Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2011 - 1 StR 147/11

bei uns veröffentlicht am12.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 147/11
vom
12. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. November 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch in den Fällen II. 1. a) bis c) der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf lediglich die Bestimmung der von dem Angeklagten im Tatkomplex II. 1. der Urteilsgründe gehandelten Heroinmengen.

I.


2
Nach den Urteilsfeststellungen übergab der Angeklagte im Tatkomplex II. 1. der Urteilsgründe im Zeitraum von November 2006 bis September 2007 in drei Fällen dem anderweitig Verfolgten K. je eine Tüte mit Heroin mit dem Auftrag, das Heroin jeweils an eine andere nicht näher bekannte Person zu übergeben. Das Heroin war in Tüten aus Plastik verpackt, wobei das jeweilige Behältnis die Form einer Wurst mit einer Länge von 14,5 Zentimetern und einem Durchmesser von 3,5 Zentimetern aufwies. K. führte den jeweiligen Auftrag aus, entnahm aus den Paketen jeweils etwa zehn Gramm Heroin als Entlohnung für den Transport und übergab jeweils mindestens 245 Gramm Heroin der Restmenge in der ursprünglichen Verpackung an den Empfänger. Das Heroin war zumindest von durchschnittlicher Qualität und wies einen Mindestwirkstoffgehalt von zehn Prozent Heroinhydrochlorid auf (UA S. 14, 15).
3
Die für den Angeklagten transportierte Heroinmenge ermittelte das Landgericht auf der Grundlage der - rechtsfehlerfrei - für glaubhaft gewerteten Angaben des als Zeugen vernommenen K. wie folgt: Der Zeuge K. hatte angegeben, er habe vom Angeklagten jeweils durchsichtige, wurstähnliche Tüten mit einem braunen Pulver zum Weitergeben erhalten. Die Tüten seien etwa 15 Zentimeter lang gewesen, mit einem Durchmesser von etwa 3 Zentimetern, und hätten jeweils etwa 100 Gramm beinhaltet. Genaue Anga- ben zur Menge und zum Gewicht könne er nicht machen, weil er die Tüten nicht gewogen habe. Er habe jeweils zehn Gramm aus den Tüten als Entlohnung für den Transport zum Eigenverbrauch entnommen. Es habe sich bei dem Pulver um Heroin von durchschnittlicher Qualität gehandelt.
4
Zur genauen Feststellung der in den Tüten befindlichen Heroinmenge ließ das Landgericht den Zeugen K. die Form der Tüten zeichnen. Anschließend vermaß das Landgericht die Zeichnung mit einem handelsüblichen Lineal und ermittelte dabei als Abmessungen eine Länge von 14,5 Zentimetern und einen Durchmesser von 3,5 Zentimetern. Um feststellen zu können, welche Heroinmenge sich in den von dem Zeugen K. beschriebenen wurstähnlichen Verpackungen jeweils befunden hatte, holte das Landgericht bei dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg ein Sachverständigengutachten ein. Die Gutachter gelangten dabei zu dem Ergebnis, dass eine Tüte mit lockerem Heroinpulver mit den vorgegebenen Maßen 275 Gramm Heroinpulver enthalten habe. Dabei gingen die Gutachter von einer Dicke der Verpackung von maximal einem Millimeter und an den Enden der wurstähnlichen Verpackungseinheit von einem halben Zentimeter aus. Auf der Basis dieser Berechnung errechneten die Gutachter ein Innenvolumen des Behältnisses von 444 Kubikzentimetern. Dieses Volumen multiplizierten sie mit der für locker geschütteltes Heroinpulver zunächst experimentell auf drei Nachkommastellen (0,628 Gramm) bestimmten, dann aber auf 0,62 Gramm pro Kubikzentimeter abgerundeten Dichte (UA S. 18/19).
5
Das Landgericht schloss sich dieser Berechnung an, wobei es ebenfalls zugunsten des Angeklagten davon ausging, dass es sich um kein gepresstes Heroinpulver gehandelt habe. Von der errechneten Heroinmenge zog das Landgericht die von dem Zeugen K. als Entlohnung entnommene Menge ab und gelangte schließlich zu einer Gesamtmenge von mindestens 245 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 10 Prozent. Bei der Bestimmung der von dem Zeugen K. entnommenen Heroinmenge schätzte das Landgericht dessen Gewicht nicht auf den vom Zeugen K. angegeben Wert von 10 Gramm, sondern legte zugunsten des Angeklagten 10 Prozent der von ihm auf dem dargestellten Weg ermittelten Gesamtheroinmenge von 275 Gramm Heroingemisch zugrunde (UA S. 19).

II.


6
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch ; demgegenüber kann aber der Strafausspruch keinen Bestand haben, weil das Landgericht zum Nachteil des Angeklagten von einer zu hohen Heroinmenge ausgegangen ist.
7
1. Die Bestimmung der von dem anderweitig Verfolgten K. transportierten Heroinmenge ist rechtsfehlerhaft und beschwert den Angeklagten. Sie hält bereits deshalb der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil dem Landgericht - dem eingeholten Sachverständigengutachten folgend - ein Rechenfehler unterlaufen ist, der zu einer um den Faktor vier zu hohen Heroinmenge geführt hat. Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Landgericht das Transportbehältnis als zylinderförmiges Behältnis angesehen und für die Berechnung von dessen Innenvolumen die mathematische Formel für Kreiszylinder grundsätzlich für anwendbar erachtet hat. Dabei hat es jedoch mathematisch und damit auch rechtlich fehlerhaft die Höhe des Zylinders statt mit dem quadrierten Radius mit dem mit sich selbst multiplizierten Durchmesser der Grundfläche vervielfacht. Dies führte zu einem um den Faktor vier überhöhten Rechenergebnis.
8
2. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens in nicht geringer Menge wird von diesem Rechtsfehler nicht berührt. Angesichts der vom Landgericht festgestellten Schätzungsgrundlagen kann der Senat ausschließen , dass sich bei einer rechtsfehlerfreien Schätzung der Heroinmengen Wirkstoffmengen ergeben könnten, welche unterhalb der Grenze zur nicht geringen Menge liegen.
9
3. Bei einer um den Faktor vier überhöhten Schätzung der von dem Angeklagten transportierten Heroinmengen beruhen allerdings die Strafaussprüche im Tatkomplex II. 1. der Urteilsgründe und der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe auf diesem Rechtsfehler. Die Sache ist daher insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und zur neuen Bestimmung der vom Angeklagten gehandelten Heroin-Wirkstoffmenge und zur neuen Strafzumessung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
10
Im Hinblick auf die Bestimmung der Rauschgiftmenge weist der Senat für die neue Hauptverhandlung auf folgendes hin:
11
Kann eine Auskunftsperson - wie hier der Zeuge K. - nur vage Angaben zur Menge und Qualität des Rauschgifts machen, dann ist der Tatrichter gehalten, die notwendigen Feststellungen zu Menge und Wirkstoffgehalt im Wege einer Schätzung nach den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu treffen (vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Mai 2001 - 3 StR 36/01; vom 10. September 2009 - 3 StR 293/09; Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 2 StR 360/08). Eine "exakte" Bestimmung der Menge, womöglich noch auf drei Nachkommastellen mittels einer Berechnung, die - wie hier - auf vagen Parametern aufbaut, ist in derartigen Fällen in der Regel nicht geboten, sogar untunlich; sie führt unter diesen Voraussetzungen nur zu einer Scheingenauigkeit. Derartige Berechnungen können allenfalls dazu dienen, die Angaben der Auskunftsperson im Wege einer Plausibilitätskontrolle auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen. Hier lässt eine "richtige" Nachrechnung die Mengenangaben des Zeugen (jeweils etwa 100 Gramm) durchaus plausibel erscheinen, so dass der Tatrichter nicht gehindert gewesen wäre, diese Angaben seiner Überzeugung zugrunde zu legen.
Nack Wahl Elf
Graf Jäger

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2011 - 1 StR 147/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2011 - 1 StR 147/11

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2011 - 1 StR 147/11 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Sept. 2009 - 3 StR 293/09

bei uns veröffentlicht am 10.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 293/09 vom 10. September 2009 in der Strafsache gegen alias: wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der S

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2008 - 2 StR 360/08

bei uns veröffentlicht am 01.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 360/08 vom 1. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 293/09
vom
10. September 2009
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. September
2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 30. März 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich der Einzelstrafe im Fall II. 2. der Urteilsgründe sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei er in 18 Fällen (17 mal Handeltreiben und einmal Einfuhr) als Mitglied einer Bande handelte, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte", zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es Wertersatzverfall in Höhe eines Betrages von 20.000 € angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ih- rer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision - wie dem Revisionsantrag und der Begründung des Rechtsmittels (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3) zu entnehmen ist - allein gegen die im Fall II. 2. der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe und die verhängte Gesamtstrafe. Das wirksam beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat vollen Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichtes hatte sich der Angeklagte vor dem 23. April 2007 mit den beiden niederländischen Drogenlieferanten "C. " und "G. " zu einer Bande im Sinne von § 30 a Abs. 1 BtMG zusammengeschlossen. Dabei sollte er als Kurier tätig werden und Kokain in die Schweiz schmuggeln sowie das Kaufgeld von den Abnehmern zu den Lieferanten nach Amsterdam bringen. Nachdem der Angeklagte innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten in 17 Fällen Drogengeld in Höhe von jeweils mindestens 15.000 Schweizer Franken nach Amsterdam transportiert hatte, brachte er im Rahmen seiner Bandentätigkeit Ende Oktober 2007 inkorporiert ein Kilogramm Kokain von Amsterdam über die Bundesrepublik Deutschland zu den Abnehmern nach Basel. Wenige Tage später fuhr der Angeklagte erneut dorthin, holte 24.000 Schweizer Franken - einen Teil des Entgelts für das zuvor gelieferte Kokain - ab, und überbrachte es "C. " in Amsterdam. Der Angeklagte erhielt für den Drogenschmuggel 2.000 € und für den Geldtransport 5 % der überbrachten Summe (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
3
Das Landgericht hat diese Tat rechtlich als bandenmäßige unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigt (§ 30 a Abs. 1 BtMG, § 27 StGB), einen minder schweren Fall im Sinne von § 30 a Abs. 3 BtMG verneint und aus dem Strafrahmen des § 30 a Abs. 1 BtMG die Mindeststrafe von fünf Jahren festgesetzt.
4
1. Die in diesem Fall vorgenommene Strafzumessung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
Die dem Regelstrafrahmen entnommene Mindeststrafe kann nicht bestehen bleiben, weil es das Landgericht unterlassen hat, konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des geschmuggelten Kokains zu treffen. Solche sind indes bei Verurteilungen nach dem Betäubungsmittelgesetz regelmäßig erforderlich (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2008, 471; Weber, BtMG 3. Aufl. vor §§ 29 ff. Rdn. 805 m. w. N.). So ist es auch hier. Zwar hatte der Wirkstoffgehalt mit Blick auf Art und Menge des transportierten Betäubungsmittels keine maßgebliche Bedeutung für die rechtliche Einordnung der vom Angeklagten begangenen Straftaten , die Beurteilung ihres konkurrenzrechtlichen Verhältnisses und die Frage des Vorliegens eines minder schweren Falles. Indes konnte für die Festsetzung der schuldangemessenen Strafe auf die konkrete Feststellung der Wirkstoffmenge - notfalls im Wege der Schätzung (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 319) - nicht verzichtet werden (vgl. Weber aaO Rdn. 799, 806 m. w. N.). Denn nach den getroffenen Feststellungen liegt es nahe, dass der Angeklagte (auch) in diesem Fall hochwertiges Kokain in die Schweiz verbracht hat. So spricht für eine gute Qualität des Kokains, dass der Transport im Zwischenhandel erfolgte und die überbrachte Geldsumme von 24.000 Schweizer Franken nur ein Teil des Kaufpreises war. Zudem erhielt der Angeklagte für den Transport des Rauschgifts den vergleichsweise hohen Kurierlohn von 2.000 €. Deshalb kann der Senat nicht ausschließen, dass sich die unterbliebene Bestimmung des Wirkstoffgehalts bei der Bemessung der Einzelstrafe zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

6
2. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 2. der Urteilsgründe hat die Aufhebung des Ausspruches über die Gesamtstrafe zur Folge. Auf die in diesem Zusammenhang erhobene weitere Beanstandung der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe den gewährten Härteausgleich für eine rechtskräftige und teilweise vollstreckte sowie im Übrigen zur Bewährung ausgesetzte Verurteilung des Angeklagten durch das Strafgericht Basel-Stadt am 1. April 2008 in einer rechtsfehlerhaften Art und Weise sowie mit einem zu hohen Abschlag von der gebildeten fiktiven Gesamtstrafe vorgenommen, kommt es daher nicht mehr an. Allerdings hat die Revision insoweit keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten aufgezeigt (vgl. insoweit Fischer, StGB 56. Aufl. § 55 Rdn. 21 f.).
7
3. Das angefochtene Urteil enthält auch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler (§ 301 StPO). Das Landgericht hat insbesondere rechtlich zutreffend das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne von § 30 a Abs. 3 BtMG abgelehnt. Diese Beurteilung kann unter den gegebenen Umständen auch ohne die - fehlenden - konkreten Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Kokains erfolgen; denn der Angeklagte hat ein Kilogramm Kokain sowie eine hohe Kaufgeldsumme jeweils über zwei Staatsgrenzen geschmuggelt. Schon angesichts dieser, die Tat des Angeklagten prägenden Umstände lag die Verneinung eines minder schweren Falles auf der Hand. Der Senat kann deshalb ausschließen, dass sich die fehlende Feststellung des konkreten Wirkstoffgehalts bei der Strafrahmenwahl zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Gleiches gilt für die Strafzumessung im engeren Sinne, da die Strafkammer auf die Mindeststrafe aus dem zutreffenden Rahmen des § 30 a Abs. 1 BtMG erkannt hat.
Sost-Scheible von Lienen Hubert Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 360/08
vom
1. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. Oktober 2008 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15. April 2008 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. B 6., 7. und 9. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch sowie
c) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II. B 6., 7. und 9. hat keinen Bestand. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte im Fall II. B 6. (II. 6. der Anklage) 30 Gramm Heroin, im Fall II. B 7. (II. 7. der Anklage) 30 Gramm Heroin und 1 Gramm Kokain und im Fall II. B 9. (II. 9. der Anklage) 20 Gramm Heroin aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführt, um es „teilweise“ selbst zu verbrauchen und „teilweise“ an unbekannte Abnehmer weiter zu veräußern. Nähere Ausführungen zum Verhältnis zwischen zum Eigenkonsum und zum Verkauf bestimmten Betäubungsmitteln finden sich nicht. Damit ist das Überschreiten des Grenzwertes der nicht geringen Menge von 1,5 g Heroinhydrochlorid nicht hinreichend dargelegt. Der Senat vermag entgegen der Stellungnahme des Generalbundesanwalts der Gesamtschau der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte jeweils den überwiegenden Teil der eingeführten Drogen gewinnbringend weiter veräußerte und nur einen geringen Teil selbst verbrauchte. Diese Annahme ist mit dem Wortlaut der Urteilsgründe in den betreffenden Fällen sowie den weiter gehenden Formulierungen in den Fällen II. B 8., 10. und 12., in denen der Angeklagte die Betäubungsmittel nach den Feststellungen „überwiegend“ gewinnbringend weiter verkauft hat, unvereinbar. Darüber hinaus hat das Landgericht in den Fällen II. B 6. und 7. keine Feststellungen zur Qualität des Heroins getroffen. Auch wenn mangels sichergestellter Betäubungsmittel insoweit exakte Feststellungen nicht möglich waren, war das Tatgericht gehalten, anhand bestimmter Kriterien - Preis, Herkunft, Bewertung durch Tatbeteiligte - die Wirkstoffkonzentration durch Schätzung zu bestimmen (Senat, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 2 StR 167/08). Soweit das Landgericht im Fall II. B 9. von „zumindest durchschnittlicher Qualität“ ausgeht, hat es nicht - wie grundsätzlich erforderlich (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 2 StR 167/08 und vom 8. August 2008 - 2 StR 277/08) - angegeben, welchen Mindestwirkstoffgehalt es konkret hierbei zugrunde gelegt hat. Angesichts dieser Versäumnisse und Ungenauigkeiten bieten die Urteilsfeststellungen in den im Beschlusstenor bezeichneten Fällen keine hinreichende Gewähr dafür, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge tatsächlich erreicht worden ist.
3
2. Das Urteil kann ferner nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat (§ 64 StGB). Die Begründung hierfür begegnet rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat festgestellt, dass der im Jahre 2004 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 77 Fällen zu einer Geldstrafe verurteilte Angeklagte in allen abgeurteilten Fällen das Heroin teilweise selbst verbraucht hat. Die Anwendung des § 64 StGB hat es unter pauschalem Hinweis auf Ausführungen des Sachverständigen abgelehnt, weil es „an einem beachtlichen Zusammenhang zwischen etwaiger Sucht und Delinquenz mangelt“. Da das Landgericht nicht mitteilt, auf welche Erwägungen des Sachverständigen es sich dabei stützt, ist dem Senat eine revisionsrechtliche Überprüfung dieser Behauptung verwehrt. Die vom Landgericht allein gegebene Begründung, „dass das strafrechtlich relevante Vorgehen des Angeklagten zu einem beachtlichen Maß von der Sicherung des Lebensunterhalts geprägt war und erst in untergeordnetem Sinne zur Suchtfinanzierung diente“, trägt die Annahme, dass es an einem symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeur- teilten Straftaten fehlt, gerade nicht. Sie deutet vielmehr umgekehrt darauf hin, dass der Hang in allen Fällen jedenfalls neben anderen Umständen zur Begehung der Anlasstaten beigetragen haben kann. Dies würde für die Annahme einer Symptomtat ausreichen (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 78). Darüber hinaus spricht die enge zeitliche Abfolge der elf Betäubungsmitteldelikte, die der Angeklagte im Zeitraum von Juni 2007 bis 27. August 2007 im Abstand von teilweise nur wenigen Tagen begangen hat und die nach den Feststellungen durchweg zumindest teilweise der Beschaffung von Heroin zum Eigenkonsum dienten, dafür, dass die Straftaten auch auf den Hang zu übermäßigem Genuss von Rauschmitteln zurückzuführen sind.
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