Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - 2 StR 226/15

bei uns veröffentlicht am11.11.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 226/15
vom
11. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:111115B2STR226.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 11. November 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 12. Februar 2015
a) im Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte im Fall II.2 der Urteilsgründe der besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Erpressung, schwerer räuberischer Erpressung und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
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1. Der Schuldspruch, der im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, war im Fall II.2 der Urteilsgründe entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts klarzustellen.
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2. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Strafkammer eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.
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a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und eine Alkoholabhängigkeit bestehen. Es hat angenommen, dass sich das bei ihm vorliegende Vollbild dieser Persönlichkeitsstörung bei den abgeurteilten Taten nicht auf die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt habe und es auch keine Hinweise für eine relevante Alkoholisierung gebe. Zur Begründung hat die Strafkammer angeführt, der Angeklagte sei jeweils planmäßig und zielgerichtet vorgegangen, indem er Drohungen und Einschüchterungen genutzt habe, um zu seinem Ziel zu gelangen. Eine der vorgeworfenen Taten scheine er sogar geplant zu haben, er habe auch warten können , um sein „leichtes" Opfer zu finden. Alle Delikte seien aus einer rein dissozialen Verhaltensbereitschaft hervorgegangen. Eine krankheitsbedingte erhebliche Verminderung oder Aufhebung der Steuerungsfähigkeit habe bei keinem der vorgeworfenen Delikte vorgelegen.
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b) Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Angesichts des Umstands, dass diagnostisch verwertbare Angaben zu seinen Alkoholkonsumgewohnheiten von dem Angeklagten nicht zu erlangen waren, hat das Landgericht zu Recht auf eine Würdigung so genannter psychodiagnostischer Kriterien abgestellt, die grundsätzlich einen Rückschluss auf das Vorliegen einer alkoholbedingten Einschränkung der Steuerungsfähigkeit erlauben. Die vom Landgericht insoweit vorgenommene Wertung erweist sich allerdings als nicht tragfähig. Die Strafkammer hat zum einen Umstände außer Betracht gelassen, die gegen die Annahme voll erhaltener Schuldfähigkeit sprechen. Zum anderen hat sie für volle Schuldfähigkeit sprechende Beurteilungskriterien in ihre Würdigung eingestellt, denen eine solche Bedeutung nicht oder nur in eingeschränktem Umfang zukommen.
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aa) Nach Angaben des Tatopfers war der Angeklagte bei den Taten II.1 und II.3 der Urteilsgründe sehr stark alkoholisiert, roch nicht nur stark nach Alkohol , sondern torkelte auch herum und machte komische Stimmen nach (UA S. 16, 20). Hinsichtlich der Tat II.2 der Urteilsgründe gab die Zeugin an, sie habe bei ihm - wie immer - Alkoholgeruch wahrgenommen, er habe glasige Augen gehabt. Diese Einschätzung der Tatzeugin weist auf alkoholbedingte Ausfallund Begleiterscheinungen hin, denen in der erforderlichen Gesamtwürdigung Beachtung zu schenken ist.
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bb) Als gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit sprechende psychodiagnostische Beurteilungskriterien kommen nur solche Umstände in Betracht, die verlässliche Hinweise darauf geben können, ob das Steuerungsvermögen des Täters trotz einer erheblichen Alkoholisierung voll erhalten geblieben ist (BGH, Beschluss vom 30. Juli 1997 - 3 StR 144/97, NStZ 1997, 592). Dass der Angeklagte planmäßig und zielgerichtet vorgegangen sei, indem er Drohungen oder Einschüchterungen genutzt habe, um zu seinem Ziel zu gelangen, stellt sich insoweit lediglich als bloße Verwirklichung des Tatvorsatzes dar, von der Zeugin Geld zu erlangen; daraus lassen sich regelmäßig keine tragfähigen Schlüsse in bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Täters gewinnen (Senat, Beschluss vom 2. Juli 2015 - 2 StR 146/15). Auch der vom Landgericht hinsichtlich des Falles II.3 der Urteilsgründe angeführte Umstand, der Angeklagte habe warten können, um sein „leichtes“ Opfer zu finden, ist ohne nähere Mitteilung der konkreten Tatumstände für die Frage der Steuerungs- fähigkeit ohne Aussagekraft. Auch das Landgericht ist insoweit nicht davon ausgegangen, dass er die vorgeworfene Tat tatsächlich „geplant“ hat. Sie entnimmt lediglich dem Umstand, dass der Angeklagte nach dem Tatopfer gefragt habe, dass er diese Tat geplant zu haben „scheine“. Davon, dass er in diesem Augenblick bereits den Vorsatz gefasst hatte, der Zeugin Geld wegzunehmen, hat sich das Landgericht offenbar nicht überzeugen können. Im Übrigen lässt der Umstand, dass ein Täter einen bestimmt gefassten Tatentschluss zurückstellt , allenfalls einen zuverlässigen Rückschluss darauf zu, dass die Steuerungsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig aufgehoben war. Dass das Hemmungsvermögen zum Zeitpunkt der späteren Tatbegehung nicht erheblich eingeschränkt war, lässt sich daraus, insbesondere mit Blick auf einen Täter, der - ohne dass zwischenzeitlich komplexe gedankliche oder motivatorische Anpassungsleistungen erforderlich geworden wären - lediglich auf einen günstigen Zeitpunkt zur Tatbegehung (etwa bis zum Erscheinen des ins Auge gefassten Tatopfers) wartet, nicht entnehmen (vgl. auch Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 20 Rn. 25).
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3. Die Sache bedarf daher im Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird sich der zur Entscheidung berufene neue Tatrichter, zweckmäßigerweise unter Einschaltung eines anderen Sachverständigen, auch näher mit der Frage zu befassen haben, ob bei dem Angeklagten aufgrund des jahrelangen Alkoholkonsums eine hirnorganische Schädigung eingetreten ist, die zu einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Die insoweit getroffenen bisherigen Feststellungen der Strafkammer, die einer- seits von einer möglichen hirnorganischen Schädigung ausgegangen ist, andererseits aber mitgeteilt hat, eine Computertomographie sei ohne pathologischen Befund geblieben, lassen dies jedenfalls nicht als ausgeschlossen erscheinen. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - 2 StR 226/15

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - 2 StR 226/15 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2015 - 2 StR 146/15

bei uns veröffentlicht am 02.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 1 4 6 / 1 5 vom 2. Juli 2015 in der Strafsache gegen wegen Raubes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2015 gemäß § 349 Ab

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 4 6 / 1 5
vom
2. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25. November 2014 aufgehoben
a) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es ihn und den Angeklagten K. betrifft,
b) im Adhäsionsausspruch, soweit es ihn betrifft. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer tätige Strafkammer zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen Raubes in Tatein1 heit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten K. wegen desselben Tatvorwurfs unter Einbeziehung weiterer Urteile zu einer zur Bewährung ausgesetzten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten M. hat zum Strafausspruch und zur Adhäsionsentscheidung Erfolg ; hinsichtlich des Strafausspruchs war sie auf den nichtrevidierenden Angeklagten K. zu erstrecken.
2
Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen weisen der Strafausspruch und die Adhäsionsentscheidung Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. auf. 1. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken,
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weil die Strafkammer eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.
a) Das sachverständig beratene Landgericht hat unter Rückrechnung
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einer etwa 7 ½ Stunden nach der Tat entnommenen Blutprobe mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,14 Promille festgestellt, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt eine "Blutalkoholkonzentration von maximal 3,9 Promille" aufgewiesen habe. Auf der Grundlage der Trinkmengenangaben des Angeklagten ist es unter Anwendung der Widmark-Formel zu einer maximalen Blutalkoholkonzentration von 3,03 Promille gekommen. Ausgehend von einer Alkoholisierung von maximal 3,9 Promille hätten gleichwohl die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorgelegen. Zwar sei bei einer rechnerisch derart hohen Blutalkoholkonzentration regelmäßig die Prüfung einer Aufhebung der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB veranlasst und noch sorgfältiger zu prüfen, ob eine Anwendung des § 21 StGB in Betracht komme. Es gebe aber keinen gesicherten medizinisch -statistischen Erfahrungssatz darüber, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt verminderten oder gänzlich aufgehobenen Steuerungsfähigkeit auszugehen sei. Danach ließen die vorliegenden psychodiagnostischen Beweisanzeichen den Schluss zu, dass das körperliche und geistige Leistungsvermögen des alkoholgewöhnten Angeklagten M. bei Tatbegehung trotz des angenommenen hohen Blutalkoholwerts von 3,9 Promille nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen sei. Zwar könne Alkohol zu einer Verstärkung der Nebenwir- kungen der Medikamente führen, die der Angeklagte M. habe einnehmen müssen, was sich in Schläfrigkeit und Bewegungsstörungen äußere. So habe die Zeugin P. auch ein Anstoßen am Tisch und leichten Atemalkohol bemerkt. Gegen eine erhebliche Beeinträchtigung von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit spreche aber der Umstand, dass der Angeklagte detailreiche Erinnerungen habe, nach Angaben der Zeugin Ma. und des Mitangeklagten K. längere Wegstrecken problemlos und ohne alkoholbedingte Einschränkungen habe zurücklegen können und auch der Abtransport eines Fernsehers ihm keine Schwierigkeiten bereitet habe. Zudem sei er in der Lage gewesen, gezielt nach Wertgegenständen zu suchen und dem Mitangeklagten beim Einpacken des Fernsehers zu helfen. Motorische Ausfälle habe es nicht gegeben. Nach der Aussage der Zeugin P. habe er genau gewusst, was er tue und sei laut und aggressiv gewesen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte M. trinkgewohnt gewesen sei. Danach würden die gegen eine Einschränkung der Schuldfähigkeit sprechenden Umstände überwiegen, zumal der Mitangeklagte K. keinerlei alkoholbedingte Auffälligkeiten beim Angeklagten M. bemerkt habe und dieser auch nur angegeben habe, angetrunken und nicht betrunken gewesen zu sein.
b) Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht
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stand. Eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,9 Promille legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit sehr nahe, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille in Betracht zu ziehen ist (BGH, Urteil vom 22. November 1990- 4 StR 117/90, BGHSt 37, 231, 235; Urteil vom 12. Januar 1994 - 3 StR 633/93, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 27; Beschluss vom 25. Februar 1998 - 2 StR 16/98, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 34; BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 5 StR 545/11, NStZ 2012, 261). Auch wenn davon auszugehen ist, dass es keinen gesicherten medizinisch -statistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss, ist der festgestellte Wert ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Stärke der alkoholischen Beeinflussung. Je höher dieser Wert ist, um so näher liegt die Annahme einer zumindest erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. Maßgeblich für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, ist dementsprechend eine Gesamtwürdigung, in die sowohl die Höhe der Blutalkoholkonzentration als auch psychodiagnostische Kriterien einzustellen sind. Bei einer starken Alkoholisierung lässt sich erheblich verminderte Schuldfähigkeit nur ausschließen, wenn gewichtige Anzeichen für den Erhalt der Hemmungsfähigkeit sprechen (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107). aa) Die Erwägungen der Strafkammer genügen diesen Anforderungen
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nicht. Sie lassen zum einen besorgen, dass sie ihrer Entscheidung bereits einen fehlerhaften Maßstab zugrunde gelegt hat, indem sie - bei lediglich formelhafter Erwähnung der beim Angeklagten M. festgestellten Blutalkoholkonzentration - lediglich eine Würdigung der so genannten psychodiagnostischen Beweisanzeichen vorgenommen hat, ohne dabei die sehr hohe und deshalb für die Annahme von erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit streitende Blutalkoholkonzentration zu berücksichtigen. Dafür spricht maßgeblich, dass sie auch hinsichtlich des Mitangeklagten K. eine sehr hohe Blutalkoholkonzentration von 4,35 Promille festgestellt und bei der sich anschließenden Würdigung lediglich die aus ihrer Sicht gegen die Annahme erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit sprechenden Umstände in den Blick genommen hat, ohne sich mit der hochgradigen Alkoholisierung auseinander zu setzen. Dies lässt die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderliche Gesamtwürdigung von festgestellter Alkoholisierung einerseits und gegen die Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit sprechender psychodiagnostischer Kriterien andererseits vermissen. bb) Zum anderen erweist sich die vom Landgericht vorgenommene
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Würdigung als nicht tragfähig. Als gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit sprechende psychodiagnostische Beurteilungskriterien kommen dabei nur solche Umstände in Betracht, die verlässliche Hinweise darauf geben können, ob das Steuerungsvermögen des Täters trotz der erheblichen Alkoholisierung voll erhalten geblieben ist (BGH, Beschluss vom 30. Juli 1997 - 3 StR 144/97, NStZ 1997, 592). Wesentlichen vom Landgericht herangezogenen Umständen kommt eine solche Bedeutung nicht oder nur in eingeschränktem Umfang zu. Dass der Angeklagte zielgerichtet nach Wertgegenständen gesucht und dem Mitangeklagten K. beim Einpacken des Fernsehers geholfen hat, stellt sich lediglich als bloße Verwirklichung des Tatvorsatzes dar, Wertgegenstände aus der Wohnung zu entwenden; daraus lassen sich regelmäßig keine tragfähigen Schlüsse in bezug auf die Steuerungsfähigkeit des Täters gewinnen (Fischer, StGB, 62. Aufl., § 20 Rn. 25). Insoweit ist auch der vom Landgericht erwähnte Umstand, der Angeklagte M. habe genau gewusst, was er getan habe, ebenso ohne jede Aussagekraft wie die Einschätzung, er sei "laut" und "aggressiv" gewesen (was eher noch ein Umstand für eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit sein könnte). Das Fehlen von Ausfallerscheinungen oder alkoholbedingten Einschränkungen, das die Strafkammer in verschiedener Weise heranzieht, kann zwar grundsätzlich gegen eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sprechen; doch ist bei - wie hier - alkoholgewöhnten Tätern zu berücksichtigen, dass äußeres Leistungsverhalten und innere Steuerungsfähigkeit durchaus weit auseinander fallen können (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 4 StR 187/07, NStZ 2007, 696; Beschluss vom 30. April 2015 - 2 StR 444/14) und sich gerade bei Alkoholikern oft eine durch "Übung" erworbene erstaunliche Kompensationsfähigkeit im Bereich grobmotorischer Auffälligkeiten zeigt (Fischer, aaO, § 20 Rn. 23a). Dass dies selbst bei extrem hoher Blutalkoholkonzentration zu äußerer Unauffälligkeit führen kann, hat das Landgericht, das an anderer Stelle lediglich ohne nähere Erläuterung anführt, es sei auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte trinkgewohnt sei, nicht erkennbar bedacht oder erwogen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach dem Eindruck der Zeugin P. - was die Strafkammer an dieser Stelle nicht erwähnt - "leichte Gleichgewichtsprobleme" hatte und damit jedenfalls gewisse Anhaltspunkte für eine alkoholbedingte Einschränkung im Raum stehen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die bloße Selbsteinschätzung des Angeklagten M. , er sei nur angetrunken, aber nicht betrunken gewesen, ebenso wenig wie die Angaben des ebenfalls hochgradig alkoholisierten Mitangeklagten K. , er habe keinerlei alkoholbedingte Auffälligkeiten beim Angeklagten M. bemerkt, ohne relevanten Beweiswert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 5 StR 57/09, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 41). Darüber hinaus zeigt das Tatbild Besonderheiten, die sogar positiv auf
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eine alkoholbedingte erhebliche Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit des Angeklagten schließen lassen können und die von der Jugendkammer in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden. Schon der Auslöser für die Tat ist sonderbar. Die Angeklagten wurden von einer guten Bekannten gebeten, dem Zeugen D. , der sich einer anderen Frau zugewendet habe, "eins in die Fresse zu hauen" und ihm Sachen zu entwenden. Daraufhin machten sie sich unmittelbar mit einem Hund auf einen 20-30-minütigen Fußweg zur Wohnung des Zeugen, in der sie lediglich die Zeugin P. antrafen. Dort entwendeten sie einen Fernseher, den sie in einen Bettbezug packten und zu Fuß in die Wohnung des Mitangeklagten K. brachten, wo er später sichergestellt wurde. Eine zuvor mit weiteren Gegenständen bepackte Reisetasche ließen die Ange- klagten am Tatort zurück, weil sie zu schwer war. Der Zeugin P. gelang es, während der Tat die Wohnung zu verlassen. Als sie nochmals zurückkehrte, um ihr Handy zurückzufordern, händigten die Angeklagten ihr dies aus und ließen sie wieder gehen. Neben diesen für eine spontane und unbedachte Tatausführung und damit auch für eine Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit sprechenden Umständen bleibt auch unerörtert, dass die Angeklagten am frühen Abend des Tattages nochmals zu Fuß zur Wohnung des Zeugen D. zurückkehrten und dort den im Hausflur angetroffenen Zeugen Da. baten, bei diesem zu klingeln und von ihm die am Tatort vergessene Hundeleine und die Fernbedienung für den entwendeten Fernseher zu fordern. Ein solches, ersichtlich von vornherein zum Scheitern verurteiltes Vorgehen, das zudem geeignet war, die Überführung der Angeklagten als Täter wesentlich zu erleichtern, hätte die Strafkammer ebenfalls in den Blick nehmen müssen.
c) Die Aufhebung des Strafausspruchs ist auf den nicht revidierenden
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Mitangeklagten K. zu erstrecken (§ 357 StPO). Zwar kommt eine Erstreckung bei Rechtsfehlern im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit regelmäßig nicht in Betracht, weil die Frage der Schuldfähigkeit nur individuell zu bestimmen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 1992 - 4 StR 615/91, StV 1992, 317). Liegen die Aufhebungsgründe aber nicht nur in der Person des Revisionsführers vor, sondern betreffen sie - wie hier - auch den nicht revidierenden Angeklagten , kommt eine Erstreckung in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1991 - 5 StR 598/91, StV 1992, 417 im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Gesamtwürdigung bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung). Das Landgericht hat bei seinen Entscheidungen über die Schuldfähigkeit der Angeklagten bei vergleichbar hohen Blutalkoholkonzentrationen - wie dargelegt - einen unzutreffenden Maßstab zum Ausgangspunkt seiner Prüfung gemacht, ohne dass es für die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung noch auf die individuelle Würdigung hinsichtlich des einzelnen Angeklagten ankäme.
Dies führt - auch hinsichtlich des Mitangeklagten K. als Heranwach10 sendem - zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen , dass eine ordnungsgemäße Prüfung bei beiden Angeklagten zur Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit und zu milderen Strafen geführt hätte. 2. Auch der Adhäsionsausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen
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Bedenken, soweit darin festgestellt wird, dass der Angeklagte M. verpflichtet ist, der Nebenklägerin sämtliche materielle und immaterielle Schäden aus der zu ihrem Nachteil begangenen Tat vom 27. Mai 2014 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Dabei kann dahinstehen, ob der die Ersatzpflicht feststellende Ausspruch nur bereits eingetretene oder auch künftige Schäden umfassen soll. Denn es ist - was aber erforderlich wäre - weder dargetan, dass hinsichtlich bereits entstandener Schäden , für deren Vorhandensein sich nichts aus den Urteilsgründen ergibt, die Geltendmachung im Rahmen eines Leistungsantrags unmöglich oder unzumutbar wäre, noch ist ersichtlich, dass die Entstehung künftiger Schäden wahrscheinlich oder zumindest möglich ist. Insoweit bedarf der Adhäsionsausspruch ebenfalls der Zurückverweisung und Neuverhandlung. Fischer Eschelbach Krehl Zeng RinBGH Dr. Bartel ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer