Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - 1 StR 77/11

bei uns veröffentlicht am13.04.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 77/11
vom
13. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 3.: versuchten Mordes u.a.
zu 2: Beihilfe zum versuchten Mord u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2011 beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten D. vom 11. März 2011 auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur weiteren Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2010 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. 2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
1. Der Antrag des Angeklagten D. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 11. März 2011 ist bereits unzulässig, da in ihm entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht wird, wann der Angeklagte Kenntnis von der Versäumung der mit Ablauf des 7. Januar 2011 endenden Frist zur Begründung der Revision auch mit Verfahrensrügen erlangt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2005 - 4 StR 399/05, NStZ 2006, 54). Die Revision war zugleich mit ihrer Einlegung am 19. Oktober 2010 ohne nähere Ausführungen bereits auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt worden.
2
2. Die Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke lassen sich nach Ansicht des Senats den Urteilsgründen hinreichend deutlich entnehmen. Denn es bestand nach den Feststellungen der Plan der Angeklagten, "dass bei der Tat notfalls von den Schusswaffen Gebrauch gemacht werden sollte, gegebenenfalls auch im frühen Stadium der Tatausführung, beim ersten überraschenden Zugriff" (UA S. 17, ergänzend S. 50 und S. 57), mithin zu einem Zeitpunkt , in dem das "völlig überraschte" Opfer noch arg- und darauf beruhend wehrlos war (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 250/05, NStZ 2006, 96; Urteil vom 9. September 2003 - 5 StR 126/03, NStZ-RR 2004, 14, 16).
Nack Rothfuß Hebenstreit Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - 1 StR 77/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - 1 StR 77/11

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 45 Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag


(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei de
Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - 1 StR 77/11 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 45 Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag


(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei de

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - 1 StR 77/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2005 - 4 StR 399/05

bei uns veröffentlicht am 13.09.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 399/05 vom 13. September 2005 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführe

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2005 - 1 StR 250/05

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Sept. 2003 - 5 StR 126/03

bei uns veröffentlicht am 09.09.2003

5 StR 126/03 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 9. September 2003 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. September 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzend

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 399/05
vom
13. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. September 2005
gemäß §§ 45, 46 StPO beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. März 2005 zu gewähren, wird als unzulässig verworfen.

Gründe:


Der Angeklagte wurde am 15. März 2005 u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Ihm wurde mündlich eine Rechtsmittelbelehrung erteilt. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit Schreiben vom 17. März 2005, das beim Landgericht am 21. März 2005 einging, Revision ein. Mit dem Hinweis, dass die förmliche Urteilszustellung an seinen Pflichtverteidiger erfolge, wurde dem Angeklagten eine Urteilsabschrift übersandt. Seinem Pflichtverteidiger wurde das Urteil am 21. April 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit Beschluss vom 27. Mai 2005 verwarf das Landgericht die Revision, weil innerhalb der Begründungsfrist Revisionsanträge und deren Begründung nicht angebracht worden waren (§ 345 Abs. 1 StPO). Gemäß der Verfügung vom 31. Mai 2005, die am 1. Juni 2005 ausgeführt wurde, wurde dem Angeklagten unter Übersendung einer Beschlussabschrift mitgeteilt, dass die förmliche Zustellung des Beschlusses an seinen Pflichtverteidiger erfolgt. Diesem wurde der Beschluss am 6. Juni 2005 gegen Empfangsbekenntnis mit Rechtsmittelbelehrung
zugestellt. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2005 zeigte der jetzige Verteidiger des Angeklagten an, dass er diesen vertrete. Dem Schriftsatz war ein mit der Überschrift "Vollmacht" versehenes Schreiben des Angeklagten vom 13. Juni 2005 beigefügt, mit dem der Angeklagte seinen jetzigen Verteidiger um ein Gespräch gebeten hatte. Dieser begründete die Revision mit Schriftsatz vom 27. Juni 2005 und beantragte, dem Angeklagten nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Generalbundesanwalt hat hierzu u.a. ausgeführt:
"Der Wiedereinsetzungsantrag des jetzigen Verteidigers ist unzulässig, da bereits die formalen Voraussetzungen für die sachliche Prüfung des Wiedereinsetzungsantrags gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist fehlen (BGHR StPO § 44 Abs. 1 Verhinderung 11). Der Antrag des Verteidigers verhält sich nicht dazu, wann das Hindernis, das einer rechtzeitigen Revisionsbegründung entgegenstand, wegfiel. Zwar hat der Verteidiger vorgetragen, die Versäumnis sei dem Verurteilten erstmals durch die formlose Mitteilung des Verwerfungsbeschlusses vom 27. Mai 2005 zur Kenntnis gelangt. Entscheidend für den Fristbeginn der Wochenfrist für die Wiedereinsetzung ist nämlich der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten und nicht der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den vormaligen Pflichtverteidiger, zumal dieser nicht mit dem Betreiben einer Revision beauftragt war (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 1992 - 2 StR 114/92; Meyer-Goßner, StPO 48. Auflage, § 45 Rdnr. 3). Wann dem Verurteilten der Verwerfungsbeschluss letztlich bekannt gegeben wurde, teilt der Wiedereinsetzungsantrag nicht mit. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (BGH, Beschluss vom 8. Januar 1997 - 3 StR 539/96; BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 7 m.w.N.).
Bedenken bestehen auch im Hinblick auf eine ausreichende Glaubhaftmachung. Denn die eigene eidesstattliche Versicherung des Verurteilten ist kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Glaubhaftmachung 1). Die hierin zu sehende schlichte Erklärung des Verurteilten reicht zur Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht aus. Zwar stehen andere Beweismittel nicht zur Verfügung, es handelt sich aber gerade nicht um einen nahe liegenden Versäumnisgrund (KKMaul , StPO, 5. Aufl. § 45 Rdnr. 13)."
Dem tritt der Senat bei, zumal eine unverschuldete Fristversäumnis vom Antragsteller nicht vorgetragen wird.
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 250/05
vom
11. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Verdachts des Mordes
zu 2. Verdachts der Anstiftung zum Mord
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Oktober 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten S. ,
Rechtsanwälte und
als Verteidiger des Angeklagten U. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 12. Januar 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Die Angeklagte S. wurde wegen Totschlags an A. U. zu zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt. A. U. war Ehefrau des Angeklagten U. , mit dem die Angeklagte S. ein Verhältnis hatte. Der Angeklagte U. wurde vom Vorwurf der Anstiftung zur Tat der Angeklagten S. freigesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Staat sanwaltschaft und des Nebenklägers. Sie erstreben eine Verurteilung der Angeklagten S. wegen Mordes und eine Verurteilung des Angeklagten U. wegen Anstiftung hierzu.
Die auch vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmitte l haben mit der Sachrüge Erfolg.

I.

Zur Angeklagten S. : 1. Die Strafkammer hat zum Tatgeschehen festgestellt: Die Angeklagte suchte A. U. in der en Wohnung in der Schweiz auf. Sie führte dabei zwei Messer und zwei Flaschen Sekt mit sich. Sie übergab der ahnungslosen A. U. eine Sektflasche als Geschenk. A. U. kochte Kaffee und stellte Kuchen auf den Tisch und entfernte sich dann kurz. Zum weiteren Geschehensverlauf hat die Strafkammer festgestellt : "Als A. U. …- die Tür … zumachte, trat die Angeklagte … an sie heran und packte sie am Hals. Zugunsten der Angeklagten ist davon auszugehen , dass sieA. U. nicht mehr - wie an sich beabsichtigt - von hinten, sondern von vorn erwischte und ihren Angriff mit den Worten 'Geli, es ist soweit' einleitete. ... A. U. , die … über erhebliche Körperkräfte verfügte, leistete heftige Gegenwehr.… Der ... größeren Angeklagten … gelang es … dennoch,A. U. im Würgegriff ins Wohnzimmer zu ziehen und dort zu Fall zu bringen. Sodann griff sie die … Sektflasche und versetzte A. U. damit … Schläge auf Kopf und Schulter. Anschließend versetzte sie A. U. mittels des … Küchenmessers einen Stich ins Herz ….". Heimtücke i. S. d. § 211 StGB lehnt die Strafkammer a b. Im Hinblick auf die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die Angeklagte ihren Angriff auf A. U. ihren Würgegriff von vorne und mit den Worten "Geli, es ist soweit", einleitetet, sei Heimtücke aus Rechtsgründen zu verneinen.
2. Diese Erwägung hält, wie auch der Generalbundesanw alt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers eines Tötungsdelikts kann auch dann bestehen, wenn der Täter ihm zwar offen entgegentritt , die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; Senatsurteil vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04). Maßgeblich ist die Situation zum Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Dass die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers nachfolgend durch den Angriff beseitigt werden und das Opfer sich (noch) gegen den Täter wehrt, ändert nichts daran, dass zu Beginn des Angriffs Heimtücke gegeben sein kann, weil effektive Abwehrmittel zunächst nicht zur Verfügung standen (vgl. Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 211 Rdn. 8). Es liegt nahe, dass es sich hier so verhält, jedenfalls wär e dies zu erörtern gewesen: Der erste Angriff war der völlig überraschende Würgeangriff, als A. U. die Tür schloss. Es versteht sich angesichts der Körperkräfte der Geschädigten und dem selbst in verzweifelter Lage von ihr noch geleisteten heftigen Widerstand zumindest nicht von selbst, dass die Angeklagte bei offenem feindseligen Verhalten den Hals der Geschädigten erreicht hätte. Der Würgegriff war aber die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Angeklagte ihr Opfer letztlich zu Fall bringen und ihr die tödlichen Schläge bzw. Stiche versetzen konnte. Gründe, die gegen die Annahme sprechen könnten, die A ngeklagte sei sich der Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten nicht be-
wusst gewesen, sind nicht erkennbar (vgl. auch Senatsurteil vom 31. Mai 2005 - 1 StR 290/04) Der von der Strafkammer für möglich gehaltene Ausspruch "Geli, jetzt ist es soweit" kann an alledem nichts ändern, da er ersichtlich unmittelbar mit dem Würgeangriff zusammenfiel und daher keine Warnwirkung entfalten konnte.

II.

Zum Angeklagten U. : Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der Angekla gte U. der Angeklagten S. für den Fall des Todes seiner Frau gemeinsame Lebensperspektiven in Aussicht gestellt und dies mit einzelnen Äuß erungen untermauert. So hat er etwa im Zusammenhang mit einer von seiner Frau unternommenen Schlittenfahrt zur Angeklagten S. gesagt: "Wenn sie abstürzen würde, könntest Du bei mir einziehen". Auf eine Äußeru ng der Angeklagten S. , sie wolle A. U. "am liebsten den Hals umdrehen" erwiderte er: "Wieso? Mach’s doch! Vielleicht können wir dann zusammenkommen wir zwei. Brauchst es nur mal machen". Diese und zahlreiche inhaltlich identische weitere Gespräche bewertet die Strafkammer dahin, dass sie geeignet waren, die Angeklagte "tatbereit zu machen". "Über derartige Gespräche hinaus" sei jedoch nicht festzustellen, dass "Einzelheiten der Tatausführung so weit besprochen wurden, wie dies bei der Persönlichkeit der AngeklagtenS. erforderlich war". Wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, reicht es für die Annahme einer Anstiftung i. S. d. § 26 StGB aus, wenn die von ihm an den
Täter gerichteten Aufforderungen zur Tatbegehung die Tat im Kern kennzeichnen und für den Tatentschluss mitursächlich waren. Eines alle Einzelheiten der Tatausführung festlegenden Tatplans bedurfte es dagegen auch hier nicht. Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf
5 StR 126/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
9. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt H ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof S
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ho
als Verteidiger,
Rechtsanwältin M
als Vertreterin des Nebenklägers Sc ,
Rechtsanwalt Ma
als Vertreter der Nebenklägerin L ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers Sc und der Nebenklägerin L wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 11. November 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und einen Pkw des Angeklagten eingezogen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen beider Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg. Dagegen bleibt die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erfolglos.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Die im Jahre 1974 geschlossene Ehe des Angeklagten verlief zunächst harmonisch und problemlos. Im Jahre 1986 nahm seine Ehefrau ein intimes Verhältnis zu einem anderen Mann auf. Gleichwohl hielt der Angeklagte an der Ehe fest. Der Angeklagte erkrankte im Jahre 1996 an Krebs, wurde mehrfach operiert, erhielt Strahlenbehandlung und schied in der Folgezeit aus seinem Beschäftigungsverhältnis aus. Im Jahre 2000 zog seine Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung aus, weil der Angeklagte an Depressionen litt, mehrfach Gegenstände nach ihr warf und die Wohnung demolierte und die Ehefrau deshalb ein Zusammenleben nicht mehr aushielt. Der Angeklagte , der dadurch – auch wegen seiner schweren Krankheit – tief enttäuscht war und sich alleingelassen fühlte, begann, seiner Ehefrau nachzuspionieren , sie mit seinem Auto zu verfolgen, sie immer wieder gegen ihren Willen anzurufen und ihr auch anzudrohen, sie und sich selbst umzubringen. Die Ehefrau nahm diese Drohungen sehr ernst und hatte erhebliche Angst vor Tätlichkeiten ihres Mannes. Zu irgendwelchen Tätlichkeiten kam es jedoch nicht. Nach Scheidung der Ehe – im September 2001 – sagte der Angeklagte zu seiner geschiedenen Ehefrau, sie werde Weihnachten nicht überleben. Er machte jedoch diese Drohung nicht wahr. Die erhebliche Angst seiner ehemaligen Ehefrau bestand aber weiter fort.
Als diese Ostern 2001 Herrn Sch kennenlernte und mit ihm ein intimes Verhältnis begann, war der Angeklagte darüber erbost, verärgert und wütend und rief in der Folgezeit mehrfach Herrn Sch an. Der Angeklagte erfuhr, daß seine geschiedene Ehefrau mit Herrn Sch in einer gemeinsamen Wohnung in Weyhausen lebte. Auch danach versuchte er wiederholt, seine Ehefrau zurückzugewinnen.
Der Angeklagte erwarb – ohne entsprechende Berechtigung – im April 2002 eine Kleinkaliberpistole Typ Walther PPK samt Munition und im Mai 2002 eine weitere Pistole, Typ Luger, Kaliber 9 mm und kurz darauf für diese Waffe auch scharfe Munition.
Am frühen Abend des 17. Mai 2002 fuhr der Angeklagte von seiner Wohnung in Helmstedt mit seinem Pkw VW Golf etwa 50 km nach Weyhausen. Die Pistole Typ Luger 9 mm hatte er in durchgeladenem und gesichertem Zustand in einem Stoffbeutel bei sich. Er suchte seine ehemalige Ehefrau und deren Lebensgefährten in Weyhausen und auf den umgebenden Straßen. Gegen 21.00 Uhr sah er auf einer Kreisstraße nahe Weyhausen seine ehemalige Ehefrau und Herrn Sch , die auf oder neben der Straße spazierengingen. Der Angeklagte fuhr zunächst an ihnen vorbei, wendete, fuhr zurück und parkte sein Fahrzeug am rechten Rand der Kreisstraße. Er zog die durchgeladene Pistole aus dem Stoffbeutel und stieg aus dem Fahrzeug. Spätestens jetzt faßte er den Entschluß, seine geschiedene Ehefrau und Herrn Sch zu töten. In Ausführung dieses Tatplanes entsicherte er die Waffe und schoß sofort auf beide. Er traf seine geschiedene Ehefrau von schräg unten in den Kopf, Herrn Sch einmal schräg von oben in die Schädeldecke, einmal in den hinteren rechten Lendenbereich in Nähe des Gesäßes und einmal von vorn in die rechte Hand. Herr Sch verstarb noch am Tatort, die Frau in der folgenden Nacht im Krankenhaus, beide aufgrund zentraler Lähmung infolge der Kopfschüsse.
Nach den Schüssen fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw mit erheblicher Startgeschwindigkeit davon. Er fuhr zu seiner Wohnung nach Helmstedt , versteckte die Tatwaffe im Keller und legte sich schlafen.

I.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, die sämtlich geltend machen, das Landgericht habe Mordmerkmale zu Unrecht verneint , sind begründet, weil die Verneinung von Heimtücke rechtlicher Prüfung nicht standhält.
1. Allerdings hat das Landgericht das Mordmerkmal der niedrigen Be- weggründe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
Es hat hierzu ausgeführt, es könne beim Angeklagten ein Motivbündel aus Verärgerung, Eifersucht, Wut, aber auch tiefste Enttäuschung über das „Verlassenwordensein“ durch seine Ehefrau vorgelegen haben. Bei Berücksichtigung der von dem psychiatrischen Sachverständigen beschriebenen besonderen Persönlichkeit des Angeklagten und bei Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte der seit langem sehr problematischen Ehe sei nicht sicher auszuschließen, daß eine tiefe Enttäuschung des Angeklagten das Hauptmotiv für die Tat war, nämlich darüber, daß nach seiner eingeengten Sichtweise seine Ehefrau ihn – so seine Worte – nach der schweren Krankheit „weggeworfen“ habe. Dieses Motiv stehe nicht auf moralisch tiefster Stufe.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen , wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind (BGH NJW 1981, 1382; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20, 25; BGH NStZ 1997, 81; BGH StV 1983, 503, 504 und 2000, 76). Dies ist nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht ausschließen können , daß das Hauptmotiv der Tat die Enttäuschung des Angeklagten darüber war, daß seine Ehefrau ihn nach seiner Krebserkrankung und den folgenden Depressionen verlassen („weggeworfen“) hat. Dieses Motiv erfüllt nicht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe. Das gilt zunächst für die Tötung der ehemaligen Ehefrau des Angeklagten. Für die Beurteilung der Tötung des Herrn Sch ergibt sich aus den Feststellungen nichts anderes. Auch die Tötung des neuen Lebensgefährten der ehemaligen Ehefrau des Angeklagten kann von dem genannten Hauptmotiv getragen gewesen sein.
2. Auch liegt kein Rechtsfehler darin, daß das Landgericht angesichts der getroffenen Feststellungen die Möglichkeiten nicht erörtert hat, der Angeklagte habe eine der beiden Tötungen etwa begangen, um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken. Für die beiden von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erwogenen Tatvarianten, daß der Angeklagte Herrn Sch etwa zunächst tötete, um danach seine geschiedene Frau töten zu können, oder daß der Angeklagte etwa Herrn Sch als Zeugen der vorangegangenen Tötung seiner ehemaligen Ehefrau beseitigte, bestehen nach den getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Das Landgericht hat sich nicht einmal imstande gesehen, eine Reihenfolge der Schüsse festzustellen. Schon damit fehlt jeder der beiden gedachten Tatvarianten eine Grundlage.
3. Jedoch hält die Begründung, mit der das Landgericht das Mordmerkmal der Heimtücke verneint hat, rechtlicher Prüfung nicht stand.
Hierzu ist im angefochtenen Urteil ausgeführt: Es sei nicht sicher auszuschließen , daß die geschiedene Ehefrau des Angeklagten dessen Pkw, der ihr auf der Straße entgegenkam, bei der ersten Begegnung erkannte und dieses auch Herrn Sch mitteilte. Da sie nach den vorherigen Drohungen ihres Mannes und den sonstigen Vorfällen noch erhebliche Angst vor dem Angeklagten gehabt habe und davon auszugehen sei, daß auch Herr Sch diese Angst kannte, könne nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, daß beide Opfer bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, nämlich beim Anhalten und Aussteigen des Angeklagten mit der gut sichtbaren Pistole am Tatort, nicht mehr arglos waren, sondern einen tätlichen Angriff des Angeklagten für möglich hielten.

a) Zwar ist das Landgericht – im Ansatz zutreffend – davon ausgegangen , daß die Arglosigkeit des Opfers dann entfallen kann, wenn es mit einem schweren oder doch erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. Allerdings hat der Bundesgerichtshof den genannten Gesichts-
punkt regelmäßig in solchen Fällen zur Geltung gebracht, in denen der Tat eine offene Auseinandersetzung mit von vornherein feindseligem Verhalten des Täters vorangegangen war (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21, 27; BGH NStZ-RR 1996, 322 jeweils m. w. N.) oder in denen das Opfer sich bewußt in eine feindliche Auseinandersetzung eingelassen hatte (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 29), der Anlaß für die vom Opfer gehegte Erwartung eines tätlichen Angriffs des Täters also ein akuter war. Eine auf früheren Aggressionen und einer feindseligen Atmosphäre beruhende latente Angst des Opfers vermag dessen Arglosigkeit jedenfalls nicht zu beseitigen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ-RR 2001, 14). Es kommt insofern vielmehr allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGHSt 39, 353, 368).

b) Zudem gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgendes: Ein Opfer, gegen das sich ein lebensbedrohlicher Angriff richtet, kann auch dann arg- und wehrlos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, das Opfer die drohende Gefahr aber erst im letzten Augenblick erkennt, so daß ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Denn die besondere Gefährlichkeit heimtückischen Handelns liegt darin, daß der Täter sein Opfer in hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen oder diesen doch wenigstens zu erschweren (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16; BGH GA 1971, 113, 114; BGH NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ 2003, 146; BGH, Beschl. vom 3. August 2000 – 4 StR 259/00). Das offen aggressive Verhalten des Angeklagten, der seinen Opfern unmittelbar vor den tödlichen Schüssen mit gezückter Waffe feindselig entgegentrat, konnte – was das Landgericht nicht verkannt hat – eine zu dem Zeitpunkt noch gegebene Arglosigkeit nicht entfallen lassen. Maßgeblich für die Beurteilung ist nämlich grundsätzlich die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit der Eintritt der Tat in das Versuchsstadium (BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 4, 13, 22; jeweils m. w. N.). Dies ist hier spätestens der Zeitpunkt, in dem der Angeklagte aus seinem
Fahrzeug ausstieg und mit Tötungsvorsatz seine Waffe entsicherte.

c) Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, daß die Ehefrau des Angeklagten beim Anblick des Angeklagten im Vorbeifahren eine relevante Gefahr angenommen haben sollte, die sie ihrem Begleiter vermittelte, wodurch die Arglosigkeit der Opfer zu Beginn des todbringenden Angriffs beseitigt worden wäre, so bleibt eine solche – vom Tatrichter zugunsten des Angeklagten unterstellte – Geschehensvariante im Urteil unzulänglich belegt. Es fehlt an der hierfür unerläßlichen näheren Erörterung maßgeblicher Begleitumstände. Zur Frage, ob das vorbeifahrende Fahrzeug für die Ehefrau individuell als das Fahrzeug des Angeklagten erkennbar war, enthält das Urteil lediglich Ausführungen, daß es zur Tatzeit noch hell war und Frau Lu den Pkw ihres Mannes „gut kannte“. Nähere Anknüpfungstatsachen zu Fragen im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit einer individuellen Erkennbarkeit des Pkw VW Golf – insbesondere zu orts- und zeitbedingten Sichtverhältnissen, etwa unter Berücksichtigung der möglichen Blickrichtung der Spaziergänger auf die Fahrbahn, der Verkehrsdichte, des Erscheinungsbildes des Fahrzeugs und der möglichen Fahrgeschwindigkeit –, aus denen sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit der zur Entlastung des Angeklagten unterstellten Geschehensvariante ableiten ließe, die mehr als eine bloße Vermutung des Tatrichters rechtfertigen könnte, fehlen.

d) Der Senat weist allerdings darauf hin, daß ungeachtet dessen – auch wenn bei richtiger Sachverhaltsauswertung Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer bei Tatbegehung objektiv festzustellen wären – bei dem offen feindlichen Entgegentreten des erregten Angeklagten auf seine Opfer zusätzlich zu prüfen wäre, ob er die Situation der Arglosigkeit seiner Opfer wahrgenommen und bewußt ausgenutzt hat. Das mag sich freilich allein aus der von ihm vorgefundenen Situation zu Beginn des tödlichen Angriffs ohne weiteres ableiten lassen.

II.


Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Insbesondere liegt in der Annahme zweier selbständiger Fälle des Totschlags kein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler.
Eine natürliche Handlungseinheit kann ausnahmsweise auch dann vorliegen , wenn es um die Beeinträchtigung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen geht. Die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit ist in derartigen Fällen dann gerechtfertigt, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit – Entschluß, einheitlicher 1 und 9). Ein solcher Ausnahmefall kann namentlich bei mehreren Schüssen auf zwei Personen innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur vorliegen (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit – Entschluß, einheitlicher 2 und 5). Allerdings kann sich eine solche Zäsur etwa auch daraus ergeben, daß der Täter nach dem ersten Schuß einen Stellungswechsel vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 82). Offenbar hat das Landgericht dies vor Augen gehabt, als es eine natürliche Handlungseinheit mit der Begründung abgelehnt hat, „daß der Angeklagte jeweils bei Schußabgabe die Lage seiner Pistole in der Hand erheblich ändern mußte, um den beabsichtigten Erfolg herbeizuführen“. Es erscheint eher fernliegend, in dieser geringfügigen Richtungsänderung zwischen den Schüssen auf die beiden Opfer , die „dicht beieinander“ waren, einen Umstand zu sehen, der der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit entscheidend entgegenstehen könnte.
Jedenfalls beschwert die Annahme zweier Handlungen den Angeklagten nicht. Denn es ist auszuschließen, daß das Landgericht, wäre es von einer tateinheitlichen Tötung zweier Menschen ausgegangen, – statt, wie ge-
schehen, aus zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils elf Jahren eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren zu bilden – auf eine geringere Freiheitsstrafe als eine solche von 13 Jahren erkannt hätte.
2. Die umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

III.


Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß in vollem Umfang Feststellungen zur Person des Angeklagten und zur Tat zu treffen sind. In der rechtlichen Beurteilung ist der neue Tatrichter – bis auf die Bindung an die die Heimtücke betreffenden Aufhebungsgründe des Senatsurteils – frei.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal