Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 1 StR 124/16

bei uns veröffentlicht am20.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 124/16
vom
20. September 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u.a.
zu 3.: Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2016:200916B1STR124.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20. September 2016
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 23. Oktober 2015 im Tenor dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte G. wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und Steuerhehlerei in 15 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Kleve vom 23. Februar 2012 (Az.: – 603 Js ) und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie wegen Steuerhinterziehung in 21 Fällen und gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 15 Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt ist. Von den Gesamtfreiheitsstrafen gelten jeweils zwei Monate als vollstreckt.
2. Im Übrigen werden die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 23. Oktober 2015 als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Klarstellung war erforderlich, da sich nicht nur aus den Gründen, sondern schon aus dem Tenor des Urteils ergeben muss, für welche Taten der Angeklagte zu welcher Gesamtstrafe verurteilt ist. Das landgerichtliche Urteil spricht aus, dass hinsichtlich eines jeden Angeklagten zwei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als verbüßt gelten sollen. Anhaltspunkte dafür, dass eine anteilige Anrechnung im Umfang von je einem Monat auf beide gegen den Angeklagten G. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 – 2 StR 459/10) erfolgen oder die Kompensation nur eine Gesamtfreiheitsstrafe betreffen sollte, lassen sich dem Urteil nicht entnehmen.
Raum Graf Cirener RinBGH Dr. Fischer befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Raum Bär

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 1 StR 124/16

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 1 StR 124/16 zitiert 1 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juni 2011 - 2 StR 459/10

bei uns veröffentlicht am 01.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 459/10 vom 1. Juni 2011 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. Juni 2011 gemäß § 349 A

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 459/10
vom
1. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 2. Juni 2010 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass
a) der Angeklagte wegen Vergewaltigung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie wegen Vergewaltigung , versuchter Nötigung in zwei Fällen und Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt ist,
b) der Ausspruch über die Aufrechterhaltung der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 entfällt,
c) die zur Erfüllung der als Bewährungsauflage zum Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 gezahlten 600 Euro auf die erste Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren mit zwei Monaten angerechnet werden,
d) zwei Monate der Gesamtstrafen, die im Umfang von je einem Monat auf die beiden Gesamtstrafen angerechnet werden, zur Kompensation der Verzögerung des Revisionsverfahrens als vollstreckt gelten. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten der Vergewaltigung in drei Fällen, versuchter Nötigung in zwei Fällen und Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 bei Aufrechterhaltung der dort ausgesprochenen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
In den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe liegt weder ein Verfahrenshindernis im Sinne von § 151 StPO vor, noch hat das Landgericht mit seinem Urteil den Rahmen der von der zugelassenen Anklageschrift umgrenzten Tat im prozessualen Sinn verlassen (§ 264 Abs. 1 StPO). Im Fall II.1. unter- scheiden sich zwar die Angaben zu Tatzeit und Tatort im Anklagesatz einerseits und im Urteil andererseits, jedoch zeigt die Beschreibung des Tatbildes, dass derselbe Lebenssachverhalt gemeint ist. Im Fall II.2. der Urteilsgründe stimmen die Angaben zu Tatzeit und Tatort in Anklagesatz und Urteil überein, jedoch ist das Tatbild insoweit verändert, als - bei sonst gleichem Rahmengeschehen - an die Stelle eines erzwungenen Vaginalverkehrs ein Fall des erzwungenen Oralverkehrs getreten ist. Die Abweichung in der Darstellung der erzwungenen sexuellen Handlung beruht darauf, dass die Nebenklägerin im Vorverfahren allgemein von "Sex" gesprochen hatte, woraus die Ermittlungsbeamten auf vaginalen Geschlechtsverkehr geschlossen haben, während die Nebenklägerin erst in der Hauptverhandlung auf eine Frage nach dem Grund für einen geschilderten Würgereiz die erzwungene Handlung als Oralverkehr bezeichnet hat. In beiden Fällen ist die Identität des Verfahrensgegenstands nicht zweifelhaft , zumal hier nur einzelne näher konkretisierte Taten angeklagt und abgeurteilt wurden. Die Umgrenzungsmerkmale, die zur Identifizierung des historischen Lebenssachverhalts gebraucht werden können, sind variabel. Tatzeit und Tatort werden zwar in § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO als grundsätzlich geeignete Umgrenzungsmerkmale hervorgehoben. Sie können aber ersetzt werden, wenn die Tat durch andere Umstände ausreichend charakterisiert wird (vgl. BGH StV 1998, 580; KK/Schneider, StPO, 6. Aufl. § 200 Rn. 3; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl. § 200 Rn. 19). Diesen Anforderungen genügt die Tatbeschreibung im Anklagesatz; das Urteil des Landgerichts betrifft dieselben Ereignisse.
3
Der Schuld- und Strafausspruch ist dahin klarzustellen, dass die Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 in die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren erfolgt ist. Die Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 11. Dezember 2008 ist abgelaufen, so dass diese Maßregel entfällt. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE013502307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE013106377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302339005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE047002301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=35&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE047002301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1n70/ - 5 -
4
Die von der Strafkammer unterlassene Anrechnung der erbrachten Bewährungsauflage steht in den Fällen des § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB, anders als in denen des § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB, nicht im Ermessen des Tatgerichts, sondern hat in aller Regel zu erfolgen (vgl. BGHSt 36, 378, 381). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ausnahme von diesem Grundsatz sind hier nicht ersichtlich. Da die erforderlichen Tatsachen im angefochtenen Urteil mitgeteilt werden, hat der Senat den Rechtsfehler auf die Sachrüge zu berücksichtigen; er kann die Anrechnungsentscheidung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst nachholen (vgl. BGH NStZ 2001, 163, 164). Er wählt als Anrechnungsmaßstab die Höhe der Tagessätze im Beschluss des Amtsgerichts Haldensleben vom 18. Juli 2005 (UA S. 7), das von 20 Euro pro Tag ausgegangen ist.
5
Zur Kompensation einer Verzögerung des Revisionsverfahrens ist ein Teil der Strafe als vollstreckt anzusehen. Der Senat stellt daher fest, dass zwei Monate Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Die Anrechnung erfolgt anteilig im Umfang von je einem Monat auf beide Gesamtfreiheitsstrafen.
6
Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt nicht die Anwendung von § 473 Abs. 4 StPO.

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