Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2018 - 1 StR 439/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 1.b), 2. und 3. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 13. September 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
a) im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist;
b) soweit die Verwaltungsbehörde angewiesen worden ist, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren ab Rechtskraft des vorgenannten Urteils keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen und
c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und bestimmt, dass die Verwaltungsbehörde dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren ab Rechtskraft des Urteils keine Fahrerlaubnis erteilen darf. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.
- 2
- Die gegen seine Verurteilung gerichtete und auf die Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts (unter Ausnahme der Nichtanwendung des § 64 StGB) gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat hinsichtlich der Schuldsprüche wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und der insoweit verhängten Einzelfreiheitsstrafen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Lediglich die Anordnung der Sperrfrist kann nicht bestehen bleiben. Dagegen hält der Schuldspruch wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 4
- a) Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf folgende Feststellungen gestützt: „Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im März 2015 kaufte und übernahm die anderweitig Verurteilte S. an einem nicht näher bekannten Ort in der Tschechischen Republik 100 Gramm Methamphetamin, um dieses gewinnbringend weiterzuverkaufen.
Von dem Rauschgift verkaufte und übergab S. anschließend eine Teilmenge an die anderweitig Verurteilten P. und E. in deren Wohnung... . Das Methamphetamin hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 60 % Methamphetaminbase.“
- 5
- b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln nicht; sie sind zum objektiven Tatbestand unzureichend. Es fehlen Angaben zur konkreten Tathandlung des Angeklagten. Es wird bereits nicht erkennbar, wie (mit welchem Fahrzeug, mit der Bahn oder auch zu Fuß) das Methamphetamin über die Grenze verbracht worden ist und worin genau der Tatbeitrag des Angeklagten bestand. Die Feststellung des konkreten Tatbeitrags des Angeklagten ist erforderlich, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob sich der Angeklagte als Mittäter oder als Gehilfe an der Einfuhr beteiligt hat oder seine Handlungen die Grenze zur Strafbarkeit nicht überschritten haben. So ist das bloße Dabeisein und die Kenntnis von einem Rauschgifttransport ohne einen objektiv fördernden Beitrag nicht als Beihilfe zu werten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. Juli 2018 – 1 StR 42/18 Rn. 9 mwN, NStZ-RR 2018, 286); eine psychische Beihilfe wiederum bedarf der Feststellungen, inwieweit der Gehilfe hierdurch den Tatentschluss des Haupttäters bestärkt oder ihn bei der Tatausführung unterstützt hat, indem er ihm durch seine Anwesenheit ein Gefühl der Sicherheit bei der Tatausführung verschafft hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2018 – 1StR 42/18 Rn. 9 mwN, NStZ-RR 2018, 286 und vom 11. November 2008 – 4 StR 434/08 Rn. 4, NStZ-RR 2009, 121).
- 6
- Der Schuldspruch wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat daher auf der Grundlage der ungenügenden Feststellungen keinen Bestand. Dies führt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der zugehörigen Einzelstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat hebt die Feststellungen insoweit insgesamt auf.
- 7
- 2. Die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung ist im Urteil gemäß § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO zu begründen. Soll gegen den Angeklagten wegen einer nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthaltenen Straftat eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 69a Abs. 1 Satz 1 StGB), so ist die Vornahme einer Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit durch den Tatrichter zum Beleg der fehlenden Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen erforderlich. Der erforderliche Umfang der Darlegung ist hierbei einzelfallabhängig. Zwar liegt es bei typischen Verkehrsdelikten, zu denen Fahren ohne Fahrerlaubnis zählt, nicht fern, dass der Täter zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet und daher eine isolierte Sperrfrist anzuordnen ist (BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2018 – 2 StR 211/18, juris Rn. 7 mwN und vom 17. Dezember 2014 – 3 StR 487/14, juris Rn. 3, NStZ-RR 2015, 123; Urteil vom 5. September 2006 – 1 StR 107/06, NStZ-RR 2007, 40). Eine auf den Einzelfall bezogene Begrün- dung macht dies indes nicht entbehrlich. Zudem bedarf es bei der Bemessung der Sperrfrist der Darlegung der Prognoseentscheidung zur Dauer der voraussichtlichen Ungeeignetheit des Täters (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2018 – 2StR 211/18, juris Rn. 7 und vom 22. Oktober 2002 – 4 StR 339/02, NZV 2003, 46).
- 8
- Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Strafkammer hat ihre Überlegungen zur Anordnung der Maßregel sowie zur Dauer der isolierten Sperrfrist nicht dargelegt. Mangels jeglicher Ausführung zur Begründung des Maßregelausspruchs ist nicht nachvollziehbar, welche Kriterien für die Strafkammer bei der Anordnung der isolierten Sperrfrist und der Bestimmung ihrer Länge leitend gewesen sind. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, auch wenn die rechtskräftigen Verurteilungen des Angeklagten wegen vorsätzlichem Fahren trotz Fahrverbots und fahrlässigem Fahren ohne Fahrerlaubnis für dessen charakterlichen Eignungsmangel sprechen.
- 9
- Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer ist allerdings nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen, sofern sie den bereits bestehenden nicht widersprechen.
Cirener Fischer
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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2018 - 1 StR 439/18 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.
(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.
(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.
(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.
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für Recht erkannt:
2. Der Beschluss des Landgerichts Landshut vom 11. Januar 2006 ist damit gegenstandslos.
3. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 6. Oktober 2005 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte,
a) soweit er wegen Computerbetrugs verurteilt ist, des Computerbetrugs in 11 Fällen und
b) soweit er wegen versuchten Computerbetrugs verurteilt ist, des versuchten Computerbetrugs in drei Fällen schuldig ist.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und der Wiedereinsetzung.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
- 1
- Hinsichtlich der Wiedereinsetzungsentscheidung, die zur Gegenstandslosigkeit des Verwerfungsbeschlusses des Landgerichts vom 11. Januar 2006 führt, verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der Generalbundesanwältin in ihrem Antrag vom 14. Juli 2006.
II.
- 2
- Nachdem der Angeklagte wegen einer Einbruchsserie in Pkws und weiterer Straftaten (z. B. versuchter schwerer räuberischer Erpressung) verhängte langjährige Freiheitsstrafen verbüßt hatte, lebte er "nach eigenem Eingeständnis von Straftaten". Teils zusammen mit seinem Vater, teils mit anderen Mittätern brach er vor allem Pkws auf, aus denen er insbesondere Mobiltelefone und EC-Karten entwendete; teilweise entwendete er auch Pkws oder versuchte dies. Weitere Straftaten, insbesondere Betrug, Computerbetrug, Urkundenfälschung und Ausweismissbrauch hingen mit der Verwertung der Beute zusammen. Hinzu kam häufiges Fahren ohne Fahrerlaubnis. Dem Angeklagten war bereits vor Jahren die Fahrerlaubnis gerichtlich entzogen worden; eine neue hat er auch nach Ablauf der Sperrfrist nicht erworben. Gleichwohl fuhr er immer wieder auf öffentlichen Straßen mit einem Pkw. Er wurde wegen insgesamt mehr als 100 Straftaten - davon dreizehn Mal Fahren ohne Fahrerlaubnis - zu sieben Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde eine (isolierte) Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von vier Jahren (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) festgesetzt.
- 3
- Seine auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision führt zu dem für die Gesamtfreiheitsstrafe im Ergebnis nicht bedeutsamen Wegfall einiger Fälle des Computerbetrugs, bleibt aber im Übrigen auch unter Berücksichtigung der schriftlichen Ausführungen seines früheren Verteidigers (Rechtsanwalt S. ) erfolglos.
- 4
- 1. Zu den Schuldsprüchen wegen (versuchten) Computerbetrugs in Fällen , in denen kurz hintereinander mehrere Abhebungen vom Konto eines Geschädigten erfolgten oder versucht wurden, hat die Generalbundesanwältin in ihrer Antragsschrift zutreffend ausgeführt: "Nach den Urteilsfeststellungen wurden die Geldabhebungen bei Bankautomaten in den Fällen unter V. der Urteilsgründe in aller Regel von dem Mitangeklagten G. H. durchgeführt, während der Angeklagte es übernahm, nach der notierten PIN-Nummer zu suchen und Aufpasserdienste zu leisten. Auch in den Fällen unter XI. 3. b. nahm der Mitangeklagte die Abhebungen vor. Zwar muss sich der Angeklagte als Mittäter auch die allein vom Mitangeklagten abgewickelten Abhebungen nach § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen. Diese Zurechnungsnorm zwingt aber nicht dazu, dem Mittäter die von einem anderen Täter eigenhändig tatmehrheitlich begangenen Taten zur Last zu legen. Vielmehr ist jeder der Mittäter hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer oder mehrerer Handlungen i.S.d. §§ 52, 53 StGB nur nach seinem individuellen Tatbeitrag zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 1997, 121; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung dieselbe 29, jew. m.w.N.). Auf die Frage, in welchem Konkurrenzverhältnis die von dem Mitangeklagten vorgenommenen Einzelabhebungen stehen, kommt es deshalb nicht an. In den Fällen V. 1. a. - c. (drei Abhebungen), V. 7. a. - d. (vier Abhebungen), V. 8. a., b. (zwei Abhebungen), V. 9. a., b. (zwei Abhebungen), V. 11. a. - d. (drei Abhebungen, ein Versuch), XI. 3. b. (vier Abhebungen) liegen somit nicht 18 vollendete Taten und eine versuchte Tat, sondern lediglich insgesamt sechs Vergehen des Computerbetruges vor. Damit entfallen zwölf Fälle des vollendeten und ein Fall des versuchten Computerbetrugs.“
- 5
- 2. Im Übrigen enthält der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Der Senat verweist auch insoweit auf die Ausführungen der Generalbundesanwältin.
- 6
- 3. Zu den Auswirkungen der Änderungen des Schuldspruchs auf den Strafausspruch hat die Generalbundesanwältin in ihrem Antrag vom 14. Juli 2006 zutreffend ausgeführt: "Der Wegfall von zwölf Einzelstrafen in Höhe von sieben Monaten Freiheitsstrafe wegen Computerbetrugs und einer weiteren Einzelstrafe in Höhe von fünf Monaten Freiheitsstrafe wegen versuchten Computerbetrugs gefährdet den Gesamtstrafenausspruch nicht. Der Senat wird ausschließen können, dass die Strafkammer angesichts der Vielzahl und Höhe der verbleibenden Einzelstrafen auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte, zumal die bloße Korrektur des Konkurrenzverhältnisses keine Verringerung des Tatunrechts und des Schuldgehalts in seiner Gesamtheit zur Folge gehabt hätte (BGH NStZ 1999, 513, 514 m.w.N.)."
- 7
- 4. Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei, wie die Generalbundesanwältin im Einzelnen ausgeführt hat.
- 8
- 5. Schließlich hält auch die Anordnung einer isolierten Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis rechtlicher Überprüfung stand, wie dies der Vertreter der Generalbundesanwältin in der Hauptverhandlung vor dem Senat zutreffend ausgeführt hat. Auch der Senat hält die Anordnung der isolierten Sperrfrist für rechtsfehlerfrei.
- 9
- a) Wer bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges (§ 69 Abs. 1 StGB) ein "typisches Verkehrsdelikt" begeht, verstößt regelmäßig dadurch gegen die Pflichten eines Kraftfahrers (vgl. Großer Senat für Strafsachen BGHSt 50, 93, 97, 103); dabei sind Verkehrsstraftaten nicht allein solche, die im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB aufgeführt sind (aaO 103).
- 10
- b) Eine in diesem Sinne typische Verkehrsstraftat ist auch das Fahren ohne Fahrerlaubnis (vgl. Athing in MK-StGB § 69 StGB Rdn. 56; Herzog in NKStGB 2. Aufl. § 69a Rdn. 10; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 69 Rdn. 38; Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht 10. Aufl. Rdn. 602 m.w.N.). Wem die Erlaubnis fehlt, mit dem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, der verletzt, wenn er es trotzdem tut, eine typische Pflicht im Zusammenhang mit dem Führen ei- nes Kraftfahrzeugs - Teilnahme am öffentlichen Verkehr nur mit Erlaubnis - in besonders augenfälliger Weise.
- 11
- c) Fahren ohne Fahrerlaubnis, zumal, wenn es wie hier häufig und nach gerichtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis begangen wurde, deutet auf fehlende charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hin (vgl. BayObLG bei Bär, DAR 1990, 361, 365; OLG Koblenz VRS 69, 298, 300 f.; Athing aaO; Tröndle/Fischer aaO; Hentschel aaO m.w.N.). Freilich kann im Einzelfall auch eine andere Beurteilung in Betracht kommen. Der - im Einzelnen umstrittenen - Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen dies der Fall sein kann (vgl. Hentschel aaO Rdn. 602, 740 m.w.N.) braucht der Senat aber hier nicht näher nachzugehen. Die Beurteilung der in Rede stehenden charakterlichen Eignung obliegt dem Tatrichter (BGHSt aaO 104), der dabei auch die Erkenntnisse zur Persönlichkeit des Täters zu berücksichtigen hat (aaO 103). Gründe, warum die Strafkammer mit ihrer Annahme, dem Angeklagten fehle diese Eignung, die ihr bei dieser Beurteilung gezogenen Grenzen überschritten haben könnte, sind nicht erkennbar.
- 12
- d) Auch die Dauer der Sperrfrist ist ohne den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler bemessen.
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2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und bestimmt , daß die Verwaltungsbehörde ihm vor Ablauf von einem Jahr keine Fahrerlaubnis erteilen darf. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der nicht ausgeführten Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Maßregelausspruch nach §§ 69, 69 a StGB kann hingegen nicht bestehen bleiben.
a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Anordnung der Entziehung der Fahrerlaubnis begründet hat, erweisen sich in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß §§ 69, 69 a StGB handelt es sich nicht – wie das Landgericht meint – um eine Nebenstrafe, sondern um eine Maßregel der Sicherung und Besserung. Ihre Verhängung und Dauer hängen daher nicht von der Schwere der Tatschuld, sondern ausschließlich von der Ungeeignetheitsprognose ab (BGHSt 15, 393, 397; BGHR StGB § 69 a Abs. 1 Dauer 2 und 3). Zudem begründet der Umstand, daß der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt hat, nicht bereits eine „gesetzliche Regelvermutung“ für seine charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Nur bei Begehung einer der in § 69 Abs. 2 StGB aufgeführten rechtswidrigen Taten ist er in der Regel als ungeeignet anzusehen. Wird die Entziehung auf die Begehung anderer als der in § 69 Abs. 2 StGB bezeichneten Straftaten – hier: nach §§ 249, 250 StGB – gestützt, so ist regelmäßig eine Gesamtabwägung erforderlich und die fehlende Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen näher zu begründen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 5 und 6).
b) Der Entzug der Fahrerlaubnis wird im übrigen auch nicht von den getroffenen Feststellungen getragen. Der Angeklagte hat – anders als die früheren Mitangeklagten L. und T. – bei den Straftaten, dererwegen er verurteilt worden ist, zu keinem Zeitpunkt selbst ein Kraftfahrzeug geführt. Im er-
sten Fall (Fall II.2.c der Urteilsgründe) wurde er zwar gemeinsam mit anderen Mittätern zum Tatort gefahren, verließ diesen jedoch wieder zu Fuß. Im zweiten Fall (Fall II.2.h der Urteilsgründe) bleibt nach den Feststellungen offen, wie der Angeklagte letztlich zum Tatort gelangt ist und auf welche Weise er diesen wieder verlassen hat. Damit erscheint bereits der in § 69 Abs. 1 StGB geforderte Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges fraglich. Darüber hinaus zeigen die Urteilsgründe in Bezug auf den Angeklagten, dessen Mitwirkung an den Raubgeschehen von eher untergeordneter Bedeutung war, keine Umstände auf, die eine Ungeeignetheitsprognose zum Führen von Kraftfahrzeugen rechtfertigen könnten. Der Senat schließt aus, daß sich noch Feststellungen treffen lassen, die den Maßregelausspruch tragen können. Dieser entfällt daher.
2. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlaß, den Angeklagten auch nur teilweise von den Kosten seines Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
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