Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2013 - 2 StR 353/13

bei uns veröffentlicht am10.09.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 353/13
vom
10. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betruges
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 10. September 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt Main vom 11. Oktober 2012 im Strafausspruch im Fall II.4 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetruges in vier Fällen, davon in zwei Fällen in zwei jeweils tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und unter Einbeziehung einer Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der Schuldspruch weist aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler auf.

3
2. Dagegen begegnet der Strafausspruch im Fall II.4 der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit die Strafkammer davon abgesehen hat, eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen.
4
Zur Begründung hat das Landgericht "anhand einer Gesamtwürdigung der Tatumstände" berücksichtigt, die Tat sei bereits so weit fortgeschritten gewesen , dass die Angeklagte an der Haustür erschienen und bereit gewesen sei, das von der Geschädigten abgehobene Geld in Empfang zu nehmen. Aufgrund dieser eingetretenen "Vollendungsnähe" habe die Strafkammer den Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB zugrunde gelegt.
5
Dies genügt den Anforderungen an die Strafrahmenwahl bei einem Versuch nicht. Dabei hat das Tatgericht neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, namentlich insbesondere die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie, in einer Gesamtschau umfassend zu würdigen (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355; 36, 1, 18; BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 4, 9, 12, 13; BGH NStZ-RR 2010, 305, 306. Hieran fehlt es. Die Strafkammer hat - ohne die an anderer Stelle aufgeführten strafmildernden Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen - allein auf die eingetretene "Vollendungsnähe" abgestellt und damit nicht die nach der Rechtsprechung erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen. Hinzu kommt, dass die Gefahr einer Vollendung der Straftat angesichts der polizeilichen Begleitung der Tat, die schließlich auch zur Festnahme der Angeklagten führte, nicht bestand. Soweit der Generalbundesanwalt meint, mit der missverständlichen Formulierung der "Vollendungsnähe" habe das Landge- richt ersichtlich nur auf eine erhöhte kriminelle Energie der Angeklagten, aus deren Sicht die Tat unmittelbar vor dem Erfolg gestanden habe, abstellen wollen , lässt sich dies den Urteilsgründen nicht entnehmen. Im Übrigen erscheint es zweifelhaft, ob die Vornahme der zur Erlangung des Geldes vorgenommenen Handlungen im Fall II.4 tatsächlich eine gegenüber den anderen Fällen erhöhte kriminelle Energie belegen kann. Denn in diesen Fällen war die Angeklagte gleichermaßen bereit, alles zur Erfolgsvollendung Erforderliche zu tun, hatte nur keine Gelegenheit dazu, weil die Opfer die Täuschung erkannt und die Polizei eingeschaltet hatten.
6
Angesichts der fehlerhaften Strafrahmenwahl kommt es nicht mehr darauf an, ob das Landgericht die Höhe der Strafe im Fall II.4 im Vergleich zu den anderen, erheblich milder bestraften Taten ordnungsgemäß begründet hat. Allerdings ist es nicht unbedenklich, innerhalb des wegen der Erfolgsnähe nicht verschobenen Strafrahmens die Erfolgsnähe neuerlich zu Lasten der Angeklagten zu gewichten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 - 5 StR 113/10).
7
3. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II.4 führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht; sie sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2013 - 2 StR 353/13

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Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2013 - 2 StR 353/13 zitiert 4 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2010 - 5 StR 113/10

bei uns veröffentlicht am 13.04.2010

5 StR 113/10 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 13. April 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2010 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urtei

Referenzen

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

5 StR 113/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2010

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 4. November 2009 im Strafausspruch gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachbeschwerde geführte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Der 1. Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar mag die Wertung der Strafkammer, unter den gegebenen Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB dem Angeklagten eine Versuchsmilderung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB wegen der Nähe zur Tatvollendung zu versagen, rechtlich noch vertretbar sein (vgl. nur BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 9). Soweit das Tatgericht vor dem Hintergrund dieser getroffenen Strafrahmenwahl allerdings zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass ein „Überleben des Geschädigten nur von dem Zufall des bereits alarmierten Rettungswagens abhängig war“ (UA S. 49), hält diese Bewertung revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
3
Das Landgericht lässt dabei unberücksichtigt, dass der Strafzumessung der – hier freilich über § 213 Alt. 1 StGB gemilderte – gesetzliche Normalstrafrahmen für eine vollendete Tatbegehung nach § 212 Abs. 1 StGB zugrunde liegt. Innerhalb dieses Strafrahmens neuerlich die Erfolgsnähe und damit gerade ein bestimmendes Merkmal des Tatbestands zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, ist mit § 46 Abs. 3 StGB unvereinbar.
4
2. Hinsichtlich dieses Wertungsfehlers bedarf es nicht der Aufhebung von Feststellungen. Sollte das neue Tatgericht abermals einer Versagung der Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zuneigen, sollte es hierfür nähere Feststellungen zu den Tatfolgen für den Geschädigten treffen und würdigen.
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