG 3 N 5.13 - wird damit gegenstandslos.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,- € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG zugunsten einer afghanischen Familie.

2

1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Der 1981 geborene Beschwerdeführer zu 1. und die 1987 geborene Beschwerdeführerin zu 2. reisten im Jahr 2009 in das Bundesgebiet ein, die im März 2011 geborene Beschwerdeführerin zu 3. ist ihr gemeinsames Kind. Die Asylanträge der miteinander verheirateten Beschwerdeführer zu 1. und 2. wurden als unbegründet abgelehnt.

3

2. Mit ihren hiergegen gerichteten Klagen machten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. geltend, in Kandahar von den Taliban mit dem Tode bedroht worden zu sein. Weder in ihrer Heimatregion Kandahar noch in einer sonstigen Provinz Afghanistans könne derzeit eine Familie mit Kleinkind ihre Existenz sichern, wenn sie nicht durch einen Familienverband abgesichert und aufgefangen werde. Auch litten die Beschwerdeführer zu 1. und 2. an Erkrankungen, die in Deutschland behandelt werden müssten.

4

3. Das Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klagen durch Urteil vom 6. November 2012 zurück. Die Beschwerdeführer zu 1. und 2. hätten keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Beschwerdeführer zu 1. könne hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung durch die Taliban auf Kabul als inländische Fluchtalternative verwiesen werden. Von ihm könne vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in Kabul aufhalte, da davon auszugehen sei, dass er dort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde und insbesondere das Existenzminimum gesichert sei. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige bestehe auch ohne familiären Rückhalt die Möglichkeit, als Tagelöhner mit Aushilfsjobs ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Der Beschwerdeführer zu 1. gehöre zu dieser Personengruppe, da er sich um den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. nicht kümmern müsse. Diese könnten in die Heimatregion Kandahar zurückkehren, da ihnen dort keine Verfolgung oder sonst zu berücksichtigende Gefahr drohe. Denn die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. verfügten in Kandahar über familiären Rückhalt, der insoweit an die Stelle des Beschwerdeführers zu 1. treten könne. Es sei auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die vorgetragenen Erkrankungen der Beschwerdeführer zu 1. und 2. im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund zielstaatsbezogener Umstände wesentlich verschlimmern würden.

5

4. Im Berufungszulassungsverfahren rügten die Beschwerdeführer zu 1. und 2., das Verwaltungsgericht habe gegen den in Art. 23 der so genannten Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG) niedergelegten Grundsatz der Wahrung des Familienverbandes verstoßen, indem es den Beschwerdeführern zumute, dauerhaft voneinander getrennt in Kabul und Kandahar leben zu müssen. Auch habe das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verletzt, indem es unterstellt habe, die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. könnten ohne Probleme nach Kandahar zurückkehren und würden dort von den Eltern der Beschwerdeführerin zu 2. aufgenommen. Weder habe das Verwaltungsgericht entsprechende Fragen an die Beschwerdeführer gerichtet, noch hätten diese von sich aus darauf eingehen müssen, da die vom Verwaltungsgericht im Urteil zugrundegelegte Trennung der Beschwerdeführer überraschend gewesen sei. Auch die Ablehnung der Beweisanträge hinsichtlich der geltend gemachten Erkrankungen verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.

6

5. Mit Beschluss vom 24. Januar 2013 lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Dass das Verwaltungsgericht Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie nicht berücksichtigt habe, weise höchstens auf eine materiell unrichtige Entscheidung hin, lasse jedoch nicht erkennen, warum die Vorschrift bei der Entscheidung über ein Abschiebungsverbot für eine Familie mit Kleinkind über den Einzelfall hinaus bedeutsam sei und ihre Reichweite im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfe. Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht werde vom Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG nicht erfasst. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführer könnten sich trennen, sei keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass die Ablehnung der erstinstanzlich gestellten Beweisanträge nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.

7

6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG geltend, weil das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung überspannt habe. Es stelle sowohl im Hinblick auf Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie als auch hinsichtlich Art. 6 GG und Art. 8 EMRK eine abstrakte Frage dar, ob eine aufenthaltsbeendende Entscheidung in Kauf nehmen dürfe, dass eine Familie dauerhaft getrennt leben müsse. Das Verwaltungsgericht habe gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, indem es in seinem Urteil von der Zumutbarkeit einer Trennung der Beschwerdeführer ausgegangen sei, ohne vorab auf diese Rechtsansicht hinzuweisen. Dadurch hätten die Beschwerdeführer keine Gelegenheit gehabt, eingehender zu ihrer familiären Situation vorzutragen und gegebenenfalls Beweisanträge zu einzelnen Fragen des Überlebens alleinstehender Frauen in Kandahar zu stellen. Mit ihren Entscheidungen verstießen die Gerichte schließlich gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Bei einer Abschiebung, die eine dauerhafte Trennung der Beschwerdeführer zur Folge habe, hätte eine Abwägung mit ihren familiären Belangen stattfinden müssen. Daran fehle es.

8

7. Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

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1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, obwohl sie nicht innerhalb der in § 93 Abs. 1 BVerfGG geregelten Monatsfrist eingelegt und begründet worden ist. Den Beschwerdeführern war insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu gewähren. Sie haben innerhalb der Frist des § 93 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG glaubhaft gemacht, dass sie das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben haben, dass es bei normalem Verlauf der Dinge das Bundesverfassungsgericht fristgerecht hätte erreichen können. Die Verzögerung der Briefbeförderung durch die Deutsche Post AG darf den Beschwerdeführern nicht als Verschulden zugerechnet werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 -, NJW 2003, S. 1516).

11

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG.

12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81 <93>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Be-schluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, S. 171 <173>; BVerfGK 2, 190 <194>), auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S. 67 <68>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

13

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. BVerfGK 7, 49 <56>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, S. 682 <683>).

14

Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes umfassend zu berücksichtigen. Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>). Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfGK 14, 458 <465>).

15

b) Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Bei der nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu erstellenden Gefahrenprognose ist das Verwaltungsgericht von getrennten Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer in Afghanistan ausgegangen. Es hat den Beschwerdeführer zu 1. der Personengruppe der alleinstehenden, arbeitsfähigen Männer zugeordnet, denen Kabul als inländische Fluchtalternative offensteht, während es für die Beschwerdeführerinnen zu 2. und 3. eine Rückkehr in die Heimatprovinz Kandahar als zumutbar erachtet hat. Obwohl das Verwaltungsgericht damit seiner Entscheidung zugrunde legt, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan ihr künftiges Leben getrennt voneinander führen müssen, fehlt in dem Urteil jede Auseinandersetzung mit den aus Art. 6 GG folgenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung. Dies zeigt, dass sich das Verwaltungsgericht des Einflusses des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie auf die Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerwGE 90, 364 <369 f.>, zur vergleichbaren früheren Rechtslage) nicht bewusst gewesen ist.

16

c) Das angegriffene Urteil beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, den Beschwerdeführern günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gegenstandslos. Seiner Aufhebung bedarf es nicht, weil von ihm insoweit keine selbstständige Beschwer ausgeht (vgl. BVerfGE 14, 320 <324>; 76, 143 <170>). Auf das Vorliegen der weiteren gerügten Verfassungsverstöße kommt es nicht an.

III.

17

Mit dieser Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

IV.

18

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

I.

Unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Januar 2010 wird der Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 25. Juli 1976 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er reiste am 21. Dezember 2002 als Asylsuchender in das Bundesgebiet ein. Im Asylverfahren hat er angegeben, nur ca. acht Monate die Schule besucht zu haben und lediglich seinen Namen schreiben und lesen zu können. Er habe in Indien in der Landwirtschaft gearbeitet. Sein Asylbegehren wurde im Juli 2004 rechtskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt. In der Folgezeit wurde der Kläger geduldet, da er über keine Reisepapiere verfügte. Seinen Lebensunterhalt hat der Kläger durch seine jeweils gestattete Erwerbstätigkeit in verschiedenen indischen Restaurants gesichert.

Am 7. November 2004 wurde der deutsche Sohn des Klägers geboren, für den er am 2. Februar 2005 die Vaterschaft anerkannt hat. Der Sohn M. lebt bei der Mutter. Von November 2004 bis März 2005 hatte der Kläger keinen Kontakt zu seinem Kind, da die Kindsmutter in diesem Zeitraum noch verheiratet war. Seit März 2005 fand zunächst regelmäßig alle 14 Tage ein begleiteter Umgang in den Räumen der Frauenbörse statt. Später folgten unbegleitete Treffen zwischen Vater und Sohn.

Am 19. Oktober 2005 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu seinem Kind. Er legte unter anderem eine Unterhaltsverpflichtungsurkunde vom 29. August 2005 vor. Sein Bevollmächtigter gab an, dass der Kläger das Kind bei der Mutter wöchentlich mindestens einmal besuche, mit dem Kind spiele und das Kind sich auf den Vater freue. Die Mutter wolle keinesfalls, dass ihr Sohn ohne Vater aufwachse.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 und vom 7. Dezember 2005 wiederholten die Bevollmächtigten des Klägers den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

In der Folgezeit kam es zu unterschiedlichen Aussagen des Klägers und der Kindsmutter über das Verhältnis des Klägers zu seinem Sohn. Während der Kläger angab, die Kindsmutter sei von Anfang an nicht an einer Beziehung mit dem Kläger, sondern allein an einer Schwangerschaft interessiert gewesen und wolle letztendlich keinen Kontakt des Klägers zu seinem Kind, erklärte die Mutter des gemeinsamen Sohnes, der Kläger sei ausschließlich an einer Aufenthaltserlaubnis interessiert. Er habe trotz aller Bemühungen keine Beziehung zum Sohn aufbauen können und nehme nur unbeteiligt an verschiedenen Kursen zusammen mit dem Sohn teil. Ihr Sohn fühle es, dass der Kläger an ihm nicht interessiert sei und reagiere auf die Umgangskontakte mit Albträumen, Durchfall und Ohrenschmerzen. Sie wolle daher den Umgang einschränken. Der Kläger sei letztendlich nur in das Bundesgebiet eingereist, um hier Geld zu verdienen. Er habe bereits größere Summen nach Indien geschickt. Er verdiene nämlich mehr, als er offiziell angebe.

Nachdem die Kindsmutter im Herbst 2006 den Umgang einstellen wollte, ließ der Kläger Klage zum Familiengericht erheben. Im Verfahren vor dem Amtsgericht München (Az. 533 F 10973/06) schlossen der Kläger und die Kindsmutter eine Vereinbarung über einen begleiteten Umgang des Klägers mit seinem Sohn bei der Vereinigung iaf. Nach sechs Monaten bzw. bei Scheitern des Umgangs seien dem Gericht Berichte über den Erfolg des Umgangs vorzulegen.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften - iaf e.v. - bestätigte mit Schreiben vom 21. Juli 2008, dass der Kläger seit dem 27. Juni 2008 beim Verein in Beratung sei und diese Beratungen gemeinsam mit der Kindsmutter stattfänden. Der Kläger habe mit seinem Sohn regelmäßigen Kontakt in Form eines begleiteten Umgangs. Die Beziehung zwischen dem Kläger und seinem Kind sei sehr liebevoll. Der Kläger sei als Vater in einer vorbildlichen Weise fürsorglich und gestalte die Besuchszeiten entsprechend den Bedürfnissen und dem Wohl des Kindes.

Das zuständige Jugendamt nahm mit Schreiben vom 16. Januar 2009 gegenüber der Ausländerbehörde Stellung und teilte mit, dass sich der Kläger und die Kindsmutter nunmehr auf einen Umgang im privaten Umfeld geeinigt hätten, welcher seit Monaten regelmäßig stattfinde. Der Kontakt zwischen dem Kläger und seinem Sohn habe sich langsam angebahnt und befinde sich nun auf einem guten Weg, eine stabile Bindung zu werden. Es wäre für den Sohn sicherlich ein großer Verlust, wenn er durch die Abschiebung des Klägers aus Deutschland den Kontakt zu diesem eventuell für immer verliere. Eine Fortführung des Umgangs zwischen dem Kläger und seinem Sohn sei für die psychosoziale Entwicklung des Sohnes langfristig von großer Bedeutung.

Im Februar 2009 bat die Ausländerbehörde sowohl die Kindsmutter als auch das zuständige Jugendamt nochmals um Stellungnahme zur Vater-Kind-Beziehung. Die Kindsmutter führte aus: „Der Umgang findet in geregelter Art und Weise statt“. Sie wisse nicht, was sie sonst noch dazu schreiben solle. Sie bitte, die Ausländerangelegenheit mit dem Kläger persönlich zu klären. Das Jugendamt äußerte sich nicht.

Mit Schriftsatz vom 3. März 2009 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragen, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach anfänglichen Schwierigkeiten und nach Einschaltung des Familiengerichts habe der Kläger inzwischen eine stabile Beziehung zu seinem Kind aufbauen können. Es finde ein regelmäßiger Umgang statt. Der Kläger habe auch von Anfang an Unterhalt für das Kind bezahlt. Hilfsweise komme eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Nachdem keine familiäre Gemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem Kind bestehe und auch zukünftig nicht beabsichtigt sei, komme eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nicht in Betracht. Im Übrigen sei der Kläger ein abgelehnter Asylbewerber, weshalb der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG auch § 10 Abs. 3 AufenthG entgegenstehe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 14. Januar 2010 wurde der Kläger zum Umgang mit seinem Sohn vernommen. Diesen treffe er alle zwei Wochen für etwa drei bis vier Stunden in einem Cafe. Die als Zeugin einvernommene Kindsmutter bestätigte die Treffen.

Mit Urteil vom 14. Januar 2010 wies das Bayerische Verwaltungsgericht München die Klage ab und führte zur Begründung aus, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG stehe zwar § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht entgegen, jedoch fehle es an der Voraussetzung der familiären Gemeinschaft des Klägers mit seinem Sohn. Es bestehe keine tatsächliche persönliche Verbundenheit des Klägers mit seinem Kind. Einen spezifischen Erziehungsbeitrag leiste der Kläger ebenfalls nicht. Seinem Vorbringen lasse sich auch nicht die Ausübung einer Elternverantwortung entnehmen. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG habe keinen Erfolg, da die Ausreise des Klägers weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unmöglich sei.

Auf Antrag des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. April 2011 die Berufung zugelassen, weil die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweise.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die praktizierte Form des Kontakthaltens und der Begegnung von Vater und Kind genüge den Anforderungen einer schützenswerten familiären Gemeinschaft, die dem Schutz des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK unterliege. Durch die in der konkreten Form bestehende Eltern-Kind-Beziehung lägen die Voraussetzungen für den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. hilfsweise zumindest auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG vor, da durch die Ausübung des Umgangsrechts eine Ausreise des Klägers rechtlich und tatsächlich nicht zwangsweise durchgesetzt werden könne, ohne die Rechte von Vater und Kind aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK zu beeinträchtigen. Die festgestellte und gegebenenfalls weiter aufzuklärende Intensität der Beziehung des Vaters zu seinem Kind verpflichte zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der Ausübung des Umgangsrechts mit dem nichtehelich geborenen minderjährigen Kind durch den nicht sorgeberechtigten Vater.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Kläger habe weiterhin keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 oder § 25 Abs. 5 AufenthG. Zwischen dem Kläger und seinem Sohn bestehe keine schützenswerte familiäre Gemeinschaft. Die Kindsmutter habe zwar bestätigt, dass regelmäßig alle 14 Tage ein begleiteter Umgang für ca. zwei Stunden stattfinde, jedoch eine richtige Kommunikation zwischen Vater und Sohn nicht erkennbar sei. Alle wichtigen Entscheidungen für den Sohn treffe sie alleine. Sie habe die alleinige elterliche Sorge. Einen Beitrag des Klägers dazu könne sie nicht erkennen. Der Unterhalt werde zwar regelmäßig gezahlt, allerdings nicht in der richtigen Höhe. Die Frage, ob eine Beziehung zwischen Vater und Sohn entstanden sei, sei schwierig zu beurteilen. Ihr Sohn gehe nicht gerne zu den gemeinsamen Treffen. Er frage auch nicht nach seinem Vater. Dieser sei ihres Erachtens keine wichtige Bezugs- oder Vertrauensperson für ihn. Er wolle den Kläger auch nicht alleine sehen und nenne ihn nicht Papa. Er wolle von ihm auch nicht berührt werden. Durch diese Aussagen der Kindsmutter werde die Annahme des erstinstanzlichen Gerichts, die Voraussetzungen einer familiären Lebensgemeinschaft auch im weitesten Sinne seien nicht erfüllt, da es an der inneren Verbundenheit von Vater und Sohn fehle, neuerlich bestätigt. Eine Intensivierung der Beziehung habe auch nach der erstinstanzlichen Entscheidung nicht stattgefunden. Der Kläger habe hierzu keine weiteren Anstrengungen unternommen. Auch sei anzumerken, dass die Treffen auf Wunsch des Klägers von Samstag auf Dienstag von 18.00 Uhr bis ca. 20.00 Uhr verlegt worden seien, was nicht dem Wohl eines sechsjährigen Kindes entspreche und den Anschein erwecke, dass es sich für beide Seiten um „Pflichtveranstaltungen“ zum Erreichen der jeweiligen Interessen handle.

In der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2012 wurde die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Mit Beschluss vom 13. November 2012 hat der Senat zur Frage, ob zwischen dem Kläger und seinem Sohn tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung der Sohn zu seinem Wohl angewiesen ist, eine fachliche Stellungnahme des zuständigen Jugendamts eingeholt. In der am 8. Februar 2013 erstellten sozialpädagogischen Stellungnahme, die aufgrund von Gesprächen mit der Kindsmutter und dem Sohn des Klägers gefertigt worden ist, schildert der Diplom-Sozialarbeiter R. die familiären Hintergründe und die Situation des Umgangs zwischen dem Kläger und seinem Sohn. Dieser hat im Einzelgespräch seine Beziehung zum Kläger geschildert und ausgeführt, dass die Treffen mit dem Kläger für ihn nur eingeschränkt interessant seien. Es sei ihm aber doch wichtig, zu seinem Vater Kontakt zu haben und zu halten. Ihm wäre es lieber, wenn er selbst entscheiden könnte, wann und wie lange er seinen Vater sieht. In seiner sozialpädagogischen Einschätzung kommt der Verfasser der Stellungnahme zum Ergebnis, dass ein eindeutiges Beziehungsinteresse und in gewisser Hinsicht eine emotionale Bindung des Sohnes zum Kläger bestehe, wenngleich Normalitäts- bzw. Idealstandards als nur teilweise erfüllt angesehen werden könnten. Der Umgang diene jedoch der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Ein Kontaktabbruch im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Indien würde für den Sohn ein persönliches Belastungsmoment darstellen, auch im Hinblick auf seine weitere Entwicklung. Es bestehe zu gewissen Teilen eine tatsächlich gelebte Vater-Kind-Beziehung. Dabei handle es sich um eine persönliche Verbundenheit, welche im Hinblick auf das Kindeswohl von wesentlicher Bedeutung sei.

Zu dieser Stellungnahme äußerten sich die Parteien wie folgt: Der Kläger ist der Auffassung, es bestehe kein Zweifel daran, dass das Urteil erster Instanz aufzuheben und der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen sei. Der Beklagte verneint nach wie vor das Bestehen einer schützenswerten familiären Bindung zwischen dem Kläger und seinem Sohn.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat kann über die Berufung ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis damit erteilt haben (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG (dazu 1.); ihm ist jedoch eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen (dazu 2.). Die Ablehnung der Erteilung des im Hinblick auf die Beziehungen zu seinem Sohn beantragten Aufenthaltstitels durch die Beklagte ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dabei ist in sachgerechter Auslegung des Klageantrags und der Klagebegründung nicht von einer gestuften Antragstellung dahingehend auszugehen, dass der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG und lediglich hilfsweise eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG begehrt, sondern dass er letztendlich eine Aufenthaltserlaubnis erhalten möchte, entweder nach der einen oder der anderen Vorschrift, also alternativ.

1. Mögliche Anspruchsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Umgangs des Klägers mit seinem Sohn ist § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG. Danach kann dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil - § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG kommt beim Kläger wegen des fehlenden Personensorgerechts nicht in Betracht - eines minderjährigen ledigen Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger insoweit vor, als er Vater des am 7. November 2004 geborenen Sohnes M. ist, für den er kein Sorgerecht besitzt. Ob mit diesem eine enge Verbundenheit im Sinne einer familiären Gemeinschaft besteht, ist zwischen den Parteien strittig, braucht aber in diesem Zusammenhang nicht geklärt zu werden, denn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift scheitert aus anderen Gründen.

Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG steht nämlich § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, darf nämlich vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, die in Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes geregelt ist, ist damit ausgeschlossen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG, wonach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet. Denn § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG beinhaltet keinen nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG erforderlichen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, bei dem alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.2012 -1 B 22.11 - juris Rn. 4; U.v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 - juris Rn. 20 ff.). Nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG steht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vielmehr im Ermessen der Behörde („kann… erteilt werden“). Es genügt auch nicht, dass dem Ausländer im Ermessenswege eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann und das behördliche Ermessen im Einzelfall zugunsten des Ausländers auf Null reduziert ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 - juris Rn. 20). Danach liegt ein Fall eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels i. S. von § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nicht vor.

2. Der Kläger hat aber einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.

Anders als der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG steht § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Denn nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem unanfechtbar abgelehnten Asylbewerber wie dem Kläger ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe von Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes und damit auch nach Maßgabe des in diesem Abschnitt enthaltenen § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 AufenthG erteilt werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Sollvorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG zu einer Anspruchsnorm i. S. des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zählt und deshalb auch über die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vorliegend zur Anwendung kommt (ausdrücklich offen gelassen BVerwG, U.v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 - juris Rn. 24).

Der Erteilung der vom Kläger begehrten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG steht auch nicht die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegen. Danach darf vor der Ausreise (überhaupt) kein Aufenthaltstitel erteilt werden, sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylVfG abgelehnt worden ist. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

§ 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG und damit eine strikte Titelerteilungsperre in Fällen, in denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - den Asylantrag als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt hat, ist erst mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 eingeführt worden und stellt eine erhebliche Verschärfung gegenüber der früheren Rechtslage dar. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.2009 - 1 C 30.08 - juris Rn. 11 ff.) entschieden, dass diese Vorschrift nicht auf Altfälle anwendbar ist, in denen die Ablehnung des Asylantrags nach § 30 Abs. 3 AsylVfG bereits vor Inkrafttreten des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG am 1. Januar 2005 bestandskräftig geworden ist und zudem nur dann, wenn sich aus dem asylrechtlichen Bescheid des Bundesamts eindeutig, also entweder aus der Tenorierung oder der Begründung des Bescheids, ergibt, dass der Offensichtlichkeitsausspruch gerade auf diese Vorschrift gestützt wird. Bereits die erstgenannte Voraussetzung liegt beim Kläger nicht vor.

Der Bescheid des Bundesamts vom 30. Juni 2003, mit dem der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, ist vor Inkrafttreten der Neuregelung im Juli 2004 mit dem den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Mai 2004 (Az. M 8 K 03.51204) ablehnenden Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juli 2004 (Az. 21 ZB 04.30655) bestandskräftig geworden. Ob daneben der Bescheid den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an seine Begründung genügt, kann deshalb dahinstehen.

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG sind gegeben.

Der Kläger ist als abgelehnter Asylbewerber vollziehbar ausreisepflichtig (dazu 2.1.). Seine Ausreise ist aus rechtlichen Gründen unmöglich (dazu 2.2.) und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses ist in absehbarer Zeit auch nicht zu rechnen (dazu 2.3.).

2.1. Der Kläger ist seit der Ablehnung seines Asylbegehrens durch den Bescheid des Bundesamts vom 30. Juni 2003 vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 AufenthG, § 34 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 und 4, § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG).

2.2. Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzung des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, dass seine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich ist.

Dies ist dann der Fall, wenn sowohl der Abschiebung als auch der freiwilligen Ausreise rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2006 - 1 C 14.05 - juris Rn. 15 ff.). Zu derartigen Ausreisehindernissen zählen auch inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die sich aus Verfassungsrecht oder aus Völkervertragsrecht herleiten. Beim Kläger ist die Abschiebung bzw. seine freiwillige Ausreise mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 EMRK unzumutbar.

Allerdings entfaltet Art. 6 GG nicht bereits aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 - juris Rn. 87). Von einer familiären Gemeinschaft ist auch im Falle eines regelmäßigen Umgangs des ausländischen Elternteils mit seinem deutschen Kind, der dem auch sonst Üblichen entspricht, auszugehen (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss v. 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - juris Rn. 28). Bei der Bewertung der familiären Beziehungen eines ausländischen Vaters zu seinem deutschen Kind, für das er kein Sorgerecht besitzt, aber regelmäßigen Umgang pflegt, geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung dieses Umgangsrechts unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Dabei sei auch in Rechnung zu stellen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich wird (vgl. BVerfG a. a. O. Rn. 20).

Allerdings gewährt weder das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG noch das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK einen unmittelbaren Anspruch eines Ausländers auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Jedoch verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V. mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 26). Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten. Kann die bereits im Bundesgebiet gelebte Lebensgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind aber nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, weil weder dem Kind noch seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 17).

Unter Zugrundelegung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist im Fall des Klägers von einer familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem Sohn auszugehen, die unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalles die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gebietet.

Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass es sich bei der familiären Beziehung zwischen dem Kläger und seinem deutschen, inzwischen neun Jahre alten Sohn, mit dem er nicht zusammenlebt und für den er auch das Sorgerecht nicht besitzt, um eine äußerst fragile und daher in besonderer Weise schützenswerte Beziehung handelt, die lediglich dann aufrechterhalten werden kann, wenn dem Kläger der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet erlaubt wird. Die Problematik dieser Beziehung liegt zum einen in der Person des Klägers begründet, zum anderen in der Beziehung zwischen dem Kläger und der Mutter seines Sohnes.

Sowohl aus den vorgelegten Akten als auch aus dem persönlichen Eindruck des Klägers, den dieser in der mündlichen Verhandlung auf den Senat gemacht hat, handelt es sich beim Kläger um eine eher einfach strukturierte Person, die ganz offensichtlich Schwierigkeiten hat, mit der problematischen Beziehung zu seinem Sohn zu Recht zu kommen. Der Kläger, der eine allenfalls rudimentäre Schulausbildung besitzt und bereits in seinem Heimatland nicht richtig lesen und schreiben gelernt geschweige denn eine Ausbildung durchlaufen hat, hat hier demzufolge auch Schwierigkeiten, sich entsprechende Deutschkenntnisse anzueignen. Von der Kultur in seinem indischen Heimatland geprägt, fällt es ihm ganz offensichtlich schwer, auf seinen Sohn intensiver einzugehen. Er wirkt relativ unbeholfen, sowohl was die Äußerung von Gefühlen anbetrifft als auch bei seinem Auftreten in der Öffentlichkeit. Andererseits hat sich der Kläger bereits früh um ein Umgangsrecht mit seinem Sohn bemüht und die entsprechenden Termine auch im Wesentlichen zuverlässig eingehalten, wenngleich wegen der fehlenden Deutschkenntnisse des Klägers eine Kontaktaufnahme mit dem Sohn in den ersten Jahren sicher schwierig war. Zudem hat der Kläger sein Umgangsrecht auch dann, als die Mutter seines Sohnes den Umgang einstellen wollte, vor dem Familiengericht weiter durchgesetzt und hat ihn die ganzen letzten Jahre konsequent ausgeübt. Dass der Kontakt zu seinem Sohn nicht noch enger ist, liegt aber auch am Verhalten der Kindsmutter.

Den vorgelegten Akten und den Äußerungen der Mutter seines Sohnes ist zu entnehmen, dass zwischen dem Kläger und ihr keinerlei Verbundenheit besteht, außer dass beide die Eltern des Sohnes sind. Die Beziehung der beiden ist weder durch eine innere Verbundenheit noch durch sonstige Gemeinsamkeiten geprägt. Die Mutter des Kindes, bei der dieses lebt, ist nachvollziehbar darum bemüht, ihren Sohn an sich zu binden und, nachdem ihr das Sorgerecht allein zusteht, auch für dessen Erziehung und dessen Wohl zu sorgen. Dass sie zwar den Umgang des Sohnes mit seinem Vater aus rechtlichen Gründen akzeptiert hat, diesen Umgang aber ganz offensichtlich nicht von sich aus noch weiter fördert, bleibt selbstverständlich auch dem Sohn nicht verborgen, der letztendlich zwischen den Eltern steht, einem Vater, der sowohl von der Sprache her als auch von seinen Emotionen gehemmt ist und einer Mutter, bei der der Sohn lebt und der er es natürlich „recht machen möchte“.

Unter Berücksichtigung dieser schwierigen Verhältnisse sind auch die Umgangstermine und der Umgangskontakt selbst zu würdigen. Auch wenn eine emotionale Nähe zwischen dem Kläger und seinem Sohn nach außen hin kaum erkennbar ist, scheint der Sohn doch am Vater zu hängen. In der sozialpädagogischen Stellungnahme des Sozialarbeiters R. vom 14. November 2012, die der Senat eingeholt hat, hat der Sohn zwar berichtet, dass ihn die Umgangskontakte mit dem Vater, die immer in einem Cafe stattfinden und bei denen die Mutter stets in der Nähe anwesend ist, manchmal langweilen, hat aber dennoch zu erkennen gegeben, dass ihm der Kontakt zu seinem Vater wichtig ist und er diesen beibehalten will, wenn auch womöglich in einer anderen, freieren Form. Dass er ihn nicht Vater nennt, spielt dabei keine Rolle, denn dies ist eine Äußerlichkeit, die allein noch nicht auf das Vorliegen oder Fehlen emotionaler Bindungen schließen lässt. Es ist nachvollziehbar, dass der zwischen Vater und Mutter stehende, gerade von seiner Mutter noch sehr abhängige Sohn emotional zurückhaltend mit dem Vater umgeht, um seine Mutter nicht zu kränken.

Die Unbeholfenheit des Klägers mag auch Ursache dafür sein, dass er sich nicht intensiver um die Belange seines Sohnes kümmert. Weder ausreichende Sprachkenntnisse noch Kenntnisse über das Ausbildungswesen im Bundesgebiet befähigen den Kläger, sich z. B. um die schulischen Belange seines Sohnes zu kümmern. Würde er sich mehr in die Erziehung und Sorge des Sohnes einmischen, könnte dies auch erneut zu Schwierigkeiten mit der Kindsmutter führen. Insofern ist die Situation auch für den Kläger nicht einfach, nämlich eine Balance zu finden zwischen einer so weit wie möglichen Anteilnahme am Leben des Kindes und andererseits sich nicht in die alltäglichen Entscheidungen über Sorge und Erziehung des Kindes einzumischen.

Bei der Bewertung der tatsächlichen Verbundenheit zwischen dem Kläger und seinem Sohn ist neben dem Recht des Klägers auf Umgang mit seinem Sohn und dem Recht des Sohnes auf Umgang mit seinem Vater insbesondere auch die Bedeutung des Umgangs für das Wohl des Sohnes und seine Entwicklung in den Blick zu nehmen (BVerfG, B.v. 1.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 31).

Dass der Umgang des Sohnes mit seinem Vater für dessen Entwicklung von großer Bedeutung ist, bestätigt die sozialpädagogische Stellungnahme vom 14. November 2012. Nach dieser fachlichen Einschätzung dient der Umgang des Sohnes mit dem Kläger der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Ein Kontaktabbruch im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Indien würde für den Sohn ein persönliches Belastungsmoment darstellen, auch im Hinblick auf seine weitere Entwicklung. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und in sich schlüssig. Aufgrund der Aussagen des Sohnes des Klägers hat der Sozialpädagoge des zuständigen Jugendamts den Eindruck gewonnen, dass zwischen dem Kläger und dem Sohn durchaus eine gewisse, den problematischen Umständen entsprechende emotionale Bindung besteht und die Persönlichkeitsentwicklung des Sohnes beeinträchtigt würde, sollte der Kläger aus dem Bundesgebiet ausreisen müssen. Auch wenn die Umgangskontakte zwischen dem Kläger und seinem Sohn nur 14tägig und in begrenztem Rahmen stattfinden, ist es danach für die Entwicklung des Sohnes doch von erheblicher Bedeutung, dass sein Vater im Bundesgebiet anwesend ist und er Kontakt zu ihm halten kann.

2.3. Schließlich ist auch mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Der Umgangskontakt des Klägers mit seinem Sohn ist auf Dauer angelegt. Der im November 2004 geborene Sohn des Klägers ist gerade einmal neun Jahre alt und wird noch einige Zeit den Umgang mit seinem leiblichen Vater zu seiner Persönlichkeitsentwicklung benötigen. Ein Abbruch der Beziehungen in den nächsten Jahren würde nach Überzeugung des Senats dem Wohl des Kindes zuwiderlaufen. Damit ist die Unzumutbarkeit der Ausreise nicht nur als vorübergehend anzusehen.

2.4. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG kommt dann nicht in Betracht, wenn der Ausländer verschuldet an der Ausreise gehindert ist (vgl. § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG). Von einem Verschulden im Sinne eines pflichtwidrigen Fehlverhaltens des Klägers kann hier keine Rede sein.

2.5. Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist auch bei § 25 Abs. 5 AufenthG das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG. Davon kann allerdings gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG abgesehen werden.

Der Kläger erfüllt wohl die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG. Insbesondere dürfte der Lebensunterhalt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 AufenthG) gesichert sein. Unter Abzug der Unterhaltszahlungen für seinen Sohn und der glaubhaften Aussage des Klägers, bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis könne er aus der jetzt noch von ihm bewohnten Asylbewerberunterkunft in ein kostenfreies Zimmer in dem Lokal, im dem er jetzt arbeite, umziehen, dürfte sein Einkommen ausreichen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sollte dies geringfügig nicht der Fall sein, wäre von der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen. Denn die im Ermessen der Ausländerbehörde stehende Frage, ob von der Sicherung des Lebensunterhalts im Fall des Klägers abgesehen werden kann, verdichtet sich zu einer Ermessensreduzierung auf Null, weil im Hinblick auf das Gewicht der familiären Bindungen des Klägers zu seinem Sohn sowie des Sohnes zum Kläger der verfassungsmäßig gebotene Schutz von Art. 6 GG nicht an einer geringfügig fehlenden Lebensunterhaltssicherung scheitern darf. Insoweit überwiegt das private Interesse des Klägers und seines Sohnes an der weiteren Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft eine eventuell nicht vollständige Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers.

Die Identität des Klägers ist entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG geklärt. Bei ihm liegt auch kein Ausweisungsgrund vor (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass sein Aufenthalt Interessen der Bundesrepublik beeinträchtigt oder gefährdet (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG). Die Passpflicht nach § 3 AufenthG5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) erfüllt der Kläger ebenfalls.

Allerdings ist der Kläger nicht entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit dem erforderlichen Visum eingereist. Vielmehr ist er als Asylsuchender ohne das erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist und hat das Visumverfahren bislang auch nicht nachgeholt. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann aber auch von der Visumpflicht abgesehen werden. Auch insoweit ist das der Ausländerbehörde zustehende Ermessen auf Null reduziert. Denn auch die Durchführung des Visumverfahrens ist dem Kläger unzumutbar.

Die bereits oben geschilderte fragile Beziehung des Klägers zu seinem Sohn würde schweren Schaden erleiden, wenn nicht gar dadurch beendet werden, dass der Kläger nach Indien ausreist und von dort aus versucht, im Wege des Visumverfahrens wieder in das Bundesgebiet einzureisen. Abgesehen davon, dass der Kläger die Kosten hierfür wohl schon nicht aufbringen könnte und auch nicht gesichert ist, dass die Ausländerbehörde einer Wiedereinreise zustimmt und womöglich für den Fall der Weigerung ein verwaltungsgerichtliches Verfahren durchgeführt werden müsste, dürfte im Falle der Ausreise bereits nach kurzer Zeit die Beziehung zu seinem Sohn faktisch beendet sein. Die ohnehin problematische Beziehung zwischen dem Kläger und seinem Sohn käme allein durch die Zeitdauer für die Ausreise, die Visumbeschaffung und die Wiederhinreise zum Erliegen. Selbst wenn man von einem normalen Verlauf der Durchführung des Visumverfahrens ausginge, wäre dazu ein Zeitraum von mindestens einigen Monaten zu veranschlagen. Auch mit Blick auf eine Zeit der Abwesenheit des Klägers vom Bundesgebiet für mehrere Monate ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles diesem und insbesondere seinem Sohn aber eine Trennung nicht zumutbar. Aus diesem Grund ist auch insoweit das der Ausländerbehörde gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.

Ist damit im Wege der Ermessensreduzierung auf Null dem Kläger im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK wegen der familiären Bindungen zu seinem Sohn eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, bedarf es keines Eingehens mehr auf die Sollvorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG sowie auf die in der Rechtsprechung noch weitgehend ungeklärte Frage, ob die für Drittstaatsangehörige wie den Kläger geltende Familienzusammenführungsrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2003/86/EG) dem Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis deshalb vermitteln könnte, weil nationale Vorschriften dieser Richtlinie womöglich entgegenstehen und die Richtlinie deshalb direkt Anwendung findet.

Aus diesen Gründen war das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Entscheidung über die Kostentragung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tenor

I. Dem Kläger wird für seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zu 1, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zu erteilen, Prozesskostenhilfe bewilligt und seine Prozessbevollmächtigte … … …, zu den Bedingungen eines im Bezirks des Verwaltungsgerichts München niedergelassenen Rechtsanwalts bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine gegen die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 gerichtete (Untätigkeits-)Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bzw. § 25 Abs. 5 AufenthG weiter.

Der Kläger ist gambischer Staatsangehöriger. Er reiste am 9. November 2014 in das Bundesgebiet ein und führte unter den Aliaspersonalien „Ceesay Prince, geb. 11.11.1994, malischer Staatsangehöriger“ ein Asylverfahren durch. Er ist seit 11. Februar 2016 in Besitz eines gambischen Nationalpasses mit seinen zutreffenden Personalien, den er erst nach Abschluss des Asylverfahrens im März 2017 im ausländerrechtlichen Verfahren vorgelegt hat. Der Kläger ist Vater eines am 29. Dezember 2016 geborenen Kindes, für das er die Vaterschaft anerkannt hat und das gemeinsame Sorgerecht zusammen mit seiner Lebensgefährtin besitzt.

Das Asylverfahren wurde mit Beschluss vom 28. März 2017 eingestellt, nachdem der Kläger seinen Asylantrag zurückgenommen hatte.

Am 18. Juli 2017 erteilte die Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern dem Kläger eine Duldung und die Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen des Bereichs einer räumlichen Beschränkung, damit er seine Lebensgefährtin und seinen Sohn besuchen könne. Mit Bescheid vom 18. September 2017 übertrug die Zentrale Ausländerbehörde die Zuständigkeit auf die Beklagten zu 1, nachdem ihr der Kläger mit Bescheid vom 15. September 2017 zugewiesen worden war. Da die Beklagte zu 1 zunächst die Übernahme verweigerte, verlängerte die Zentrale Ausländerbehörde im September 2017 nochmals die Duldung des Klägers. Seit dem 18. Dezember 2017 wird die Duldung jeweils von der Beklagten zu 1 verlängert.

Am 10. November 2017 erhob der Kläger Untätigkeitsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, die Beklagten zu verpflichten, seine Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu bescheiden und bei Zuständigkeit eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG, zu erteilen. Zugleich beantragte er, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2018 lehnte die Beklagte zu 1 die Anträge vom 19. und 22. Juni 2017 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Sie sei nicht zuständig, da der Kläger in München keinen Wohnsitz begründet habe. Er lebe zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem Kind in H. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bestehe nicht, weil er nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei. § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthG greife nicht. Auch aus § 25 Abs. 5 AufenthG ergebe sich kein Anspruch.

Das Verwaltungsgericht München lehnte den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mit Beschluss vom 11. Juni 2018 ab. Die Beklagte zu 1 sei zwar zuständig, dem Anspruch aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stehe jedoch bereits § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG greife nicht ein, da der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Es bestehe ein Ausweisungsinteresse, weil er seinen Pass nicht vorgelegt und sein Asylverfahren unter falschen Personalien geführt habe. Zudem erfülle er die Visumpflicht des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht. Ein Absehen nach § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthG sei nicht möglich, weil er die Duldung gerade wegen der Geburt des Kindes erhalten habe. Auch die Voraussetzungen für die Erteilung eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG lägen nicht vor, da sich aus Art. 6 GG keine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise ergebe. Ein besonders ungewöhnlicher Einzelfall läge nicht vor, da die Lebensgemeinschaft des Klägers mit seinem Sohn aktuell nur in sehr eingeschränktem Umfang möglich sei. Der Beklagte zu 2 sei nicht passivlegitimiert.

Im Beschwerdeverfahren beantragt der Kläger,

ihm unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und seine Prozessbevollmächtige beizuordnen.

Es dürfte unstreitig sein, dass zwischen ihm und seinem Sohn eine familiäre Lebensgemeinschaft bestehe. Es sei zweifelhaft, ob Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 2 Nr. 8b und 9 AufenthG vorlägen. Es stehe weder fest, dass die Nichtvorlage des Passes einen nicht nur geringfügigen Verstoß darstelle, noch sei geklärt, ob der Kläger über die Folgen von Falschangaben belehrt worden sei. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene einschränkende Auslegung des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV finde im Gesetz keine Stütze. Die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Sohn stelle jedenfalls ein Ausreisehindernis im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG dar. Die zwangsweise Durchsetzung der Ausreise könne sich als unvereinbar mit Art. 6 GG erweisen. Der Kläger sei eine feste Bezugsperson für das Kind. Es werde auch nicht deutlich, welche Dauer die Trennung zur Durchführung eines Visumverfahrens habe und ob dies mit Art. 6 GG vereinbar sei. Auch die Annahme des Gerichts, die familiäre Lebensgemeinschaft sei derzeit nur in eingeschränktem Umfang möglich, treffe nicht zu. Im Zeitpunkt der Erhebung der Klage hätten beide Beklagte die Bearbeitung des Antrags abgelehnt.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Klägers gegen den seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. Juni 2018 ist zulässig, hat jedoch nur teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verbescheidungs- bzw. Verpflichtungsklage des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu Recht abgelehnt, weil sie voraussichtlich weder im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (Nov. 2017) noch zu einem späteren Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (1). Soweit der Kläger hilfsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG begehrt, sind die Erfolgsaussichten seiner Klage gegen die Beklagte zu 1 zumindest offen. Insoweit ist ihm daher Prozesskostenhilfe zu bewilligen und seine Prozessbevollmächtigte beizuordnen (2.).

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

1. Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfe (vgl. BVerfG, B.v. 8.7.2016 – 2 BvR 2231/13 – juris Rn. 10 ff. m.w.N.) nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage steht dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG voraussichtlich nicht zu.

Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht das Titelerteilungsverbot des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen, nachdem der Kläger seinen Asylantrag zurückgenommen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Asylverfahren mit Bescheid vom 28. März 2017 eingestellt hat.

Nach § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG findet die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung. Anspruch in diesem Sinne ist aber nur ein gesetzlicher Anspruch (vgl. insoweit zur Inhaltsidentität von § 10 Abs. 1 und § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG: BVerwG, U. v. 16.12.2008 – 1 C 37.07 – juris Rn. 23). Ein gesetzlicher Anspruch im Sinne dieser Regelungen muss sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein derart strikter Rechtsanspruch setzt voraus, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 1 C 31.14 – juris Rn. 20; U.v. 12.7.2016 – 1 C 23.15 – juris Rn. 21; U.v. 10.12.2017 – 1 C 15.14 – juris Rn. 15; U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – UA Rn. 19). Ansprüche aufgrund einer Ermessensvorschrift führen hingegen nicht zu einem gesetzlichen Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG, und zwar auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall „auf Null“ reduziert ist. Dies gilt auch für Regelansprüche und Ansprüche aufgrund von Sollvorschriften (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2016, a.a.O.; U. v. 17.12.2015, a.a.O.).

Nach diesen Maßgaben steht dem Kläger ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zu. Er erfüllt zwar die besonderen Erteilungsvoraussetzungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, wonach die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen Deutschen zu erteilen ist, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Es mangelt aber an den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

In der Person des Klägers besteht bei summarischer Prüfung jedenfalls ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Durch die langjährige Täuschung über seine Identität im Asylverfahren (Antragstellung im November 2014) und beharrliche Nichtvorlage des Passes hat er den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m § 49 Abs. 2 AufenthG und damit ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG erfüllt. Es trifft nicht zu, dass der Kläger seinen Asylantrag „wenig später“ zurückgenommen habe. Er war bereits seit Februar 2016 in Besitz eines gambischen Nationalpasses, seinen Asylantrag hat er erst nach der Geburt seines Sohnes im Januar 2017 zurückgenommen. Selbst wenn der Kläger insoweit einen Ausnahmefall für sich in Anspruch nehmen könnte, der schon auf der Tatbestandsseite ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfordern würde, fehlte es an einem gesetzlichen Anspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 AufenthG (vgl. NdsOVG, B.v. 5.9.2017 – 13 A 129/17 – juris Rn. 17 m.w.N.). Ob er durch die falschen Angaben bezüglich Vornamen, Geburtsdatum und Nationalität im Asylverfahren auch den Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG erfüllt hat, kann daher offen bleiben; es kommt somit nicht darauf an, ob der Kläger belehrt worden ist oder überhaupt die Notwendigkeit einer Belehrung bestand (vgl. hierzu SächsOVG, B.v. 15.1.2018 – 3 B 356/17 – juris Rn. 9)

Der Kläger ist zudem ohne (das erforderliche) Visum in das Bundesgebiet eingereist; er erfüllt daher auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht. Er ist auch nicht nach § 39 Nr. 5 AufenthV berechtigt, die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einzuholen.

§ 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV erfordert, dass die Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und der Ausländer auf Grund einer Eheschließung, der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Diese Bestimmung soll nur diejenigen Ausländer privilegieren, die sich mit einer Duldung im Bundesgebiet aufhalten und sodann hier die Ehe schließen, nicht aber diejenigen, denen eine Duldung nur erteilt wird, um ihnen die zeitlich unmittelbar bevorstehende Eheschließung oder die Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu ermöglichen. Bei der von § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV vor-ausgesetzten Aussetzung der Abschiebung muss es sich folglich um eine solche handeln, die wegen anderer Abschiebungshindernisse als der (bevorstehenden) Eheschließung erteilt worden ist (vgl. NdsOVG, B.v. 2.2.2018 – 13 PA 12/18 – juris Rn. 11; OVG Hamburg, B.v. 10.4.2014 – 4 Bf 19/13 – juris Rn. 62; OVG Bln-Bbg, B.v. 12.2.2013 – OVG 7 N 63.13 – juris Rn. 4; B. v. 17.1.2011 – 11 S 51.10 – juris Rn. 10); dies gilt ebenso für die Fälle, in denen die Duldung wegen der bevorstehenden Geburt eines Kindes oder zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit dem Kind erteilt wird, weil die Ausgangslage dieselbe ist – Privilegierung nur der Personen, die sich bereits mit Duldung im Bundesgebiet aufhalten, wenn die anspruchsbegründenden Voraussetzungen eintreten. Dem Kläger wurde erstmals – nach Einstellung des Asylverfahrens im März 2017 – am 17. Juli 2017 eine Duldung erteilt, weil er geltend gemacht hatte, dass er nach H. zu seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn ziehen wolle. Andere Duldungsgründe als die im Bundesgebiet mit dem Sohn gelebte familiäre Lebensgemeinschaft sind nicht ersichtlich.

Im Übrigen hat der Kläger auch nicht, wie von § 39 Nr. 5 AufenthV weiter gefordert, auf Grund der Geburt seines Sohnes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben. Denn er erfüllt die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, der ein Absehen von den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfordert, oder der Beklagte verpflichtet ist, im Ermessenswege nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abzusehen, kann hier dahinstehen. Denn sowohl das Vorliegen eines Ausnahmefalls auf Tatbestandsseite als auch eine Ermessensreduzierung auf der Rechtsfolgenseite vermitteln dem Kläger nach dem eingangs dargestellten Maßstab keinen gesetzlichen Anspruch im Sinne des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthG (s. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 30).

2. Ob der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG beanspruchen kann, ist im Zeitpunkt der Bewilligungsreife seines Prozesskostenhilfeantrags als offen zu beurteilen. Es ist derzeit noch nicht hinreichend absehbar, ob er die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG und die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt und eine Verpflichtung der Beklagten zu 1 besteht, die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Dem Erfolg seiner Klage steht jedenfalls nicht das Verbot des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen, da es sich bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG um eine solche nach dem Fünften Abschnitt des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes handelt. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Unter „Ausreise“ im Sinne dieser Vorschrift ist sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2009 – 1 C 19.08 – juris Rn. 12, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 15 jeweils m.w.N.).

Eine freiwillige Ausreise ist, da tatsächliche Hindernisse beim Kläger nicht vorliegen, im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen unter anderem auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten (z.B. nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG; vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris Rn. 17). Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nicht nur die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben, sondern es ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (BVerwG a.a.O. Rn. 17).

Eine freiwillige Ausreise ist aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn sie mit Art. 6 GG unvereinbar wäre. Zwar gewährt Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei ihren aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen die familiären Bindungen des den weiteren Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familienrechtlichen Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (stRspr des BVerfG, vgl. z.B. B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12 m.w.N.).

Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind deutscher Staatsangehöriger und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen. Eine auch nur vorübergehende Trennung kann nicht als zumutbar angesehen werden, wenn das Gericht keine Vorstellung davon entwickelt, welchen Trennungszeitraum es für zumutbar erachtet. Ein hohes gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG a.a.O. Rn. 13 f.; BayVGH, B.v. 20.6.2017 – 10 C 17.744 – juris Rn. 9).

Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen lässt sich nicht ausschließen, dass die (freiwillige) Ausreise des Klägers wegen Unvereinbarkeit mit dem Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG rechtlich unmöglich ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es zwar grundsätzlich mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie vereinbar, ihn auf die Einholung des erforderlichen Visums für eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zum minderjährigen deutschen Sohn (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG) zu verweisen, weil die damit zwangsläufig verbundene Trennung als zumutbar anzusehen ist, wenn sie eine gewisse Dauer nicht überschreitet oder keine besonderen Umstände (z.B. Pflegebedürftigkeit) vorliegen. Die (nachträgliche) Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug ist auch nicht als bloße Förmlichkeit anzusehen. Will ein ohne das erforderliche Visum eingereister Asylbewerber nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel erlangen, hat er daher grundsätzlich – nicht anders als jeder andere Ausländer – ein Sichtvermerksverfahren im Heimatland durchzuführen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2016 – 10 C 16.818 – juris Rn. 11). Der Kläger hat es zudem durch die Gestaltung seiner Ausreise selbst in der Hand, die für die Durchführung des Visumverfahrens erforderliche Dauer seine Abwesenheit im Bundesgebiet möglichst kurz zu halten, indem er z.B. eine Vorabzustimmung der zuständigen Ausländerbehörde nach § 31 AufenthV einholt (BayVGH, B.v. 19.6.2018 – 10 CE 18.993 – juris Rn. 5). Es liegt im Verantwortungsbereich des Klägers die Nachholung des Visumverfahrens so familienverträglich wie möglich zu gestalten. Allerdings ist im vorliegenden Fall derzeit weder die Dauer des Visumverfahrens absehbar noch ist ausreichend geklärt, welche Ausländerbehörde für die Erteilung der Zustimmung nach § 31 AufenthV zuständig ist und ob dem Kläger das Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG entgegen gehalten kann oder ob eine Ausnahmefall vorliegt. Das Verwaltungsgericht konnte sich daher noch keine Vorstellung von der Dauer der voraussichtlichen Trennung machen und hat vielmehr darauf abgestellt, dass derzeit nur eine eingeschränkte familiäre Lebensgemeinschaft möglich sei. Dies trifft aber tatsächlich so (wohl) nicht zu, weil der Kläger überwiegend in H. bei seinem Sohn lebt.

Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird wegen dessen fehlender Passivlegitimation keinen Erfolg haben. Der Kläger wurde bereits vor Klageerhebung mit Bescheid vom 15. September 2017 der Beklagten zu 1 zugewiesen, so dass sich die Zuständigkeit der Beklagten zu 1 im Verhältnis zum Beklagten zu 2 aus § 5 Abs. 1 Satz 2 ZustVAuslR ergibt. Die Klage war somit ab diesem Zeitpunkt gegen die Beklagte zu 1 zu richten. Der zwischen der Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 2 bestehende Zuständigkeitsstreit hätte auch im Rahmen eines nur gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klageverfahrens geklärt werden können.

Die Entscheidung über die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers beruht auf § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO. Die dabei vorgenommene kostenmäßige Beschränkung ist nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 3 ZPO regelmäßig gerechtfertigt. Anhaltspunkte, die ausnahmsweise eine kostenmäßig unbeschränkte Beiordnung des auswärtigen Rechtsanwalts rechtfertigen könnten (besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beteiligten und dem auswärtigen Rechtsanwalt, Erfordernis einer besonders qualifizierten rechtlichen Beratung, die nicht ein im Gerichtsbezirk ansässiger, sondern nur ein auswärtiger Rechtsanwalt gewährleisten kann, Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 166 Rn. 141 m.w.N.), sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gebühr aus Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird nach Ermessen um die Hälfte ermäßigt, da die Beschwerde nur teilweise zurückgewiesen wurde.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Nr. 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 21. März 2016 wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der am 14. Februar 1998 geborene Antragsteller ist russischer Staatsangehöriger. Er reiste mit seinen Eltern am 15. September 2002 in das Bundesgebiet ein. Ihm wurden fortlaufend Aufenthaltstitel erteilt, zuletzt am 17. Dezember 2008 mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 14. Februar 2014. Am 10. Februar 2014 beantragte er die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.

Das Amtsgericht Augsburg verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom 23. Juli 2014 wegen gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung, gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Das Landgericht Augsburg reduzierte diese Strafe im Berufungsverfahren mit dem Urteil vom 19. November 2014 auf zwei Jahre und elf Monate. Der Antragsteller wurde am 23. Oktober 2013 wegen einer am 12. Oktober 2013 begangenen Straftat, die auch Gegenstand es Urteils vom 23. Juli 2014 ist, inhaftiert. Er verbüßte seine Strafe in der JVA L.-L2. Im Zeitraum vom 13. März 2015 bis 28. April 2015 war er mit weiteren Gefangenen in einer Wohngemeinschaft der JVA Laufen untergebracht. In dieser Zeit kam es zu mehreren Übergriffen gegenüber einem anderen Mitbewohner der Wohngemeinschaft, an denen der Antragsteller beteiligt war. Deswegen verurteilte ihn das Amtsgericht Laufen mit Urteil vom 3. Dezember 2015 unter Einbeziehung der Verurteilung vom 19. November 2014 zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Am 7. Februar 2016 wurde er auf Bewährung aus der Haft entlassen und kehrte in sein Elternhaus zurück.

Mit Bescheid vom 21. März 2016 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus dem Bundesgebiet aus (Nr. 1), befristete die Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre ab Verlassen des Bundesgebiets (Nr. 2) und lehnte den am 10. Februar 2014 gestellten Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 3). Vom Antragsteller gehe eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowohl in spezial- als auch in generalpräventiver Hinsicht aus. Er sei in der Vergangenheit vielfach und massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten. Insbesondere habe er trotz der Untersuchungshaft von Oktober 2013 bis November 2014, der darauffolgenden Verurteilung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und elf Monaten und der Verwarnung, welche ihm die Konsequenzen weiterer Verfehlungen vor Augen geführt habe, in der Zeit vom 13. März bis 28. April 2015 während des Jugendstrafvollzugs erneut 15 Körperverletzungsdelikte begangen. Anhaltspunkte, welche die von ihm ausgehende Wiederholungsgefahr minderten, seien kaum bzw. nicht ersichtlich. Neben den spezialpräventiven Aspekten könne die Ausweisung auch auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt werden, um mittels der verhaltenssteuernden Wirkung der Ausweisung andere Ausländer von der Begehung gleichartiger Taten abzuhalten. Das Ausweisungsinteresse wiege gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besonders schwer. Auf ein gesetzlich normiertes Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG könne sich der Antragsteller nicht berufen, da er keine Aufenthaltserlaubnis mehr besitze. Art. 8 EMRK stehe der Ausweisung nicht entgegen. Der Antragsteller halte sich zwar seit rund 14 Jahren im Bundesgebiet auf, es könne jedoch nicht von einer gelungenen Integration in die hiesige Gesellschaft gesprochen werden. Eine Rückkehr in sein Heimatland sei ihm möglich und zumutbar. Er spreche die russische Sprache. Seinen Schulabschluss habe er erst in der Haft erworben. Die Aufenthaltserlaubnis sei zu versagen, weil die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht gegeben sei, da besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a AufenthG vorlägen. Ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt, welcher von einem atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet sei, der so bedeutsam sei, dass jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt werde, sei nicht ersichtlich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Klage, mit der er beantragte, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. März 2016 aufzuheben und sie zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Mit Urteil vom 5. Juli 2016 hob das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. März 2016 in Nr. 1 und 2 auf. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das Urteil wurde in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2016 verkündet.

Am 25. Juli 2016 hat der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 21. März 2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens anzuordnen.

Die Antragsgegnerin habe ihre Zusicherung vom 6. Mai 2016, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache keine Maßnahmen einzuleiten und zu vollziehen, widerrufen und die Auffassung vertreten, dass die Zusicherung mit Verkündung des Urteils vom 5. Juli 2016 erfüllt sei und die Ausreisefrist für den Antragsteller am 1. August 2016 ende. Bei Abwägung der für und gegen eine Abschiebung des Antragstellers noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens sprechende Gesichtspunkte erwiesen sich die gegen eine sofortige Vollziehbarkeit der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis sprechenden Gründe als deutlich gewichtiger. Die Straftaten des Antragstellers lägen bereits eine Weile zurück. Er habe sie in so jugendlichem Alter begangen, dass von einer Verfestigung krimineller Verhaltensweisen nicht ausgegangen werden könne. Es sei nicht von einer relevanten Wahrscheinlichkeit einer erneuten Straffälligkeit des Antragstellers nach der Haftentlassung auszugehen. Er habe sich in vollem Umfang der positiven Erwartung entsprechend verhalten. Er habe einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen, am 1. September 2016 könne er seine Ausbildung beginnen. Demgegenüber werde der Antragsteller im Falle der Abschiebung in ein für ihn weitgehend fremd gewordenes Heimatland, in dem ihm keine Hilfe von Verwandten zur Verfügung stünde, verbracht. Es erscheine geboten, ihm jedenfalls bis zum Abschluss des Klageverfahrens hinsichtlich der Frage der Aufenthaltserlaubnis den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 28. Juli 2016 zugestellt. Zur Begründung der Aufhebung der Ausweisungs- und Befristungsentscheidung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Kammer unter Zugrundelegung des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt sei, dass die Gefahr einer Wiederholung schwerer Körperverletzungsdelikte derzeit durch die erzieherischen Maßnahmen in der Jugendhaft, die eigenen Bemühungen des Antragstellers um eine Berufsausbildung und die Aufarbeitung der Taten weitgehend gebannt sei. Er befinde sich auf einem guten Weg. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung überwögen deutlich die positiven Aspekte. Die Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet seien gewichtig. Er sei bereits im Alter von vier Jahren in das Bundesgebiet eingereist und hier aufgewachsen. Er habe in Deutschland seine Schulbildung absolviert. Sein Vater sowie sein jüngerer Bruder besäßen die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Antragsteller sei faktischer Inländer. Die Einbindung in das stabile familiäre Umfeld sei von entscheidender Bedeutung. Auch positive Verhaltensweisen, die als Nachtatverhalten im Zusammenhang mit einer Straftat stünden, könnten im Rahmen des Bleibeinteresses eine Rolle spielen. Daher überwiege das persönliche Interesse des Antragstellers an einem weitern Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an seiner Ausreise. Die Klage sei abzuweisen, soweit die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers begehrt werde. Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stehe jedenfalls die allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Ein Ausweisungsinteresse liege nicht nur dann vor, wenn im konkreten Fall eine Ausweisung rechtsfehlerfrei verfügt werden könne. Angesichts der Schwere der vom Antragsteller begangenen Straftaten seien keine derart besonderen Umstände ersichtlich, die eine Ausnahme von der Regelversagung begründen könnten. Zur näheren Begründung werde auf den Beschluss der Kammer vom 12. Mai 2016 über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verwiesen.

Am 1. August 2016 stellte der Antragsteller den Antrag, die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Juli 2016 bezüglich der Abweisung der Klage gegen die Versagung der Aufenthaltserlaubnis zuzulassen (10 ZB 16.1530).

Daraufhin hörte das Verwaltungsgericht die Parteien zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits im Eilverfahren an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof an. Der Antragsteller erklärte sein Einverständnis mit der Verweisung und führte ergänzend aus, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 5. Juli 2016 bezüglich der Abweisung der Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Widerspruch zur Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. März 2014 (Az. 10 CS 13.2568) stehe.

Mit Beschluss vom 9. August 2016 erklärte sich das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg für sachlich unzuständig und verwies den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen.

Der Antrag sei bereits unzulässig, weil er zu unbestimmt sei. Zudem sei der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt worden, bevor der Antrag auf Zulassung der Berufung eingelegt worden sei. Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei, dass der Verwaltungsgerichtshof die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zumindest als offen bewerten und entscheiden müsse, ob das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides überwiege. Dies dürfe der Verwaltungsgerichtshof aber nicht, weil er sonst die Aufgabe des Rechtsmittelführers übernehmen und prüfen müsse, welche Gründe für die Zulassung der Berufung geltend gemacht werden könnten.

Ergänzend wird auf die Behördenakten und die vorgelegten Gerichtsakten auch im Verfahren 10 ZB 16.1530 verwiesen.

II. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 21. März 2016 hat Erfolg. Zwar lassen sich die Erfolgsaussichten der Verpflichtungsklage auf Verlängerung der dem Antragsteller ursprünglich bis 14. Februar 2014 erteilten Aufenthaltserlaubnis zum derzeitigen Zeitpunkt nicht hinreichend sicher beurteilen, sondern sind als offen anzusehen. Jedoch führt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Nr. 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 21. März 2016 anzuordnen ist. Denn im Rahmen der gebotenen Abwägung überwiegt das Interesse des Antragstellers, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, das öffentliche Interesse an der gesetzlich bestimmten (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) sofortigen Vollziehung der Ablehnung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und damit der Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 21. März 2016 anzuordnen, ist zulässig. Dem Antrag auf Zulassung der Berufung kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Er hemmt lediglich die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils (Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2016, § 124 Rn. 37, § 124a Rn. 222), so dass mangels einer rechtskräftigen Entscheidung über das Klagebegehren auch noch nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden kann (vgl. BayVGH, B. v.13.4.2010 - 19 AS 10.52 - juris Rn. 10).

Maßstab für die Beurteilung, ob der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO begründet ist, sind die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens, da eine positive Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht zwangsläufig zu einem Erfolg des Rechtsmittels in der Hauptsache führt. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag auf Zulassung der Berufung sind insoweit unterschiedlich (BVerwG, B. v. 19.6.2007 - 4 VR 2.07 - juris Rn. 14 zu § 80b Abs. 2 VwGO). Allerdings darf der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich unzulässig oder unbegründet sein. Vorliegend hat der Kläger seinen Zulassungsantrag fristgerecht gestellt. Die Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zur Begründung des Zulassungsantrags läuft zwar erst am 28. September 2016 ab. Derzeit erscheint eine Zulassung der Berufung jedenfalls nicht ausgeschlossen, weil - wie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 22. August 2016 zur Begründung des Zulassungsantrags vorgetragen hat - die Begründung des Verwaltungsgerichts, es liege kein Ausnahmefall i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil eine Wiederholungsgefahr bestehe, nicht ganz widerspruchsfrei zu den Ausführungen zur Ausweisung ist, wonach die Gefahr der Begehung weiterer Körperverletzungsdelikte im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung „weitgehend gebannt“ sei.

Ebenfalls offen ist, ob die Klage auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers zu verlängern, Erfolg haben wird. Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung abgelehnt, dass ein Ausweisungsinteresse i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und kein Ausnahmefall von dieser Regelerteilungsvoraussetzung vorliege. Nach dem derzeitigen Sachstand lässt sich insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob (noch) ein Ausweisungsinteresse besteht oder ob eine Abweichung von der Regelerteilungsvoraussetzung geboten ist.

Unter einem Ausweisungsinteresse gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist ein Tatbestand zu verstehen, der in § 54 AufenthG definiert ist. Entsprechend der Rechtslage vor dem 1. August 2015 ist keine hypothetische Ausweisungsprüfung in der Weise vorzunehmen, dass geklärt würde, ob eine Ausweisung des Antragstellers rechtmäßig wäre. Es spielt demnach keine Rolle, ob ein Bleibeinteresse nach § 55 AufenthG besteht (Maor in Beck’scher Online-Kommentar AuslR, AufenthG, § 5 Rn. 8). Vorliegend sind durch die Verurteilungen des Antragstellers zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten u. a. wegen gefährlicher Körperverletzungen die Tatbestände des § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a AufenthG erfüllt.

Die Verwirklichung eines der in § 54 AufenthG genannten Tatbestände begründet allerdings nicht unmittelbar das Ausweisungsinteresse. Ein Ausweisungsinteresse besteht nur dann, wenn von dem Betroffenen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht (Funke/Kaiser in Gemeinschaftskommentar AufenthG, Stand: Juli 2016, § 5 Rn. 58 und 64), der weitere Aufenthalt des Ausländers also eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt oder sonst erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, AufenthG, § 5 Rn. 45). Denn ein Ausweisungsinteresse ist nicht mehr erheblich, wenn ohne vernünftige Zweifel feststeht, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, nicht mehr besteht (Maor, a. a. O., Rn. 11).

Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im (noch nicht rechtskräftigen) Urteil vom 5. Juli 2016 bestehen Zweifel, ob der weitere Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet noch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich dargelegt, dass seiner Auffassung nach die Wiederholungsgefahr für die Begehung schwerer Straftaten weitgehend gebannt sein dürfte, weil der Antragsteller sich auf einem guten Weg befinde und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die positiven Aspekte in seiner Entwicklung deutlich überwögen. Ob diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts, zu der es auch aufgrund des vom Antragsteller in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks gekommen ist, zutrifft, vermag der Senat im Eilverfahren nicht hinreichend sicher zu beurteilen.

Nicht eindeutig geklärt werden kann daher auch, ob im Fall des Antragstellers ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG anzunehmen ist. Ausnahmen von einer Regelerteilungsvoraussetzung liegen vor, wenn ein atypischer Fall gegeben ist, der so weit vom Regelfall abweicht, dass die Versagung des Aufenthaltstitels mit der Systematik oder der grundlegenden Entscheidung des Gesetzgebers nicht mehr vereinbar ist. Insbesondere liegt ein Ausnahmefall vor, wenn die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten ist (Bender/Leuschner in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, AufenthG, § 5 Rn. 7). Weitere Kriterien für die Frage, ob ein atypischer, von der Regel abweichender Sachverhalt in Bezug auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gegeben ist, konnten nach der Rechtsprechung zur vorherigen Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Bezug auf Straftaten insbesondere die Dauer des straffreien Aufenthalts im Verhältnis zur Gesamtaufenthaltsdauer und die schutzwürdigen Bindungen im Inland sein. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung aller einschlägigen öffentlichen und privaten Interessen zu entscheiden und stellt eine Rechtsentscheidung dar. Zu dieser Abwägung kommt es jedoch erst, wenn feststeht, dass eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit i. S. d. § 53 Abs. 1 AufenthG nach wie vor zu besorgen ist. Ein Ausnahmefall ist also dann zu bejahen, wenn die bestehende Wiederholungsgefahr aufgrund besonderer Umstände als Restrisiko in Kauf zu nehmen ist (Funke/Kaiser, a. a. O., Rn. 74). Insoweit geht das Verwaltungsgericht im Prozesskostenhilfebeschluss vom 12. Mai 2016 (Au 1 K 16.542), auf den es sich im Urteil vom 5. Juli 2016 bezieht, davon aus, dass der Antragsteller zwar als faktischer Inländer zu betrachten ist, die in den Führungsberichten zum Ausdruck gebrachte positive Einschätzung der Persönlichkeitsentwicklung des Antragstellers aber nicht zu einer so deutlich veränderten Einschätzung der Wiederholungsgefahr führen könne, dass die Annahme eines Ausnahmefalls gerechtfertigt sei und das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses verneint werden könne. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Ausweisungsverfügung im Urteil vom 5. Juli 2016, wonach die Gefahr einer Wiederholung schwerer Körperverletzungsdelikte weitgehend gebannt sei, und die Verneinung eines Ausnahmefalls im selben Urteil, obwohl allenfalls noch eine äußert geringe Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angenommen und dem Antragsteller der Status eines faktischen Inländers zuerkannt wird, sind jedoch nicht ganz widerspruchsfrei.

Daher lässt sich derzeit nicht sicher feststellen, ob im Fall des Antragstellers eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gegeben ist. Käme man zu dem Ergebnis, dass ein Ausweisungsinteresse vorliegt, weil die Gefahrenprognose ergibt, dass von ihm noch eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, so ist bei der Abwägungsentscheidung, ob ein Ausnahmefall zu bejahen ist, die Dauer seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet und seine Integration, aber auch der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller erneut Straftaten begehen wird, zu berücksichtigen. Bestünde schon kein Ausweisungsinteresse mehr, stellt sich die Frage, ob ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG anzunehmen ist, ohnehin nicht.

Sind danach die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren offen, überwiegt das private Interesse des Antragstellers an seinem Verbleib im Bundesgebiet bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren das öffentliche Interesse an seiner sofortigen Ausreise. Die von der Ausländerbehörde angenommene Gefahr, dass der Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache erneut Straftaten im Bundesgebiet begehen wird und daher der Aufenthalt sofort zu beenden ist, sieht das Verwaltungsgericht aufgrund der positiven Entwicklung in der Haft und nach der Entlassung, die ihm auch von seinem Bewährungshelfer bescheinigt wird, als relativ gering an. Der Antragsteller beabsichtigt zudem, am 1. September 2016 eine Berufsausbildung zu beginnen. Demgegenüber würde eine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet seine Chance, eine berufliche Qualifikation und Integration zu erreichen, von vornherein verhindern. Selbst wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren Erfolg hätte, wäre der Ausbildungsplatz verloren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.