Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2019 - 2 StR 160/19

bei uns veröffentlicht am10.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 160/19
vom
10. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:100719B2STR160.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 20. Februar 2019 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird: „Der Angeklagte ist mit Urteil des Landgerichts Erfurt vom 5. Juni 2018 in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Oktober 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Er wird zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Drei Monate hiervon haben als bereits vollstreckt zu gelten. Die Unterbringung des Angeklag- ten in einer Entziehungsanstalt ist angeordnet.“ Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten in einem ersten Rechtsgang mit Urteil vom 5. Juni 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, von denen drei Monate als vollstreckt gelten. Es hat ferner die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 17. Oktober 2018 (Az.: 2 StR 367/18) im Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese hat den Angeklagten nun zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, von denen drei Monate als vollstreckt gelten. Es hat ferner ausgesprochen, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet werde. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
2
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, § 349 Abs. 2 StPO. Allerdings fasst der Senat den Tenor der angefochtenen Entscheidung neu. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die im Urteil vom 5. Juni 2018 getroffene Kompensationsentscheidung sowie die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Rechtskraft erwachsen waren. Aus Gründen der Klarheit ist es zweckmäßig, dies im Urteilsspruch kenntlich zu machen, und darüber hinaus nicht nur, wie geschehen, den Strafausspruch, sondern auch den rechtskräftigen Schuldspruch aufzunehmen (Senat, Beschluss vom 17. Dezember 1971 – 2 StR 522/71, BGHSt 24, 274,

276).


Appl Krehl Eschelbach
Meyberg Schmidt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2019 - 2 StR 160/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2019 - 2 StR 160/19

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2019 - 2 StR 160/19 zitiert 1 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2018 - 2 StR 367/18

bei uns veröffentlicht am 17.10.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 367/18 vom 17. Oktober 2018 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a. ECLI:DE:BGH:2018:171018B2STR367.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Ge

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 367/18
vom
17. Oktober 2018
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
ECLI:DE:BGH:2018:171018B2STR367.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2 auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 5. Juni 2018 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet.
2
Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Das Landgericht hat hinsichtlich aller Taten zum Nachteil des Ange- klagten die „eigensüchtige Einstellung“ berücksichtigt, mit der er „die Befriedi- gung seiner sexuellen Forderungen ohne Rücksicht auf deren Folgen für die Nebenklägerin an dieser als Ersatz für eine erwachsene Sexualpartnerin“ durchgesetzt habe. Damit hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft darauf abgestellt , dass der Angeklagte die Straftaten überhaupt begangen hat. Denn dass sich der Angeklagte über die Interessen des missbrauchten Kindes hinweggesetzt hat, gehört zum Regeltatbild der Tatbestände der §§ 176 und 176a StGB und kann deshalb nicht als den Unrechtsgehalt der Taten erhöhender Umstand angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 – 3 StR 318/13, NStZ 2014, 409, 410; Senat, Beschluss vom 5. Juni 2013 – 2 StR 189/13, NStZ-RR 2013, 291).
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b) Darüber hinaus hat das Tatgericht im Fall II. 5 der Urteilsgründe nicht erkennbar geprüft, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) allein oder unter Berücksichtigung der sonstigen Milderungsgründe Anlass für die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne des § 176a Abs. 4 StGB sein könnte (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 20. März 2018 – 2 StR 531/17, juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 29. August 2018 – 4 StR 248/18, juris Rn. 8; Beschluss vom 4. April 2017 – 3 StR 516/16, NStZ 2017, 524).
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2. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Tatgericht ohne die aufgezeigten Rechtsfehler zu einer für den Angeklagten günstigeren Bemessung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe gekommen wäre. Da es sich lediglich um Wertungsfehler handelt, können die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten dürfen, sind möglich.
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3. Der Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kann bestehen bleiben, weil eine Wechselwirkung zwischen Strafausspruch und Maßregelanordnung auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 1982 – 3 StR 206/82, juris Rn. 4). Auch einer Aufhebung der Kompensationsentscheidung bedarf es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 228/11, juris Rn. 16).
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4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
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Bei der Prüfung der Frage, ob im Fall II. 5 der Urteilsgründe die Annahme eines minder schweren Falles in Betracht kommt, wird das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht zu beachten haben, dass § 176a Abs. 4 StGB für einen minder schweren Fall des § 176a Abs. 2 StGB, wie er hier rechtsfehlerfrei festgestellt ist, einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren und nicht – wie vom Landgericht angenommen – einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren eröffnet.
Schäfer Eschelbach Zeng Bartel Grube

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.