Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juli 2015 - 2 StR 38/15

bei uns veröffentlicht am28.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 8 / 1 5
vom
28. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. Juli 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 19. Juni 2014 aufgehoben
a) in den Fällen II. 2., 3., 7., 8., 13., 15., 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe mit den das Gebrauchmachen der Urkunden betreffenden Feststellungen,
b) im Gesamtstrafenausspruch sowie im Ausspruch über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt , von denen drei Monate als vollstreckt gelten. Im Hinblick auf eine weitere dem Angeklagten vorgeworfene Tat hat es das Verfahren eingestellt.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte ein Autohaus. Er erstellte im Zusammenhang mit 24 in den Jahren 2004 und 2005 erfolgten Fahrzeugverkäufen Quittungen, ausweislich derer die Kunden die Auszahlung von Bargeldbeträgen zwischen 500 bis zu 4.500 Euro bestätigten. Tatsächlich aber hatten die Kunden - bis auf einen Fall - den jeweils ausgewiesenen Betrag nicht erhalten und - in allen Fällen - die Unterschrift auf der Quittung nicht geleistet. Diese hatte vielmehr der Angeklagte entweder selbst angebracht oder aber die Unterschrift durch einen Dritten veranlasst.
4
Die dergestalt gefälschten Auszahlungsquittungen reichte der Angeklagte jeweils bei der das Kassenbuch führendenden Mitarbeiterin des Autohauses ein. Anhand der Quittungen und des Kassenbuchs erfolgte letztlich die Kontierung bei der mit der Buchführung des Autohauses betrauten Steuerkanzlei.
5
Den Feststellungen liegen insgesamt 24 von dem Angeklagten gefälschte und eingereichte Auszahlungsquittungen mit teilweise identischen Ausstellungsdaten zugrunde. Hiervon ausgehend hat das Landgericht den Angeklagten wegen (gewerbsmäßig begangener) Urkundenfälschung in 24 Fällen für schuldig befunden.

II.


6
Den Verfahrensrügen ist der Erfolg versagt.
7
1. Die Rüge des Angeklagten, das Landgericht habe seine Überzeugung entgegen § 261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft, hat im Ergebnis keinen Erfolg.
8
a) Zwar hat das Landgericht ein nicht in die Hauptverhandlung eingeführtes schriftliches Gutachten wörtlich verwertet.
9
Das Gericht hat seine Überzeugung davon, dass in keinem der 24 Fälle die auf den Quittungen angebrachte Unterschrift von dem angeblichen Aussteller stammt, auch auf das schriftliche Gutachten der Schriftsachverständigen Prof. Dr. H. gestützt, das es zu diesem Zweck auf ca. 100 Urteilsseiten im Wortlaut wiedergegeben hat. Eine förmliche Verlesung dieses Gutachtens ist indes in der Hauptverhandlung nicht erfolgt. Die Sachverständige hat, was in den Urteilsgründen mitgeteilt wird, die von ihr verglichenen Unterschriften lediglich an die Wand des Sitzungssaals projiziert und ihr Gutachten dabei in freier Rede erstattet.
10
Wird ein nicht verlesenes Schriftstück ohne einen Hinweis auf eine bestätigende Erklärung einer in der Hauptverhandlung vernommenen Auskunftsperson im Urteil wörtlich wiedergeben, so deutet schon dies in der Regel darauf hin, dass der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht nur eine gegebenenfalls auf einen Vorhalt abgegebene Bekundung (Senat, Urteil vom 6. September 2000 - 2 StR 190/00, NStZ-RR 2001, 18). Ungeachtet dessen ist den Urteilsgründen ein Anhalt dafür, dass die Sachverständige auf einen Vorhalt hin eine das schriftliche Gutachten bestätigende Erklärung abgegeben hat, nicht zu entnehmen. Zudem enthält das vorliegend in dem Urteil wörtlich zitierte schriftliche Gutachten umfangreiche, sowohl inhaltlich wie sprachlich komplex gestaltete Textpassagen, in denen nicht nur die verglichenen Unterschriften bildlich dargestellt, sondern auch im Einzelnen bewertet werden. Die Einzelheiten dieses Gutachtens, insbesondere der genaue Wortlaut , können nach der Lebenserfahrung von einer Sachverständigen auf Vorhalt nicht wiedergegeben werden. Der Senat schließt daher aus, dass das Landgericht den Wortlaut der im Urteil zitierten Abschnitte des Gutachtens aufgrund der Angaben der Sachverständigen festgestellt hat.
11
b) Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht. Die Strafkammer hat die mündlichen Ausführungen der Sachverständigen in allgemeiner Form geschildert und sich überdies davon, dass in keinem Fall die Unterschriften auf allen Quittungen von dem ausgewiesenen Aussteller stammen, auf die im Einzelnen dargestellten Aussagen aller 24 angeblichen Aussteller gestützt (UA S. 147 - 171).
12
2. Die weiteren Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. März 2015.

III.


13
Dagegen hält das Urteil im Umfang der Aufhebung der sachlichrechtlichen Überprüfung nicht stand.
14
1. Die bisher zu den Fällen II. 2., 3., 7., 8., 13., 15., 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen zum Gebrauchen der gefälschten Überweisungsträger sind lückenhaft und erlauben dem Senat nicht die Beurteilung , ob das Landgericht den Angeklagten insoweit rechtsfehlerfrei wegen elf selbständiger Taten der Urkundenfälschung verurteilt hat.
15
a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Herstellen einer falschen Urkunde und das Gebrauchmachen von der gefälschten Urkunde jeweils nur eine Tat im Rechtssinne bilden (st. Rspr.; Fischer, StGB, 62. Aufl. § 267 Rn. 58 mwN). Dabei gebraucht der Täter die gefälschte Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB, wenn er sie in einer Weise vorlegt oder übergibt , dass der zu Täuschende in die Lage versetzt wird, von der Urkunde Kenntnis zu nehmen (Fischer aaO Rn. 36). Dies ist bei gefälschten Quittungen dann der Fall, wenn sie von dem Täter der Person vorgelegt werden, der gegenüber die Täuschung im Rechtsverkehr aus Sicht des Täters wirksam werden soll.
16
Vorliegend fehlen jedoch nähere Feststellungen zu den Umständen, insbesondere zu Zeit und Ort der Vorlage der gefälschten Quittungen bei der das Kassenbuch führendenden Mitarbeiterin des Autohauses. Darauf kommt es aber an. Denn wenn und soweit der Angeklagte mehrere der gefälschten Quittungen in einem einzigen Akt vorlegte, etwa indem er die Quittungen "gebündelt" weiterreichte, lag nur eine Handlung im natürlichen Sinne und deshalb auch nur rechtlich eine Tat des Gebrauchmachens im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB vor, und zwar unabhängig von der Anzahl der zeitgleich vorgelegten Quittungen und unabhängig davon, ob diese das gleiche Verkaufsgeschäft betrafen (vgl. Senat, Beschluss vom 7. September 2005 - 2 StR 342/05, NStZ 2006, 100; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2008 - 4 StR 648/07, wistra 2008, 182).
17
b) Hiervon ausgehend besteht Grund für die Annahme, dass der Angeklagte jedenfalls die unter dem gleichen Datum ausgestellten Quittungen in den Fällen II. 2. und 3. (16. November 2004), II. 7. und 8. (22. Dezember 2004), II. 13., 15. und 16. (14. April 2005), II. 19. und 20. (30. August 2005) und in den Fällen II. 21. und 22. (2. September 2005) zeitgleich vorgelegt hat und ihm deshalb nur jeweils eine Tat zur Last fällt.
18
Über die Sache ist deshalb in den vorgenannten Fällen unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes neu zu entscheiden. Neuer Feststellungen bedarf es jedoch nur zu den tatsächlichen Umständen des Gebrauchmachens von den vom Angeklagten gefälschten Überweisungsträgern. Die übrigen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben.
19
2. Die Aufhebung des Urteils in den genannten Fällen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage, der auch für sich genommen rechtlichen Bedenken begegnet, da das Landgericht sich bei Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten auffallend weit von der Einsatzstrafe von sechs Monaten entfernt hat, ohne dies in gebotener Weise besonders zu begründen (vgl. Senat, Urteil vom 26. Januar 2011 - 2 StR 446/10; Beschluss vom 5. August 2010 - 2 StR 340/10).
20
3. Der Ausspruch über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat keinen Bestand. Die Kammer hat den Umfang der von ihr angenommenen Verfahrensverzögerung nicht dargelegt, so dass der Senat nicht prüfen kann, ob die angeordnete Kompensation dem angenommenen Konventionsverstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG angemessen Rechnung trägt.
21
a) Da zwischen der Aufnahme der Ermittlungen im Jahre 2007 und dem Urteil im Jahre 2014 rund sieben Jahre liegen, ist das Landgericht von einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung ausgegangen. Insbesondere aufgrund der Belastungssituation der Strafkammer sei das Verfahren verzögert worden; insofern hätte bei einer strafferen Terminierung das Verfahren rund ein Jahr früher beendet werden können. Im Übrigen hat das Landgericht unter anderem auf den Umfang des Prozessstoffes hingewiesen.
22
b) Dies hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht der Kompensation in rechtsfehlerhafter Weise nur unzureichende Feststellungen zu Grunde gelegt hat.
23
Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung sind als Grundlage der Kompensation Art, Ausmaß und Ursachen der Verfahrensverzögerung zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Hierbei ist zu beachten, dass nicht - wie in der angefochtenen Entscheidung angenommen - die gesamte Verfahrensdauer von der Aufnahme der Ermittlungen bis zum Abschluss der Hauptverhandlung uneingeschränkt und pauschal als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angesehen werden kann. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass in diesem Zeitraum auch notwendige, den Fortgang des Verfahrens fördernde Tätigkeiten vorgenommen wurden, deren Erledigung jeweils eine angemessene Zeit beanspruchen und dauern durfte, ohne dass darin eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gesehen werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 - 3 StR 514/07). Es wird deshalb festzustellen sein, welcher Zeitraum bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung für die Erledigung der entspre- chenden Maßnahmen in den verschiedenen Verfahrensstadien (Ermittlungs-, Zwischen- und Hauptverfahren) beansprucht werden durfte. Dieser ist bei der Berechnung der Dauer der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 3 StR 157/08; Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08).
24
c) Es ist nicht auszuschließen, dass sich die nur unzureichend getroffenen Feststellungen zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben. Der Senat hebt die gesamte Kompensationsentscheidung auf, um dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu einer umfassenden Neubewertung zu geben. Dabei wird das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu beachten sein (vgl. Senat, Beschluss vom 12. September 2013 - 2 StR 226/13; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 - 4 StR 502/13).
25
Die ungenügenden Feststellungen zur rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung waren aufzuheben, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben , insoweit einheitlich neue, ausreichend konkrete Feststellungen zu treffen.
Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juli 2015 - 2 StR 38/15

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der
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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 267 Urkundenfälschung


(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch i

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 190/00
vom
6. September 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. September
2000, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 28. Dezember 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen täuschte der Angeklagte im Anschluß an einen am 22. März 1987 erlittenen Verkehrsunfall erhebliche vorgeblich als Folge des Unfalls eingetretene gesundheitliche Beeinträchtigungen vor, um von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ihm tatsächlich nicht zustehende Schadensersatzleistungen zu erhalten. Aufgrund der Simulation des Angeklagten erbrachte die Versicherung im Zeitraum von April 1987 bis Mai 1996 zu Unrecht Rentenzahlungen für entstandenen Verdienstausfall in Höhe von insgesamt ca. 460.000 DM. Gegen das Urteil wendet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I.

Der Beschwerdeführer beanstandet, das Landgericht habe gegen § 261 StPO verstoßen, indem es bei seiner Entscheidung den Wortlaut ärztlicher Gutachten verwertet habe, ohne diese Gutachten ordnungsgemäß durch Verlesung gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben. Jedenfalls mit der die Verwertung des Gutachtens des Prof. Dr. S. vom 8. März 1991 betreffenden Verfahrensbeanstandung dringt die Rüge durch. Das Landgericht hat Prof. Dr. S. nicht als Sachverständigen angehört , sondern als sachverständigen Zeugen dazu vernommen, daß er dieses Gutachten erstattet hat. Die Strafkammer teilt in den Urteilsgründen im Rahmen der Feststellungen zum Sachverhalt das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. S. v om 8. März 1991 auszugsweise im Wortlaut mit. Die wörtliche Wiedergabe erstreckt sich über mehr als sechs Urteilsseiten. Eine förmliche Verlesung des Gutachtens gemäß § 249 Abs. 1 StPO ist in der Hauptverhandlung nicht erfolgt , was durch das Schweigen des Hauptverhandlungsprotokolls bewiesen wird (BGH NStZ 1999, 424; NStZ 1993, 51; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 11). Durch gegebenenfalls auf nicht protokollierungspflichtige Vorhalte gemachte Bekundungen des in der Hauptverhandlung als sachverständigen Zeugen vernommenen Prof. Dr.S. oder des darüber hinaus als Auskunftsperson in Betracht kommenden Sachverständigen Prof. Dr. Sc. ist der Wortlaut des Gutachtens vom 8. März 1991 ebenfalls nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Dem Urteil läßt sich lediglich entnehmen, daß der sachverständige Zeuge glaubhaft bestätigt hat, das auszugsweise zitierte Gutachten angefertigt zu haben. Demgegenüber fehlt ein Hinweis auf eine den
Inhalt des Gutachtens bestätigende Erklärung des sachverständigen Zeugen oder des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Sc. . Wird ein nicht verlesenes Schriftstück ohne einen solchen Hinweis auf eine bestätigende Erklärung einer in der Hauptverhandlung vernommenen Auskunftsperson im Urteil auszugsweise wörtlich wiedergegeben, so deutet dies in der Regel darauf hin, daß der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht nur eine gegebenenfalls auf einen Vorhalt abgegebene Bekundung (vgl. BGH NStZ 1999, 424; BGHSt 11, 159, 161f). Bei den im Urteil wörtlich zitierten Auszügen aus dem Gutachten vom 8. März 1999 handelt es sich zudem um umfangreiche, sowohl inhaltlich als auch sprachlich komplex gestaltete Textpassagen, in denen anamnestische Angaben des Angeklagten sowie eigene umfängliche Untersuchungsergebnisse referiert werden und eine zusammenfassende gutachterliche Wertung der erhobenen Befunde formuliert ist. Die Einzelheiten dieser Gutachtenteile, insbesondere der genaue Wortlaut, können nach der Lebenserfahrung von einer Auskunftsperson auch auf Vorhalt nicht aus der Erinnerung heraus wiedergegeben werden. Der Senat schließt daher aus, daß das Landgericht den Wortlaut der im Urteil zitierten Abschnitte des Gutachtens auf Grund der Angaben des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. S. oder des Sachverständigen Prof. Dr. Sc. festgestellt hat (vgl. BGHSt 5, 278; 11, 159; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 5, 11, 12; BGH bei Holtz MDR 1991, 704). Mit der wörtlichen Verwertung des nicht in die Hauptverhandlung eingeführten schriftlichen Gutachtens hat das Landgericht gegen § 261 StPO verstoßen. Der Senat kann bei der gegebenen Sachlage nicht ausschließen, daß das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht. Denn die Strafkammer hat im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen auf eine eigene Schilderung des simulierten Verhaltens des Angeklagten verzichtet und sich statt dessen darauf be-
schränkt, verschiedene ärztliche Gutachten, darunter das Gutachten des Prof. Dr. S. v om 8. März 1991, auszugsweise wörtlich wiederzugeben und pauschal festzustellen, daß die "vorstehend genannten und in den Gutachten bescheinigten" gesundheitlichen Beeinträchtigungen niemals bestanden hätten. Das Urteil kann demnach keinen Bestand haben, ohne daß es einer Erörterung der weiteren Verfahrensrügen oder der Sachbeschwerde bedarf.

II.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin: 1. Zur Klärung der Frage, ob gesundheitliche Beeinträchtigungen vom Angeklagten simuliert wurden, bedarf es einer mit sachverständiger Hilfe vorzunehmenden Auseinandersetzung mit den bei den verschiedenen Untersuchungen jeweils vom Angeklagten angegebenen Beschwerden, den erhobenen Untersuchungsbefunden und den unterschiedlichen Diagnosen. Dabei wird der neue Tatrichter auch die Möglichkeit einer bewußten oder unbewußt als Ausdruck einer neurotischen Störung erfolgten Aggravation vorhandener Beeinträchtigungen in seine Überlegungen mit einzubeziehen haben. Im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Prof. Dr. Sc. empfiehlt es sich, zur Beurteilung dieser Fragen einen anderen Sachverständigen hinzuzuziehen. 2. Das tatrichterliche Urteil muß nach § 267 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 StPO eine in sich geschlossene Darstellung des zum Anklagevorwurf festgestellten Sachverhalts enthalten (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3 und § 267 Abs. 5 Freispruch 4), welche erkennen läßt, inwieweit der Tatrichter die gesetzlichen Merkmale des Straftatbestands durch Tatsa-
chen erfüllt ansieht. Werden anstelle einer aus sich heraus verständlichen Schilderung des Tatgeschehens im wesentlichen wörtliche Zitate aus verschiedenen Schriftstücken, die zudem die innere Tatseite nicht belegen, aneinandergereiht , gefährdet dies in sachlich-rechtlicher Hinsicht den Bestand des Urteils. Jähnke Detter Rothfuß Fischer Elf

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3.
durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 342/05
vom
7. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. September 2005
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 19. Januar 2005
a) in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte insgesamt einer Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug schuldig ist,
b) im Fall 3 der Urteilsgründe und im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 14. Februar 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und wegen Nötigung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Es hat ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezo-
gen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts zu den Verfahrensrügen, dass die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision das Schreiben des Oberstaatsanwalts E. nicht mitteilt. 1. Der Schuldspruch in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe wegen Betruges und Urkundenfälschung in zwei Fällen hat keinen Bestand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt: „Die Annahme des Tatrichters, die Fälle 1 und 2 der Anklage (UA S. 17 f.) stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; nach den Feststellungen kommt insoweit vielmehr Tateinheit in Betracht. Beide Überweisungsvordrucke wurden am 12. Dezember 2002 ausgefüllt und mit der Unterschrift ‚T. versehen ’ (UA S. 21); beide Fälschungen wurden zeitgleich am 12. Dezember 2002 oder an einem der nächsten Tage bei der Sparkasse D. eingereicht und dort – wiederum zeitgleich – am 16. Dezember 2002 in der Weise bearbeitet, dass die Geldbeträge über 260,00 € und 2.850,00 € dem Konto des Beschwerdeführers gutgeschrieben wurden (UA S. 21). Fälscht ein Täter – wie hier – mehrere Urkunden und macht von ihnen sodann in einem Akt Gebrauch, liegt Tateinheit vor (vgl. Fischer/Tröndle 52. Aufl. § 267 StGB Rdnr. 44). Denn eine durch eine Fälschung einer Urkunde bereits vollendete Straftat wird durch das Gebrauchmachen der Fälschung erst beendet. ‚Dieselbe Handlung’ im Sinne von § 52 StGB
liegt daher auch vor, wenn das gleichzeitige Gebrauchmachen von mehreren gefälschten Urkunden zwei ursprünglich rechtlich selbstständige vollendete Handlungen beendet und damit zugleich bei der Erfüllung eines anderen Tatbestandes – hier des Betruges – mitwirkt (BGH VRS 21, 113, 118, 119; BGH, Urteil vom 23. Juli 1965 – 4 StR 340/65 S. 5).“ Der Senat kann den Schuldspruch selbst entsprechend korrigieren. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte ersichtlich nicht anders hätte verteidigen können. 2. Im Fall 3 der Urteilsgründe sind die Feststellungen widersprüchlich und belegen deshalb eine Gewaltanwendung im Sinne der §§ 113, 240 StGB durch den Angeklagten nicht. Nach den Urteilsfeststellungen UA S. 24 fuhr der Angeklagte nicht auf den Polizeibeamten zu, um ihn zum Ausweichen zu zwingen, sondern wich vielmehr seinerseits kurz vor Erreichen des Standortes des Polizeibeamten mit seinem Pkw nach rechts aus, um um ihn herumzufahren. Nach diesen Feststellungen fehlte dem Angeklagten der Vorsatz, den Polizeibeamten mit Gewalt zum Ausweichen und zur Unterlassung der beabsichtigten Verkehrskontrolle zu nötigen, den das Landgericht UA S. 61 f. bei der rechtlichen Würdigung zugrunde legt. Dies führt in diesem Fall zur Aufhebung und Zurückverweisung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen kann, die einen – eventuell bedingten – Nötigungsvorsatz des Angeklagten belegen, zumal der Angeklagte, obwohl sowohl der Polizeibeamte N. als auch der Angeklagte selbst jeweils nach rechts ausgewichen sind, mit einem Abstand von nur 70 cm an dem Beamten vorbeifuhr.
3. Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe und die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 3 der Urteilsgründe führen zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, Feststellungen zur Erledigung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Düren vom 18. Februar 2003 zu treffen und die Strafe, falls sie noch nicht vollstreckt sein sollte, hinsichtlich einer Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigen oder anderenfalls einen Härteausgleich zu gewähren. Rothfuß Ernemann Fischer Roggenbuck Appl

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 648/07
vom
15. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Urkundenfälschung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 15. Januar 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. August 2007, soweit es den Angeklagten betrifft,
a) in den die Geschädigten W. , H. , S. , M. , R. und Ha. betreffenden Fällen („Fälle“ 4 bis 21 der Liste UA 9) mit den das Gebrauchmachen der Urkunden betreffenden Feststellungen - die übrigen Feststellungen bleiben bestehen – sowie
b) im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen verschaffte sich der Angeklagte spätestens Anfang 2006 eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle dadurch, dass er Überweisungen von fremden Konten, bezüglich derer er die entsprechenden Bankverbindungsdaten über einen Bankangestellten erhalten hatte, auf Konten veranlasste, auf die er selbst unmittelbar oder mit Hilfe anderer Personen Zugriff nehmen konnte. Zu diesem Zweck fälschte er die entsprechenden Überweisungsträger, indem er sie mit den Namen der jeweiligen geschädigten Kontoinhaber unterzeichnete, und reichte die so gefälschten Überweisungsträger bei den Banken ein.
3
Den Feststellungen liegen insgesamt 21 von dem Angeklagten gefälschte und eingereichte Überweisungsträger zu Grunde, die drei Ausstellungsdaten (7. Februar, 8. März und 15. März 2006) tragen und die Konten von sieben Geschädigten bei drei verschiedenen Bankinstituten betreffen. Hiervon ausgehend , hat das Landgericht "pro geschädigtem Kontoinhaber", unabhängig von der jeweiligen Anzahl der von dem Angeklagten gefälschten Urkunden, eine Tat des Herstellens und Gebrauchmachens einer unechten Urkunde angenommen (UA 13) und den Angeklagten deshalb der (gewerbsmäßig begangenen) Urkundenfälschung in sieben Fällen für schuldig befunden.
4
2. Die Verfahrensbeschwerde nach § 338 Nr. 4 StPO versagt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. Dezember 2007. Dagegen hält das Urteil im Umfang der Aufhebung der sachlichenrechtlichen Überprüfung nicht stand. Denn die bisher zu den „Fällen“ 4 bis 21 der Liste auf UA 9 getroffenen Feststellungen zum Einreichen der gefälschten Überweisungsträger bei den betreffenden Banken sind lückenhaft und erlauben dem Senat nicht die Beurteilung, ob das Landgericht den Angeklagten insoweit zu Recht wegen sechs selbständigen Taten der Urkundenfälschung verurteilt hat.
5
a) Allerdings begegnet der rechtliche Ansatz des Landgerichts, wonach alle Überweisungen von ein und demselben Konto jeweils eine Tat im Rechtssinne bilden, keinen rechtlichen Bedenken, zumal die Überweisungsträger bezüglich jedes einzelnen der betroffenen Konten unter jeweils dem selben Datum ausgestellt sind. Dass der Senat - worauf die Revision in ihrer Gegenerklärung verweist - in dem Parallelverfahren gegen den Angeklagten, in dem der Angeklagte wegen gleichartiger Taten - inzwischen rechtskräftig - verurteilt worden ist (27 KLs 31/06 Landgericht Essen; Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2007 - 4 StR 463/07), die abweichende rechtliche Würdigung der dort erkennenden Strafkammer hingenommen hat, die die Konkurrenzfrage nicht nach Maßgabe der Anzahl der Konten der Geschädigten, sondern nach derjenigen der Konten der Empfänger gelöst hat, beruht allein darauf, dass den Angeklagten die rechtliche Wertung in jener Sache nicht beschwerte. Demgegenüber kann der Senat im vorliegenden Fall nicht ausschließen, dass der Angeklagte in den von der Aufhebung betroffenen Fällen durch Annahme von sechs selbständigen Taten beschwert ist.
6
b) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Herstellen einer falschen Urkunde und das Gebrauchmachen von der gefälschten Urkunde jeweils nur eine Tat im Rechtssinne bildet (st. Rspr.; Fischer StGB 55.
Aufl. § 267 Rdn. 44 m.N.). Dabei gebraucht der Täter die gefälschte Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB, wenn er sie in einer Weise vorlegt oder übergibt, dass der zu Täuschende in die Lage versetzt wird, von der Urkunde Kenntnis zu nehmen (Fischer aaO Rdn. 23). Das ist bei gefälschten Überweisungsträgern dann der Fall, wenn sie von dem Täter bei der Bank eingereicht werden (vgl. BGH NStZ 2006, 100). Es fehlen hier jedoch nähere Feststellungen zu den Umständen, insbesondere zu Zeit und Ort des Einreichens der gefälschten Überweisungsträger bei den Banken durch den Angeklagten. Darauf kommt es aber an. Denn wenn und soweit der Angeklagte mehrere der gefälschten Überweisungsträger in einem einzigen Akt bei einer Bank eingereicht hat, etwa indem er die Überweisungsträger „gebündelt“ in den Briefkasten der Bank einwarf , liegt nur eine Handlung im natürlichen Sinne und deshalb auch nur rechtlich eine Tat des Gebrauchmachens im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB vor, und zwar unabhängig von der Anzahl der zeitgleich eingereichten Überweisungsträger und unabhängig davon, ob diese sämtlich dasselbe Konto oder verschiedene Konten bei derselben Bank betreffen (vgl. zur Tateinheit in Fällen der Steuerverkürzung BGHSt 33, 163, 164 f.; ferner BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung dieselbe 18 und 25).
7
c) Hiervon ausgehend, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden , dass der Angeklagte die unter dem 15. März 2006 ausgestellten Überweisungsträger („Fälle“ 4 bis 12 der Liste) zeitgleich bei der Deutschen Bank eingereicht hat und ihm deshalb insoweit nicht drei (zum Nachteil W. , H. und S. begangene) Taten, sondern nur eine Tat zur Last fällt, wenn auch die unterschiedlichen Wertstellungsdaten dafür sprechen könnten, dass der Angeklagte an mehreren Tagen tätig geworden ist.
8
Auch hinsichtlich der unter dem 8. März 2006 ausgestellten Überweisungsträger („Fälle“ 13 bis 21 der Liste) kommt es auf die näheren Umstände zu Zeit und Ort des Einreichens der Urkunden bei den betreffenden Bankinstituten an. Zwar sind hier drei Geschädigte (M. , R. und Ha. ) mit Konten bei entsprechend drei verschiedenen Banken betroffen, weshalb an sich gegen die Wertung als drei selbständige Taten nichts zu erinnern ist. Jedoch bedarf die Sache auch insoweit weiterer Klärung; denn in dem erwähnten, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren 27 KLs 31/06 Landgericht Essen (Senat 4 StR 463/07) ist der Angeklagte wegen der Fälschung und Einreichung unter demselben Datum (dem 8. März 2006) ausgestellter Überweisungsträger verurteilt worden. Jene „Fälle“ (Nr. 124 bis 133 der Liste; UA 9 jenes Urteils) betreffen dieselben drei Banken (Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank ), die auch im vorliegenden Verfahren kontoführende Banken der drei Geschädigten waren. Kann unter diesen Umständen aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte insoweit die Überweisungsträger betreffend die Konten der Geschädigten sowohl des abgeschlossenen als auch des vorliegenden Verfahrens jeweils zeitgleich bei der entsprechenden Bank eingereicht hat, stünde der Verurteilung des Angeklagten hier insoweit das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs (Art. 103 Abs. 3 GG) entgegen.
9
d) Die Verurteilung des Angeklagten in dem den Geschädigten B. betreffenden Fall („Fälle“ 1 bis 3 der Liste des angefochtenen Urteils) zu der Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten ist von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt und kann deshalb bestehen bleiben. Denn in diesem Fall, dem drei Überweisungsträger zu Grunde liegen, die sämtlich dasselbe Konto des Geschädigten betreffen und unter dem selben Datum (7. Februar 2006) ausgestellt sind, ist der Angeklagte durch die Annahme nur einer Tat unter keinen Umständen beschwert.
10
3. Über die Sache ist deshalb in den „Fällen“ 4 bis 21 der Liste unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes neu zu entscheiden. Neuer Feststellungen bedarf es jedoch nur zu den tatsächlichen Umständen des Gebrauchmachens von den vom Angeklagten gefälschten Überweisungsträgern. Die übrigen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben.
11
Die Aufhebung des Urteils in den genannten Fällen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Auch insoweit bedarf es deshalb einer neuen tatrichterlichen Entscheidung.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 446/10
vom
26. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 22. April 2010 im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung im Gesamtstrafenausspruch; im Übrigen ist die Revision unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Angeklagte zwischen Februar 2002 und August 2003 seinen damals 12 bzw. 13 Jahre alten Stiefsohn M. W. in zwei Fällen, an ihm den ungeschützten Analverkehr zu vollziehen. Unter Darlegung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer zunächst zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten gebildet. Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung hat sie die im Urteil des Landgerichts Koblenz vom 1. September 2005 ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten aufgelöst und die dortigen 114 Einzelfreiheitsstrafen, die sich zwischen neun Monaten und drei Jahren bewegen, einbezogen. Insoweit hat das Landgericht ausgeführt, es habe "unter nochmaliger Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände" sowie unter Berücksichtigung des "zeitlichen und situativen Zusammenhangs zwischen den einzelnen Taten" die Einzelstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von (wiederum) sechs Jahren und sechs Monaten zurückgeführt (UA S. 19).
3
Die der Vorverurteilung vom 1. September 2005 zugrunde liegenden Taten betrafen den (teilweise: schweren) sexuellen Missbrauch der weiteren Stiefkinder des Angeklagten, J. und M. C. W. , sowie des Kindes S. zwischen April 1997 und Dezember 2004. Drei der abgeurteilten Taten, die zwischen August und Dezember 2004 stattfanden, erfolgten im Beisein des zu diesem Zeitpunkt 15jährigen M. W. . Im Rahmen einer verfahrensbeendenden Verständigung jenes Verfahrens hatte die Staatsanwaltschaft für den Fall der geständigen Einlassung des Angeklagten die "wohlwollende Prüfung" der Einstellung eines weiteren, wegen Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des M. W. laufenden Ermittlungsverfahrens zugesagt. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens stellte die Staatsanwaltschaft dieses Ermittlungsverfahren am 15. September 2005 gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein.
4
Aufgrund einer erneuten Vernehmung des M. W. am 23. April 2009 hat die Staatsanwaltschaft das hiesige Verfahren eingeleitet und insgesamt sechs Taten zum Nachteil dessen angeklagt. Im Hinblick auf vier dieser Taten, die der Geschädigte bereits 2005 geschildert hatte und die Gegenstand des eingestellten Verfahrens waren, hat das Landgericht das Verfahren im Rahmen der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
5
2. Die Einzelstrafaussprüche weisen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hält jedoch rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
a) Die Bemessung der Gesamtstrafe ist auch im Falle ihrer nachträglichen Bildung nach §§ 55, 54 Abs. 1 StGB ein eigenständiger und zu begründender Zumessungsakt (vgl. Senat, Beschluss vom 5. August 2010 - 2 StR 340/10; BGH, Beschluss vom 13. November 2008 - 3 StR 485/08), der unter zusammenfassender Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten durch angemessene Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) erfolgt. Dabei kann die Erhöhung der Einsatzstrafe geringer ausfallen , wenn zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht, da die wiederholte Begehung gleichartiger Taten der Ausdruck einer niedriger werdenden Hemmschwelle sein kann. Andererseits kann hierin aber je nach den Umständen des Einzelfalles auch ein Indiz für eine besondere kriminelle Energie (§ 46 Abs. 2 StGB) gesehen werden. Gerade bei Sexualdelikten kann die mildernde Wirkung der sinkenden Hemmschwelle durch den ständigen Druck ausgeglichen sein, dem das Opfer dadurch ausgesetzt ist, dass es jederzeit mit einer neuen Tat rechnen muss (BGH, Beschluss vom 25. August 2010 - 1 StR 410/10 mwN). Auch zeitlich weit auseinander liegende Taten gegen verschiedene Rechtsgüter sprechen eher für eine deutliche Erhöhung der Einsatzstrafe (Fischer StGB 58. Aufl. § 54 Rn. 10).
7
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Tatgericht die Gründe für die Zumessung nicht nur hinsichtlich der neu hinzutretenden Einzelstrafen, sondern auch hinsichtlich der Gesamtstrafe nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO im Urteil anzuführen (BGH NStZ 1987, 183; NJW 1953, 1360). Dabei sind an die Begründung der Gesamtstrafenhöhe umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die Strafe der oberen oder unteren Grenze des Zulässigen nähert.
8
b) Diesen Anforderungen wird die Begründung des Landgerichts nicht gerecht. Sie lässt eine Überprüfung der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe, insbesondere der sie tragenden Strafzumessungserwägungen nicht zu. Der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe war deshalb aufzuheben, weil nicht sicher auszuschließen ist, dass er auf dem Rechtsfehler beruht.
9
Die Revision rügt zu Recht, dass es das Landgericht unterlassen hat, entsprechend § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO in den Urteilsgründen die Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Höhe der Gesamtstrafe bestimmend waren. Die formelhafte Begründung der Kammer lässt nicht erkennen, dass sie gesamtstrafenspezifische strafschärfende Umstände, wie etwa die Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung von insgesamt vier Kindern und den langen Tatzeitraum von über sieben Jahren, berücksichtigt hat. Die Erwähnung des zeitlichen und situativen "Zusammenhangs" lässt besorgen, dass die Kammer nur die Vielzahl der gegen das gleiche Rechtsgut gerichteten Fälle und dies mildernd berücksichtigt hat, ohne dabei zu bedenken, dass der sexuelle Missbrauch in vielfältiger Art und Weise und nicht nur zu Lasten der Stiefkinder stattfand , er sich gegen Kinder beiderlei Geschlechts richtete und der Angeklagte in unterschiedlichsten Konstellationen teilweise auch mehrere Kinder gleichzeitig missbrauchte.
10
Die Begründung des Landgerichts wird auch den vorliegend erhöhten Anforderungen nicht gerecht, die sich daraus ergeben, dass die gebildete Gesamtstrafe mit sechs Jahren und sechs Monaten die unterste Grenze des Zulässigen darstellt, weil die Höhe einer aufgelösten Gesamtfreiheitsstrafe bei der Bildung der (neuen) Gesamtstrafe nicht unterschritten werden darf (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2001 - 4 StR 329/01; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 55 Rn. 31).
11
Die Bemessung der Gesamtstrafe an der untersten Grenze des Zulässigen lässt zudem besorgen, dass sich die Kammer aufgrund der Verständigung in dem vorangegangenen Verfahren an die dort zugesagte Strafobergrenze gebunden gefühlt hat.
12
3. Da die Gesamtstrafe wegen eines Wertungsfehlers aufgehoben wird, können - auch im Blick auf die aufrechterhaltenen Einzelstrafaussprüche - die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen durch den neuen Tatrichter sind möglich.
13
Der Senat hat nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1b StPO den neuen Tatrichter auf eine Entscheidung im Beschlusswege gemäß §§ 460, 462 StPO zu verweisen. In Fällen, in denen - wie hier - dem Tatgericht bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe echte Zumessungsfehler unterlaufen sind, ist das Beschlussverfahren in der Regel ungeeignet (vgl. BGH, StV 2006, 402).

Frau VRinBGH Prof. Dr. Rissing-van Saan Fischer Schmitt ist wegen Eintritts in den Ruhestand an der Unterschriftsleistung gehindert.
Fischer Herr RiBGH Dr. Eschelbach ist wegen Ott Erkrankung an der Unterschriftsleistung gehindert.
Fischer

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 514/07
vom
6. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. März 2008, an
der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 18. Juni 2007 im Strafausspruch mit den Feststellungen zu Art, Grund und Ausmaß einer Verfahrensverzögerung aufgehoben; die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen" unter Einbeziehung von Vorstrafen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Revision des Angeklagten und die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte und im Ergebnis vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Sachbeschwerde.
2
I. Revision der Staatsanwaltschaft
3
Das Rechtsmittel hat vollen Erfolg.
4
1. Zwar zeigt die Staatsanwaltschaft keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf, soweit sie beanstandet, das Landgericht habe einzelne Strafzumessungsgesichtspunkte nicht berücksichtigt oder in die Straffindung einbezogene Aspekte nicht in hinreichendem Maße strafschärfend gewichtet; denn es ist weder ersichtlich, dass das Landgericht einen bestimmenden und daher im Urteil notwendig zu erörternden (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) Zumessungsgrund außer Betracht gelassen hätte, noch wird erkennbar, dass es einen von ihm zur Bestimmung der Strafe herangezogenen Aspekt in rechtlich relevanter Weise fehlbewertet hätte. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin haben sich auch weder die Einzelstrafen noch die Gesamtstrafe, die das Landgericht - ohne Berücksichtigung der Verfahrensverzögerung - für schuldangemessen erachtet hat, nach unten von ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein.
5
2. Jedoch begegnet die vom Landgericht für die Verletzung des Gebots einer zügigen Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) vorgenommene Kompensation durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
Die Strafkammer hat an sich Einzelstrafen von zweimal drei Jahre, einmal zwei Jahre und neun Monate, zweimal zwei Jahre und sechs Monate, zweimal ein Jahr und sechs Monate sowie - unter Einbeziehung von zwei Vorstrafen (drei Monate Freiheitsstrafe und 40 Tagessätze zu je 20 € Geldstrafe) - eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten als verwirkt angesehen. Es hat sodann zum Aus- gleich der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von insgesamt 24 Monaten von allen eigentlich als schuldangemessen erachteten Einzelstrafen einen bezifferten Strafabschlag von jeweils sechs Monaten vorgenommen und unter Einbeziehung der beiden Vorstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verhängt.
7
Dies hält sachlichrechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht der Kompensation in rechtsfehlerhafter Weise nur unzureichende Feststellungen zu Grunde gelegt hat. Es hat die gesamte Verfahrensdauer vom Abschluss der Vernehmungen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren (April 2005) bis zum Beginn der - nach Aussetzung neu terminierten - Hauptverhandlung (4. Mai 2007) uneingeschränkt und pauschal als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angesehen. Die gebotenen konkreten Feststellungen zu Art, Ausmaß und Ursachen der in verschiedenen Verfahrensabschnitten aufgetretenen Verzögerungen hat es damit nicht getroffen. Es hat insbesondere auch nicht berücksichtigt, dass in dem herangezogenen Gesamtzeitraum notwendige, den Fortgang des Verfahrens fördernde Tätigkeiten vorgenommen wurden, deren Erledigung jeweils eine angemessene Zeit beanspruchen und dauern durften, ohne dass darin eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gesehen werden könnte. Dies gilt etwa für die Bearbeitung der Ermittlungsakte nach Übersendung durch die Polizei an die Staatsanwaltschaft sowie die sich anschließende Abfassung der Anklageschrift, deren gerichtlichen Prüfung und Zustellung sowie die Durchführung des Zwischenverfahrens einschließlich der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Zu berücksichtigen waren ferner die zur Vorbereitung und Terminierung der ersten sowie für die Neuterminierung der zweiten Hauptverhandlung erforderlichen Zeitspannen.

8
Zudem entspricht das vom Landgericht angewandte Kompensationsverfahren ("Strafabschlagslösung") nicht der - nach dem angefochtenen Urteil - geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ("Vollstreckungsmodell"; vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860). All dies führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruches.
9
II. Revision des Angeklagten
10
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Insbesondere die vom Beschwerdeführer im Einzelnen beanstandete Verurteilung wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
11
Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe sind noch ausreichende Feststellungen zum Vorliegen einer Bandenabrede zwischen dem Angeklagten, seinem Cousin und dem weiteren Beteiligten K. für die letzten drei Drogenlieferungen nach V. zu entnehmen. Die Bandenabrede muss nicht ausdrücklich getroffen werden; vielmehr genügt jede Form auch stillschweigender Vereinbarung (vgl. BGH NStZ 2001, 35, 37). Eine solche hat das Landgericht ersichtlich aus dem - konkret festgestellten - wiederholten deliktischen Zusammenwirken des Angeklagten mit den beiden anderen Personen hergeleitet. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH NStZ 2002, 318 f.).
12
Für das Vorliegen einer Bande wäre es - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - im Übrigen rechtlich ohne Belang, wenn die Mitwirkung des als Transporteur des Rauschgifts tätigen Bandenmitglieds K. an den unter die Bandenabrede fallenden drei Taten - was das Landgericht nicht ausdrücklich festgestellt hat - jeweils als Beihilfe und nicht als Täterschaft anzusehen wäre (vgl. BGH aaO).

13
2. Die Anwendung der Strafabschlagslösung zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (s. o. Ziffer I. 2.) führt hier indessen auch auf die Revision des Angeklagten zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
14
III. Bei der nunmehr gebotenen Durchführung der Kompensation im Wege des Vollstreckungsmodells hat der neue Tatrichter Folgendes zu beachten:
15
1. In der neuen Hauptverhandlung sind zunächst Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellungen dienen zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. In deren Rahmen ist in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer gegebenenfalls ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht.
16
2. Hieran anschließend ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund zur Kompensation die ausdrückliche Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt; ist dies der Fall, so muss diese Feststellung in den Urteilsgründen klar hervortreten. Reicht sie - was hier nahe liegen dürfte - dagegen als Entschädigung nicht aus, so hat das Gericht festzulegen, welcher bezifferte Teil der Strafe - hier der aus mehreren Einzelstrafen zu bildenden Gesamtstrafe - zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss stets im Auge behalten werden, dass die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastungen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es etwa aus, den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.
17
Danach war der - gemessen an der fiktiven Gesamtfreiheitsstrafe vom Landgericht vorgenommene - Strafabschlag bei der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr - selbst bei Zugrundelegung der rechtsfehlerhaft festgestellten Verzögerung von zwei Jahren - zumindest rechtlich bedenklich. Ein solch erheblicher Abschlag hätte - auch im Hinblick darauf, dass keine durch die Verfahrensdauer bedingten individuellen Belastungen des Angeklagten festgestellt oder sonst ersichtlich sind, er lebt - nach rund drei Monaten Untersuchungshaft - seit der Haftverschonung im Februar 2005 wieder in geordneten Verhältnissen - ein erheblich gewichtigeres Ausmaß des Verstoßes gegen das in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK aufgestellte Gebot erfordert (vgl. BGH wistra 2006, 428). Becker Miebach von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 157/08
vom
27. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Mai 2008 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 28. November 2007 im Strafausspruch mit den Feststellungen zur Verfahrensverzögerung aufgehoben; die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf verfahrensund sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die vom Landgericht für die Verletzung des Gebots einer zügigen Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) vorgenommene Kompensation begegnet hier durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Die Strafkammer hat an sich Einzelstrafen von dreimal einem Jahr und sechs Monaten, zweimal einem Jahr, zweimal neun Monaten, einmal drei Jahre und zehn Monaten und eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten als verwirkt angesehen. Es hat sodann zum Ausgleich der festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von knapp 16 Monaten von allen eigentlich als schuldangemessen erachteten Einzelstrafen einen bezifferten Strafabschlag von jeweils drei Monaten vorgenommen und eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verhängt.
4
Die vom Landgericht bei der Kompensation gewählte Verfahrensweise ("Strafabschlagslösung") entspricht nicht der nach Verkündung des angefochtenen Urteils geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ("Vollstreckungsmodell"; vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860). Dadurch ist der Angeklagte beschwert, weil sich durch das Vollstreckungsmodell der Zeitpunkt, zu dem ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden kann, nach vorne verlagert. Der nicht vorbestrafte Angeklagte könnte deshalb - bei Vorliegen der übrigen, nicht von vornherein ausgeschlossenen Voraussetzungen des § 57 StGB - früher als nach dem Strafabschlagsmodell aus dem Strafvollzug entlassen werden.
5
2. Bei der nunmehr gebotenen Durchführung der Kompensation im Wege des Vollstreckungsmodells wird der neue Tatrichter Folgendes zu beachten haben (s. im Einzelnen BGH NJW 2008, 866 f.):
6
a) Auch bei der jetzt gebotenen Anwendung des Vollstreckungsmodells sind Art und Ausmaß der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung konkret zu ermitteln und im Urteil darzustellen. Hierbei wird zu beachten sein, dass nicht - wie in der angefochtenen Entscheidung angenommen - die gesamte Verfahrensdauer von der Anklageerhebung bis zum Beginn der Hauptverhandlung uneingeschränkt und pauschal als rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angesehen werden kann. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass in diesem Zeitraum auch notwendige, den Fortgang des Verfahrens fördernde Tätigkeiten vorgenommen wurden, deren Erledigung jeweils eine angemessene Zeit beanspruchen und dauern durfte, ohne dass darin eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gesehen werden könnte (vgl. Senat, Urt. vom 6. März 2008 - 3 StR 541/07). Es wird deshalb festzustellen sein, welcher Zeitraum bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung für die Erledigung der entsprechenden Maßnahmen beansprucht werden durfte. Dieser ist bei der Berechnung der Dauer der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht zu berücksichtigen.
7
b) Der neue Tatrichter wird sodann zunächst nach den Kriterien des § 46 StGB schuldangemessene, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung außer Acht lassende Einzelstrafen festzusetzen und aus diesen eine Gesamtstrafe zu bilden haben. Dabei wird zu prüfen sein, inwieweit der zeitliche Abstand zwischen den begangenen Taten und dem Urteil sowie die Verfahrensdauer als solche bei der Straffestsetzung mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Bezifferung des Maßes der Strafmilderung bedarf es nicht (zu den hierbei durch das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO gezogenen Grenzen vgl. etwa Senat, Beschl. vom 9. April 2008 - 3 StR 71/08).
8
c) Daran anschließend ist im Urteilstenor festzulegen, welcher bezifferte Teil der Gesamtstrafe zur Kompensation der Verzögerung als vollstreckt gilt. Entscheidend für diese Festlegung sind die Umstände des Einzelfalls wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Dabei muss im Auge behalten werden, dass die mit der Verfahrensdauer als solcher verbundenen Belastungen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind und es nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Dies schließt es regelmäßig aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen; vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben.
9
3. Die ungenügenden Feststellungen zur rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung waren aufzuheben, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, insoweit einheitlich neue, ausreichend konkrete Feststellungen zu treffen. Die übrigen Strafzumessungstatsachen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, diesbezüglich ergänzende Feststellungen zu treffen, die indes zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen dürfen. Becker Miebach von Lienen RiinBGH Sost-Scheible befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 238/08
vom
9. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 5. November 2007 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit es die Angeklagte betrifft, aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die - im Übrigen freigesprochene - Angeklagte wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Strafausspruch und die zugehörigen Feststellungen - soweit es die Angeklagte betrifft - beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Revision beanstandet insbesondere die von der Kammer angenommene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung sowie das Maß der darauf beruhenden Kompensation. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

I.


2
Die vom Landgericht für die Verletzung des Gebots einer zügigen Verfahrenserledigung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG vorgenommene Kompensation begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
1. Die Strafkammer hat an sich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten als verwirkt angesehen. Sie hat sodann zum Ausgleich für eine von ihr bejahte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von vier Monaten von der eigentlich als schuldangemessen erachteten Freiheitsstrafe einen bezifferten Strafabschlag von sechs Monaten vorgenommen und gegen die zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens inhaftierte Angeklagte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt.
4
2. Dies hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Landgericht der Kompensation in rechtsfehlerhafter Weise nur unzureichende Feststellungen zu Grunde gelegt hat. Der Senat kann offenlassen, ob ein sachlich-rechtlicher Fehler schon allein darin liegt, dass das Landgericht bei der Frage, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt, auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 19. Dezember 2006 verwiesen hat, der eine Entscheidung über die weitere Haftfortdauer betreffend den früheren Mitangeklagten K. W. zum Gegenstand hat. Jedenfalls genügt diese bloße Bezugnahme hier nicht, weil das Landgericht bei der Beurteilung des Vorliegens einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einen anderen Maßstab anzulegen und eine andere Abwägung zu treffen hatte als das Oberlandesgericht. http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=30&S=225 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=30&S=225&I=227 - 5 -
5
a) Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung sind als Grundlage der Kompensation Art, Ausmaß und Ursachen der Verfahrensverzögerung zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen. Diese Feststellungen dienen zunächst als Grundlage für die Strafzumessung. Insofern hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen die Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Festsetzung der Strafe mildernd zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden Erörterungen sind als bestimmende Strafzumessungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen, § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (st. Rspr.; vgl. nur BGH - GS - NJW 2008, 860, 866; BGH, Beschl. vom 9. April 2008 - 3 StR 71/08; Beschl. vom 11. März 2008 - 3 StR 54/08). Dabei muss grundsätzlich jedes Strafurteil aus sich heraus verständlich sein (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 30, 225, 227; BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Bezugnahme 1; BGH NStZ-RR 2007, 22). Gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen dürfen deshalb in der Regel nicht durch Bezugnahmen ersetzt werden, da es ansonsten sachlichrechtlich an der Möglichkeit einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht fehlt (BGH NStZ-RR 2007, 22 m.w.N.).
6
b) Gemessen an diesen Maßstäben erscheinen die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils nicht unbedenklich. Die Kammer führt lediglich pauschal aus, ohne nähere Einzelheiten zu den jeweiligen Verfahrensschritten festzustellen , die Tat liege vier Jahre zurück, die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft und die Anklage datierten vom 20. Oktober 2005. Am 2. März 2006 habe die Kammer über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden, die Hauptverhandlung habe am 4. Oktober 2006 begonnen und über ein Jahr gedauert. Weiter legt sie dar, dass „nach den Feststellungen des OLG Bamberg im Beschluss vom 19.12.2006“ (in dem wiederum auf den hinsichtlich des frü- heren Mitangeklagten K. W. ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Oktober 2006, StV 2007, 254, verwiesen wird) „es zu einer vermeidbaren Verfahrensverzögerung von 4 Monaten gekommen“ sei, „da der ursprünglich bestimmte Hauptverhandlungstermin vom 17.05.2006 aufgehoben“ worden sei (UA S. 82/83).
7
aa) Damit beschränkt sich das Landgericht auf die bloße Aneinanderreihung der zeitlichen Abläufe und die Wiedergabe einer wertenden Beurteilung eines anderen Gerichts in einer Entscheidung über die weitere Haftfortdauer betreffend den früheren Mitangeklagten K. W. . Die gebotenen konkreten Feststellungen zum Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in Bezug auf die Angeklagte H. W. hat es damit jedoch nicht getroffen.
8
(1) Insbesondere hat die Strafkammer weder die Gründe für die Neuterminierung mitgeteilt, noch die zur Vorbereitung und Terminierung des neuen, zudem nach einem Wechsel des Kammervorsitzes und des Berichterstatters in neuer Gerichtsbesetzung stattfindenden Hauptverhandlungstermins erforderlichen Zeitspannen erkennbar berücksichtigt (vgl. BGH, Beschl. vom 6. März 2008 - 3 StR 514/07). Es wäre aber festzustellen gewesen, welcher Zeitraum bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung für die Erledigung der entsprechenden Maßnahmen in der vorliegenden umfangreichen Wirtschaftstrafsache, die wegen mehrerer Tatkomplexe gegen zwei Angeklagte geführt wurde, beansprucht werden durfte. Denn dieser ist bei der Berechnung der Dauer der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht einzubeziehen (vgl. BGH, Beschl. vom 27. Mai 2008 - 3 StR 157/08; zur Vorbereitung und Terminierung in Wirtschaftsstrafsachen vgl. BGH NJW 2008, 2451, 2453 f.).
9
(2) Außerdem hat sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass der Umstand, dass das Strafverfahren während eines einzelnen Verfahrensabschnitts verzögert betrieben wurde, für sich allein keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK begründet, wenn das Strafverfahren insgesamt in angemessener Zeit abgeschlossen wurde (BGH NStZ 2004, 504; NStZ-RR 2007, 150, 151; vgl. auch EGMR, Urt. vom 15. Juli 2005 - 57019/00). Bei der Prüfung, ob eine Strafsache insgesamt in angemessener Frist (im verbindlichen englischen Originaltext „…within a reasonable time…“) i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verhandelt worden ist, sind neben der gesamten Dauer von dem Zeitpunkt an, in dem die Beschuldigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wurde, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Art und die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrens, die Art und Weise der Ermittlungen, das Verhalten der Beschuldigten sowie das Ausmaß der mit dem andauernden Verfahren verbundenen Belastungen für die Beschuldigte als maßgebende Kriterien festzustellen und zu berücksichtigen (BGH NStZ 2004, 504).
10
bb) Der Senat lässt - wie oben dargelegt - offen, ob für die Beurteilung dieser an sich notwendigen eigenen Darlegungen im Urteil der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg, auf den das landgerichtliche Urteil verweist, und der dort enthaltene Hinweis auf die veröffentlichte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG StV 2007, 254) ergänzend herangezogen werden können. Die bloße Bezugnahme auf diese Entscheidungen verbietet sich vorliegend jedenfalls deshalb, weil das Tatgericht bei der Bewertung des Bestehens einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung einen anderen Maßstab anzulegen und eine andere Abwägung zu treffen hatte, als dies im Rahmen der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Oberlandes- gerichts betreffend die Haftfortdauer des früheren Mitangeklagten K. W. der Fall war.
11
(1) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG garantieren das Recht eines jeden Angeklagten auf gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener Frist. Dieser Grundsatz gilt für die gesamte Dauer des Strafverfahrens vom Zeitpunkt der Kenntnis des Beschuldigten von den gegen ihn gerichteten Ermittlungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens (BGH StV 2002, 598; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 80 ff. m.w.N.). Unabhängig davon besteht der Anspruch des aus Gründen der Prozesssicherheit inhaftierten Angeklagten „auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung“ aus der Haft, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Der für die Beurteilung der insoweit angemessenen Dauer maßgebende Fristbeginn ist hierbei zunächst der tatsächliche Beginn der Freiheitsentziehung, das maßgebliche Fristende der Erlass des erstinstanzlichen Urteils (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 5 MRK Rdn. 116, 117).
12
(2) Die „angemessene Frist“ für die Untersuchungshaft ist dabei wesentlich kürzer bemessen und unterliegt strengeren Anforderungen als die Frist, binnen der das Strafverfahren durchgeführt sein muss. Während für die Unangemessenheit der Verfahrensdauer als Maßstab der Zeitraum gilt, der für die sachgerechte Erledigung des jeweiligen Verfahrens bei ordnungsgemäßer Bearbeitung im normalen Verfahrensbetrieb notwendig ist, ist bei der Frage der weiteren Haftfortdauer regelmäßig nur die bei größtmöglicher Beschleunigung erreichbare Minimaldauer hinnehmbar (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 5 MRK Rdn. 114; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl. Rdn. 828). Damit können die Fristen für die Verfahrenserledigung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG länger sein als die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gesetzten , in denen über eine Freiheitsentziehung zu entscheiden ist.
13
(3) Hinzukommt, dass - anders als bei der Frage der Angemessenheit der Dauer des gesamten Strafverfahrens - die Angemessenheit der Dauer der Haft nicht rückblickend zu beurteilen ist, sondern ex ante von der jeweils gegebenen , aktuellen Verfahrenslage aus (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 5 MRK Rdn. 115).
14
(4) Eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist demnach nicht zwangsweise zugleich auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (so bereits EGMR, Matznetter/Österreich, Urt. vom 10. November 1969 - 2178/64; vgl. auch Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 76; Paeffgen in SK-StPO 57. Lfg. Art. 5 MRK Rdn. 61). Dies gilt erst recht in einem Verfahren , das - wie gegenständlich - gegen mehrere Angeklagte geführt wird: Während ein bestimmter Verfahrensablauf für einen, noch dazu inhaftierten Mitangeklagten einen Verstoß gegen das in Haftsachen gebotene Beschleunigungsgebot darstellen kann, muss dies für die andere, nicht in Haft befindliche Angeklagte keineswegs zwangsläufig eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK begründen. Ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt ist vielmehr nach den individuellen Umständen des Einzelfalles - insbesondere unter Berücksichtigung der persönlichen Auswirkungen der Verfahrensdauer für den jeweiligen Betroffenen - für jeden Angeklagten eigenständig zu beurteilen (vgl. BGH, Beschl. vom 21. Juli 2005 - 1 StR 78/05). Dies hat die Strafkammer verkannt.
15
3. Die verhängte Freiheitsstrafe kann aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht für die von ihm angenommene Verfahrensverzögerung von vier Monaten einen Strafabschlag von sechs Monaten gewährt hat. Dies überschreitet die Grenzen des dem Tatrichter insoweit zuzubilligenden Beurteilungsspielraums und erweist sich daher als rechtsfehlerhaft.
16
a) Allgemeine Kriterien für die Festlegung der für erforderlich erachteten Kompensation lassen sich zwar nicht aufstellen. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles. Jedoch ist im Auge zu behalten, dass die Verfahrensdauer als solche sowie die damit verbundenen Belastungen der Angeklagten - wie auch vorliegend - bereits strafmildernd in die Strafzumessung eingeflossen sind. In diesem Punkt der Rechtsfolgenbestimmung geht es daher nur mehr um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Verzögerung. Dies schließt es regelmäßig aus, etwa den Anrechnungsmaßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB heranzuziehen und das Maß der Anrechnung mit dem Umfang der Verzögerung gleichzusetzen. Vielmehr wird sich die Anrechnung häufig auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken haben (BGH - GS - NJW 2008, 860, 866; BGH, Beschl. vom 6. März 2008 - 3 StR 50/07; Beschl. vom 11. März 2008 - 3 StR 54/08).
17
b) Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte liegt die vom Landgericht vorgenommene Reduzierung der ohne die angenommene Verfahrensverzögerung von vier Monaten als verwirkt erachteten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten um sechs Monate nicht mehr im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Das Landgericht hat damit nicht nur eine Anrechnung entsprechend dem Maßstab des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB vorgenommen, sondern eine solche in Höhe des eineinhalbfachen der von ihm bejahten Verzögerung und somit einen Abschlag von einem Drittel der eigentlich als tat- und schuld- angemessen angesehenen Freiheitsstrafe gewährt. Damit hat das Landgericht der Angeklagten eine Strafreduzierung zugebilligt, die zu einer Verkürzung der gegebenenfalls noch zu vollstreckenden Strafe in einem Umfang führt, der nicht einmal durch eine viermonatige inländische Untersuchungshaft hätte erreicht werden können (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB; BGH StV 2008, 299). Ein derart hohes Maß an Kompensation könnte nur ausnahmsweise durch deutlich gravierendere individuelle Belastungen der zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens inhaftierten Angeklagten infolge der Verfahrensverzögerung als der hier festgestellten gerechtfertigt sein (vgl. BGH StV 2007, 461, 462).
18
4. Schließlich entspricht das vom Landgericht angewandte Kompensationsverfahren („Strafabschlagslösung“) nicht der - nach dem angefochtenen Urteil - geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK („Vollstreckungsmodell“; vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860 ff.).

II.


19
Der Strafausspruch sowie die zugehörigen Feststellungen waren deshalb - soweit es die Angeklagte betrifft - aufzuheben, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, insoweit einheitlich neue, ausreichend konkrete Feststellungen zu treffen. Damit entfällt auch die Grundlage der Entscheidung des Landgerichts über die Strafaussetzung zur Bewährung.

III.


20
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
21
1. Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird die für eine mögliche Verletzung des Gebots einer zügigen Verfahrenserledigung maßgeblichen Umstände als gerichtskundige Tatsachen zu behandeln haben und sich diese Kundigkeit im Freibeweisverfahren verschaffen können (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11).
22
2. Es wird zu bedenken haben, dass nicht jede geringfügige Verzögerung - zumal in einer komplexen Wirtschaftsstrafsache mit nicht nur einer Angeklagten - bereits unangemessen und rechtsstaatswidrig ist (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Juli 2008 - 2 StR 283/08). Insbesondere führt ein lediglich vorübergehender Engpass in der Arbeits- und Verhandlungskapazität der Strafverfolgungsbehörden nicht zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (BGH StraFo 2005, 24).
23
3. Für den Fall, dass auch das neue Tatgericht nach den neu zu treffenden Feststellungen zu der Überzeugung gelangt, dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK vorliegt, so erscheint eine durch die Neuterminierung eingetretene Verfahrensverzögerung von - wie bisher festgestellt - vier Monaten jedoch denkbar gering. Insofern wird auch der Umstand Bedeutung erlangen, dass nach dem Vortrag der Revision als (Mit-)Ursache für die lange Dauer der Hauptverhandlung das Prozessverhalten der Angeklagten (vgl. RB S. 11) ebenfalls in Betracht kommt. Bei diesen Gegebenheiten ist zu berücksichtigen, dass zur Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung die bloße ausdrückliche Feststellung des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ausreichen kann und ein darüber hinaus gehender Ausgleich nach der „Vollstreckungslösung“ nicht in jedem Fall geboten ist (vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860, 866; BGH, Beschl. vom 21. Februar 2008 - 4 StR 666/07). Dies gilt umso mehr, als dem Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie dem wegen der Verfah- rensdauer vom Landgericht angenommenen - an sich aber fern liegenden und jedenfalls konkret nicht belegten - psychischen Druck auf die nicht inhaftierte Angeklagte bereits im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist.
Nack Wahl Elf Graf Sander

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 226/13
vom
12. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. September 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 15. November 2012, soweit es ihn betrifft ,
a) im Strafausspruch zu II.2 der Urteilsgründe
b) im Gesamtstrafenausspruch sowie
c) hinsichtlich der Kompensationsentscheidung zum Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall tateinheitlich mit schwerer Körperverletzung und mit Beteiligung an einer Schlägerei, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt und drei Monate der Strafe als voll- streckt erklärt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der Strafausspruch im Fall II.2 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat es nicht nur versäumt, einen minderschweren Fall nach § 226 Abs. 3 StGB zu prüfen. Es hat vor allem bei der konkreten Straffestsetzung bestimmende Umstände unerwähnt gelassen, die zu Gunsten des Angeklagten hätten berücksichtigt werden müssen. Der Angeklagte war zusammen mit drei weiteren Personen an einer Schlägerei beteiligt , bei der es durch mit großer Brutalität gegen Kopf und Körper geführte Tritte zu schweren Verletzungen eines Tatopfers gekommen ist. Zu Recht hat zwar das Landgericht dem Angeklagten diese nicht von ihm begangenen Tathandlungen im Wege der Mittäterschaft zugerechnet; es hätte im Rahmen der Strafzumessung allerdings - wie bei der Strafzumessung im Fall II.1, bei dem die Strafkammer berücksichtigt hat, dass der Tatbeitrag des Angeklagten geringer gewesen sei als derjenige des Mittäters - in den Blick nehmen müssen, dass der Angeklagte selbst an diesen Tathandlungen nicht konkret beteiligt war, sein Beitrag sich vielmehr im Wesentlichen in einem folgenlos gebliebenen Angriff auf ein anderes Mitglied der fremden Gruppe und in weiterer, nicht näher erläuterter Beteiligung an der folgenden Schlägerei erschöpfte. Soweit die Kammer darüber hinaus die erheblichen Verletzungen des Tatopfers zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, die Ausdruck eines besonderen Maßes an Brutalität seien, die das Gesamtgeschehen geprägt hätten, lässt sie damit außer Acht, dass diese Brutalität gerade nicht unmittelbarer Ausdruck des von dem Angeklagten gezeigten Verhaltens ist. Der Senat kann - schon angesichts einer im Vergleich zum mitangeklagten Anführer der Gruppe Y. hohen Freiheitsstrafe - nicht ausschließen, dass eine sachgerechte Einordnung des Angeklagten und seines Verhaltens in das Tatgeschehen zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe geführt hätte.
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2. Der Wegfall des Strafausspruchs im Fall II.2 der Urteilsgründe führt ohne Weiteres zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
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3. Auch der Ausspruch über die Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat keinen Bestand. Die Kammer legt den Umfang der von ihr angenommenen Verfahrensverzögerung nicht dar, so dass der Senat nicht prüfen kann, ob die angeordnete Kompensation dem angenommenen Konventionsverstoß gegen Art. 6 I EMRK angemessen Rechnung trägt. Bei der Prüfung wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer zu berücksichtigen haben, dass einer Kompensation in geringerem Umfang als bisher das Verbot der reformatio in peius entgegenstehen würde. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 502/13
vom
28. Januar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Gläubigerbegünstigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Januar 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 21. Juni 2013 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Gläubigerbegünstigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es angeordnet, dass zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Monate der Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, da das Landgericht die geständige Einlassung des Angeklagten in den Strafzumessungsgründen nicht ausdrücklich erwähnt hat.
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a) Das Geständnis eines Angeklagten ist ein bestimmender Strafzumessungsgrund gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1997 – 4 StR 539/97, StV 1998, 481). Ihm kann eine strafmildernde Bedeutung nur abgesprochen werden, wenn es ersichtlich nicht aus einem echten Reue- und Schuldgefühl heraus abgegeben worden ist, son- dern auf „erdrückenden Beweisen“ beruht (BGH,Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209; Beschluss vom 3. Dezember 1998 – 4 StR 606/98, DAR 1999, 195 f.).
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b) Daran gemessen waren die Angaben des Angeklagten hier nicht bedeutungslos. Das Landgericht hat seine Überzeugung an mehreren Stellen (Zweck der Scheckausstellung und -hingabe, Umstände der Einlösung, Höhe der Forderung des Angeklagten usw.) auch auf entsprechende Bekundungen des Angeklagten gestützt. Durch seine in keinem Punkt als widerlegt oder unglaubhaft bewerteten Angaben wurde die geständige Einlassung des Mitangeklagten H. bestätigt und ergänzt. Für die Annahme, dass die Angaben des Angeklagten nur auf prozesstaktischen Erwägungen beruhten und ihnen deshalb keinerlei Bedeutung zukommen konnte, findet sich in den Urteilsgründen kein Anhaltspunkt. Zwar kann aus der Tatsache, dass ein für die Strafzumessung bedeutsamer Punkt nicht ausdrücklich angeführt worden ist, nicht ohne Weiteres geschlossen werden, der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (BGH, Urteil vom 17. Juli 1996 – 5 StR 121/96, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Geständnis 1). Das Landgericht hat aber die Angaben des Angeklagtenlediglich als „Einlassungen“, die des Mitangeklagten H.
hingegen als „geständige Einlassungen“ (UA S. 16)bezeichnet und allein das Einlassungsverhalten des Mitangeklagten in der Strafzumessung strafmildernd gewertet. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht auszuschließen, dass das Landgericht die strafmildernde Bedeutung der Einlassung des Angeklagten verkannt hat.
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2. Obgleich der Strafausspruch und die Kompensationsentscheidung grundsätzlich einer getrennten Beurteilung zugänglich sind (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135 Rn. 8), hebt der Senat den gesamten Rechtsfolgenausspruch auf, um dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu einer umfassenden Neubewertung zu geben. Dabei wird das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) zu beachten sein. Ergänzend hierzu weist der Senat darauf hin, dass ein (vermeidbarer) Verbotsirrtum nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht naheliegt.
6
3. Mit der Teilaufhebung des Urteils ist die Kostenbeschwerde des Angeklagten gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 464 Rn. 20).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin