Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2006 - 1 StR 268/06

bei uns veröffentlicht am19.12.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 268/06
vom
19. Dezember 2006
BGHSt: ja zu I 2
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________________
Die gemäß § 247 Satz 4 StPO gebotene Unterrichtung eines vorübergehend
entfernten Angeklagten kann auch so erfolgen, dass er das Geschehen im Sitzungssaal
mittels Videoübertragung mitverfolgen kann. Der Vorsitzende muss
sich dann jedoch vergewissern, dass die Videoübertragung nicht durch technische
Störungen beeinträchtigt wurde. Wie er sich diese Gewissheit verschafft,
bestimmt der Vorsitzende.
BGH, Beschl. vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 268/06 - LG Offenburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2006 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Offenburg vom 21. Dezember 2005 werden verworfen.
Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die
der Nebenklägerin R. M. dadurch jeweils entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen, der Angeklagte A.
Mi. auch die der Nebenklägerin I. Mi. durch sein
Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:


1
Die Angeklagten sind Brüder. Sie wurden jeweils zu Freiheitsstrafe verurteilt , weil sie die Stieftochter eines weiteren Bruders, die 1989 geborene R. M. , wiederholt sexuell missbraucht haben, H. Mi. etwa seit 1997, A. Mi. etwa seit 2000. A. Mi. hat außerdem seine Nichte, die 1996 geborene I. Mi. , 2000 wiederholt sexuell missbraucht. Zugleich wurden beide Angeklagte zu Schmerzensgeldzahlung an R. M. verurteilt, A. Mi. auch zu einer Schmerzensgeldzahlung an I. Mi, . Die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revisionen bleiben erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2
Der näheren Ausführung bedarf dies hinsichtlich zweier Verfahrensrügen. Diese sind für beide Angeklagten in ihrem rechtlichen Kern identisch erhoben. Kleinere Unterschiede im Vortrag sind für die rechtliche Bewertung des Vorbringens ohne Bedeutung und können daher auf sich beruhen.
3
1. R. M. wurde am 4. Verhandlungstag als Zeugin gehört und anschließend entlassen. Im Hinblick auf anderweitige Hilfsbeweisanträge, denen das Gericht stattgegeben hatte, wurde von Amts wegen auch R. M. am 17. Verhandlungstag nochmals als Zeugin geladen. Es ging um die näheren Umstände eines Umzugs, anlässlich dessen es zu sexuellen Übergriffen auf R. M. gekommen sein soll.
4
Auf Antrag der Nebenklägervertreterin wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen (§ 171b GVG). Zur Begründung nahm die Jugendkammer Bezug auf den entsprechenden Beschluss vom 4. Verhandlungstag.
5
Hiergegen wendet sich die Revision. Sie meint, da nur über die Umstände des Umzugs noch Beweis zu erheben war - über ein anderes Thema sei es bei der erneuten Vernehmung der Zeugin dann auch nicht gegangen - hätten die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit nicht vorgelegen.
6
Außerdem hätte unter den gegebenen Umständen nicht nur auf den früheren Beschluss Bezug genommen werden dürfen.
7
Im Rahmen des Vorbringens zu dieser Rüge gibt es von der Revision (insbesondere für den Angeklagten H. Mi. ) einerseits und dem Generalbundesanwalt andererseits umfangreiches und inhaltlich gegenläufiges Vorbringen zum erforderlichen Revisionsvortrag, den Gründen, warum dieser Vortrag unterblieben sei, und dementsprechend gegenläufige Anträge zu des- halb zu gewährender oder zu versagender Wiedereinsetzung. All dies kann auf sich beruhen bleiben. Die Rüge ist in weitem Umfang unstatthaft, soweit sie statthaft ist, ist sie jedenfalls offensichtlich unbegründet.
8
a) Statthaft ist hier allein die Rüge, es fehle an der gemäß § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG gebotenen Begründung des Beschlusses (vgl. BGH StV 1990, 10). Mit der Bezugnahme auf die Gründe des früheren Beschlusses sind die nach Auffassung des Gerichts maßgeblichen Gründe für den erneuten Ausschluss der Öffentlichkeit ausreichend angegeben (BGHSt 30, 298, 300, 304; BGH GA 1983, 361; in vergleichbarem Sinne auch BGH NStZ-RR 2004, 118, 119). Die Frage, ob die Gründe für den erneuten Ausschluss der Öffentlichkeit ausreichend deutlich sind, darf nicht - auch nicht im Zusammenhang mit den Anforderungen an den notwendigen Umfang des Revisionsvorbringens - mit der Frage vermengt werden, ob die Annahme des Gerichts, die Gründe der früheren Entscheidung rechtfertigten auch die erneut zu treffende Entscheidung, rechtlich zutrifft oder nicht.
9
b) Im Übrigen ist die Rüge unstatthaft, wie sich aus § 171b Abs. 3 GVG in Verbindung mit § 336 Satz 2 StPO ergibt. Unanfechtbar und damit revisionsgerichtlicher Überprüfung entzogen sind sämtliche im Rahmen von § 171b GVG inhaltlich zu treffenden Entscheidungen (vgl. Wickern in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 171b GVG Rdn. 25). Dies gilt auch für die einer solchen Entscheidung notwendig vorausgehende Prognose, ob eine Erörterung der in § 171b GVG genannten Umstände in dem Verfahrensabschnitt, für den die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll, zu erwarten ist (vgl. hierzu näher Wickern aaO Rdn. 11). Im Übrigen ist die Prognose, bei einer Vernehmung der zentralen Belastungszeugin für den Vorwurf sexuellen Missbrauchs würden in § 171b GVG genannte Umstände erörtert werden, auch dann nahe liegend, wenn es nur deshalb zu einer - erneuten - Vernehmung dieser Zeugin kommt, weil eine für sich genommen „neutrale“ Frage zum Randgeschehen (hier: nähere Umstände eines Umzugs) noch geklärt werden muss. Auch in einem solchen Fall ist kein Verfahrensbeteiligter rechtlich gehindert, bisher noch nicht gestellte, aber zur Sache gehörende - also den gesamten Anklagevorwurf betreffende - Fragen zu stellen; eine Beschränkung des Fragerechts auf ein bestimmtes Beweisthema gibt es nicht. All dies gilt entsprechend auch für das Gericht selbst. Schließlich wird das Verfahren auch dann nicht fehlerhaft, wenn sich die Prognose des Gerichts nicht bestätigt und es zu einer Erörterung der genannten Umstände nicht kommt (vgl. BGHSt 30, 212, 215 zu § 172 GVG).
10
2. Während der Vernehmung der Zeugin R. M. hatten sich die Angeklagten zu entfernen (§ 247 Satz 1 StPO). Sie konnten jedoch die Vernehmung von einem Nebenraum aus per Videoübertragung mitverfolgen. Nachdem die Angeklagten wieder im Sitzungssaal waren, erklärten ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung sämtliche Angeklagte „mit Zustimmung ihrer Verteidiger“ Folgendes:
11
“Ich konnte die Aussage der Zeugin R. M. uneingeschränkt optisch und akustisch in dem gesonderten Raum wahrnehmen. Aus diesem Grunde verzichte ich auf den Bericht des Vorsitzenden gemäß § 247 Satz 4 StPO.“
12
Dementsprechend wurde von einer weiteren Unterrichtung abgesehen. Nunmehr trägt die Revision unter Darlegung technischer Details vor, während der Vernehmung habe es Mängel der Übertragung gegeben, es sei „häufig“ bzw. „mehrfach“ vorgekommen, dass „keine vollständige Übertragung in den Nebenraum stattfand“. Der Angeklagte hätte gemäß § 247 Satz 4 StPO über den Inhalt der Vernehmung der Zeugin unterrichtet werden müssen.
13
Gleiches wird für das identisch abgelaufene Verfahrensgeschehen am 17. Verhandlungstag geltend gemacht, vom Angeklagten A. Mi. darüber hinaus auch für einen anderen Verhandlungstag, als nur er während der Vernehmung der Zeugin I. Mi. entfernt worden war.
14
Ein Rechtsfehler ist nicht ersichtlich.
15
a) In welcher Form eine gemäß § 247 Satz 4 StPO gebotene Unterrichtung zu erfolgen hat, ist im Gesetz nicht näher geregelt und daher im Rahmen der Verhandlungsleitung (§ 238 Abs. 1 StPO) vom Vorsitzenden zu bestimmen (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 247 Rdn. 44; Diemer in KK 5. Aufl. § 247 Rdn. 15). Die Unterrichtung kann auch in der Weise erfolgen, dass der Angeklagte das Geschehen im Gerichtssaal mittels Videoübertragung unmittelbar mit verfolgen kann. Durch die alsbaldige Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 StPO soll der Angeklagte in die Lage versetzt werden, den weiteren Gang der Verhandlung sofort zu beeinflussen. Damit soll sein Recht gewahrt werden, sich trotz seiner vorübergehenden Abwesenheit bestmöglich zu verteidigen (vgl. zusammenfassend BGHR StPO § 247 Satz 4 Unterrichtung 8 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 15. November 1992 - 2 BvR 1793/ 92). All dies wird durch die in Rede stehende Verfahrensweise nicht gefährdet; daher ist es unschädlich, dass die Unterrichtung nicht erst erfolgt, wenn der Angeklagte wieder im Gerichtssaal ist, sondern schon vorher außerhalb des Gerichtssaals zeitgleich mit dem Geschehen im Gerichtssaal, und dass sie nicht verbal durch den Vorsitzenden erfolgt, sondern dadurch, dass dieser die Kenntnisnahme durch Videoübertragung ermöglicht. Ein unmittelbares Erleben einer Aussage durch Videoübertragung wird regelmäßig sogar eindrücklicher sein, als dies ein späterer verbaler Bericht hierüber sein kann.
16
b) All dies ändert jedoch nichts daran, dass die Verantwortung für die Unterrichtung des Angeklagten letztlich beim Vorsitzenden verbleibt. Dementsprechend muss er sich vergewissern, dass der Angeklagte nicht aus technischen Gründen gehindert war, die im Sitzungssaal gemachte Aussage uneingeschränkt zur Kenntnis zu nehmen. Wie er sich diese Gewissheit verschafft, bestimmt der Vorsitzende; es gelten insoweit vergleichbare Grundsätze wie bei der Gestaltung der Unterrichtung. Eine Befragung des Angeklagten, ob es Störungen gab, wie sie der Vorsitzende hier offenbar vorgenommen hat, wird regelmäßig zweckmäßig sein. Die Auffassung, dass der Vorsitzende darüber hinaus stets den Aussageinhalt darlegen müsse, weil es sonst nicht zuverlässig möglich sei, etwaige Unzulänglichkeiten der Übertragung festzustellen, teilt der Senat nicht. Allein dadurch, dass der Angeklagte eine Unterrichtung durch den Vorsitzenden entgegennimmt, kann offensichtlich nicht deutlich werden, was er durch die vorangegangene Übertragung schon weiß und was er wegen Übertragungsmängeln nicht wissen kann. Bei einer Fallgestaltung wie hier kann sich die Erkenntnis von Übertragungsmängeln nicht aus der Unterrichtung durch den Vorsitzenden, sondern nur aus einer Erklärung des Angeklagten ergeben. Die Möglichkeit, dass der Angeklagte zu Unrecht glaubt, alles wahrgenommen zu haben und erst durch die Unterrichtung eine sonst unbemerkt gebliebene Störung erkennt, ist praktisch nicht vorstellbar und kann daher außer Acht bleiben. Auch sonst sind Anhaltspunkte für die Annahme, die genannte Erklärung der Angeklagten, sie hätten der Vernehmung uneingeschränkt folgen können, könnte objektiv falsch sein, nicht ersichtlich. Ob bei einer Videoübertragung optische oder akustische Einschränkungen aufgetreten sind, ist eine sehr einfach zu beurteilende Frage. Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagten gleichwohl hierzu nicht in der Lage gewesen sein könnten, sind weder nachvollziehbar vorgetragen , noch sonst ersichtlich. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum die Angeklagten hierzu absichtlich etwas Falsches vorgetragen haben könnten. Schließlich fällt ins Gewicht, dass diese Erklärung ausdrücklich mit Zustimmung der Verteidiger abgegeben wurde. Dass diese einer solchen Erklärung zugestimmt hätten , wenn ein - selbst ganz geringer - Zweifel an ihrer Richtigkeit bestanden hätte, liegt fern. Konkrete Anhaltspunkte, die hier eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich. Nach alledem hat sich der Vorsitzende hier in rechtlich bedenkenfreier Weise die Gewissheit verschafft, dass die Angeklagten der Vernehmung uneingeschränkt folgen konnten.
17
c) Ob es generell möglich ist, dies mit neuem Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren in Frage zu stellen, mag hier dahinstehen. Die nunmehr aufgestellte Behauptung technischer Störungen hat sich nämlich nicht erwiesen. Die - von der Revision inhaltlich nicht angezweifelte - dienstliche Erklärung des Ersten Justizhauptwachtmeisters E. ergibt nämlich, dass eine „lückenlose Übertragung in Bild und Ton“ sichergestellt war. Wie er näher darlegt, ist die technische Schilderung der Revision unzutreffend, selbst unter den von ihr behaupteten Umständen wären keine Tonstörungen aufgetreten, sondern allenfalls Bildstörungen. Der Senat braucht der Frage, ob es rechtlich überhaupt Bedeutung haben könnte, wenn die Angeklagten zwar alles gehört, aber nicht alles gesehen hätten, aber nicht näher nachzugehen. Aus der Erklärung des Ersten Justizhauptwachtmeisters E. ergibt sich nämlich nur, dass (allenfalls) Bildstörungen aufgetreten wären, wenn die Behauptungen der Revision zutreffen würden. Dass derartige Bildstörungen tatsächlich aufgetreten sind, ergibt sich hieraus jedoch nicht. Die in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen sprechen dagegen. Der Zweifelssatz gilt nicht hinsichtlich der Erweislichkeit von Tatsachen, aus denen sich ein Verfahrensverstoß ergeben soll (vgl. BGHSt 21, 4, 10; w. N. b. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 41).
18
d) Besteht aber kein Zweifel daran, dass der Angeklagte durch die Videoübertragung umfassend über das Geschehen während seiner Abwesenheit im Sitzungssaal informiert ist, hätte eine gleichwohl nochmals vorgenommene Unterrichtung des Angeklagten über dieses Geschehen keinen erkennbaren Sinn. Außerdem kann ein Urteil offensichtlich nicht darauf beruhen, dass der Angeklagte nicht über etwas unterrichtet worden ist, was er ohnehin zuverlässig weiß.
19
e) Der Senat bemerkt, dass alledem bei sinngerechtem Verständnis die Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 26. August 2005 - 3 StR 269/05 (BGHR StPO § 247 Abwesenheit 29) nicht entgegensteht. Außerdem ist diese Entscheidung nicht einschlägig i. S. d. § 132 GVG (vgl. hierzu Hannich in KK 5. Aufl. § 132 GVG Rdn. 3 f. m.w.N.), da der 3. Strafsenat über einen Sachverhalt zu entscheiden hatte, der mit dem vorliegenden nicht zu vergleichen ist: Dort waren während der Zeugenvernehmung unverzüglich geltend gemachte technische Mängel aufgetreten, die den Angeklagten an der weiteren Kenntnisnahme der Vernehmung mittels der zunächst einwandfrei gewesenen Videoübertragung hinderten. In diesem Zusammenhang machte er mit seiner Revision nicht etwa geltend, dass er nach Abschluss der Vernehmung nicht vollständig unterrichtet worden wäre; er wandte sich vielmehr (vergeblich) dagegen , dass die von der Störung betroffenen Vernehmungsteile nicht wiederholt worden waren, um ihm zu ermöglichen, auch diesen Teil der Vernehmung doch noch mittels Videoübertragung mitzuverfolgen.
20
f) Der Senat sieht Anlass zu folgenden Hinweisen:
21
(1) Bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden kann das Gericht etwaige technische Störungen, anders als im Fall des § 247a StPO, nicht selbst unmittelbar bemerken. Es erscheint daher zweckmäßig, dass ein Justizangehöriger in Gegenwart des Angeklagten die Videoübertragung verfolgt. Er kann das Gericht unmittelbar benachrichtigen, wenn dies während der Übertragung we- gen technischer Störungen oder aus sonstigen Gründen erforderlich wird. Nach Abschluss der Übertragung könnten Angaben eines solchen Beobachters gewichtiges Beweisanzeichen sein, sowohl bei der Überprüfung, ob der Angeklagte unterrichtet ist (vgl. I. 2. b), als auch dann, wenn, wie hier, Monate nach der Hauptverhandlung erstmals im Revisionsverfahren das Gegenteil von dem behauptet wird („häufig ... keine vollständige Übertragung“), was in der Hauptverhandlung noch unmissverständlich erklärt worden war („konnte … uneingeschränkt … wahrnehmen“).
22
(2) Ebenso kann sich empfehlen, insoweit vergleichbar dem Fall des § 247a Satz 4 StPO, den übertragenen Vorgang zugleich aufzuzeichnen, damit er in etwaigen Zweifelsfällen dem Angeklagten erforderlichenfalls nochmals vorgespielt werden kann.
23
(3) Schließlich wird in Fällen, in denen - anders als hier - etwa Pläne, Skizzen oder auch Lichtbilder als Vernehmungsbehelfe verwendet werden (vgl. hierzu BGHR StPO § 247 Abwesenheit 10, 28; BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 367/01; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 247 Rdn.19), auf die Wahrung der Recht e des Angeklagten in besonderer Weise Bedacht zu nehmen sein. Es versteht sich nämlich nicht von selbst, dass derartige Unterlagen ohne weiteres von der Videoübertragung erfasst werden und sich dementsprechend die hierzu gemachten Aussagen des Zeugen allein durch die Videoübertragung in vollem Umfang erschließen. In derartigen Fällen wird es sich empfehlen, den Angeklagten so zu unterrichten, wie dies ohne Videoübertragung zu geschehen hat.

II.

24
Auch im Übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigungen gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts. Nack Wahl Kolz Elf Graf

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2006 - 1 StR 268/06

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(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden. (2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2006 - 1 StR 268/06 zitiert 11 §§.

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Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

(1) Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet. Der Beschluß, der die Öffentlichkeit ausschließt, muß öffentlich verkündet werden; er kann in nicht öffentlicher Sitzung verkündet werden, wenn zu befürchten ist, daß seine öffentliche Verkündung eine erhebliche Störung der Ordnung in der Sitzung zur Folge haben würde. Bei der Verkündung ist in den Fällen der §§ 171b, 172 und 173 anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.

(2) Soweit die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen wird, dürfen Presse, Rundfunk und Fernsehen keine Berichte über die Verhandlung und den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks veröffentlichen.

(3) Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder aus den in §§ 171b und 172 Nr. 2 und 3 bezeichneten Gründen ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen. Der Beschluß ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Er ist anfechtbar. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

(1) Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Absatz 1 Nummer 5 des Strafgesetzbuchs) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn

1.
eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist,
1a.
eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist,
2.
ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden,
3.
ein privates Geheimnis erörtert wird, dessen unbefugte Offenbarung mit Strafe bedroht ist,
4.
eine Person unter 18 Jahren vernommen wird.

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 367/01
vom
22. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. November 2001 in der Sitzung am 22. November 2001, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger
- in der Verhandlung vom 21. November 2001 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 23. März 2001 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von Sicherungsverwahrung abgesehen ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.


1. Die Jugendkammer hat folgendes festgestellt:

a) Im November 1998 erbot sich der Angeklagte, der als Türsteher einer Diskothek tätig war, die Zeugin und Nebenklägerin N. von der Diskothek nach Hause zu fahren. Als er in eine andere Richtung fuhr, wollte N. aus dem Auto fliehen, was der Angeklagte gewaltsam verhinderte. Er fuhr in eine Tiefgarage, wo er einen weiteren Fluchtversuch ebenso gewaltsam verhinderte. Er brachte sie in eine Wohnung, wo er gegen ihren Willen mit ihr den Geschlechtsverkehr ausübte, wobei er erkannte, daß sie nur wegen seiner vorangegangenen Gewalttätigkeit keinen weiteren Widerstand leistete.

b) Am 10. Juli 1999 bot der S. nach einem Besuch der selben Diskothek seiner Bekannten B. und deren etwa 17 Jahre alten Freundin, der Zeugin und Nebenklägerin L. an, sie nach Hause zu fahren. Der Angeklagte stieg mit in das Fahrzeug. Die Mädchen wurden in die Wohnung der M. gebracht, zu der der Angeklagte einen Schlüssel hatte. Während sich S. und B. in einem anderen Teil der Wohnung aufhielten, warf der Angeklagte die sich wehrende und schreiende L. gewaltsam auf ein Bett und führte mit ihr gewaltsam den Geschlechtsverkehr durch. L. trug mehrere Hämatome am ganzen Körper davon.

c) Schon im Herbst 1996 hatte M. die damals etwa 17 Jahre alte R. nach einem gemeinsamen Diskothekenbesuch mit zum Übernachten in die Wohnung des Angeklagten genommen. M. und der Angeklagte schliefen im Schlafzimmer, R. im Wohnzimmer. Am nächsten Morgen kam der Angeklagte und legte sich gegen den Widerstand der R. , die dabei Schmerzen und Rötungen im Brustbereich erlitt, auf ihren Körper, wobei er sie mit seinem erigierten Glied mehrfach im Bereich der Scheide berührte. R. schrie laut und der Angeklagte sah - wie die Jugendkammer feststellt, freiwillig - von dem von ihm geplanten Geschlechtsverkehr ab.
Einige Zeit später drohte der Angeklagte R. mit Schlägen, wenn sie weiterhin im Bekanntenkreis über diesen Vorfall rede.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wie folgt verurteilt:

a) wegen Vergewaltigung zum Nachteil N. zu vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe;

b) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum NachteilL. zu vier Jahren Freiheitsstrafe; in diesem Fall ging die Jugendkammer im wesentlichen auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten von alkoholbedingt erheblich verminderter Schuldfähigkeit aus (§ 21 StGB);

c) wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil R. zu zwei Jahren Freiheitsstrafe;

d) wegen versuchter Nötigung von R. zu sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten gebildet.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf mehrere Verfahrensrügen und die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte unbeschränkte Revision des Angeklagten und die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft , die sich nur dagegen wendet, daß von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen wurde.
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos; die Revision der Staatsanwaltschaft greift durch.

II.


Zur Revision des Angeklagten:
1. Der Angeklagte war während der Vernehmung der Zeugin L. aus dem Sitzungssaal entfernt worden (§ 247 StPO).Während der Vernehmung legte der Verteidiger ausweislich des Protokolls "einen Stadtplan zum Zwecke des Vorhalts an die Zeugin vor; die Zeugin wurde von ihm bezüglich der Fahrtstrecke ... befragt".

Ein Verfahrensfehler (§ 247 StPO i. V. m. § 338 Nr. 5 StPO) ist entgegen der Auffassung der Revision nicht ersichtlich.
Der Ausschluß des Angeklagten von der Vernehmung eines Zeugen erstreckt sich auf alle mit der Vernehmung zusammenhängende Verfahrensvorgänge , wie z. B. auch Vorhalte (vgl. zu Vorhalten aus einer Urkunde BGH NStZ 2001, 262; 1997, 402; NJW 1968, 167; Gollwitzer in LR 25. Aufl. § 247 Rdn. 19). Der Stadtplan wurde nur als Vernehmungsbehelf verwendet. Ein darüber hinaus gehender Vorgang mit selbständiger verfahrensrechtlicher Bedeutung , wie es die Einnahme eines Augenscheins wäre, ist nicht ersichtlich.
2. Die Jugendkammer ließ die Zeugin B. gemäß § 61 Nr. 1 StPO unvereidigt , da nach pflichtgemäßem Ermessen eine Vereidigung der 17 Jahre alten Zeugin nicht geboten sei. Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Entscheidung ausreichend begründet. Hierfür genügt die Angabe der Jugendlichkeit des Zeugen oder der Gesetzesstelle (BGHSt 3, 229). Auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens sieht der Senat keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.
3. Die Zeugen H. und K. haben im Kern übereinstimmend bekundet, die Zeugin N. hätte ihnen gegenüber behauptet, in jungen Jahren von ihrem Vater sexuell belästigt ("angefaßt") worden zu sein. Den Antrag, den Vater zum Beweis dafür zu vernehmen, daß er seine Tochter niemals sexuell belästigt habe, hat die Jugendkammer als bedeutungslos abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Zur Begründung hat sie im einzelnen dargelegt, warum die Zeugin, etwa im Hinblick auf ihr damals noch geringes Alter, inso-
weit einer Fehleinschätzung unterlegen sein kann. Damit hat die Jugendkammer mit hinlänglicher Deutlichkeit dargelegt, warum sie auch dann, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellten Behauptungen glaubhaft bestätigen würde , daraus keine Rückschlüsse auf die Unrichtigkeit der den Angeklagten belastenden Aussagen der Zeugin ziehen würde. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine so begründete Bedeutungslosigkeit einer möglichen Indiztatsache rechtlich nicht zu beanstanden (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Kleinknecht /Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 244 Rdn. 56).
4. Im Hinblick auf die Angabe der Zeugin N. , sie habe 1990 eine zu ihrem Nachteil begangene Vergewaltigung angezeigt, hatte die Verteidigung die Vernehmung des Zeugen Mi. , Polizeiinspektion Lü. , zum Beweise dafür, daû dort keinerlei Unterlagen über eine Vergewaltigung zum Nachteil der Zeugin existierten und die Vernehmung des damaligen Kommissariatsleiters "Sitte" in Lü. zum Beweis dafür, daû er keinerlei Erkenntnisse über eine derartige Anzeige hat und daû er sich an die Anzeige einer "richtigen Vergewaltigung" erinnern würde, beantragt.
Die Jugendkammer hat die in das Wissen des Zeugen Mi. gestellte Behauptung als wahr unterstellt. Ebenso hat sie als wahr unterstellt, daû auch der frühere Kommissariatsleiter keine entsprechenden Erkenntnisse hat. Die Behauptung, er werde bekunden, daû er sich andernfalls an eine Anzeige erinnern würde, hat sie als bedeutungslos angesehen.
Soweit die Revision nunmehr im einzelnen darlegt, warum die Jugendkammer ausweislich der Urteilsgründe die Wahrunterstellung hinsichtlich der
Erinnerung nicht eingehalten habe, geht dies schon allein deshalb ins Leere, weil insoweit keine Wahrunterstellung erfolgt ist.
Soweit die Strafkammer Behauptungen als wahr unterstellt hat, hat sie sich dazu in den Urteilsgründen nicht in Widerspruch gesetzt. Anderes behauptet auch die Revision nicht.
5. Die Verteidigung hatte ein Sachverständigengutachten zur Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugin N. beantragt und diesen Antrag nach dessen Zurückweisung im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung mit ergänzender Begründung wiederholt. Auch diesen Antrag hat die Jugendkammer unter Berufung auf eigene Sachkunde (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) abgelehnt und zur Begründung (in beiden Beschlüssen inhaltlich im wesentlichen identisch ) ausgeführt, daû eine körperliche Behinderung oder eine psychische Auffälligkeit , die über eine "übliche Schwierigkeit bei der Verarbeitung des Erlebten hinausgeht" bei der - erwachsenen - Zeugin nicht festzustellen seien. Auch der Sachverhalt weise keine solche Besonderheiten auf, daû richterliche Sachkunde zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung nicht ausreiche, zumal es auûerhalb der Aussage der Zeugin selbst liegende Umstände gebe, die zur Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit herangezogen werden könnten.
Damit ist die Jugendkammer von einem zutreffenden rechtlichen Ansatzpunkt ausgegangen (vgl. zusammenfassend Gollwitzer aaO § 244 Rdn. 82, Kleinknecht/Meyer-Goûner aaO § 244 Rdn. 74 jew. m.w.N.) .Die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit bedarf es nur dann, wenn die Eigenart des Einzelfalls, etwa aus den von der Jugendkammer angesprochenen Gesichtspunkten, eine auûergewöhnliche Sachkunde
erfordert. Die Entscheidung, ob ein solcher Fall gegeben ist, liegt im pflichtgemäûen Ermessen des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat sich bei seiner Nachprüfung darauf zu beschränken, ob der Tatrichter die durch die Gegebenheiten des Einzelfalls seinem Ermessen gezogenen rechtlichen Grenzen eingehalten hat (BGH NStZ 1987, 182).
Dies ist zu bejahen.
Die Jugendkammer hat sich (in den Urteilsgründen; vgl. Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 28 m.w.N.) eingehend mit der Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugin auseinander gesetzt und hat dabei auch die in den Anträgen genannten Gesichtspunkte, die gegen eine Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin sprechen könnten, nicht übersehen. Die Erwägung der Jugendkammer, für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin sprächen entscheidend die Schilderungen der Zeugen H. und K. über die Angaben, die die Zeugin N. ihnen gegenüber unmittelbar nach der Tat gemacht hat und über den psychischen Zustand, in dem sich die Zeugin N. dabei befunden hat, läût Rechtsfehler nicht erkennen.
Aus alledem folgt zugleich, daû die Einholung eines Sachverständigengutachtens auch kein Gebot der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) war.
6. Ebenso wenig ist die Beweiswürdigung sachlich-rechtlich zu beanstanden.
Auch im übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

III.


Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
Obwohl die hier abgeurteilten Taten die formalen Voraussetzungen von § 66 (Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 ) StGB erfüllen, hat die Jugendkammer Sicherungsverwahrung nicht angeordnet, weil kein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB festzustellen sei. Die hierfür maûgeblichen Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung jedoch nicht Stand:
1. Die Jugendkammer, die insoweit dem von ihr gehörten Sachverständigen "nicht ohne Bedenken" folgt und seine Ausführungen nur "mit Einschränkungen" nachvollziehen kann, geht letztlich davon aus, daû der Angeklagte kein "egozentrischer Notzuchtstäter" sondern ein "uneigentlicher Notzuchtstäter" sei. Ohne daû der Senat dieser Unterscheidung im übrigen näher nachgehen müûte, ist jedenfalls der in diesem Zusammenhang zur Begründung mit herangezogene Hinweis auf die "sture Selbstverständlichkeit", mit der der Angeklagte vorging, ersichtlich nicht geeignet, die Annahme eines Hangs zu widerlegen. Es ist nicht zu erkennen, warum sture Selbstverständlichkeit bei der Durchführung gewichtiger Straftaten gegen eine intensive Neigung zu Rechtsbrüchen im Sinne eines eingeschliffenen Verhaltensmusters (vgl. zusammenfassend Dreher/Tröndle StGB 50. Aufl. § 66 Rdn. 18, Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. Rdn. 13 jew. m.w.N.) sprechen könnte. In diesem Zusammenhang kann auch nicht auûer Betracht bleiben, daû der Sachverständige und ersichtlich auch die Strafkammer davon ausgehen, auch künftig seien in zu erwarten-
den sexuell geprägten Situationen "vergleichbare Taten ernsthaft zu besorgen".
2. Soweit die Jugendkammer bei der Ablehnung eines Hangs darauf hinweist, daû sich der Angeklagte in einem "fremden sozialen Milieu bewegt", ist dies, unbeschadet der Frage der generellen Bedeutung dieses Umstands, hier schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil es mit den Feststellungen zur Person des Angeklagten nicht vereinbar ist.
Der Angeklagte stammt aus Ghana, wo er 1988 seine Schulausbildung mit der Berechtigung zum Universitätsstudium abschloû. Anschlieûend lebte er bis 1990 in den USA und seit 1991 - mit kürzeren Unterbrechungen - in Deutschland. Er ist seit 1993 mit einer Deutschen verheiratet und war als Montagearbeiter tätig, bis er Türsteher wurde.
Ebensowenig wird unter den gegebenen Umständen deutlich, warum der von der Jugendkammer ebenfalls genannte "ethnologische Aspekt" gegen einen Hang sprechen könnte.
3. Weiter hebt die Jugendkammer darauf ab, daû ein "früher Beginn der Delinquenz" (zu der Bedeutung dieses Gesichtspunkts vgl. Hanack in LK 11. Aufl. § 66 Rdn. 94, 101 m.w.N.) nicht festzustellen sei. Ob damit auf bisherige Vorverurteilungen oder eher auf das Lebensalter bei Beginn der kriminellen Karriere abgestellt sein soll, wird nicht deutlich. Dies kann aber schon deshalb dahinstehen, weil keiner dieser Gesichtspunkte hier zur Ablehnung eines Hangs tragfähig wäre.
Unbeschadet des Gesichtspunkts, daû sich sowohl aus § 66 Abs.2 StGB als auch aus § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB ergibt, daû ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht allein deshalb ausgeschlossen sein muû, weil der Täter über die Anlaûtaten hinaus strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getretenen ist (vgl auch BGH StV 2000, 257, 258), ist der Angeklagte einschlägig vorbestraft. Er wurde 1993 wegen sexueller Nötigung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er ein 15 Jahre altes Mädchen, das er auf der Straûe angesprochen hatte, zunächst in sein Auto "bugsiert" und dann nach einem Lokalbesuch "an einen abgelegenen Ort verbracht und sich ihr dort gewaltsam sexuell genähert hatte".
Aus alledem ergibt sich, daû der Angeklagte zwischen 1993 und 1999 vier Sexualdelikte begangen hat, die - bei allen Unterschieden im Detail - in gleicher Weise dadurch gekennzeichnet sind, daû ein gemeinsamer Aufenthalt in einem Lokal oder einer Diskothek vorausgegangen ist. Bei der 1993 begangenen Tat war der Angeklagte 25 Jahre alt, bei der Tat im Jahre 1999 war er 31 Jahre alt. Unter diesen Umständen ist der Hinweis auf fehlende Erkenntnisse über Frühdelinquenz zur Ablehnung eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht geeignet.
4. Schlieûlich bestehen auch rechtliche Bedenken gegen die Annahme der Jugendkammer, gegen einen Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB spräche auch, daû ein "Alkoholabusus" nicht festzustellen sei. Hingen die Straftaten des Angeklagten mit einer Neigung zu übermäûigem Alkoholkonsum zusammen, wäre in erster Linie nicht Sicherungsverwahrung sondern Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zu prüfen.
5. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muû nach alledem neu befunden werden. Auch bei Annahme eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB und der sonstigen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung stünde diese gemäû § 66 Abs. 2 StGB (bzw. § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB) im Ermessen des Gerichts (vgl. hierzu nur BGH NStZ 1985, 261 m.w.N.).
6. Im Einzelfall kann eine nicht rechtsfehlerfrei abgelehnte Sicherungsverwahrung dazu führen, daû zugleich der Strafausspruch zu Gunsten des Angeklagten aufzuheben ist, wenn nicht auszuschlieûen ist, daû andernfalls eine niedrigere Strafe verhängt worden wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.N.).Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt ist (vgl. BGH Urteil vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; Urteil vom 4. September 2001
- 1 StR 232/01). Daû die Jugendkammer eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn sie davon ausgegangen wäre, daû beim Angeklagten ein Hang zu gefährlichen Straftaten vorliegt, ist hier jedoch ausgeschlossen.
Schäfer Nack Wahl Herr RiBGH Dr. Kolz befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Boetticher Schäfer