Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2018 - 1 StR 401/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 21. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht in sechs Fällen und Körperverletzung durch Unterlassen in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen.
- 2
- Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 4
- 1. Das Landgericht hat in den Fällen II. 5., 7. und 8. der Urteilsgründe die Einzelstrafen dem nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 225 Abs. 1 StGB entnommen und in den Fällen II. 3., 4. und 6. der Urteilsgründe jeweils minder schwere Fälle angenommen und den gemäß § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 225 Abs. 4 StGB angewendet. Im Fall II. 9.b der Urteilsgründe hat die Jugendkammer der Strafzumessung den Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt.
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- Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat das Landgericht bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen unter anderem „insbesondere zu Ungunsten der Angeklagten“ gewertet, dass sie das Ausmaß des eigenen Fehlver- haltens grundlegend falsch bewerte und nicht fähig sei, ihren eigenen Verursachungsanteil zu erkennen und hierfür Verantwortung zu übernehmen. Sie sehe sich als Teil ihrer Familie und damit weiterhin als Opfer ihres früheren Lebensgefährten, des nicht revidierenden Mitangeklagten M. ; ihre „zentrale und zu verantwortende Rolle als ‚Ermöglicherin‘ von dessen Misshandlungen“ sei sie nicht in der Lage einzusehen (UA S. 60). Mit dieser Erwägung inhaltlich im Zusammenhang stehend hat das Landgericht überdies das Nachtatverhalten der Angeklagten strafschärfend berücksichtigt, da diese während eines betreuten Umgangs beiden Kindern suggeriert habe, sie könnten schon bald wieder zu ihr zurückkehren. Dies zeige illusionistische und unrealistische Vorstellungen sowie, dass bei der Angeklagten „schlichtweg“ kein Verständnis für ihr eigenes Fehlverhalten bestehe und keine Verantwortungsübernahme gegeben sei (UA S. 61). Die Jugendkammer hat zudem zu Lasten der Angeklagten gewertet, dass ihr das Gewaltproblem ihres früheren Lebensgefährten bewusst gewesen sei.
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- 2. Die Zumessungserwägungen des Landgerichts sind durchgreifend rechtsfehlerhaft.
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- a) Die strafschärfende Berücksichtigung der fehlenden Einsicht in ihren Verursachungsanteil an den Taten und einer fehlenden Verantwortungsübernahme begegnet rechtlichen Bedenken. Die Ausführungen legen nahe, dass die Jugendkammer insoweit auf eine fehlende Unrechtseinsicht der Angeklagten abgestellt hat. Ist ein Täter – wie vorliegend – geständig, kann ihm zwar grundsätzlich der Vorwurf mangelnder Unrechtseinsicht und Reue gemacht werden (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 674; Theune in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 209). Uneinsichtigkeit des Täters darf allerdings nur dann straferhöhend wirken, wenn sein Verhalten auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 8. Juni 1955 – 3 StR 86/55, NJW 1955, 1158 und vom 23. November 1983 – 3 StR 256/83, BGHSt 32, 165, 182 f.; Beschluss vom 9. Juni 1983 – 4 StR 257/83, NStZ 1983, 453; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO).
- 8
- Hier ist jedoch bereits nicht dargelegt, dass bei der Angeklagten überhaupt eine fehlende Unrechtseinsicht gegeben ist. Denn nach den Feststellun- gen hat sich die Angeklagte „zumindest ein Versagen als Mutter und damit ein eigenes Fehlverhalten attestiert“ und sich vor diesem Hintergrund in psycholo- gische Behandlung begeben (UA S. 56). Damit liegt aber eine Unrechtseinsicht der Angeklagten vor. Für eine Unrechtseinsicht ist nicht erforderlich, dass der Täter sich der psychologischen Ursachen für die Tatbegehung bewusst ist und diese analysierend reflektiert. Genau darauf stellt die Jugendkammer aber maßgeblich ab, wenn sie zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt, dass diese die Entstehungsbedingungen für die Straftat nicht nachvollziehen kann und das Ausmaß ihres eigenen Fehlverhaltens falsch bewertet.
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- Auf dieser Grundlage kann daher von vornherein auch nicht angenommen werden, dass das Verhalten der Angeklagten auf Rechtsfeindschaft, ihre Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt. Entsprechende Feststellungen hat die Jugendkammer auch nicht getroffen.
- 10
- b) Zudem liegt in dem Abstellen darauf, dass der Angeklagten das Gewaltproblem des Mitangeklagten bewusst gewesen sei, eine unzulässige Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen gemäß § 46 Abs. 3 StGB, hier des erforderlichen Tatvorsatzes. Denn für eine Strafbarkeit gemäß §§ 225, 171 StGB wegen Unterlassens ist erforderlich, dass die Angeklagte wusste, dass ihre Kinder durch den Mitangeklagten geschlagen und verletzt werden, was die Jugendkammer für den Zeitraum spätestens ab Mitte Dezember 2016 auch festgestellt hat.
- 11
- c) Schließlich geben die Formulierungen des Landgerichts im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne (UA S. 59 – 61) und die Erörterungen zur nicht gewährten Strafaussetzung zur Bewährung (UA S. 64 – 69), hier insbesondere zu § 56 Abs. 3 StGB, dem Senat Anlass darauf hinzuweisen, dass moralisierende Strafzumessungserwägungen im Urteil zu unterbleiben haben, da sie die Annahme nahe legen können, das Tatgericht habe sich bei der Be- messung der Strafe von sachfernen Gründen leiten lassen (BGH, Beschlüsse vom 26. September 2001 – 1 StR 394/01, juris Rn. 6; vom 14. August 2002 – 1 StR 272/02, NStZ 2002, 646 und vom 6. Februar 2018 – 2 StR 173/17, juris).
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- 3. Der Senat hebt den Strafausspruch insgesamt auf. Er vermag nicht auszuschließen, dass sich die beanstandeten Strafzumessungserwägungen bei der Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt haben. Die zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen und werden daher von der Aufhebung nicht umfasst. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Cirener Hohoff
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2018 - 1 StR 401/18
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
- 1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, - 2.
seinem Hausstand angehört, - 3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder - 4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
- 1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder - 2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
- 1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, - 2.
seinem Hausstand angehört, - 3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder - 4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
- 1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder - 2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
- 1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht, - 2.
seinem Hausstand angehört, - 3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder - 4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
- 1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder - 2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagte wegen sexuellen Miûbrauchs von Kindern in elf Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Miûbrauch von Schutzbefohlenen in Tatmehrheit mit einem Fall des sexuellen Miûbrauchs von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sachrüge. Die Revision führt zur Teileinstellung des Verfahrens in einem Fall, zur Änderung des Schuldspruchs in zwei Fällen, sowie zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Die weitergehende Revision hat keinen Erfolg. 1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wird die Verurteilung im Fall II. 1. der Urteilsgründe aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Nach den bisherigen Feststellungen zu der in der Zeit zwischen 1989 und Mitte 1992 vorgeworfenen Tat liegen die Voraussetzungen des § 176 Abs. 1 StGB aF nicht vor, weil die Strafvorschrift Körperkontakt erfordert (vgl. BGH, Beschl. vom 26. August 1998 – 2 StR 357/98 - , mitgeteilt bei Pfister NStZ-RR 1999, 321, 322). Ein für diesen Zeitraum in Betracht kommendes Delikt nach § 176 Abs. 5 StGB aF könnte verjährt sein. Die Verjährungsfrist für dieses Delikt beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Frist könnte ab Mitte 1989 in Lauf gesetzt worden und damit Mitte 1994 abgelaufen sein. Als früheste Unterbrechungshandlung nach § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB kommt der Beschluû nach § 168c Abs. 3 StPO vom 2. Mai 2000 in Betracht. Da nach den Feststellungen die zeitliche Abfolge der weit zurück liegenden Taten im einzelnen ungewiû ist – darauf deuten die Ausführungen der Strafkammer auch zu den unter Ziffer II. 6. und 7. der Urteilsgründe festgestellten Taten hin - und weitere sichere Feststellungen nicht zu erwarten sind, ist der Verjährungseintritt in diesem Fall nicht auszuschlieûen. Die Ausführungen zur Strafverfolgungsverjährung gelten ingleicher Weise für das vorgeworfene in Tateinheit stehende Delikt nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB. 2. Nach den Feststellungen könnten auch die in Tateinheit stehenden Tatvorwürfe nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB in den Fällen II. 2. und 3. der Urteilsgründe verjährt sein, und zwar selbst dann, wenn die Geschädigte bei Begehung der Taten bereits sieben Jahre alt war. Die Verurteilungen wegen sexuellen Miûbrauchs einer Schutzbefohlenen haben deshalb in diesen Fällen zu entfallen. Der jeweils rechtsfehlerfrei festgestellte sexuelle Miûbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB aF ist hingegen nicht verjährt (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB i. V. m. § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB). 3. Die weitere Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat hat jedoch zur Klarstellung die Urteilsformel neu gefaût. 4. Dagegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben. Die Strafzumessungserwägungen sind nicht frei von rechtlichen Bedenken (§ 46 Abs. 3 StGB).
a) Die Jugendkammer hat zu Lasten des Angeklagten u.a. ausgeführt, dieser habe “die sexuelle Unbedarftheit und kindliche Unbekümmertheit von M. schamlos ausgenutzt”; er habe auch “ihre Zuneigung rücksichtslos zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs ausgebeutet”. Für solche Äuûerungen bieten die bisherigen Feststellungen keine ausreichende Grundlage. Es ist zu besorgen, daû mit ihnen der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten subjektiv stark überzeichnet worden ist. Dies gilt insbesondere für die Behauptung, der Angeklagte habe “seine Autoritätsstellung als Stiefvater gegenüber dem vaterlosen Kind” ausgenutzt. Moralisierende Erwägungen, die nicht verdeutlichen, welchen anerkannten Strafzumessungsgesichtspunkten zur Beurteilung der Tat und des Täters sie zuzuordnen sind, sind nichtssagend und überflüssig. Sie begründen gegenüber dem Angeklagten die Gefahr einer gefühlsmäûigen, auf unklaren Erwägungen beruhenden
Strafzumessung (vgl. BGH StV 1998, 76; BGH NStZ 1987, 405; G. Schäfer, Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 332, 335).
b) Der Senat hebt den Strafausspruch insgesamt auf. Er vermag nicht auszuschlieûen , daû die Jugendkammer angesichts des geringeren Schuldumfangs sowie ohne Verwendung der beanstandeten Strafzumessungserwägungen bei dem nicht vorbestraften und geständigen Angeklagten auf niedrigere Einzelstrafen und damit auch auf eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte. Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt die dem Strafausspruch zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nicht. Sie können bestehen bleiben; ergänzende Feststellungen sind möglich. Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit
BUNDESGERICHTSHOF
BUNDESGERICHTSHOF
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2018:060218B2STR173.17.0 Insbesondere die Formulierungen auf UA S. 193 und 194 geben Anlass darauf hinzuweisen , dass moralisierende Strafzumessungserwägungen im Urteil zu unterbleiben haben, da sie die Annahme nahe legen können, das Tatgericht habe sich bei der Bemessung der Strafe von sachfernen Gründen leiten lassen (Fischer, StGB, 65. Aufl., § 46 Rn. 106 mwN).
Schäfer Appl Krehl Bartel Grube ECLI:DE:BGH:2018:060218B2STR173.17.0